Kommt alle mal wieder runter!

Robert Habeck hat seinen Twitter- und seinen Facebook-Account gelöscht. Ich halte den Schritt mittelfristig für einen Fehler und keine wirklich durchdachte politische Botschaft, aber ich verstehe sie menschlich.

Was ich nicht verstehe, ist der riesige Bohei, der nun darum veranstaltet wird und der sogar in meine Timelines rüberschwappt. Es gibt Leute, die ihm zustimmen und Leute, die in der Löschung mehr als ein persönliches Statement sehe. Und das ist Okay so. Was ich befremdlich finde, ist die Sprache.

Zum Beispiel bei denen, die sich auf Habecks Seite schlagen:

https://twitter.com/Schroeder_Live/status/1082311198794747905

Zum Beispiel bei denen, die sich nicht auf Habecks Seite schlagen:

https://www.facebook.com/micky.beisenherz/posts/10157331324466535

Habeck wurde gelyncht? Really? Weil er einen Trip ins Alttestamentarische unternahm??? Wovon redet ihr da eigentlich?

KOMMT MAL ALLE WIEDER RUNTER. Man kann auch über Dinge diskutieren, ohne in die absurdesten Metaphern oder Superlative zu verfallen.

Baut größere Briefkästen

Zu Weihnachten ist meine Timeline geradezu angefüllt mit dem Paket-bezogenen Problemen. Von geklauten Paketen mit Glitterbomben über Amazon-Abgesänge bis hin zu dem Paketboten, der es unmöglich schafft, seine Tour zu absolvieren. Leute denken über neue Monopole nach, sie wollen Drohnen losschicken oder Amazon-Besteller finanziell zur Kasse bitten. Amazon hingegen hätte gerne, dass wir seinen Boten einen elektronischen Nachschlüssel zu unseren Kofferräumen oder gar zu unseren Wohnungen geben.

Was ich quasi nie sehe, ist dieser absolut verrückte Lösungsvorschlag: Baut größere Briefkästen.

Wann immer ich an Neubauten vorbeigehe — und die Neubauten hier in Köln sind richtig, richtig teuer — sehe ich, dass das Problem ignoriert wird. Auch die Nobel-Briefkästen sind allenfalls dafür angelegt, dass eine Tageszeitung darin Platz findet – und eine Wochenzeitung nur reingeknuddelt werden kann. Dabei wäre schon ein etwas größerer Briefkasten mit einem deutlich größeren Schlitz ausreichend für einen Großteil der Lieferungen: Ein neuer Pullover von Zalando, eine Schachtel Pralinen vom Weihnachtsversand, die Back-Box mit allen Zutaten für einen Chia-Möhren-Kuchen. Das passt ohne Probleme ihn einen Briefkasten, den man einfach in beliebigen Hauseingängen platzieren könnte. Wenn man denn wollte.

Jedem wäre damit gedient: Die Paketboten müssten nicht klingeln oder Nachbarn suchen und der Empfänger hätte das Paket direkt bei der Heimkehr zur Hand. Amazon hätte einen Anreiz nicht immer den größten Karton im Lager zu verwenden, wenn auch nur ein Lippenstift mit Wmverpackung geliefert werden soll. Wenn ihr den Zustellern nicht vertrauen wollt, dann packt einen kleinen NFC-Chip in den Briefkasten. Einmal kurz den Zustellcomputer vorhalten ist besser als eine Unterschrift, die eh niemand entziffern kann.

Ich weiß – das ist nicht alles. Ab und zu bestellt man ein paar größere Sachen, die auch nicht in einen größeren Briefkasten passen. Und was mag da wohl die Lösung sein? Ein noch größerer Paketkasten. Schon als ich zu Zeiten der New New Economy ein Praktikum machte — also zu der Zeit als schwarze Socken im Abo der letzte Schrei waren — landete eine Pressemitteilung auf meinem Schreibtisch, in der eine Wohnungsbaugesellshaft ankündigte, dass sie jede Wohnung mit einem Zwei-Wege-Schrank ausstatten wollten. In dem sollten Lieferanten quasi alles deponieren, während der Hausherr in seinem Büro 13-Stunden-Schichten abriss: Von der frisch gereinigten Wäsche bis zum Wocheneinkauf. Ich weiß nicht, was daraus wurde, aber das Konzept sollte sich heute ohne weiteres verkleinern lassen. Eine mittelgroße Paketbox pro zwei Haushalte, ein paar NFC-Chips und vielleicht ein wenig Nachbarschaftkommunikation, wenn zu Weihnachten tatsächlich eine Paketflut anlanden sollte. Baut größere Briefkästen!

ApplePay – Alltagstauglich, doch kein Selbstläufer.

Da grade ApplePay in Deutschland eingeführt wird, schreiben alle über Bezahlen per Handy. Natürlich mit Vorbehalten. So heißt es auf tagesschau.de:

Richtig alltagstauglich ist mobiles Bezahlen aber noch nicht. „Das fängt schon bei den Grundvoraussetzungen an“, kritisiert Maike Strudthoff, Mobile-Payment-Expertin und Autorin für Digitalthemen. „Kunden brauchen das richtige Handy, nämlich NFC-fähig, und müssen die passende Bank haben, die wiederum eine kompatible Zahlungskarte anbietet. Das ist verwirrend und noch nicht unbedingt für die Masse nutzerfreundlich.“

In meinen Augen ist das falsch. Denn wenn die beschriebene Verwirrung erst einmal geklärt ist — fast jeder in der Zielgruppe hat bereits ein NFC-fähiges Handy — ist die Technik sehr alltagstauglich. Denn gerade im Alltag gibt es die Verwirrung nicht mehr: Wir kramen nicht in Handtaschen und Rucksäcken, welches von zehn Handies wir jetzt benutzen sollen. Und wir müssen auch nicht zwischen fünf verschiedenen Girokonten wählen. Einfach das Handy an die bezeichnete Fläche an der Supermarktkasse halten — fertig. In den viel zitierten Bäckerein müssen wir wohl weiterhin bar zahlen – big deal.

