Google — der freundliche Monopolist?

Es ist kaum möglich in Deutschland sachlich über Google zu diskutieren. Nicht erst seit dem Leistungsschutzrecht ist die Diskussion für meinen Geschmack zu polarisiert. Entweder man ist für Google oder man ist gegen Google. Je nachdem, wer gerade die Definitionsmacht ergreift, ist Google der Innovator, die Zukunftsmaschine, der freundliche benevolente Diktator, der uns Deutsche in die Wissensgesellschaft führt, nachdem wir grade dem Gilb des bundesdeutsch-vermieften Bildschirmtextes BTX entronnen sind. Oder Google ist der Milliardenkonzern, der sich nicht um unsere rechtsstaatlichen, moralischen oder geldbörslichen Werte schert. Der abkassiert. Der unseren Digitalwirtschaft keine Chance gibt zu konkurrieren. Und der uns zusammen mit Twitter, Facebook und Co zu degenerierten Klicksklaven macht, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen ohne nach E-Mails und Likes zu checken.

Ich stehe da vermeintlich auf beiden Seiten. Wie fast jeder, der über zehn Jahre online ist, bin ich Google-Fan. Die Suchmaschine war ein Quantensprung für das Netz. Das Unternehmen hat so viel richtig gemacht, dass einige Fehltritte kaum ins Gewicht fallen. Google setzt auf Standards. Google lässt mich die Personalisierung der Werbung abschalten. Google hat einen wirklich guten Browser entwickelt. Und Android-Smartphones kann man rooten. Gleichzeitig verschließe ich jedoch nicht die Augen vor den negativen Aspekten. In der Auseinandersetzung um das Netz hat Google mit seiner „Verteidige Dein Netz“-Kampagne skurrilerweise die Gegenseite mit maßgeschneiderten Argumenten bedient, indem der Konzern seine Meinungsmacht auf Tausenden von Webseiten ausspielte. Und auch wenn 200000 für Unterstützung geklickt haben, kam bei der Legislative nichts davon an. Zudem ist die Entwicklung bei den Google-Produkten für mich als Konsumenten nicht ideal: Die Werbung auf YouTube ist mir inzwischen viel zu aggressiv, die Websuche und ihre vielen Schwestern sind viel zu unpräzise für meinen Geschmack.

Patrick Bernau hat eine Diskussion um Monopole angestoßen, was ich sehr richtig und wichtig finde. Wir sollten einen Schritt zurücktreten, die Lage betrachten und uns überlegen, wo wir hinwollen. Das Leistungsschutzrecht ist in meinen Augen ein Reflex, dem Web-Giganten mal so richtig gegen das Schienbein zu treten, um ihm zu sagen „So geht es nicht“. Wie es denn gehen soll — diese Perspektive fehlte. Warum das Gesetz eher das Gegenteil des erwünschten Zustandes herstellen wird, haben ich und andere oft genug aufgeschrieben.

Ist Google, wie Patrick Bernau meint, ein natürlicher Monopolist? Ist es Facebook, Amazon? Vielleicht. Wobei ich nicht die hohen Investitionskosten als ausschlaggebenden Faktor ansehen will, sondern den Netzwerkeffekt. Wir sind bei Facebook, weil andere bei Facebook sind. Wir kaufen bei Amazon, weil man auf Amazon alles kaufen kann. Und man kann so toll alles bei Amazon kaufen, weil alle bei Amazon kaufen. Jeder will bei Google gefunden werden und öffnet die Tore für den Google-Bot weit. Deshalb haben Konkurrenten wie zum Beispiel Bing es schwer dagegen anzukommen. Während die Microsoft-Suchmaschine mit Milliardenmacht crawlt, schenkt der deutsche Nahverkehr Google seine Fahrpläne. Und Millionen Android-Handies erfassen den Verkehrsfluss.

Die Diskussion, was nun mit den Monopolen ist, erscheint mir nicht so spannend, wie man mit Plattformen umgehen. Monopolisten haben Marktmacht. Und sie können ihre Monopolgewinne im einen Bereich dazu nutzen, andere Märkte zu erobern. Siehe Microsoft und Browser-Krieg. Doch das Internet-Explorer-Monopol wurde gestürzt, heute ist der Windows-Standardbrowser der Underdog, der standardkonform und schnell sein will. Der Markt funktioniert also, oder?

