Kleingedrucktes im Fernsehen…
Generation Hektographiegerät
In meiner Grundschulzeit hatten wir zunächst keine Kopierer. Stattdessen gab es ein Hektographiergerät, das speziell vorbereitete Matritzen vervielfältigen konnte. Dieses Gerät wurde mit einer Handkurbel angetrieben. Kamen die Kopien mit der typischen blauen Schrift aus dem Gerät, rochen sie penetrant nach Lösungsmitteln. Wie viele Grundschulkinder verdanken ihr erstes Drogenerlebnis dieser knuffigen Maschine? Das half uns vielleicht darüber hinweg, dass Lehrfilme mit einem Filmprojektor gezeigt wurden und wahrscheinlich aus den 60er Jahren stammten.
Den Overheadprojektor lernte ich IIRC erst in der weiterführenden Schule kennen. Wahrscheinlich war schon damals für alle anderen ein alter Hut.
(Das Bild stammt von Appaloosa aus der deutschsprachigen Wikipedia und steht unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported.)
You are not Gandhi
Conversation starter
Providerprobleme sind das Band, das uns alle verbindet. Wir sind mehr als enttäuschte Kunden, wir sind eine Bewegung, eine Generation.
Wer auf Parties landet, wo plötzlich über Heidi Klums Models geredet wird, muss nur das Thema anschneiden und wird sofort reichlich Zuspruch finden.
„Ja, ich war letzte Woche auch zwei Tage offline. Ein Albtraum“
„Nicht nur das Internet. Auch das Telefon und der Fernseher. Ich hab versucht Fußball auf dem iPhone zu gucken, aber das Datenlimit!“
„Unsere Kinder wollten gar nicht mehr aus der Schule nach Hause kommen.“
„Also ich finde, so ein gewisser Verzicht ist auch notwendig“ „Ja, die Wand anstarren, ist ja so alternativ!“ „Günter, werd jetzt nicht unhöflich!“ „Schon gut. Schon gut. Welche Schnepfe hat jetzt den Modelwettbewerb gewonnen?“ „Günter!“
Der Mensch und das Monster in ihm
Menschen wären nicht so wie sie sind, wenn sich in diesen Momenten nicht irgendwo im Netz ein Breivik-Fanclub treffen würde.
Nach zwei Bier sitzt er vor dem Computer und liest alles nach. Wie verlogen die Gesellschaft doch ist. Wie hinterhältig die Medien. Die Wahrheit, sie steht im Netz und wird nur flüsternd erzählt. Aber er kann es hören. Tag und Nacht. Er macht ein weiteres Bier auf.
Sie hat das Bild dieses starken jungen Mannes gesehen, gegen den alle sind. Sie haben ihm zum Monster abgestempelt. Es war schrecklich, was er getan hat, sicher. Aber die Toten sind tot. Ganz klar: Strafe gab es genug, seine Seele ist zersprungen. Jetzt brauch er Hilfe, der Mensch in dem Mörder.
Über 70 Tote. Eine Rohrbombe im Regierungsviertel. Wumm! Was für eine Leistung. Ein Mann allein gegen alle. Wie sie wohl gelaufen sind. Und der Staat, der rafft es nicht. Bamm. Bamm. Bamm. Und wieder drei Streber weniger. Er hat trainiert, wie Breivik. Mit dem iPod im Wald. Und kleine Sprengfallen gebaut. Wumm! Ein Baum ist umgefallen. Ein geiles Gefühl. Die YouTube-Videos hat er aber wieder gelöscht.
Moslems. Da waren schon wieder drei in der U-Bahn. Lange Bärte. Und geguckt haben sie als ob Ihnen das Land gehört. Aber das ist unser Land! Ihre Freundinnen tun so betroffen über die Toten auf der Insel. Aber nachts alleine rauszugehen trauen sie sich nicht. Weil sie Angst vor den Moslems haben. Erst schlagen sie ihre Frauen und dann sind sie hinter uns her. Aber sie ist stark. Sie denkt nicht dran, klein beizugeben.
Er hat das Internet ausgelesen. YouTube? 60 Stunden werden pro Sekunde hochgeladen und 20 direkt wieder gelöscht. Der Rest? Blah! Pornos? Immer das gleiche. Aber die Wahrheit. Die geht immer runter wie Öl. Habt ihr das Manifest überhaupt gelesen? Sicher: da waren ein paar Schwachpunkte. Aber ich habe die richtigen Links gefunden. Wikileaks, sag ich nur. Und lamestream media. Anonymous. Der Mossad. We didn’t start the fire. George Bush. Dabbelyou. 9/11 was an inside job. It was always burning since the world’s been turning.
