(Satire)

Udo Vetter berichtet über einen spannenden Fall: Erfolgsautor Bastian Sick (dessen Lebenswerk mir viele Leser-Mails über eingebildete sprachliche Fehler eingebracht hat) prozessiert gegen Google. Kurz zusammengefasst: in den Suchergebnissen war ein satirisch gemeinter Text verlinkt — ohne dass die Satireabsicht in dem „Snippet“ zu erkennen war.

In den USA hat Google News dazu eine eigene Lösung: satirische Beiträge werden mit einem kleinen Hinweis versehen.

Natürlich hinkt der Vergleich. Alle Beiträge von „The Onion“ sind Satiren – im Gegensatz zu dem Ressort auf Welt.de kann ich sogar drüber lachen. Wie wäre es mit einem Kompromiss: Google löscht den Beitrag nicht, sondern versieht ihn mit einem Satire-Tag. Und damit Google nicht den Humorwächter spielen und manuell nachbessern muss, wird der humoristische Gehalt auf ganz welt.de verteilt:

Im nächsten Schritt können die SEO-Profis sich dann über eine nachhaltige Lösung Gedanken machen. So könnte man es zur Pflicht machen, Satire-Beiträge in den Metadaten der Webseite kenntlich zu machen. Ein Ironie-Schild, um jedes Missverständnis auszuschließen.


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Lamestream Media

In diesen Tagen ist es so einfach zum Medienkritiker zu werden: jeder Fernsehsender, der nicht 24 Stunden am Tag vom Gemetzel in Kairo berichtet, ist ein Relikt vergangener Tage, versündigt sich am Erbe der friedlichen Revolution in der DDR, die wir nun am Bildschirm nochmal nacherleben wollen. Live. Jeder Kommentar, jede Überschrift muss die unverbrüchliche Treue mit den Regimegegnern ausdrücken — wer immer sie sein mögen — und den Westen für seine Unterstützung Mubaraks verdammen.

Ich muss übertreiben – sicherlich. Oder etwa nicht? Zum Beispiel hat der allzeit streitsame Jens Best bei tagesschau.de einen Propaganda-Stoßtrupp des ägyptischen Regimes geortet:

Gemeint war dieser Beitrag, in dem der Autor zum Beispiel dies schreibt:

In Kairo, Suez und Alexandria gilt eine verlängerte Ausgangssperre, die um 15.00 Uhr nun eine Stunde früher beginnt und bis morgens 8.00 Uhr andauert. Diese Maßnahme wird von Beobachtern als Bestätigung für den Verdacht gewertet, dass die Plünderungen und das Chaos der vergangenen zwei Tage vom Regime bewusst verursacht worden waren, um die Demonstranten zu schwächen.

Jens Best und viele andere Twitterer haben das wohl nicht gelesen – sie nahmen die Überschrift, ergänzten sie durch ein paar Worte aus ihrer Fantasie und erregten sich. Aber gut, was will man von dem 140-Zeichen-Schnell-Schnell erwarten?

Wenden wir uns also der FAZ zu, in der Jochen Hieber den öffentlich-rechtlichen Sendern ein miserables Zeugnis ausstellt.

Nein, genau das hatten wir eben nicht – knapp elf Minuten hatte Mubaraks Rede gedauert, sie war für den Moment das Ereignis schlechthin und fand just während der Sendezeit des „Journals“ statt. Wir aber sind, Goethe abzuwandeln, eben nicht dabei gewesen, nicht in der ersten, der zweiten oder wenigstens der letzten Reihe. Dass auch die „Tagesthemen“ der ARD, die am Dienstag um 22.30 Uhr begannen, nicht in der Lage waren, die Rede ausführlich (am besten: ganz) zu dokumentieren und deren Wortlaut einer ersten Interpretation zu unterziehen, macht die Sache vollends zum Trauerspiel. Wovon erzählt es?

Nun — es erzählt davon, dass Herr Hilber seine Fernbedienung verlegt hat oder sie nicht bedienen kann. Ich wunderte mich nämlich wie er über den Mini-Ausschnitt der Mubarak-Rede im heute-journal – war aber nicht wirklich erstaunt oder sauer. Stattdessen schaltete ich auf Phoenix um, wo ich mit einigen Minuten Verzögerung die Ansprache in voller Länge sah. Ich kam zum Schluss, dass „das Ereignis schlechthin“ eine Ansammlung von Phrasen war, die nur eine wesentliche Information enthielt: Mubarak will bis September an der Macht festhalten.