Insbesondere die Geschwindigkeit begeistert. Von alten Supermarktkassen bin ich es noch gewohnt, dass man den halben Einkauf einpacken kann, bis denn endlich der Beleg zum Unterschreiben aus der Kasse gezuckelt kommt. Diese Wartepause ist verschwunden.

Ich glaube dennoch, dass diese Zahlungsmethode nicht plötzlich von allen Deutschen adaptiert wird. Aus zwei Gründen:

Zum einen sind mittlerweile auch Kontokarten der verschnarchtesten Sparkassen mit NFC ausgestattet. Der Geschwindigkeitsgewinn ist also kein Alleinstellungsmerkmal des Handyzahlens.

Zum zweiten: Auch wenn Apple seit einem Jahr unentwegt dafür wirbt, dass sie nie, nie, niemals die Daten ihrer Kunden verkaufen (halt nur einen Milliardendeal mit Google, aber Schwamm drüber) – will man wirklich alle Käufe über Silicon Valley und deren Dienstleister abwickeln? Mit dem Hersteller, der buchstäblich den Puls vieler Kunden erfassen kann?

Framing-Vorwürfe als Framing

Es ist wie bei so vielen Befähigungen: Ein bisschen Medienkompetenz ist manchmal schlimmer als gar keine. Gestern fiel mir zum Beispiel dieser Tweet auf, der eifrigst verbreitet wurde:

Quelle: https://twitter.com/mikofLohr/status/1071867429205229570

Die Botschaft des Tweets ist klar: Die Medien benutzen jeden Trick, um die legitimen Proteste in Frankreich als gewalttätig erscheinen zu lassen. Ein klassisches Beispiel von Framing: Jemand wählt einen Bildausschnitt so, dass ein gezielt falscher Eindruck erzeugt wird. So scheint es zumindest.

Doch auch nur eine flüchtige Betrachtung des Ganzen sollte zeigen: Beide Bilder zeigen unterschiedliche Szenen. Die Objektive der Fotografen beim Winzfeuer zeigen nach unten – jemand müsste sich schon unmittelbar vor das Feuerchen legen, um Triumphbogen und Flammen gleichzeitig auf das Bild zu bekommen. Aber selbst dann bekäme man kein annähernd scharfes Bild hin.

Das wichtigere Problem ist aber: Niemand in Paris musste in den letzten Tagen solche Tricks verwenden. Es wimmelt von Fotos, auf denen man brennende Autos sieht — und das sind keine Spielzeugautos, die mit Tele-Objektiven fotografiert wurden. Die Rauchschwaden, das Polizeiaufgebot und das Tränengas über den Champs-Élysées bestimmen die Bildberichterstattung. Und zumindest ein Teil der Demonstranten inszeniert dies absichtlich so – denn nur über drastische Bilder kann man Politiker vermeintlich zum Einlenken bewegen.

Zweites Beispiel: Die Facebook-Präsenz Perlen des Lokaljournalismus zeigt diese Ausschnitte einer ungenannten Zeitung:

Quelle: https://www.facebook.com/perlendeslokaljournalismus/photos/a.260690807442526/1099530543558544/

Ganz klar: Zwei Mal die gleiche Person, jedoch unterschiedliche Namen und Altersangaben. Der hervorgehobene Kommentar (124 Likes!) darunter weiß zwei Erklärungen zu identifizieren – beide wenig schmeichelhaft:

Ist halt die Frage, ob es sich um ein Stockfoto handelt oder der Mann jedem Reporter eine andere Story auftischt :)

Wer jedoch mit der realen Arbeit in Content-Management-Systemen vertraut ist, sollte auf eine andere Erklärung kommen. Jemand hat die „Leute heute“-Rubrik aus einer vergangenen Ausgabe kopiert, um das Format richtig hinzubekommen. Dabei vergaß diese Person jedoch das zugehörige Bild auszuwechseln. Also: Keine Manipulation, lediglich verständliche Schlampigkeit – insbesondere wenn man berücksichtigt, wie wenige Leute heute die Arbeit einer kompletten Lokalredaktion erledigen müssen.

Natürlich sind beide Beispiele keine Skandale, eher Petitessen, über die man einfach hinwegsehen kann. Mich stört jedoch wie Manipulationen als allfälliges Erklärmodell für kleinste wahrgenommene Inkonsistenzen präsentiert werden. Das Quäntchen Medienkompetenz, das in den letzten Jahren erfolgreich vermittelt wurde, dient nicht nur zur Aufklärung der Konsumenten, sondern gleichzeitig auch als willkommene Einladung zur Denkverweigerung. Irgendwer lügt eh.

PS: Die Nachrichtenagentur AFP hat sich dem Tweet gewidmet, der inzwischen auf einem anderen Account 32000 Retweets und eine Reihe irreführender Artikel angesammelt hatte. Ihr Ergebnis: Die Fotos stammen nicht mal vom selben Tag. Das gleiche Ergebnis bei T-Online.

Bedingungsloses Grundeinkommen: Butter bei die Fische

Jeff Bezos ist der vermutlich reichste Mensch der Welt. Laut Forbes.com betrug sein Vermögen im September 167 Milliarden Dollar, also 146 Milliarden Euro. Natürlich schrumpft das Vermögen, wenn er tatsächlich Amazon verkaufen sollte – sagen wir also der Einfachheit halber: er hat 100 Milliarden Euro in bar. Das hieße, er könnte einer Stadt mit 100.000 Bewohnern auf 100 Jahre ein Bedingungsloses Grundeinkommen von 10000 Euro pro Jahr garantieren. Oder einer Stadt mit einer Million Einwohner fünf Jahre lang ein Einkommen von 20000 Euro pro Jahr. Beides – und die Zwischenstufen — wären lohnende Experimente.