Der Breivik ist ein Freak. Geil! Sie dreht die Musik lauter, bis sie nicht mehr hören kann, was sie denkt.
Falscher Flatrate-Hase
Unzählbar sind die Beschwerden, über Mobilfunkprovider, die groß „Internet-Flatrates“ bewerben, die sich dann als doch sehr beschränkte Angebote erweisen, die nach 100, 500 oder 1000MB Traffic auf den Daten-Kriechmodus GPRS umschalten. Kein Unterschied beim neuen Billigheimer Yourfone:
Wir müssen nicht einmal mehr, die „Rechtlichen Hinweise“ am Boden der Seite aufklappen, um zu erfahren, wo der Haken der Fußnote 2 hängt. Nach 500 MB wird der Datenfluss zwar nicht abgedreht, nur halbwegs fest zugedreht, sodass die Bytes nur noch tröpfeln. Keine Skype-Gepräche, kein YouTube, keine aufwändigen Webseiten mehr – nur noch das Internet, das auf die Rückseite einer Briefmarke passt.
Natürlich ist das Angebot im Wortsinne eine Flatrate. Denn die „rate“, also der zu zahlende Betrag bleibt „flat“, also gleich. Wenn man 200 Stunden online ist und alles rausholt, was aus GPRS rauszuholen ist, bleibt der Rechnungsbetrag gleich. Dass das Wort in allen anderen Zusammenhänge etwas anderes bedeutet, dafür können die Werber ja nichts, oder? Alle machen das so. Und deshalb muss man das im Kleingedruckten verbergen. Weil: Kunden sind doof.
Aber Yourfone ist einen Link weiter erfrischend ehrlich. In den Tarifdetails gibt es eine besondere Option zum Dazubuchen:
Wenn man tatsächlich unbegrenzt SMS versenden kann und die Nachrichten nicht nach der Tausendsten Nachricht von 160 auf 16 Zeichen gekürzt werden oder erst nach zwei Stunden zugestellt werden, dann ist das eine „echte Flatrate“. Im Gegensatz dazu ist die „normale“ Flatrate immer mit Fallstricken versehen, seien es astronomische Auslandstarife, Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Tethering-Verbote.
Statt „Flatrate“ könnte man auch „Falsche Flatrate“ sagen. Aber das wäre ja zu lang und zu verwirrend für Kunden, die das Kleingedruckte nicht lesen. Nennen wir es einfach: „Falschrate“.
Absage
Sehr geehrte SEO-Bude Mediazin-Gruppe.de,
Sie haben mir in den vergangenen Wochen gleich drei E-Mails geschrieben, in denen Sie eine „Anfrage an Ihre Internetpräsenz notes.computernotizen.de“ schicken und die Hoffnung bekunden mit mir „eventuell eine Kooperation zu starten.“ Heute haken Sie nochmal nach, „ob die Mails nicht irgendwo hängen geblieben sind“ und bekräftigen, dass sie sich sogar über eine Absage freuen würden.
Dies ist die Absage.
Ihre Mails blieben nirgendwo hängen, was ich meinem Spam-Filter ein wenig übel nehme. Was ich Ihnen übel nehme ist die ignorante Penetranz, die Sie an den Tag legen. Denn wenn ich mit einem Blogger eine Kooperation angeben will, nenne ich zumindest sein Blog beim Namen und nicht „Ihre Internetpräsenz“ mit der URL und dem Namen, die aus irgendeiner Blogliste kopiert wurden.
Um welche Kooperation es sich dabei handelt — ich kann bloß raten. Da Sie es nicht in den drei E-Mails verraten haben und da Sie eine SEO-Bude sind, deren Webspräsenz zwar ein unterhaltsames Bullshit-Bingo (Mal ehrlich: die Webseite ist doch hoffentlich ein Witz?), aber keine Referenzliste oder nachvollziehbare Leistungsbeschreibung enthält, gehe ich Mal davon aus, dass es um die künstliche Erzeugung von Backlinks für Angebote geht, die ich ohne aktive Ermunterung und Bezahlung nicht gut finden würde. Ebenso wie ich die Erzeugung von künstlichen Backlinks ablehne. Hätten Sie mein Blog tatsächlich gelesen, wüssten sie das wahrscheinlich. Haben Sie aber nicht.
Bitte sagen Sie Ihren Kollegen Bescheid.
—
Gruß
Torsten Kleinz
Integrität braucht kein Mandat
Wahlkampf – schon wieder. Es ist deprimierend. Aber wann ist denn Mal gerade kein Wahlkampf? Wo sind die raren Inseln, in der die politische Auseinandersetzung noch Argumente und Grautöne kennt und nicht nur das alte „Wir gegen die – die gegen uns!“-Spiel? Aber finden wir uns damit ab: Was in den nächsten Wochen aus den Mündern, Tastaturen und Parteiapparaten der Nahles‘, der Lindners oder Dobrindts fließt, wird bestenfalls eine grob verzerrte Version der Realität sein, die Deutschland in Lager einteilt.