Diese Staatspropaganda in voller Länge vorzuspielen gehört in meinen Augen nicht zu den vorrangigen Zielen im Programmauftrag der GEZ-finanzierten Sender, wenn mit eben diesen Gebühren bundesweit ein Nachrichtenangebot finanziert wird, das mit einem Druck auf die Fernbedienung zu erreichen ist. Mit der gleichen Berechtigung könnte man kritisieren, dass der FAZ-Artikel nicht das Nachtprogramm abdeckt. Redaktionsschluss oder Schlaf sind in diesen Zeiten der Moment-Ereignisse doch irrelevant geworden.

Die Ereignisse in Ägypten zeigen, wie viel Macht Informationen und damit auch „die Medien“ haben. Diese Macht verlangt nach Kontrolle und Kritik. Haben die Medien im Verbund mit den westlichen Regierungen ein Unrechtsregime gestützt? Sind die Journalisten so gefangen im Schema von „Die Regierung hat gesagt, die Opposition erwiderte“, dass sie vergessen, dass sie über echte Menschen, über fundamentale Umstürze berichten? Wie kann die ARD sein Korrespondentennetz effektiv nutzen, wenn das Publikum bei Revolutionen 24/7-Berichterstattung fordert, aber beim Weltspiegel oder den Hintergrundberichten von Deutschlandradio gelangweilt wegschaltet?

All dies sind legitime Fragen. Um sie zu beantworten, muss man jedoch hinsehen, hinhören und nachdenken.

P.S. Bei mir zu Hause liegt die ARD auf Programmplatz 1, arte auf der 2 und Phoenix auf der 3. Medienkompetenz fängt zu Hause an.

P.P.S.: Nach einem weiteren FAZ-Angriff schlägt ARD-Aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke zurück:

Wir hätten die Rede von Hosni Mubarak am Dienstag live übertragen sollen, heißt es da. Meint der Autor das ernst? Das wäre so als wenn wir jetzt jede Rede von Fidel Castro live zeigen würden. Es könnte ja die letzte sein. Was würden wir den machen, wenn Husni zwei Stunden lang Parolen absondert – draufbleiben, weil’s so toll ist? Unser Job als Journalisten ist es, zu bewerten, zu gewichten, auszuwählen und nicht einfach laufen zu lassen.

The Daily – Keine Zeitung für mich

Heute wurde mit viel Pomp die neue Super-Duper-Zeitung für das iPad vorgestellt: „The Daily“. Nach der Vorführung glaube ich nicht, dass dieses Medium die Antwort auf irgendeine Frage ist, die jemand zur Zukunft des Publizierens gestellt hat.

Zunächst einmal präsentierten Murdoch & Mitarbeiter, zwei ach so tolle Features: schwenkbare Panorama-Aufnahmen und Sportlerköpfe, die sich plötzlich von unten in das Layout schieben. Das fand ich schon schlimm, als sich Netscape an DHTML versuchte. Erinnert sich noch jemand an die Schmetterlinge, die plötzlich über jede zweite Webseite flogen? Es war schrecklich. Die 3D-Ansichten kamen ein paar Jahre später, verlangten die Installation irgendeines Plugins. Das lag dann bis zur Neuinstallation auf der Festplatte lag ohne je wieder genutzt zu werden.

Die Redaktion von „The Daily“ hat zwei Alternativen: Entweder baut sie Geschichten um dieses tolle Rundumblick-Feature herum. Das erfordert einiges an Personalaufwand: Mindestens zwei Leute müssen um die Welt reisen, um wirklich spektakulären Bilder zu bauen und dazu eine spannende Geschichte zu erzählen. Wahrscheinlicher ist die Lösung: Murdochs Mannen bedienen sich bei irgendeinem Katalogs fertiger Panoramen und bringen die unter wo es grade rein passt. Oder auch nicht. Wer das Wort „Symbolfoto“ hört, weiß welches Ungemach solche fest installierte Features haben – wenn man nichts findet, was in den redaktionellen Kontext passt, nimmt man halt irgendwas.

