Reden wir über Google — und alle anderen

Was mich bei der ganzen „Zerschlagt Google!“-Diskussion überrascht ist, dass niemand einen überzeugenden Grund vorbringen kann, wo a) Google seine Macht derzeit tatsächlich schon missbraucht und was b) eine Abtrennung der Suche an dem vermeintlichen Missbrauch ändern würde.

Nachdem dutzendweise Startups mit eigenen Websuchen aufgemacht haben, wissen wir zweierlei: Google verhindert den Markteinstieg von Konkurrenten nicht. Und: Diese sind gnadenlos unterlegen, sofern sie nicht auf Google-Ergebnisse zugreifen. Ein simpler Algorithmus und eine Datenbank reichen eben nicht aus um eine Websuche zu bauen, mit der man heutzutage arbeiten will. Microsofts Bing illustriert das meiner Meinung nach besonders schön. Der Dienst mag in den USA konkurrenzfähige Erlebnisse liefern, in Deutschland tut er es nicht. Wir haben also Marktzutrittsschranken, die die Marktmacht der Google-Suche ohne wettbewerbswidriges Verhalten erklären können.

Klar: Google hat seine Marktmacht ausgenutzt

Google ist keineswegs heilig zu sprechen und der Konzern hat in meinen Augen mehrmals seine Marktmacht bei der Suche genutzt, um in andere Märkte vorzudringen. Das Debakel um die bezahlte Produktsuchmaschine? Eindeutig ein Fall für die Kartellwächter. Die Promotion des Google-Browsers Chrome auf der Startseite? Fragwürdig. Trotzdem war Google durchweg besser als die Konkurrenz. Zwar hat Chrome Google-Suchdienste eingebaut, doch der Konzern musste von niemandem verpflichtet werden, auch Konkurrenzdienste zu ermöglichen. Und Chrome wird sogar von direkten Google-Konkurrenten umgebaut.

Die Beweisführung erschöpft sich meist in hierzulande großmäulig erscheinenden Aussagen von Sergej Brin oder Eric Schmidt. Dann gibt es die Beschwerden von Firmen, die meinen Google schulde ihnen Geld oder sie hätten ein Anrecht auf den ersten Platz in der Google-Suche. Doch eine echte Marktanalyse fehlt. Und eine Folgenabschätzung, wenn man Datensammlung und Datenverknüpfungen generell verbieten will. Dass man alle Navigationssysteme zehn Jahre nach hinten werfen würde, wäre nur die erste Folge. Wer vermisst ernsthaft Stadtplandienste, die sich über Abmahnungen finanzierten?

Die Plattform hat sich geändert

Die Debatte um einen Missbrauch der Google-Suche ist mindestens fünf Jahre zu spät — heute spielt die Musik längst in anderen Bereichen. Android ist die Power-Plattform Googles, die in alle mögliche Geräteklassen vordringen soll. Und auch bei seinem Mobilbetriebssystem hatte Google seine Marktmacht für sich genutzt — der hauseigene App-Werbedienst wurde bevorzugt.

Dass Google Adblock aus seinem App-Store geworfen hat, weckt natürlich Misstrauen. Doch Google hätte recht — wenn Google sich zu solchen Fragen äußern würde — wenn sie ins Felde führten, dass die Werbeblocker anderen Apps ins Gehege kamen. Als Plattformbetreiber konnte sich Google nur zwischen den App-Entwicklern entscheiden, die ihre Apps durch Werbung — und zwar nicht nur durch Google-Werbung — finanzieren wollten und den Adblockern.

Im Chrome-Webstore hingegen sind die Adblocker noch erhältlich und filtern zum Beispiel Werbung aus YouTube-Videos heraus. (Der Vertrag mit Adblock Plus ist natürlich auch ein Fall für Wettbewerbs- und Kartellrecht, aber da nach mehreren lautstarken Ankündigungen bisher kein Verfahren eingeleitet wurde, gehe ich davon aus, dass auch hier Google auf der legalen Seite ist.)

Jeder macht es

Wenn man Google brechen will, kann man nicht alleine Google regulieren. Denn der Konzern macht in seinem Geschäftsbetrieb fast nichts, was nicht andere auch machen — und das erheblich dreister. Google-Anzeigen kann man besser abschalten als andere, sie sind weniger neugierig als Facebook und Co, sie sind in der Regel auch unaufdringlicher. Der Zwang zur eigenen Plattform? Apple ist fünf Mal schlimmer. Und selbst europäische Unternehmen schöpfen Nutzerdaten ab, wo sie es nur können. Die Verkehrsdurchsage im Radio (und in Apps) basiert heute zum Teil darauf, dass Handies ihren Standort ständig in die Zentrale funken und zum Beispiel von Vodafone ausgewertet werden.