Das Geld der Anderen

In der Schweiz scheitert grade ein Projekt, das 770 Einwohnern eines Dorfes ein altersabhängiges Grundeinkommen zwischen 551 und 2200 Euro auszahlen sollte. Für ein Jahr. Der Grund für das Scheitern: Es gab zu wenig Leute, die Geld verschenken wollten. Ich finde das nur allzu verständlich. Denn ein paar Dorfbewohnern Geld in die Hand zu drücken ist kein Experiment in neuen Lebensformen, es ist schlichtweg eine Werbekulisse. Als ob ein James-Bond-Film im Dorf gedreht wird und plötzlich jeder Bauer seine Scheune teuer vermieten kann und Achtjährige Statistenhonorare kassieren. Alle freuen sich, jedem geht es besser. Ist der Film abgedreht, ist das Experiment wieder vorbei, ist hoffentlich alles wieder wie vorher. Plus ein wenig Geld. Für ein neues Scheunendach oder die Ausbildung des Achtjährigen.

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen minus Geld von anderen ergibt: Nichts.

Wenn ich von solchen Pseudo-Experimenten lese, bin ich immer etwas erstaunt: Was wollen die Leute da noch lernen? Es ist eigentlich schon gut genug dokumentiert: Wenn Leute etwas mehr Ressourcen haben, geht es ihnen besser. Sie können Investitionen tätigen, zum Beispiel in einen Karrierewechsel. Leute wissen sich zu beschäftigen. Die wenigsten werden sich für ein Jahr faul hinlegen und Playstation spielen. Selbst die Trump-Kinder haben Jobs. (Man sollte bei den Experimenten natürlich drauf achten, dass keine Heroin-Süchtigen oder Alkoholiker im Endstadium mitmachen – das gäbe mitunter unschöne Bilder. Und natürlich: Keine Trump-Kinder.)

Grundeinkommen brauchen Grundzahler

Rein auf Empfängerseite könnte man allenfalls mit langfristigen Effekten experimentieren, also wenn das Grundeinkommen für zehn Jahre und mehr garantiert ist. Welche Auswirkungen hat ein Grundeinkommen beispielsweise auf die Mieten? Müssen öffentliche Schulen schließen, weil die Kinder nun alle auf eine Privatschule gehen? Können Zugezogene auch partizipieren? Poolen die Leute ihr Geld, um Infrastrukturen wie dringend benötigte Dämme zu bezahlen? Wie sieht es aus mit der Lohnverteilung: Wenn niemand mehr für vier Euro im Schlachthaus schuften will, halbieren die Grundeinkommens-Empfänger dann ihren Fleischkonsum? Was in dem Experiment verhindert werden muss: Dass die Teilnehmer einfach in die Nachbarstadt fahren und dort Waren mitbringen, die unter Nicht-Grundeinkommens-Bedingungen entstehen.

Auch diese Experimente würden nur einen ungefähren Eindruck verschaffen. Jetzt wäre es an der Zeit richtig große Experimente anzuschieben – wenn Silicon-Valley-Milliardäre die Idee so gut finden, sollen sie die Milliarden rausrücken. Oder das kleine Alpendorf führt das Grundeinkommen ohne Geld von außen ein. Denn nur so kann ein BGE-Modell ja funktionieren: Die Gesellschaft der Empfänger muss es selbst finanzieren.

Ein kleiner Schritt von der Utopie zur Dystopie

Dann beginnen nämlich die wirklich spannenden Fragen. Will man das Modell, das die Ärmsten heftigst ausgrenzt oder die obere Einkommenklasse heftigst besteuert? Bisher tun die Fans des BGE so als sei nichts davon nötig. Nur deshalb gibt es noch eine Fangemeinde für das Grundeinkommen. Würden sie sich wirklich mit den Folgen des Modells beschäftigen, wäre diese Gemeinde hoffnungslos zerstritten. Denn ob man ein Grundeinkommen über Mehrwertsteuer, Einkommenssteuer oder eine Kapital/Maschinensteuer finanzieren will, ist keine Petitesse. Soll das Grundeinkommen gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen, oder nur die schiere Existenz oder nur ein Taschengeld? Jedem Modell liegen komplett andere Annahmen, andere Menschenbilder zugrunde und jedes hätte komplett andere Folgen.

Die meisten Modelle, die sich überhaupt mit der Finanzierung beschäftigen, setzen auf eine Entsolidarisierung und die fiktive Einsparung Einsparung von Bürokratiekosten, die dann schließlich von den Ärmsten getragen werden müssten. Was bedeuten 1000 Euro pro Monat, wenn die Mehrwertsteuer durch die Decke schießt und Wohngeld und Krankenversicherung wegfallen? Enorme Armut. Das vermeintliche Paradies entpuppt sich immer wieder als Dystopie. Man sehe sich nur an, was die Mini-Auszahlung der Ölindustrie an die Bewohner von Alaska mit dem politischen System dort angestellt hat. Wer meint, er habe die Lösung gefunden, sollte mehr tun als sich Filmkulissen zu suchen. Wenn ihr wirklich an ein Grundeinkommen glaubt, dann tut endlich Butter bei die Fische.

Die Blockchain ist ein Stempel

Da der Bitcoin-Kurs grade abgestürzt ist, gibt es grade in den Breitenmedien eine ganze Reihe von Artikeln und Berichte zum Thema Bitcoin und Blockchain. Was war die Idee hinter Bitcoin? Ist sie nun gescheitert? Und: Ist die Technik nicht sehr viel größer als diese Exotenwährung? Leider rollen sich mir bei vielen Berichten die Zehennägel auf, weil die Kollegen zwar allerhand Leute interviewen, aber diese Äußerungen nicht in Kontext setzen können.

Sie haben sich offenbar damit abgefunden, dass die Blockchain nicht nur etwas ist, was sie ihrem Publikum nicht erklären können: Mehr als das: Sie selbst sehen sich außerstande das Grundprinzip zu begreifen. Blockchain ist Krypto. Und Krypto ist fortgeschrittene Mathematik. Und wer versteht schon fortgeschrittene Mathematik?