Die Fixierung auf das Interface scheint einem der Präsentatoren direkt aufs Hirn geschlagen zu sein, indem er die unglaublich guten Bilder aus Ägypten lobt, ohne mit einem Wort auf den Inhalt einzugehen – eine Revolution als herrliche Staffage für das neue Medium. Brilliante Bilder sind wichtig, ein twitternder Reporter unverzichtbar, Journalismus jedoch spielt nur eine Nebenrolle. Jonathan Price lässt grüßen.

Der Preis ist mit 99 Cent pro Woche sehr, sehr günstig. Oder soll ich schreiben: zu günstig? Die exklusiv zusammengekaufte Redaktion muss über Werbung finanziert werden, die man möglichst nicht überblättern kann und gegen die auch kein Adblocker hilft. Ein großer Teil der Einnahmen wird — wenn man sich an Projekten wie der Second-Life-Zeitung Avastar orientieren kann – mittelfristig von App-Entwicklern kommen, die bei „The Daily“ werben, beziehungsweise, die von „The Daily“ direkt verlinkt werden. Wie in New York betont wurde, wird die iPad-Zeitung bei Apps einen publizistischen Schwerpunkt setzen – mit Direktanbindung an Apples App Store. Provisionseinnahmen treffen auf journalistische Unabhängigkeit.

Ich will nicht ausschließen, dass „The Daily“ DAS Medium für tolle Reportagen sein wird, die angeblich Mal vor 20 Jahren im Playboy gestanden haben mögen. Zum Produktstart haben die Verantwortlichen aber nichts gezeigt, was diese Hoffnung nähren würde.

No fly list – the system works

Wie das Schmierblatt metro.co.uk berichtet, hat ein britischer Einwanderungsbeamter Kreativität und Initiative bewiesen:

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@flueke)

„Polizeilich erforderlich“

Der AK Vorratsdatenspeicherung übt sich derzeit in einer merkwürdigen Informationspolitik: um einer vermeintlichen „BKA-Propaganda“ entgegenzutreten, lesen die Internetaktivisten aus wenig bis gar nicht aussagekräftigen Zahlen das Gegenteil dessen heraus, was denn die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung behaupten.

Nach einer ausführlichen Analyse unsererseits sind die BKA-Zahlen „irrelevant“ und belegen „keine blinde Flecken in der Verbrechensbekämpfung oder Schutzlücken“. Auch Dr. Michael Kilchling vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg kritisierte: „Für eine seriöse wissenschaftliche Stellungnahme fehlt jede Basis“. Dennoch ist ausgerechnet die Bundesjustizministerin dem unhaltbaren, vom Bundesinnenminister im Rahmen einer politischen Kampagne in Auftrag gegebenen BKA-Bericht aufgesessen.

Der Widerspruch liegt auf der Hand: wenn das Material keine wissenschaftlich fundierten Aussagen erlaubt, sind sowohl die Aussagen der Befürworter als auch die Aussagen der Gegner einer Vorratsdatenspeicherung gleichermaßen unfundiert. Die „Propaganda“ des einen ist die „Analyse“ des anderen.

Dabei ist der AK Vorrat auf eine argumentative Goldgrube gestoßen: Die sechsmonatige Vorratsdatenspeicherung ist eben auch nur sehr eingeschränkt effektiv:

Die vom Justizministerium offenbar übernommene Behauptung des Bundeskriminalamts, 72,82% nicht beantworteter Auskunftsersuchen beträfe „die Straftatbestände Verbreitung, Erwerb oder Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften“, ist auf abenteuerliche Art und Weise zustande gekommen: Beispielsweise lagen 209 der vom BKA ergebnislos angefragten Internetverbindungen länger als 10 Tage zurück, die Anfragen waren wegen der dem BKA bekannten, kürzeren Speicherfristen der Provider von vornherein sinnlos. 147 weitere angefragte Internetverbindungen lagen sogar länger als sechs Monate in der Vergangenheit!

Die hier nicht erwähnten Schlussfolgerungen sind:

  • Die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung wird weniger positive Effekte haben als dargestellt und
  • nach der Einführung einer sechsmonatigen Speicherung wird es auch wieder Forderungen nach einer Ausweitung der Speicherfrist geben.