Statt Monopole zu betrachten, würde ich lieber einen Blick auf Plattformen werfen. Denn wer eine Milliarde User hat, kann auch ohne Monopole andere Märkte jenseits des Wettbewerbs erobern. Vor und nach dem Börsengang haben Journalisten alle paar Wochen eine neue verwegene These auf den Markt geworfen: Will Facebook den Musikmarkt erobern? Will Facebook den Gutschein-Markt erobern? Wird Facebook schlichtweg den Werbemarkt für alles übernehmen?

Nichts davon wurde wahr, aber die Befürchtungen sind sicher nicht aus der Luft gegriffen. Denn so verhielten sich die Monopolisten, die wir bis dahin kannten. Die neuen vermeintlichen Web-Monopolisten haben sich erstaunlich unmonopolistisch verhalten. Bei der Suche nach „Suchmaschine“ konnte und kann man bei Google als Top-Treffer immer Links zu Konkurrenten finden — ich habe es eben ausprobiert und Google selbst war nicht mal auf der ersten Ergebnisseite. Das wäre der Bundespost oder der Telekom kaum passiert. Google und Facebook haben nie den Ehrgeiz gezeigt, die Daten, die wir ihnen vermeintlich so leichtsinnig anvertrauten, wirklich gegen uns zu verwenden.

Und doch: Google baut fleißig immer weitere Wissensmacht auf. Habe ich vor Jahren noch mit Entgeisterung zugesehen, wie Nutzer teilweise jede einzelne Webadresse in Google eintippten, statt sie direkt in die Browserzeile einzutragen, hat Chrome das Prinzip zum Normalzustand erhoben. Browser und Suchmaschine sind eins geworden. Smartphone und Google sind eins geworden. Und Google profitiert: durch Werbung, durch verkaufte Apps, bald durch die Handy-Geldbörse. Im „Fegefeuer der Eitelkeiten“ wurde das Geschäft eines Wall-Street-Brokers mit jemandem verglichen, der einen riesigen Kuchen zerteilt und von den Krümeln lebt. Google ist Krümel-Milliardär. Ist das schlimm?

Und doch: Die Dominanz der wenigen Konzerne hat handfeste Nachteile. Der Markt funktioniert in Teilen nicht. Google hat wegen der — ob aus Geiz oder wegen der überzogenen Forderungen — keine Musikvideos online? Das wäre doch ein sehr breites Feld für einen Konkurrenten, der mit einem vernünftigen Kompromiss vormachen könnte, wie es geht. Doch wo ist der? Was hält uns Deutschen ab ein GEMA-lizensiertes Musikportal online zu stellen? Wo ist die präzise Suchmaschine, die ich mir wünsche. Sicher gibt es Aufsätze und Kleinkonkurrenten. Die leiden jedoch daran, dass sie doch nicht so viele Seiten so aktuell in ihren Datenbanken haben — oder das gefundene nicht so gut sortieren wie Google.

Ist Google ein Monopolist? Unklar. Hätte ich gerne mehr Konkurrenz? Auf alle Fälle.

Leistungsschutzrecht? Das Internet wird nicht sterben.

Sollte am Freitag das Leistungsschutzrecht verabschiedet werden, kann ich Sie hiermit beruhigen: Das Internet wird nicht sterben. Google wird nicht sterben. Ob die Verlage leben werden? Ich bin nicht so sicher.

Die Wahrheit ist: Die, die es beschließen sollen, wissen gar nicht so recht, was mit dem Leistungsschutzrecht bewirkt werden soll. Sie haben keine Ahnung, was denn nun konkret der Gegenstand des Gesetzes ist, wie sich die Neuregelung in der Praxis auswirken wird oder welche Prinzipien sie denn schützen. Vorgestern hatte ich noch auf Twitter ein paar Parlamentarier nach dem Leistungsschutzrecht befragt. Sie haben die vage Hoffnung, dass Google, der Datenmoloch, der US-Milliardenkonzern, der Web-Fastmonopolist künftig für die eine Dienstleistung zahlen wird, die wichtig ist für die Demokratie: Verlässliche Information, Debattenraum jenseits der Schreierei. Google-teilfinanzierte Medien sind doch besser als noch mehr GEZ-finanzierte Medien?