Für diese Kollegen habe ich eine einfache Formel, die ihre Fragen im Allgemeinen und auch im Speziellen erklärt.

Die Blockchain ist ein Stempel.

Es klingt allzu einfach, ist aber so. Die Blockchain ist eine Technologie, die einem Stempel gleicht, oder eher: einem System von Stempeln. Noch einfacher: Eine Blockchain ist — ganz wie das Wort aussagt — nichts weiter als eine Kette aus Datenblöcken. Jeder dieser Blöcke bekommt einen kryptographischen Stempel aufgedrückt. Und nun kommt der Clou dieser Stempeltechnik: Mit jedem weiteren Stempel wird die Authenzität der gesamten Kette abgesichert.

Das Prinzip ist eigentlich schon alt. Wer mit Verträgen umgeht, wird es vielleicht ab und zu schon gesehen haben: Eine Ecke eines Papierstapels wird umgeknickt, und ein Stempel darauf gedrückt. Folge: Statt nur die erste Seite wird so der ganze Stapel abgestempelt. Niemand kann einfach ein Blatt Papier nachträglich ohne weiteres hinzufügen oder entfernen.

Der Trick hinter der Währung Bitcoin ist: Alle Bitcoins stehen quasi auf einem gemeinsamen Kontoauszug. Die „Miner“ speichern diesen gewaltigen Kontoauszug und stempeln ihn in Etappen immer wieder neu ab. Wie das genau geht, ist nicht so wichtig – diese Erklärung reicht schon, um zu verstehen, wie Bitcoin und weitere Crypto-Währungen funktionieren.

Die Blockchain ist ein Stempel.

Ein großer Teil des Unverständnisses, das ich in der alltäglichen Berichterstattung sehe: Die Blockchain hat den Ruf dezentral zu sein. Nun — das sind Stempel auch. Wenn wir zum Beispiel früher die Kopie eines Zeugnisses beglaubigen lassen mussten, konnten wir zu jedem Menschen mit einem Amtssiegel gehen, um aus der Kopie quasi ein Original zu machen: Das Bürgeramt, der Schulleiter oder gar der Gemeindepfarrer haben Zeugnisse von mir beglaubigt. Keiner davon war graphologisch ausgebildet, keiner hätte gemerkt, wenn ich mein Zeugnis mit einem teuren Farbdrucker und einer rudimentären Bildverarbeitung manipuliert hätte. Wir als Gesellschaft vertrauen Stempeln — selbst wenn sie gefaxt werden.

Dieses Prinzip wurde auf die Blockchain übertragen. Zwar stempeln die Miner diesen riesigen Kontoauszug ab – es kümmert sie aber nicht, was darauf steht. Das erklärt auch die vielen spektakulären Diebstähle und Betrugsnummern, die immer wieder Schlagzeilen machen. Sofern die vorgelegten Werte dem richtigen Format entsprechen, dann drücken die Miner ihren Stempel drauf und bekommen dafür Stempelgeld. Deswegen dauert es immer eine gewisse Zeit bis Bitcoin-Transaktionen abgeschlossen sind. Man schreibt die Transaktion auf den einen riesigen, riesigen Kontoauszug und wartet, bis genug Stempel darauf sind. Ob nun auf dem Kontoauszug die Erpressungsgelder eines Krypto-Trojaners oder der Kaufpreis einer Pizza stehen, ist den Stemplern ziemlich egal.

Ein Stempel

Die Blockchain ist ein Stempel.

Oder: Ein ganzen Haufen Stempel. Eine Idee aus der Frühzeit von Bitcoin ist es, dass sich quasi jeder an der Berechnung der Blockchain beteiligen kann. Das kann man zwar noch immer – um tatsächlich zu stempeln, muss man aber so viel Rechenzeit investieren, dass Privatleute ohne Profitmotiv längst ausgebootet worden sind.

Es ist ganz wie mit Amtssiegeln. Theoretisch könnte man auch ein System schaffen, wo jeder Bürger so ein Siegel hat und die Leute sich gegenseitig einen Stempel geben, wenn sie etwas richtig bescheinigt haben. Doch wer will sich schon die Arbeit machen für jeden Stempel riesige Bände mit Stempelkarten durchzugehen? Es kam, wie es kommen musste: Die Blockchain von Bitcoin ist mittlerweile hoch zentralisiert – viel zentraler als unser deutsches System von Amtsstempeln.

Neue Blockchains sind in der Regel komplett zentralisiert. Ein Konzern entscheidet, was er abstempeln will und welche Preise er dafür verlangen will. Ganz selten mal findet sich ein Konsortium zusammen, das mehrere gleichwertige Stempel untereinander verteilt und verspricht, sie gegenseitig anzuerkennen. Der Normalfall ist aber inzwischen: Eine Organisation bestimmt die ganze Blockchain.

Die Blockchain ist ein Stempel.

Viel wird darüber orakelt, ob nun für die Blockchain neue Anwendungsmöglichkeiten gefunden werden. Kann höhere Mathematik unser Leben verändern? Wer will das schon ausschließen? Kann jedoch neue Stempeltechnologie unser aller Zusammenleben umkrempeln? Ich glaube, die meisten würden sagen: Stempel sind nützlich, aber nicht grade neu. Eine Revolution erwarte ich hier also nicht.

Und in der Tat muss man sich nicht lange fragen, ob die Technik hinter Blockchains nützlich sein kann. Denn sie ist es schon viele Jahre. Seit 2005 zum Beispiel gibt es das Programm Git, das vom Linux-Schöpfer Linus Torvalds geschaffen worden war, um die vielen Millionen Zeilen Programmcode von Linux besser zu verwalten. Und kryptografische Signaturen – sprich: Stempel — gehören so selbstverständlich zum System, dass es lange Zeit niemandem aufgefallen ist.