Der AK Vorrat nimmt dies zum Anlass die Vorratsdatenspeicherung mit der kompletten Kriminalstatistik aufzurechnen, was allenfalls Spielerei ist — selbst Herr Ziercke hat nirgends behauptet, dass er mit der Vorratsdatenspeicherung zum Beispiel die einfache Diebstähle verhindern oder die Aufklärung derselben erhöhen könnte.

Aber ein genauerer Blick in das vom AK Vorrat verlinkte offizielle BKA-Dokument offenbart Mängel in der Darstellung – mögen sie auf Schludrigkeit oder Absicht zurückgehen.

Auf Seite 12 heißt es:

g.) Polizeilich erforderlicher Zeitraum der Speicherung
Abschließend wurde bezüglich der negativ beschiedenen Auskunftsersuchen erhoben, für
welchen Mindestzeitraum eine Speicherung der Verkehrsdaten aus polizeilicher Sicht
erforderlich gewesen wäre.
Die Verteilung betreffend des aus polizeilicher Sicht für erforderlich erachteten
Mindestspeicherzeitraums stellt sich wie folgt dar:
In

  • 24,09 % der Fälle (212 Anschlüsse, davon 211 IPs) wäre ein Mindestspeicherzeitraum
    von einem Monat,
  • 49,55 % der Fälle (436 Anschlüsse, davon 404 IPs) wäre ein Mindestspeicherzeitraum
    von zwei bis fünf Monaten und in
  • 26,36 % der Fälle (232 Anschlüsse, davon 215 IPs) wäre ein Mindestspeicherzeitraum
    von sechs Monaten

erforderlich gewesen.

Lange Rede, kurzer Sinn: mit der sechsmonatigen Vorratsdatenspeicherung wäre der „polizeilichen Erforderlichkeit“ voll Genüge getan.

Auf dem Erhebungsbogen Seit 49 und 50 der PDF-Datei findet sich jedoch zum Beispiel dieser Fall:

Umfangreiches Ermittlungsverfahren der brasilianischen Bundespolizei gegen mehrere brasilianische Tatverdächtige mit internationalen Bezügen wegen Besitzes und Verbreitung von kinderpornographischem Material über das Filesharing-Netzwerk von Gigatribe. Über den BKA-VB Brasilia wurden 147 IP-Adressen und 17 Gigatribe-Nicknames zu potentiellen deutschen Tatverdächtigen übermittelt. Anhand der festgestellten IP-Adressen, denen zur jeweiligen Tatzeit die von den Tatverdächtigen verwendeten Gigatribe-Pseudonyme (Nicknames) zugeordnet waren, wurden auch Bezüge nach Deutschland hergestellt. Die Zeitstempel der IP-Adressen (Tatzeiten) bewegen sich zwischen dem 29.05.2009 und dem 11.09.2009. Die diesbezüglich am 25.05.10 – sofort nach Eingang der Informationen aus Brasilien – bei den betreffenden deutschen sechs Providern durchgeführten Anschlussinhaberfeststellungen verliefen negativ.
Eine eindeutige Täteridentifizierung hinsichtlich der von der brasilianischen Polizei mitgeteilten Nicknames war nicht möglich, da Pseudonyme in Gigatribe nicht zwingend (vor allem über einen längeren Zeitraum hinweg) personenbezogen sind.
Insofern wären Täteridentifizierungen zu dem von der brasilianischen Polizei mitgeteilten Sachverhalt nur über eine IP-Anschlussinhaberfeststellung unter Angabe der relevanten
Tatzeiten über die entsprechenden deutschen Provider möglich gewesen. Diese Daten liegen aufgrund des BVerfG-Urteil nicht mehr vor.

Darüber heißt es:

Polizeilich wäre eine Speicherung der Verkehrsdaten für folgende Dauer erforderlich gewesen: 6 Monate

Hier hat der Beamte offenkundig zwei Mal die Unwahrheit im Erhebungsbogen vermerkt: Die Daten lagen nicht „aufgrund des BVerfG-Urteils“ nicht mehr vor – sie hätten auch vor dem Urteil nicht vorgelegen.