Das eigene Lager vergrößert man offenbar am erfolgreichsten, indem man sich vom anderen Lager „abgrenzt“, also möglichst schlecht über andere Leute und ihre Standpunkte redet. Und wenn man den Bogen überspannt hat, redet man einfach weiter, bis die Gegenseite den Bogen noch mehr überspannt und man sich selbst wieder als Opfer des anderen Lagers vermarkten kann.
Das Deprimierende: Jetzt, wo jeder Bürger quasi ein Publizist ist, sehen wir, dass „die da oben“ kein Monopol auf dieses Denken haben. Ein erschreckend großer Anteil der Kommentare, die ich auf Twitter, in Foren und anderen Kanälen lese, funktionieren genau nach diesem Prinzip. Folge: Sobald jemand „shitstorm“ ruft, schalte ich mein Hirn auf Durchzug. Denn wann hat ein Shitstorm schon Mal der Erkenntnis gedient? Und wenn demonstrative Unvernunft und Ignoranz garantierte Klickerfolge bringt, dann ist das Ergebnis für beide Seiten desaströs. Der doofste und lauteste gewinnt.
Besonders deprimierend finde ich den doppelten Standard, den scheinbar mittlerweile jedermann stolz vor sich herumträgt. Sieht man zum Beispiel Hevelings Handelsblatt-Kommentar als „einseitig“ oder als dämlichen Appell an Ressentiments der eigenen Ziel- und Interessensgruppen, die politische Unaufrichtigkeit mit einem quälenden Sprachstil verbindet? Und: Wenn ein Beitrag mit ähnlichen Mitteln an die eigenen Ressentiments appeliert — ist man intellektuell fähig, dies zu erkennen und integer genug, dies mit einem ähnlichen Maßstab zu beurteilen?
Lasst es uns doch so halten: Reden wir nur noch über politisch gehaltvolle Beiträge. Hat Sebastian Nerz etwas Neues gesagt? Hat Erika Steinbach — trotz ihrer geballten Steinbachheit — mit einem Argument gar recht? Kann man aus dem Streit zwischen Innenministerium und Justizministerium etwas lernen, wie man etwas besser machen kann? Also: Tatsächlich besser machen, nicht nur fordern oder fantasieren? Falls wir all die Fragen verneinen müssen, dann sollten wir den Beitrag ignorieren.
Ich weiß: Uns bezahlt keiner dafür, gehaltvolle Debatten zu führen. Wir haben nicht die Zeit, alles von beiden Seiten zu betrachten. Aber mit einem Mindestmaß an Selbstreflexion sollte es doch gelingen, deutlich besser dazustehen als die bezahlten Wahlkämpfer. Integrität braucht kein Mandat und keinen Gehaltscheck.
Eine konservative Netzpolitik…
Was kann das sein?
- Konservative Netzpolitik ist, wenn man sicherstellt, dass den Bürgern online nicht das verboten wird, was offline problemlos möglich ist.
- Konservative Netzpolitik ist, wenn man mit Vorsicht den neuen Monopolen gegenübersteht.
- Konservative Netzpolitik ist, wenn man die Werte im Netz erkennt und Werte vorlebt. Die Sekundärtugend Pünktlichkeit wird vom NTP-Server übernommen.
- Konservative Netzpolitik ist, wenn die Welt voller Bildungsmöglichkeiten steckt.
- Konservative Netzpolitik ist, wenn das Wort Freiheit neu überdacht, aber nicht neu erfunden werden muss.
- Konservative Netzpolitik ist, wenn es ein Netz fürs Arbeiten, eins zum Verkaufen gibt und der Rest verzichtbar ist.
- Konservative Netzpolitik ist, wenn man dem Bürger zuhören könnte, wenn man nur die Zeit hätte — und wer hat die schon? Es sind so viele.
- Konservative Netzpolitik ist, wenn die bösen Buben unsere Nacht und unsere Tagträume beherrschen.
- Konservative Netzpolitik ist, wenn der Recht hat, der sich Recht leisten kann.
- Konservative Netzpolitik ist, wenn das Netz wie damals im Schwarz-Weiß-Fernsehen nur drei Kanäle hat.
Welche darf es sein?
Die Drücker der Facegängerzone
Auch ich habe vor kurzem diese eindrucksvolle Guardian-Grafik gesehen, wo der rote Google-Graph den blauen Google-Graph über Jahre hinterherhinkt und plötzlich, kurz nach der Einführung der Guardian-Facebook-App, da holt der rote Graph den blauen ein. Das heißt: Jetzt finden so viele Leser von Facebook zum Guardian wie vorher von Google. Die Einbindung bei Facebook ist also ein voller Erfolg im Interesse der Leser. Und die Guardian-App ist offensichtlich sehr, sehr gut.