Aber: Google wird auch nicht zahlen — zumindest nicht mehr als für die Anti-Leistungsschutzrecht-Kampagne, für die Google massenhaft Werbeplätze bei den Verlagen buchte, gegen die der Konzern kämpfte. In Frankreich hat der US-Konzern nur ein Pseudo-Geschäft abgeschlossen — eine Gesichtswahrung für die Verleger. Ob das in Deutschland möglich ist — ich bezweifle es. Google will nicht noch mehr Präzendenzfälle schaffen.

Fest steht: Kein Verlag, der im Internet tätig ist, kann es sich derzeit leisten, dass Google ihn ausschließt. Rupert Murdoch hat es versucht, die belgischen Verleger haben es versucht — ohne Erfolg. Google hat sich auf vielen Ebenen unentbehrlich gemacht. Mit Android. Mit Chrome. Vor Jahren habe ich mit Entsetzen beobachtet, wie Leute neben mir die simpelsten Webadressen nicht in die Adresszeile des Browsers eingaben, sondern immer den Weg über Google gingen. „Googeln“ steht im Duden, doch können die Sprachwärter kaum erfassen, wie sehr Google hierzulande mit dem Internet verwachsen ist. Wer auf Google Maps falsch eingetragen ist, bekommt keine Besucher mehr, muss selbst seinen freunden Anfahrtsskizzen schicken. Wer sein Gewerbe auf Google+ nicht eingetragen hat, ist ein nackter Datenpunkt, unattraktiv und alt. Wer nicht auf YouTube ist, kann auf das GEMA-Videoportal warten. Lange.

Doch wie sieht es aus für die anderen? Sie haben keine Ahnung. Es wird Abmahnungen geben von Idioten, die zehn vermeintlich kopierte Wörter als schutzwürdig erachten. Gerichte werden ihnen recht geben, weil im Gesetz schlichtweg nicht drin steht, was denn nun der Schutzgegenstand ist. Im Vertrauen darauf, dass das die Verlage schon verantwortungsvoll regeln. Doch schlechte Neuigkeiten: Verlage sind nicht die einzigen Mitspieler. Abzocker gibt es zu Hauf. Und sie finden Anwälte. Deutsche Suchmaschinen werden schließen — aber Moment mal: gibt es deutsche Suchmaschinen? Immerhin kann uns das Leistungsschutzrecht nicht wegnehmen, was wir nicht haben.

Social Media Taktik

Sie sind enttäuscht von ihrer Multichannel-Kommunikationsagentur? Hat sich ihre Social Media Strategie nicht ausgezahlt trotz der fehlenden Bindestriche? Es wird Zeit für einen Wechsel.

Kommen sie zu uns. Wir sind der führende Anbieter für Social Media Taktik. Kurzstrecken-Tweets mit zerstörerischem Potenzial. Bevor der Mob zu Ihnen aufrückt, hinterlassen wir für Sie verbrannte Erde! Wir kaufen nicht nur Facebook-Likes, wir geben auch noch großspurige Interviews darüber. Bevor irgendjemand etwas Schlechtes über Sie schreibt, sorgen wir für den Wikipedia-Löschantrag.

Social Media Taktik. Nur echt mit ohne Binde Striche.

Tschüss Windows 8

Als Recherche für einen Artikel habe ich Windows 8 getestet. Mein Thinkpad war leider der einzige Rechner, auf dem sich das Betriebssystem installieren ließ — zwei andere versagten den Dienst ungeachtet des OKs des Windows8-Installationsassistenten. Und so habe ich die neue Windows-Inkarnation nicht nur unter Laborbedingungen getestet, sondern sechs Wochen alltäglich genutzt. Das Ergebnis: Obwohl mir eine Windows-Neuinstallation so angenehm ist wie ein Zahnarzttermin ist, habe ich am Wochenende wieder Windows 7 auf dem Rechner installiert.