Aus Formular-Sicht eine Vorratsdatenspeicherung von über einem Jahr „polizeilich erforderlich“ gewesen um die Täter zu überführen. Wenn man das Formular beiseite lässt und den gesunden Menschenverstand einschaltet, wäre hingegen eine bessere internationale Zusammenarbeit der Polizeibehörden erforderlich gewesen.

Wikipedianer verschenken Millionen

Wikipedia ist keine Demokratie. Ich kann das so oft wiederholen wie ich will – es werden immer wieder Medien finden, die das Gegenteil behaupten. Aber, wie Gründervater Jimmy Wales immer wieder betont: Wissen ist keine Verhandlungssache. Wenn es demokratisch zuginge, wären zum Beispiel historische Darstellungen des Propheten Mohammed längst verschwunden, die Evolutionstheorie wäre nur eine von vielen Hypothesen, wie der allmächtige Gott seinen Plan verwirklichen wollte, Sarah Palin zur Präsidentin zu machen.

Wikipedia ist keine Demokratie, weil die Online-Enzyklopädie dazu viel zu offen ist. Jeder kann sich hinter verschiedensten IP-Adressen und Accounts verstecken – und oft genug tun sie es auch. Tagtägliche gibt es bei Tausenden von Artikeln Streitfälle, die sich nicht auf die Regeln runterbrechen lassen, oder die das teilweise konfuse Regelwerk ad absurdum führen. Ruf nicht nach Abstimmungen, nach Umsturz, sondern Sei Mutig! schrieben die altehrwürdigen Früh-Wikipedianer ihren Nachfolgern ins Stammbuch – und verabschiedeten sich ins Elysium von Berufstätigkeit und höheren Aufgaben.

Wikipedia ist keine Demokratie. Und doch gibt es Wahlen. Und Abstimmungen. Eine kleine Schar von Autoren, die sich dem großen Ganzen verpflichtet fühlen, die von den Entscheidungen anderer genervt fühlten oder die sonst in einem Sportverein wären ohne selbst Fußball zu spielen, kommt immer wieder zusammen, um über den Zukunftskurs und die Herausforderungen die Wikipedia zu bestimmen. Eine dieser Entscheidungen, die zu treffen wäre, ist mir grade wieder ins Auge gefallen.

Seit Jahren steht die Beteiligung an dem METIS-System der Verwertungsgesellschaft VG Wort immer Mal wieder auf der Agenda des Verein Wikimedia Deutschland. Kurz zusammengefasst: Die VG Wort sammelt Geld von uns allen ein, um Autoren für die vielen unbezahlten Verwertungen von Texten zu entschädigen. Bei Wikipedia ist in den vergangenen zehn Jahren eine ganze Menge Text zusammen gekommen, was die VG Wort dazu bewegte bei Wikimedia Deutschland anzufragen, wohin man das Geld denn überweisen könne. Doch es gibt Schwierigkeiten: die Software von Wikipedia ist nicht wirklich zu dem Zweck gerüstet, die VG Wort würde gerne ihre Zählpixel installieren und überhaupt: will man überhaupt bei einem solchen System mitmachen? Für Wikimedia wäre das System lukrativ – schließlich wird auch ein Anteil des Geldes an den Plattform-Betreiber ausgeschüttet.

Nach jahrelanger ergebnislosen Vereinsberatungen wurde nun die Community um Rat gefragt. Obwohl die Umfrage noch bis zum 25. Februar laufen soll, scheint das Ergebnis bisher eindeutig: gerade Mal 12 Befürworter stehen 120 Gegner gegenüber, 16 schwankende Nutzer hätten gerne ein Gutachten zum Thema. Die Statements zum Thema gehen sehr oft ums Prinzip, es geht um Verteilungsgerechtigkeit, Freies Wissen und die Angst, wie das Geld die zuweilen fragile Gemeinschaft der bisher unbezahlten Autoren untergraben würde:

–† Alt ♂ 02:24, 26. Jan. 2011 (CET) Das gierige Funkeln, das stellenweise jetzt schon in einigen Kommentaren aufscheint (was wir damit alles machen könnten!) verursacht bei mir extreme Magenschmerzen. Wenn wir hier Geld fürs Schreiben bekämen, würde sich verdammt viel ändern und es ließe sich wohl auch nicht mehr zurückdrehen.