Die Marktmacht macht Google zum Sonderfall, aber die Bereitwilligkeit des Konzerns auf staatliche Einschränkungen einzugehen lässt den Kartellwächtern keinen Raum die ganz großen Geschütze auszupacken. Die deutsche Regierung wollte kein nutzbares Streetview, also hat Google aufgehört. Auf YouTube soll Urheberrecht vor Meinungsfreiheit gehen? Google implementiert ein Löschprogramm. Was immer die Staaten wollten, Google hat fast immer gekuscht. Bis fast keine einzige nachvollziehbare Forderung mehr übrig blieb.

Google baut seine Plattform, regulieren wir sie. Und zwar so, dass sich auch Facebook, die Telekom, Vodafone, Samsung, Unity Media, Lenovo, Kabel Deutschland, United Internet, Amazon, Rocket Internet und sogar Threema sich an die Regeln halten müssen. Und natürlich die Staaten, die in Sachen Offenheit meilenweit hinter Google hinterherhinken. Falls sie überhaupt in die Richtung gehen.

Fleißbildchen

Audible verleiht nun auch Fleißbildchen. Da ich nachts nicht schlafen konnte und mich von Sherlock Holmes einschläfern lassen wollte, habe ich nun ein Nachteulen-Abzeichen. Es gibt sogar ein Abzeichen dafür, dass man sich oft die Statistiken anguckt.

2014-11-23

Tomorrow’s just your future yesterday

Ich mag es ja auf dem legalen Weg zu bleiben. Wenn ich Stephen Colbert oder Jon Stewart sehen will, muss ich zur Zeit über einen Proxy gehen, weil Comedy Central die Videos für Deutschland blockiert — obwohl hier niemand anderes hierzulande die Senderechte aufgekauft hat. Trotzdem kann ich auf YouTube eine Late Night Show gucken, die nicht ständig gelöscht wird. Die sogar offiziell kostenlos veröffentlicht wird. Zumindest noch ein paar Tage.

Craig Ferguson hat mit der „Late Late Show“ auf CBS ein kleines Kunstwerk geschaffen, ein Biotop der Spontaneität. Abend für Abend tritt der Ex-Punk, trockene Alkoholiker und Standup-Comedian Craig Ferguson auf seine kleine Bühne in Los Angeles und dekonstruiert die Late-Night-Show. Statt eines Sidekicks hat er sich ein schwules Geister-Skelett auf die Bühne gestellt, dazu hat er zwei Schauspieler in ein Pferdekostüm gesteckt, die zu seinen Dialogen mit dem Roboterskelett nicken oder gar tanzen müssen.

Sein Theme-Song ist Programm:

Lifes too short to worry about the things that you can live without
And I regret to say the morning light is hours away
The world can be such a fright but it belongs to us tonight
What’s the point of going to bed? You look so lovely when your eyes are red
Tomorrow’s just your future yesterday

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Boner Pills und TBBT

Craig scherzt oft darüber, dass er machen könne, was er wolle, weil die Verantwortlichen von CBS niemals die Sendung einschalten. Was nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Sein Umgang mit den Zuschauern, die er gerne zu Beginn auf die Bühne bittet, schrammt scharf am Todesurteil in L.A.: „inappropriate“. Wenn es Zeit für eine Werbepause ist, sagt er, dass es nun ein paar Botschaften der Hersteller von „boner pills“ gäbe. Und seine Kommentare zu CBS legen den Schluss nahe, dass es sich bei den Verantwortlichen um geizige Idioten handelt, die keine Ahnung haben. Neun lange Jahre lang hat er trotzdem für sie gearbeitet.

Den Freiraum nutzte er auch im Umgang mit seinen prominenten Gästen. Die Late Late Show ist sozusagen die kleine Schwester von David Lettermans Late Show, die in New York aufgezeichnet wird. Craig hingegen sendet aus L.A, dem Mekka der Phonies, der Wichtigtuer, der Nichtskönner in tollen Schuhen. Aber wer sich bei Craig bewährt, darf vielleicht auch zu Letterman.

https://www.youtube.com/watch?v=EgxRdcKFNW4

Dazu legt er aber die Latte ein wenig höher. Weibliche Gäste müssen mit sexuell aufgeladenen Witzen klarkommen, Männer müssen sich ihre Oberflächlichkeit vorhalten lassen. Sort of scherzhaft. Oder nicht? Deshalb kommen zu Craig im wesentlichen die Schauspieler, die keinen Oscar bekommen, sondern die im Programm von CBS auftreten. Oder die Spaß an Craig haben. Mit Charme und Talent hat Craig trotzdem die unsichtbare Status-Leiter erklommen. So hoch die Leiter eben reichte. Sandra Bullock kommt. Kate Blanchett nicht.