Mein erster Eindruck war: Microsoft hat eine verdammt mutige Entscheidung getroffen, den Nutzern ein neues Bedienkonzept aufzudrücken. Millionen Nutzer haben ein Jahrzehnt lang im ComputerBild-Stil gelernt hat, erst auf diese Schaltfläche zu klicken und dann auf jene — und wurden nun wieder eines guten Teils ihres Erfahrungsschatzes beraubt. Ich gehöre nicht zu der Gruppe und dennoch muss ich sagen: Windows 8 nervte mich gewaltig.

Warum? Nun: Windows bemüht sich seine neue Plattformstrategie auf dem Rücken der Nutzer auszutragen. Kacheln auf dem Windows Phone, Kacheln auf Tablets und Kacheln auf der XBox — das weckt Synergien. Wenn sich alle Geräteklassen ähnlich bedienen lassen, dann kann man Kunden binden. Apple machte es vor.

Die Machtbasis von Microsoft ist aber der Desktop-Markt. Der schwindet zwar ganz allmählich, ist aber immer noch Milliarden schwer. Das Problem: Man kann eine Machtbasis nicht so einfach ändern. Zehntausende Treiber und Programme müssen angepasst werden, wenn man ein paar alte Zöpfe abschneidet. Und deshalb schleppt Windows seit 15 Jahren Altlasten mit sich, weil man die alten Nutzer nicht vergrätzen will. Also entschied sich Microsoft für die vermeintlich salomonische Lösung: Windows 8 ist bekam auch Kacheln, konnte aber gleichzeitig seinen normalen Desktop behalten.

„Gleichzeitig“ ist irreführend: Der Nutzer schaltet dauernd zwischen den beiden Benutzeroberflächen hin und her, die nicht nur komplett anders aussehen, sondern sich auch komplett anderes bedienen lassen. Hier das nach rechts rausscrollende Startmenü, das auf Fingerbedienung optimiert wurde, dort der alte Desktop, Heimat der Mausbenutzer, Lebensraum von Office-Programmen und allen Browsern außer IE. Es ist keine frage, wo sich die alten Windows-Nutzer wohl lieber aufhalten mögen. Also entschied sich Microsoft für eine pädagogische Maßnahme und nahm den Nutzern die Startleiste weg — bis dahin eins der zentralsten Bedienelemente von Windows. Wer Programme öffnen will, soll zum Kachelbildschirm wechseln. Wenn ihr Euch erst an die bunten Kacheln gewöhnt habt, wollt ihr sie schon nicht missen!

Ein Microsoft-Mitarbeiter versicherte mir, dass die neue Startseite an Stelle der Startleiste doch viel praktischer wäre: Der Nutzer müsste eh eintippen, welches Programm man starten will — auf der Kacheloberfläche spart man sich dafür sogar einen Klick. Doch bei mir stimmt das einfach nicht: Ich habe ein paar Programme, ich die oft brauchen und suche sehr selten per Tastatur nach Startmenü-Einträgen. Und falls doch: Wozu soll ich dazu auf einen anderen Bildschirm wechseln?

Leider hat neue Startseite keinerlei Funktionen für mich geboten, die mich dort hinzog. Nur wenige Programme bieten überhaupt dynamische Kacheln, die aktuelle Inhalte auf der Metrooberfläche in einem Überblick präsentieren können. Ein aktueller Wetterbericht ist zwar schön, aber das war es denn schon. Die neusten Skandalnachrichten im MSN-Netzwerk sind eher ein Grund, schnell wegzuklicken. Meine E-Mails habe ich nicht bei Hotmail oder Outlook. Auch die Programme seitwärts über den Bildschirm hinaus zu positionieren, ist für Mausbenutzer höchst nervig. Ich habe keinen Touchscreen-Bildschirm am Thinkpad und deshalb ist eine Touch-Oberfläche für mich dann nicht nützlich. So einfach ist es manchmal.