Glaubt jemand, dass Git den Handel mit Online-Medien revolutionieren wird? Natürlich nicht. Wird es unser Zusammenleben revolutionieren? Nun, für Softwareentwickler hat Git eine enorme Bedeutung. In der Nische sind Stempel wichtig. Aber dafür braucht man ein System, in dem sich Leute aufeinander verlassen können.

Die Blockchain ist ein Stempel.

Die Grundphilosophie von Bitcoin war, dass die komplexe Mathematik Vertrauen unter Menschen ersetzen können. Die Werbemasche der Blockchain-Buden: Smart Contracts sollen (korrupte) Mittelsmänner ablösen. Was die Buden nicht verraten: Sie selbst wollen die neuen Mittelsmänner sein. Und bei vielen würde ich das Wort „korrupt“ nicht in Klammern schreiben.

Eine Masche ist zum Beispiel, dass die Stempler gar nicht mehr offen Provisionen oder Stempelgeld verlangen. Stattdessen verkaufen sie eine weitere Krypto-Währung, mit denen man die Stempler künftig bezahlen soll. Das vorgebrachte Kalkül: Die Kunstwährung wird mehr und mehr wert, weil der Markt ja wächst. Die Realität: Die Kunstwährung wird so schnell wie möglich unter Spekulanten gebracht, die dann jeweils neue Kreise suchen, denen sie die neue Kunstwährung unterjubeln können. Jeder macht dabei satte Gewinne, bis der letzte Käufer schließlich in die Röhre guckt.

Die Blockchain ist ein Stempel.

Ja, es gibt durchaus auch Leute, die tatsächlich an die Anwendung von Blockchains glauben und nicht korrupt und gekauft sind. Wobei: gekauft sind sie meist doch: Denn dank des Buzzwords Blockchain können sie Investorengelder einsammeln, die sie für eine langweiligere Datenbanktechnik nicht bekämen. Die langweilige Technik wäre in den meisten Fällen sinnvoller, sparsamer, problemloser als eine Blockchain, könnte aber mangels Investoreninteresse nicht verwirklicht werden. Aber wenn das Endprodukt im Prinzip Sinn ergibt — warum nicht? Nachher kann man das Projekt immer noch auf eine bessere technische Basis stellen. Vielleicht.

An alle Kollegen — und auch an Politiker — appelliere ich daher: Nehmt jeden Vorschlag, der Euch unterbreitet wird und ersetzt überall das Wort „Blockchain“ durch „Stempel“. Klingt der Vorschlag dann lächerlich, dann ist er es höchstwahrscheinlich auch. Klingt der Vorschlag nicht lächerlich, fragt Euch, ob denn die Begleitumstände stimmen. Braucht dieser neue Stempel-Startup-Sektor wirklich eine komplett neue Gesetzgebung? Ist die neue Stempel-Technik von Walmart nicht exakt das gleiche, was ALDI Süd schon seit zehn Jahren auf seine Frischfleischpackungen stempelt? Hat der brandneu innovative Stempelanbieter die Kompetenz und Infrastruktur, um die Werte, die er abstempeln will, tatsächlich zu garantieren? Lasst Euch nicht ins Bockshorn jagen.

Die Blockchain ist ein Stempel.

Die Radfahrer und die Ampeln

Wann immer die Rede auf die Anpassung der Verkehrs-Infrastruktur an den Radverkehr kommt, schäumen die Kommentarspalten vor gerechtem Zorn. Die Radfahrer! Fordern und fordern — dabei halten die sich eh nie an die Regeln! Sollen sie doch schieben!!!

Tatsächlich kann man es in vielen deutschen Städten kaum leugnen: Viele Radler halten sich nicht an viele Regeln. Wie zum Beispiel rote Ampeln. Hier in Köln haben sich viele gar angewöhnt, vor der Ampel stehenzubleiben. Da sie eh losfahren, wie sie lustig sind, brauchen sie das grüne Licht ja gar nicht abzuwarten. Also erübrigen sich Umbauarbeiten, um bessere Radwege und fahrradgerechtere Ampelschaltungen zu etablieren? Absolut nicht.

Bonus für Rotfahrer

Fangen wir von vorne an. Warum fahren so viele Radfahrer bei rot? Eine Antwort ist ganz einfach: Weil sie es können. Sie werden nicht nur selten von der Polizei kontrolliert, sondern sie beschleunigen auf der kurzen Strecke auch deutlich schneller als Autos, brauchen dabei wesentlich weniger Platz und haben den besseren Überblick. Sprich: bevor sie jemandem im Weg sein können, sind sie auch schon wieder weg. Wem ist damit geschadet? (Dazu später mehr.)

Das Vertrackte an der Situation: Radfahrer, die sich nicht an rote Ampeln halten, werden strukturell belohnt. Denn in der Regel sind Ampelschaltungen ganz auf den Autoverkehr ausgerichtet, der ohne Probleme auf 50 Stundenkilometer beschleunigt. Radfahrer sind deutlich langsamer unterwegs. Folge: Insbesondere wo der Durchgangsverkehr eine möglichst grüne Welle hat, hangeln sich Radler von Rot zu Rot zu nochmal Rot.

Insbesondere wo die Rechtsabbiegerspur dem motorisierten Verkehr eine Extra-Grünphase spendiert, ist der Unterschied enorm. Wer hingegen taktisch geschickt jede zweite oder dritte Ampel ignoriert, kann hingegen diesen Takt durchbrechen. Wer einmal bei Rot fährt, hat plötzlich eine grüne Welle. So etwas merken sich Leute. Und so sehe ich viele Radler, die sich nicht mehr um Ampeln scheren, sondern sich davor stellen. Wenn die Verkehrssituation günstig aussieht, fahren sie halt.

Der Radweg führt ins Nichts – wo geht es nun weiter?