–Jogo.obb Disk 21:34, 27. Jan. 2011 (CET) Was bekommen die, die im Hintergrund ackern, um zu verhindern das aus der WP ein Müllhaufen wird? Wer bekommt die Vergütung für Autoren bei einem Artikel mit X Autoren? Wer soll prüfen, ob ein Autor wirklich etwas für den Artikel geleistet hat oder ob er bloß ein Stückchen vom Kuchen haben will? Wer sorgt dafür, das nachher nicht sämtliche wichtige Artikel gesperrt werden, dass sich die Admins den Batzen allein verteilen können? Wie werden die Belohnt, die sich um Illustrationen kümmern? Wenn dann müsste das Geld komplett an die Stiftung fließen, das heißt Autoren müssten einer Verzichtserklärung auf ihre Ansprüche zustimmen, das wäre bei 26.715 aktiven Benutzern bereits ein enormer Aufwand, es müssten jedoch auch alle anderen der 1.156.568 angemeldeten Benutzer zustimmen.

–Andys / ☎ 12:54, 29. Jan. 2011 (CET) Ich lehne das geltende Urheberrechtsgesetz eh ab, das in weiten Teilen überholt und hoffnungslos veraltet ist. Da kann ich mich nicht zu dessen Nutznießer machen. Ich lasse mich nicht korrumpieren.

Es wird viel spekuliert über hive minds und verschwörerische Kungelrunden, die geheimen Agenden der Wikipedia-Oberen – METIS ist nur ein Kapitel von vielen, was diese einfachen Erklärungsmuster ad absurdum führt. Natürlich gibt es in der Wikipedia wie in jedem anderen Lebenraum Politik und Intrigen – wer jedoch sich nur auf das konzentriert, was ihm gefällt oder was ihm gerade nicht gefällt, wird Wikipedia nie verstehen.

Krieg der Winterjacken

Wenn ich durch die Kölner Fußgängerzonen gehe, habe ich eine Schrecksvision. Was ist, wenn die Leute, die Jack Wolfskin tragen, sich gegen die die The North Faceler verbünden? Oder umgekehrt?

Ein Bruderkrieg in Winterjacken: Reißverschluss gegen doppelte Naht, Softshell gegen Hardshell, Goretex getränkt in Blut und Bionade! Väter werden Söhne in Kühlhäuser sperren und Söhne ihre Elternhäuser in Saunas verwandeln! Wasserwerfer fahren auf und läuten die Monsunzeit ein, bis das Microfleece gerinnt. Nur ein sportlich-aktiver Lebensstil kann gewinnen!

Und dann kommt der Frühling.

Obama: Bring back the Internet!

Na endlich – U.S.-Präsident Obama fordert vom ägyptischen Machthaber Mubarak das, was für das Twitter-Publikum am wichtigsten ist:

I also call upon the Egyptian government to reverse the actions that they’ve taken to interfere with access to the Internet, to cell phone service and to social networks that do so much to connect people in the 21st century.

Ich bin Mal gespannt, was sich das ägyptische Regime vorstellt. Gerade für ein Land, das so abhängig vom internationalen Tourismus ist, ist eine Internetblockade immer auch ein Schnitt ins eigene Fleisch. Wie lange meinte Mubarak diese Sperre aufrecht erhalten zu können? Oder wartete er nur darauf, bis die Technik bei ihm eingesetzt werden kann, die in Tunesien für so viel Aufsehen sorgte? Will er Facebook- und E-Mail-Accounts von Aktivisten hacken lassen und so wieder Kontrolle über die Massen erlangen, deren Aufstände er seit Jahrzehnten immer wieder niederschlägt?

Allerlei Revolutionen

Warum reden Leute dauernd von Facebook und Twitter-Revolutionen, aber niemand von dem Handy-Umsturz?

Nicht amerikanische Internetdienste, sondern zuerst der Mobilfunk hat die Kommunikation in Entwicklungsländern revolutioniert.

Fließbandurteile zu P2P?

Michael Seidlitz macht auf eine interessante Variante der Filesharing-Rechtsprechung aufmerksam. Ein Familienvater wurde von einer Spielefirma auf Unterlassung verklagt, weil von seinem Anschluss aus ein Computerspiel in eine P2P-Börse hochgeladen worden sei. Der verteidigt sich damit, dass er so etwas in seiner Familie ausdrücklich verboten habe und außerdem nur Port 80 an seinem Modem freigegeben habe (was auch effektiv Online-Banking und E-Mail-Clients blocken würde).