Die neuen Apps waren allesamt nutzlos auf meinem Thinkpad. Angry Birds mag nett sein, aber das Spiel macht ohne Touch einfach nicht so viel Spaß. Bing Maps — nett, aber warum will ich dazu eine eigene App öffnen, wenn der sowieso dauernd offene Browser es doch auch kann. Ein Programm, dass Passworte zwischen Windows Phone Nutzern und dem Desktop synchronisiert? Ich habe kein Windows Phone. Und so weiter und so fort. Auch die unvermeidliche Furz-App fand in mir keinen begeisterten Nutzer. Ist das wirklich alles, was man auf den Surface-Tablets machen kann? Hier muss Microsoft noch viele Entwickler dazu bringen, neue Anwendungen zu entwickeln. Ein Twitter-Client für 10 Dollar? Seriously?

Immerhin: Es gibt wohl mittlerweile einige ausgereifte Lösungen, die die Kacheln aussperren und dem Nutzer wieder seinen Desktop zurückgeben. Doch Microsoft hat offenbar nicht davor halt gemacht, dem Desktop auch seinen Desktop-Stempel aufzudrücken. Auffälligstes Zeichen: Der möglichst gut versteckte Ausschalter. Wie schaltet man Windows 8 aus? Man muss ganz nach rechts scrollen, in dem neuen Menü den untersten Eintrag auswählen, kommt auf einen neuen Bildschirm und kann dort erst wählen, dass man diese exotische Funktion aktivieren will. Klar: Tablets sollen die ganze Zeit angeschaltet bleiben, kräftig Daten aufbereiten und den Besitzer rufen, wenn neue Tweets kommen. Aber ich wiederhole: Ich habe kein Tablet.

Richtig übel genommen habe ich aber eins: Windows 8 raubte mit meine mittlere Maustaste. Mit ihr öffne ich zum Beispiel neue Tabs im Browser, sie ist an vielen Stellen der Joker, der neue Aufgaben erfüllt. Doch der neue Treiber für mein Touchpad und Thinkpoint killt die Funktion. Schließlich passt der mittlere Mauszeiger nicht zur Tablet-Oberfläche. Dazu müsste ich eine externe Maus anschließen. Aber ich wiederhole: Ich habe kein Tablet.

Windows 8 war ein mutiger Schritt von Microsoft, der Konzern hat viele Zöpfe abgeschnitten. Ich gehöre wohl dazu.

Hallo CeBit: Ein Vorschlag

Ich bin IT-Journalist und dazu gehört auch der Besuch von IT-Messen. Teilweise mag ich sie sogar, weil sie eine neue Perspektive bieten. Während Kollegen nur von Pressekonferenz zu Interview zu Pressekonferenz hetzen, will ich durch die Hallen gehen und von spannenden neuen Produkten überrascht werden.

Was mich immer wieder stört, ist ein Attraktivitäts-Kordon rund um die spannende Technik. Junge, attraktive Hostessen empfangen mich nicht nur, sie fangen mich ab, runzeln kurze Zeit später die Stirn, reichen mich dann weiter an den Kollegen, der tatsächlich mehr als drei Stunden Erfahrung mit dem Produkt hat, aber nicht entfernt so attraktiv ist.

Gut — ich sehe ein: das geht nicht anders. Die Firma kann nicht so viele Mitarbeiter mit viel Ahnung für die Messezeit entbehren. Und die meisten Interessenten können eh mit ein paar Prospekten und der Null-acht-15-Vorführung abgespeist werden. Also nimmt man eben Hostessen. Mit einem attraktiven Lächeln geht die Markenbotschaft schon runter wie Öl.

Mich stört jedoch das Überbordende. So wie sich die Lautstärke in den letzten Jahren teilweise bis ins Unerträgliche gesteigert hatte, sind auch die sexuellen Reize bis über die Schmerzgrenze aufgedreht worden. Vor ein paar Jahren saß ich auf der CeBit abseits, um Notizen zu machen. Ich sah auf und starrte direkt auf ein paar wohlgeformte Brüste. Ein Speicherkarten-Hersteller war es, die eine Gruppe Hostessen ohne Kleidung — stattdessen mit “Bodypainting” in Firmenfarben — quer durch die Messe schickte. Es waren auch ein paar halbnackte Jungs dabei. Ich will aber nicht auf IT-Messen mit sexuellen Reizen bombardiert werden. Und schon gar nicht von einem Speicherkartenhersteller.