Der Unwillen sich an rote Ampeln zu halten hängt auch daran, dass die Verkehrsplaner eine ganz ähnliche Attitüde haben. In den letzten zwei Jahren hat sich in Köln zwar viel verbessert — aber immer noch komme ich alltäglich an Stellen vorbei, wo Radfahrer schlichtweg raten sollen, wie sie sich denn verkehrsgerecht verhalten sollen. Radwege enden unvermittelt, Haltestreifen werden nach dem Zufallsprinzip platziert und Ampeln sind so angebracht, dass sie vom Fahrradsattel nicht zu sehen sind. Baustellen werden präventiv mit Fahrrad-Verbotsschilder ausgeliefert — selbst wenn es dazu offensichtlich keinen Grund gibt.

Es ist wie ein ungeschriebener Vertrag: Ja, das Schild ist sinnlos, die Rotphase ist inakzeptabel lang — wir machen das nur wegen des Anscheins. Ihr braucht Euch ja nicht wirklich dran zu halten. So wie das Ordnungamt auf vielen Straßen Falschparker toleriert.

Das skaliert nicht!

Das Problem daran: Das Fahrrad leidet unter dem eigenen Erfolg. Wo früher ab und zu mal ein Radfahrer alleine unterwegs war, zieht sich jetzt oft eine lange Karawane von Radlern hintereinander die Radwege entlang. Wenn der einzelne Radfahrer immer noch meint, dass er sich schadlos durchschlängeln kann, klappt das in der Masse nicht mehr. Man kann diesen Effekt auch schön bei Fußgängerampeln sehen. Wenn die Ampel ewig auf Rot steht, drängt sich plötzlich ein einzelner Fußgänger auf die Straße – weil er eine Lücke im Verkehr gesehen hat. Und plötzlich laufen alle Fußgänger los obwohl da überhaupt keine Lücke mehr ist. Gehupe. Gemecker. Frust.

Radler müssen sich neu orientieren. Wir sind nicht nur viel mehr, wir sind auch wesentlich schneller als früher. Wer auf ein E-Bike steigt und plötzlich mit einem Schnitt von 25 Stundenkilometern im Berufsverkehr unterwegs ist, muss sich andere Bremspunkte angewöhnen, insbesondere wenn man bisher eher nur am Wochenende in Naherholungsgebieten spazierengefahren ist. Wer an Radfahrer an einer roten Ampel steht, muss sich klarmachen, dass er nicht mehr nur auf den Autoverkehr achten muss. Slalomfahren auf dem Radweg ist auch kein akzeptables Verhalten mehr – also holt die Hände aus den Jackentaschen und zieht Euch Handschuhe an. Der Schulterblick ist wichtiger als jemals zuvor.

Das gilt natürlich auch für die anderen Verkehrsteilnehmer. Wer auf einen Radweg tritt oder fährt, muss wissen: Das ist eine Hauptverkehrsstraße, keine ruhige Raucher-Ecke. Und erst recht keine erweiterte Abbiegespur.

Die Blockchain und die Zensur

Ich mach mich ja oft über Blockchain-Enthusiasten lustig — und ab und zu denke ich: Ja, absolut zurecht. Jetzt springt auch noch die US-Bürgerrechtsbewegung ACLU auf den Blockchain-Zug auf — und lässt Edward Snowden erklären, warum die Technik so super ist.

Einer der Punkte, der aufkommt: Die Zensurresistenz der Blockchain. Wenn einmal ein Artikel mit der Technik veröffentlicht ist, kann er nicht mehr getilgt werden.

Ben Wizner: So even if Peter Thiel won his case and got a court order that some article about his vampire diet had to be removed, there would be no way to enforce it. Yes? That is, if Blockchain Magazine republished it.

Edward Snowden: Right — so long as Blockchain Magazine is publishing to a decentralized, public blockchain, they could have a judgment ordering them to set their office on fire and it wouldn’t make a difference to the network.

Peter-Thiel-resistant?

Das ist natürlich Quark. Gerichte stecken keine Büros in Brand. Sie können aber Leute zu Geldstrafen verurteilen oder sogar ins Gefängnis stecken. Nehmen wir an, es gäbe ein Blockchain-Magazin, das total dezentralisiert ist. (Eine theoretische Annahme, denn die meisten Blockchains sind sehr zentralisiert oder tendieren nach kurzer Zeit dorthin.) Die Technik verhindert nicht wirklich, dass ein Artikel herausgestrichen werden. Es ist halt schwer und teuer. Und zwar teuer für die Leute, die diese Blockchain betreiben. Sie müssen quasi alle Blöcke löschen, die seit dem zu zensierenden Artikel herauskamen und dann die Blockchain neu berechnen.

Der Blockchain-Idealist sagt nun: Ha, aber niemand kann sie zwingen! Es ist ja dezentral!!

Dazu sagt der hypothetische Peter Thiel aber: Das ist mir ziemlich egal.

Wir erinnern uns, wofür der reale Peter Thiel der Allgemeinheit bekannt wurde. Er hatte einen Konflikt mir dem Klatsch-Portal Gawker, fand einen Schwachpunkt und stellte seine enormen Ressourcen der Klage von Hulk Hogan zur Verfügung. Ergebnis: Gawker existiert nicht mehr.

Wie würde der hypothetische Kläger gegen den Artikel im Blockchain-Magazin vorgehen? Nun, er würde einfach alle die verklagen, die mit dem Blockchain-Magazin assoziiert sind. Den Autor des Artikels, den Betreiber der Website, den Payment-Provider, die Anzeigenkunden des Magazins. Er würde in London Klagen, in Delaware, in Hamburg. Er könnte auch eine PR-Agentur engagieren, die ein paar Artikel in das Blockchain-Magazin stellen, die in China wirklich nicht gut ankommen. Und die Behörden dort ihren Job machen lassen.

Dezentralität als Stärke?