Das Landgericht Köln meinte jedoch, dass diese Maßnahme nicht ausreichte, der Mann war schlichtweg nicht sorgfältig genug:

Er hätte auch weiterhin wirksame Maßnahmen zur Verhinderung der Rechtsverletzungen ergreifen müssen. Hierzu war er als Inhaber des Internetanschlusses auch unzweifelhaft in der Lage. So hätte ein eigenes Benutzerkonto mit beschränkten Rechten eingeräumt werden können. Des Weiteren wäre auch die Einrichtung einer wirksamen „firewall“ möglich und zumutbar gewesen, durch die die Nutzung einer Filesharing-Software verhindert werden kann (vgl. auch LG Hamburg ZUM 2006, 661). Auch andere technische Möglichkeiten, wie die Nutzung bestimmter Modems hat der Beklagte nicht dargelegt (vgl. hierzu insgesamt bestätigend, zuletzt, OLG Köln, Beschluss vom 11.09.2009, Az. 6 W 95/09). Der Vortrag des Beklagten, es sei lediglich der Port 80 des Modems freigegeben gewesen, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis, da der Beklagte nicht hinreichend dargelegt hat, dass diese Freigabe lediglich durch ihn zu ändern gewesen wäre.

Wie sorgfältig das Landgericht Köln den Fall geprüft hat, offenbart auch eine nur flüchtige Lektüre des Urteils:

Am 15.12.2009 um 10:08:14 Uhr MEZ ermittelte die von der Klägerin beauftragte Firma L… AG – nach dem bestrittenen Vortrag der Klägerin -, dass das Computerspiel „R… o…“ durch einen Nutzer mit der IP-Adresse … im Rahmen eines Filesharing-Systems im Internet zum Herunterladen verfügbar gemacht wurde. Hierbei ermittelte die Firma L…, insoweit ebenfalls nach dem streitigen Vortrag der Klägerin, dass aufgrund eines Abgleichs des Hash-Wertes der Originalspielfilm zum Abruf bereit gestellt wurde.

Hiernach hätte es dem Beklagten nicht nur oblegen, den zugangsberechtigten Dritten ausdrücklich und konkret zu untersagen, Musik mittels Filesharing-Software aus dem Internet herunterzuladen.

Aber wer will es den Richtern verübeln, dass sie bei einer solchen Schwemme von P2P-Verfahren ihre Urteile aus Textbausteinen zusammensetzen? Es wäre aber nett, wenn die Bausteine auf den Tatbestand passen.

P.S.: Noch ein schönes Beispiel findet sich bei Anwalt24 um den Urheberrechtsstreit über das Filesharing eines Produktes des Brockhaus-Verlags.

Das Amtsgericht Magdeburg machte mit dem Anschlussinhaber kurzen Prozess: Es gab der Klage der Rechteinhaberin mit Urteil vom 12.05.2010 in vollem Umfang statt (Az. 140 C 2323/09) und verurteilte diesen zur Zahlung von insgesamt 4.128,58 € zuzüglich Prozesszinsen. Der zuständige Richter gab dabei für die Bemessung des hohen Streitwertes eine wenig überzeugende Begründung ab. Er verwies lediglich darauf, dass das Werk hier einer unbegrenzt großen Personenzahl zur Verfügung gestellt worden sei, ohne auf die näheren Umstände des Einzelfalles einzugehen. Hinsichtlich der Schadensersatzforderung in Höhe von über 3.000,- € hatte er keine Bedenken. Es sei aufgrund der Verbreitung an eine unbestimmt große Personenzahl nicht zu beanstanden, dass die Rechtsinhaberin den doppelten Verkaufspreis als Schadensersatz fordert.

4128,58 Euro sind für eine doppelte Brockhaus-Enzyklopädie wahrhaftig günstig. Die 30-bändige Ausgabe kostet immerhin 3270 Euro. Jedoch ging es nicht um diese Luxus-Print-Ausgabe, sondern eine vergleichsweise billige DVD-Ausgabe „„Der Brockhaus multimedial 2006“. Die aktuelle Premium-Ausgabe kostet gerade einmal 99,95 Euro.