Ich will nicht appellieren, dass Messeaussteller auf Hostessen verzichten sollten. Sie sind längst gebucht, sie brauchen das Geld. Aber wie wäre es, wenn die Kleidung mit dem Firmenlogo dieses Jahr so ausfällt, dass die 20jährige Studentin Ihre Hose nicht mit Hilfe eines Schuhlöffels anziehen muss. Und Bodypainting? Machen wir uns nichts vor: wenn es Kunst sein mag, auf der CeBit ist es das nicht. Ihr wollt eine nackte Frau vorschicken, damit Männer an Euren teuren Ständen stehen bleiben. Und wenn ihr halbnackte Jungs daneben stellt: Das ist nicht Gleichberechtigung, sondern ein weiter verteilter Sexismus.

Als ich beim letzten mal auf der CeBit war ist mir aufgefallen, dass die Lautstärke nicht mehr so unerträglich war wie zuvor: Vielleicht hat die Messe den unerträglichen Marktschreier die Megaphone weggenommen oder ein Lautstärkelimit durchgesetzt. Vielleicht haben die Aussteller auch selbst gemerkt haben, wie unerträglich sie den Messebesuch in den Vorjahren gemacht hatten. Mein Vorschlag: Macht dies auch bei allzu sexistischen Werbepraktiken so. Wenn ein paar Bikinis durch Wollpullover ersetzt werden, braucht man vielleicht auch nicht mehr an jeder Toilette Desinfektionssprays.

Gebt uns den Objektivdeckel zurück

Jede Webcam in Tablet, Smartphone und PC sollte mit einem Schieber physisch verschließbar sein. Ich will mich nicht ständig von meiner Hardware anstarren lassen.

So ein kleiner integrierter Objektivdeckel kann sogar die Bequemlichkeit beim Nutzen steigern. Wenn ich das Objektiv öffne, kann automatisch eine Kamera-App geöffnet werden – ich muss nicht erst über den Startbildschirm gehen. Hangouts könnten einfach zwischen Zuschauern und Teilnehmern unterscheiden.

Empöreria

Und plötzlich waren wir da. Es gibt viele Gerüchte, wie das zu Stande kam: Eine hässliche Beziehungsgeschichte, ein Treffen der Selbsthilfegruppe nicht angeklickter Neu.de-Nutzer, ein Plan der V-Männer der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung (WTF). Aber wahrscheinlich war es ein Tweet.

empoereria

Ja, genau so war es! Jemand musste das Wort nur aussprechen und schon waren wir da! Die Empöreria! Wir sind hier, wird laut! Wir sind viele. Wir treffen uns in der D-Base, weil die C-Base einfach lächerlich ist. Meistens kommt eh keiner. Physisch. Aber wir haben fünf Millionen Mitglieder. Die halt besseres zu tun haben!

Habt Ihr heute morgen Wowereit auf Phoenix gesehen? WO-WE-REIT. Also bitte. Der Mann. Seine Koalition. Habt ihr gehört, was er gesagt hat? Also bitte. Der Mann hat Nerven. Er will uns wohl für blöd verkaufen. Habt ihr gehört, was er gesagt hat? Also bitte.

Wasserverträge!

BER!

Oper!

BER!

Stuttgart 21!

BER!

Ihr meint, wir nerven nur? Macht Euch doch nichts vor: Empörung ist der einzige Exportartikel von Berlin! Wir können keine S-Bahn, wir können keine Flughäfen, aber wir können Empörung. Jemand sagt nicht „Schrippen“? Wir sind tolerant, aber das muss man doch Mal sagen! Schrippen!