Dezentralität mag als Stärke erscheinen — die Kehrseite ist aber: Der Einzelne in diesem Netz ist verdammt schwach. Die einzelnen Nodes haben keine Rechtsabteilung mit Millionenbudget. Hat ein Kläger einen Schwachpunkt gefunden, kann er so viele Beteiligte des Netzes sehr effektiv attackieren und ausschalten. Er kann jedem Autoren und Redakteur klarmachen: Sobald du dich mit diesem Magazin assoziierst, wird es verdammt teuer für Dich.

Die Argumentation beißt sich an allen Punkten selbst in den Schwanz. Wenn die Gemeinschaft des Blockchain-Schwarms den einzelnen Nodes einen Anwalt zur Verfügung stellen würde, die die Kläger in die Knie zwingen kann, wäre das Blockchain-Magazin gerettet – aber gleichzeitig auch wieder überflüssig.

Ein anderer Punkt: Das Blockchain-Magazin löst vermeintlich ein Problem, das wir derzeit effektiv nicht haben. Mit mittlerem finanziellen Aufwand wäre es kein Problem, einen Gawker-Mirror mit allen Geschichten der Klatschseite online zu stellen. Einige haben sogar damit angefangen. (PS: Ein archiv von Gawker Valleywag ist tatsächlich noch unter der Urspungs-Domain online.) Nur wer interessiert sich wirklich für den Quatsch und Tratsch von vor drei Jahren? Wer wühlt sich durch die Textberge und entscheidet nachträglich: Dies hier war korrekt, dies hingegen nicht? Wenn wir optimistisch sind: Ein paar Historiker. Gawker ist jedoch nach wie vor tot und Vergangenheit.

(Hier sollte ich noch ergänzen: Die Blockchain selbst ist kein zensurresistentes Kommunikationsprotokoll wie beispielsweise Tor. Die vermeintliche Dezentralität beruht darauf, dass jeder Teile der Blockchain abrufen und auf eigenen Ressourcen neu veröffentlichen kann. Wenn das allerdings nur normale Websites sind, können sie auch genau so einfach gesperrt werden, wie gewöhnliche Websites. Gegen die Große Firewall von China ist die Blockchain deshalb absolut kein Rezept.)

No crypto for you!

Zur Ehrenrettung von Snowden muss man aber sagen. In dem vom ACLU promoteten Interview sagt er, auf die Frage, dass die Ablösung von Technikgiganten durch die Blockchain-Technik „wishful thinking“ ist. Dann aber kommt es nochmal dicke.

If a teenager in Venezuela wants to get paid in a hard currency for a web development gig they did for someone in Paris, something prohibited by local currency controls, cryptocurrencies can make it possible. Bitcoin may not yet really be private money, but it is the first “free” money.

Snowden mag zurecht frustriert darüber sein, dass US-basierte oder von den USA abhängige Zahlungsprovider Spenden für Organisationen wie Wikileaks sehr schwer machen. Das Problem ist aber: Der Teenager in Venezuela hat von den Cryptocurrencies ziemlich wenig zu erwarten. Denn seine Regierung kontrolliert die Bäckereien. Und sie hat eine eigene Krypto-Währung, den Petro. Und sie hat sich ein Ausweis-System aus China eingekauft, mit dem kontrolliert werden kann, was der Teenager kauft – und ob er es überhaupt kaufen darf.

Am Schluss sagt Snowden etwas, dem ich mich anschließen kann.

The hype is a world where everything can be tracked and verified. The question is whether it’s going to be voluntary.

Anders formuliert: Dass Blockchain Probleme wie Zentralität und Zensur lösen, ist in etwa so wahrscheinlich wie eine Lösung des Klimawandels durch Carsharing. Die Technik mag funktionieren und zuweilen sogar einen positiven Effekt haben — dazu müssen aber verdammt viele Rahmenbedingungen stimmen. Technik alleine kann soziale Probleme nicht lösen.

PS: Nach viel Kritik auf Twitter hat sich die ACLU entschlossen, den Tweet zu löschen und durch eine bullshitfreie Version zu ersetzen.

Die Legende von mythischen Datenschätzen

Gestern bin ich auf Twitter in eine interessante Diskussion geraten: Soll man Geschäftsmodelle wie Uber und AirBnB erlauben, wenn diese Unternehmen dafür versprechen, ihre Daten öffentlich freizugeben? Schließlich kann man so vieles mit öffentlichen Daten machen. Denn Daten sind Wissen. Und Wissen ist Macht. Und all die innovativen deutschen Startups, die niemals an Google und Facebook verkauft werden, könnten so die Wertschöpfung vom Silicon Valley zurückholen.

Obwohl ich offene Daten, bzw Open Data prinzipiell sehr unterstütze, muss ich hier sagen: Nein!

Erstens: Man gibt Unternehmen keinen Bonus, wenn sie Transparenzpflichten erfüllen. Man sorgt für vernünftige Regulierungen und dann haben sich die Unternehmen dran zu halten. Punktum.

Regulieren, aber richtig

Neulich habe ich mal die AirBnB-Hilfsseiten durchstöbert, wie denn Gastgeber dabei unterstützt werden, sich an örtliche Regulierungen zu halten. Und das Ergebnis war: fast gar nicht. Es gibt ein paar schwer auffindbare und kaum verständliche Hilfstexte und den ultimativen Hinweis, dass das der Gastgeber doch bitte selbst mit den Behörden zu klären habe.

Nein, AirBnB — wenn ihr Provision kassiert, solltet ihr hier eine aktive Rolle übernehmen. Zumindest eine kostenlose Hotline, wo juristisch gebildete Mitarbeiter Einzelfälle kompetent bewerten können und auch im Zweifelsfall eine Haftung von AirBnB auslösen. Das ist meine persönliche Meinung, die konkrete Umsetzung wäre eine Sache der Politik. Denn mein Anspruch kollidiert natürlich mit solchen Dingen wie dem Rechtsberatungsgesetz.

Der zweite Punkt ist aber: Ich möchte AirBnBs Daten nicht. Ich will auch nicht wirklich dringend die Daten von Uber haben. Denn: Diese Daten mögen höchst praktisch für die Marktaufsicht sein, um eben diese Unternehmen zu überprüfen und nachzufragen, ob auch jeder Teilnehmer seine Steuern brav bezahlt. Ansonsten sind sie weitgehend nutzlos für die Allgemeinheit.