10 Prozent mehr Craig

Wie sehr sich Craig in den letzten Jahren gezügelt hat, wird jetzt erst richtig klar. Denn er hört auf. Sein Chef David Letterman hat Stephen Colbert als Nachfolger gewählt. Und Craig hat genug. Wie sehr er genug hat, zeigt er in den letzten Episoden. Ausgiebig erzählt er, wie satt er es hat, Hollywood-Sternchen zu interviewen, denen er zu ihren Schuhen gratulieren musste, weil sie nichts zu sagen hatten. Heute zum Beispiel sah ich die Episode mit Simon Helberg, der eigentlich dauernd bei Craig zu Gast war, weil er in „The Big Bang Theory“ auftritt, einer Co-Production zu „Two and a half men“ und auf Sendung bei CBS.

Während sich Craig immer bemüht ist, seine Gäste gut aussehen zu lassen, hat er nun ein wenig mehr aufgedreht. Sagen wir: Zehn Prozent. Doch das ist eindeutig zu viel für Simon Helberg, der eigentlich nur gekommen ist, um über seinen neuen, lausigen zu Film. Dafür hat Simon alles gemacht, was Los Angeles und Late Night von ihm erwartet: Er hat eine Anekdote über seine Frau mitgebracht, die wegen ihrer veganen Ernährung nun Proteine nachtankt, indem sie Pfannkuchen aus Insektenmehl serviert. Er hat ein paar witzige Zeilen aufschreiben lassen. Und er hat Craigs konfusen Monolog aufmerksam zugehört.

Craig spielt zwar noch den Stichwortgeber. „Ground up crickets? What? That’s like the opposite of being a vegan“, schreit er. Aber dann. Erst spricht er über Cricket, dann über Kinder, Porno, Kim Kardashian, die Tiefen des Ehelebens, die Ambiguität des Wortes „Ho/Whore“, Champagner und dann ist eigentlich Zeit zum nächsten Gast überzugehen. Simon Helberg pariert, so gut er kann, und bricht schließlich zusammen: „Craig, I need a friend“. Und als Craig weitermacht und über seinen Alkohismus spricht, baut er schließlich ein Brücke zu Helbergs neuem Film und fragt nach der Familie. Zu spät. Boner-Pills-Werbepause.

http://youtu.be/vvt2zaalmiA?t=16m45s

Schließlich beugt sich Craig zu Helberg rüber und flüstert ihm etwas ins Ohr. Und dann kann der Phoney endlich seinen Plug, seine Eigenwerbung für seinen Film endlich loswerden. Craig hat nur 10 Prozent aufgedreht. Als Conan O’Brien seine Talkshow verlor, demolierte er das Studio. Craig geht freiwillig. Aber dennoch: Die nächsten oder genauer: die letzten — Ausgaben werden lustig.

Threemas gesamtheitliche Privatsphäre

Ich habe gestern eine Pressemitteilung von den Herstellern von Threema erhalten. Titel: „Nur Threema mit gesamtheitlichem Schutz der Privatsphäre“. Darin betonen die Autoren, dass WhatsApp trotz der Einführung von End-zu-End-Verschlüsselung in Sachen Datensicherheit keine ernsthafte Konkurrenz zu Threema ist. Einer der Punkte: „Informationen über Kontakte und Beziehungsnetze der Nutzer werden weiterhin zum US-amerikanischen Anbieter übertragen und können dort ausgewertet werden.“

Da ich die gleiche Pressemitteilung an gleich drei verschiedene E-Mail-Adressen geschickt bekommen hatte, antwortete ich an die Absendeadresse mit der Bitte nur noch eine Adresse zu verwenden.

threema-mailingliste

Was ich nicht wusste: Der Absender war nicht etwa das Postfach des Unternehmenssprechers, sondern eine offene Mailingliste. Ergebnis: Jeder Journalist, der je mit Threema kommuniziert hatte, bekam meine E-Mail kommentarlos weitergeleitet. Seit gestern habe ich deshalb über 60 Mails von Kollegen bekommen, die sich mal wundern, warum sie die E-Mail bekamen, Ratschläge wie ich meinen E-Mail-Client richtig bediene und dringliche Bitten sie sofort von der Liste zu streichen!!! Immerhin: die allermeisten nutzten nicht den Reply-All-Knopf, so dass eine E-Mail-Kaskade wie beim berühmten Kürschnergate ausblieb.

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Für Threema hingegen ist das natürlich ein Schuss ins Kontor. Zwar wurde die Mailingliste wohl relativ schnell abgedichtet und am Abend bekam ich auch eine sehr knappe Entschuldigung des Pressesprechers — aber sicheres Kommunikationsverhalten ist kein isolierter Zustand, sondern verlangt „gesamtheitliches“ Vorgehen. Die ausgefuchsteste Verschlüsselung kann zunichte gemacht werden, wenn jemand einen zentralen Schalter falsch bedient, eine Konfigurationsoption falsch verstanden hat oder ganz einfach nicht weiß, wie er seine Arbeitsmittel bedienen soll.