Doch ein Ausflug in die Fußgängerzone — Verzeihung — in die Facegängerzone belehrte mich eines Besseren. Das Wetter war sonnig, ich und meine 3478 Freunde flanierten unter dem markengeschützten blauen Himmel einher, als der Ruf eines jungen Mannes mit einem Guardian-T-Shirt erklang. „Kostenlose Qualitätszeitung, der Guardian, kostenlos! Heute bei uns im Blatt: Wie Daten das Radio verändern. Das lesen Sie exklusiv bei uns im Guardian. Kostenlos!“
„Ach ja, der Guardian“, sagte ich im medienkompetenten Kenner-Tonfall. Sehr gute Zeitung. Freunde sagen nur gutes über Sie.“ Der junge Mann war sichtlich erfreut: „Kostenlos, der Guardian, exklusiv. Greifen Sie zu, klicken Sie hier.“ „Aber gerne doch, geben Sie her“, sagte ich und griff nach der hingestreckten Zeitung. „Moooooooment“, sagte der junge Mann und riss mir die Zeitung wieder aus der Hand. „Das ist der exklusive und völlig kostenlose Guardian!“ „Jaja.“ „Exklusiv und kostenlos!“ „So geben Sie ihn mir doch…“ „Um ihn zu bekommen, unterschreiben Sie bitte hier!“
Wie aus dem Nichts hatte der junge Mann ein Klemmbrett hervorgezaubert und hielt es mir unter die Nase. „Was ist denn das?“, fragte ich. „Nur eine Abobestätigung“, sagte er mit einem starren Lächeln. „Keine Bange. Kostenlos! Sie kommen täglich hier vorbei, ich mache ein Foto von Ihnen, wie sie die Zeitung halten. Und allen Freunden von Ihnen sag ich, was sie gelesen haben. Kostenlos. Exklusiv! Ihr Geburtsdatum brauche ich. Exklusiv! Kostenlos Geben sie mir Ihren Ausweis. Qualitätscontent.“
Von dieser Forschheit überrascht, war mein Enthusiasmus wieder abgekühlt. „Ach nein, so dringend war es mir nicht“, sagte ich. „Wissen Sie, im Büro liegt der Guardian kostenlos aus. Dann lese ich ihn halt dort…“ Ich wandte mich ab, um zu sehen ob einer meiner Freunde in der Facegängerzone nicht ein Katzen- oder Waschotterbaby zum Kraulen hätte. Nach solchen Konfrontationen beruhigt mich so etwas immer. Doch die Flauschstunde musste warten. Wieder aus dem Nichts hatte sich ein zweiter junger Mann vor mir aufgebaut, wieder mit einem Klemmbrett, das er mir begierig unter die Augen hielt.
„Alle ihr Freunde lesen den Guardian hier! Und alle lassen sich mit der Zeitung fotografieren.“ sagte er — nein: rief er mir aus wenigen Zentimetern Abstand entgegen. Dabei war er so erregt, dass er mir immer wieder das Klemmbrett gegen die Nase drückte. „Installieren Sie. Greifen Sie zu! Es ist kostenlos! Exklusiv! Super-duper-hyper-baby. Sie haben die volle Kontrolle. Wupdidu!!!“ Erschreckt von dieser Enthusiasmus-Attacke wandte ich mich ab und suchte eine Lücke in den Guardian-Trikots, die mich unbemerkt umringt hatten.
Ich lief los. „Abbrechen, Abbrechen“, gellte es aus meiner Kehle. Schnell rannte ich die Facegängerzone entlang. Egal, ob Otterbaby oder nicht, ich wollte weg von hier. „Haltet ihn“, rief einer der Guardian-Promoter. „Doch sein Kollege hielt ihn fest: „Lass das, ich mach das“. Eine Sekunde später spürte ich einen schwachen Schlag gegen den Hinterkopf. Der Promoter hatte mir eine Zeitung an den Kopf geworfen.
Doch ich blieb nicht stehen. Panikerfüllt lief ich weiter – nur weg von hier. „Laufen Sie nur“ schallte es hinter mir mit höhnischem Gelächter. „Heute bekommen sie die Zeitung ohne Unterschrift. Aber vergessen sie nicht: Wir sind immer hier. Und wir werden es immer wieder probieren!“
Ich gehe nicht mehr gerne in die Facegängerzone. Und wenn ich den Ruf der Promoter höre, dann klappe ich den Kragen hoch, mache mich klein und verdünnisiere mich.