Glaubt ihr, die BVG hat die Phrase „Zurückbleiben bitte“ jahrzehntelang in Millionen Ohren geblasen, weil wir dumm sind? Nein. Dieser schnarrige Befehlton gibt uns morgens den Kick den wir brauchen. Espresso, Müll auf dem Bürgersteig, BVG. Ihr wusstet es nicht: S-Bahnen werden von der Empörung ihrer Insassen angetrieben. Deshalb die Musikanten und die ständigen Kontrollen.

Wer sich empört, hat Energie. Wer sich empört, ist attraktiv. Glaubt ihr Rudi Dutschke mit seinem versozialistischem Kauderwelsch hätte irgendwem vom Sofa geholt ohne Empörung? Empörung ist gut. Empörung macht attraktiv. Empörung hält Sarazzin auf seinen Beinen. Und ihr wollt wirklich nicht, dass der Mann sich neben euch setzt und zu reden anfängt.

Empört Euch! Wir sind es schon. Und wir mögen es!

Mädchenname der Mutter? König Alfons der Viertelvorzwölfte

Ein Amerikaner ist in zahlreiche Email-Accounts von Prominenten eingestiegen und hat die Inhalte der Nachrichten von dort systematisch verkauft. Wie war ihm das möglich? Ganz einfach:

Zur Schuldanerkennung im März hatte Christopher Chaney zugegeben, mindestens elf Monate lang wiederholt in Mail-Accounts eingebrochen zu sein. Dafür hatte er die Funktion „Kennwort vergessen“ von Webmailern benutzt, deren Sicherheitsfragen er anhand öffentlich bekannter Daten beantwortete.

Die Mail-Anbieter tragen hier in meinen Augen eine deutliche Mitschuld. Denn sie lassen ihre Kunden eine so genannte Sicherheitsfrage ausfüllen, mit denen sie auf ihr Konto zugreifen können, wenn sie — Mal wieder — ihr Kennwort vergessen haben. Dazu bieten die meisten Anbieter nur Fragen an, die entweder leicht nachzurecherchieren oder einfach zu erraten sind. „Wie lautet der Mädchenname ihrer Mutter?“ öffnet das E-Mail-Konto selbst bei unbekannten Personen für Hunderte Verwandte und Bekannte, die diesen simplen Fakt kennen. „Wie hieß ihr erstes Haustier“ oder gar „Was ist ihre Lieblingsfarbe?“ sind so einfach zu erraten, dass man eigentlich das E-Mail-Passwort löschen könnte. Sie wollen alle E-Mails unserer Kunden lesen? Nur zu!

Der einzige Grund dafür: Die Anbieter der Services wollen keinen Support leisten. Wenn der Kunde ein Passwort vergisst, soll er um Gottes Willen nicht anrufen und irgendeine manuelle Aktion verlangen. Oder gar komplizierte Verifikationsprozesse in Gang setzen, die in der Heimat vieler dieser Konzerne sowieso absurd wären, weil die USA nun einmal kein funktionierendes Meldewesen haben.

Die einzige Möglichkeit bei solche Fragen nicht automatisch sein Postfach zu öffnen: Kreative Antworten. Mädchenname der Mutter? König Alfons der Viertelvorzwölfte. Name des Haustiers? Ihr seid solche Sicherheits-Versager!

Piling on

Es ist ein menschliches Drama. Ein wertvoller Mensch wurde aus unserer Mitte gerissen, vermutlich weil sich die Weltpresse in hämischer Weise auf ein Malheur von ihr stürzte.

Ach übrigens: WIR HABEN PRIVATFOTOS VON IHR. UND WIR NENNEN SIE EINEN ENGEL. WAS UNS NICHT DAVON ABHÄLT, MORGEN NACH DER SCHMUTZWÄSCHE IN IHREM LEBEN ZU SUCHEN. KAUFT, KAUFT, KAUFT.

Und die Moderatoren — sie sind eigentlich ganz wie wir. Menschen, die einen Fehler gemacht haben.

Ach übrigens: WÄRE ES NICHT EIN TOLLES WEIHNACHTSFEST, WENN DIE SICH AUCH UMBRINGEN? VERSUCHEN WIR ES MAL!