Marketing, nicht Daten!

Denn diese Unternehmen sind nicht so groß geworden, weil sie Datenanalyse auf einen neuen Gipfel gehoben hätten. Uber zum Beispiel hat es geschafft, sich als billige und gastfreundliche Alternative zum Taxi zu etablieren — mit Marketing. (Und mit den verbrannten Milliarden von Investoren, die diese beim baldigen Börsengang zurückhaben wollen.) AirBnB hat auch keinen geheimen Algorithmus, der neue Wohnungen generiert – Leute melden sich freiwillig auf der Plattform an, weil mittlerweile keine US-Sitcom mehr ohne eine Folge über die erstaunlichen Verdienstmöglichkeiten auskommt.

Wenn ihr Ubers Daten haben wollt, um mehr über den Verkehr in Eurer Stadt zu erfahren, kann ich nur sagen: Ihr seid auf dieses Marketing reingefallen. Denn Uber ist nur ein vergleichsweise kleiner Over-the-top-Player, der einen winzigen Ausschnitt des Verkehrsgeschehens wahrnimmt und sich auf Daten von anderen verlässt. Wisst ihr, wer sehr viel mehr Daten über innerstädtischen Verkehr erfasst? Busse. Denn sie müssen fast überall hin und sind nicht bevorzugt unterwegs um Millennials vom Club nach Hause zu bringen.

Die Daten liegen näher als das Silicon Valley

Aber selbst die Busse sind eine unterlegene Datenquelle. Wenn ihr heute zum Beispiel das WDR-Radio einschaltet, werdet ihr alle halbe Stunde die Verkehrsnachrichten überhören. Falls ihr aber mal wirklich zuhört, wird Euch auffallen, dass dort nicht mehr nur die physische Länge eines Staus durchgegeben wird, sondern auch wie lange die Verzögerung voraussichtlich dauern wird. Diese Daten werden aus den Bewegungsdaten errechnet, die notwendigerweise in Mobilfunknetzen anfallen. Denn fast jeder Autofahrer hat ein Handy dabei, das konstant seinen Standpunkt an die umliegenden Funkmasten sendet.

Oder anders formuliert: Alle Daten, die bei Uber anfallen, fallen auch bei Apple, Google und den Mobilfunkherstellern an. Also: Wozu soll Uber zur Verfügung stellen, was sie eh nur nachnutzen? Sicher: Wenn man sie bekommen kann und ihre systematischen Mängel berücksichtigt – warum nicht? Aber: Wollen wir wirklich, das all unsere Bewegungsdaten öffentlich werden? Zwar kann man Daten aggregieren und verschleiern, aber gerade in Randbereichen ist die nachträgliche Identifikation nicht hundertprozentig zu vermeiden.

Unterirdische Datenqualität

Eine weitere These: Die Datenqualität von kommerziellen Unternehmen ist oft unterirdisch. Schaut mal in Eure Werbeprofile bei Facebook und Google. Darunter wird vieles sein, was erstaunlich korrekt sind: Alter, Geschlecht, Interessen. Doch wann immer ich in solche Profile gucke, sind lächerliche Fehlannahmen darunter. Facebook meinte zum Beispiel, ich höre als liebstes Blues-Musik. Was nicht stimmt. Facebook ist das jedoch ziemlich egal. Aufgrund meiner vermeintlichen Vorlieben wird mir Werbung gezeigt. Wenn mir eine Werbung angezeigt wird, die mich nicht wirklich interessiert, muss sie dennoch bezahlt werden. Und selbst wenn nicht: Ab einem gewissen Punkt rechnet sich die Optimierung auf meine tatsächlichen Interessen nicht mehr.

Es ist aber nicht nur das Desinteresse von kommerziellen Entitäten an durchweg korrekten Daten – der profitorientierte Ansatz produziert andere Daten als Entitäten, die das Gemeinwohl im Blick haben. Beispielsweise veröffentlichte Forbes neulich einen Artikel darüber, wie Fodoora entdeckt hat, das Fahrräder das effizientere Verkehrsmittel sind, weil sie im Stadtverkehr Autos und sogar Motorroller hinter sich lassen.

Dabei darf man jedoch nicht vergessen, worum es hier geht. Die Lieferfahrer haben ein sehr spezielles Bewegungsprofil. Zum einen: Sie fahren immer nur wenige Kilometer. Wenn jemand vom anderen Ende der Stadt eine Pizza bestellt, wird sie auch von dort geliefert. Für mich als Radfahrer in Köln sind diese Daten nur beschränkt übertragbar. Denn ich kann mich nicht in die nächste Lieferpizzeria teleportieren lassen, um von dort meinen Weg zu meinem Ziel fortzusetzen.

Gut genug ist nicht genug

Doch die Daten, die ein Unternehmen produziert, sind auch auf andere Weise verzerrt. Wenn ich in den Straßenverkehr schaue, wird recht deutlich, dass sich Lieferfahrer deutlich anders verhalten als andere Verkehrsteilnehmer. So sind sie ökonomisch motiviert, jede Art von Abkürzung zu nehmen, sie wissen besser als andere, wo sie was können. Dadurch werden die Daten sozusagen verseucht: Nur weil ein Lieferfahrer eine Straße langgefahren ist, ist es noch lange kein Beweis dafür, dass es sich um keine Einbahnstraße in anderer Richtung handelt — nicht einmal, wenn es 100 Lieferfahrer machen. Eine Navigation, die auf solchen Daten aufzusetzen versucht, wird notwendigerweise Probleme bekommen.

Kurzum: Für Privatunternehmen ist die Maxime: Es reicht, wenn Daten gut genug für meinen Zweck sind. Öffentliche Daten sollten jedoch einem höheren Anspruch genügen.