In dem allgemeinen Nondiskurs zu gesellschaftlichen Themen, der daraus besteht, das zwei oder mehr Seiten ihre Standpunkte per Megaphon verkünden und dabei die Finger ganz fest in die eigenen Ohren stecken, um ja nicht von Gegenargumenten getroffen und vermutlich tödlich verletzt zu werden, im allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs, bei dem jemand um Teufel komm raus provoziert und den Provozierten dann ihre Erregung vorwirft, da begegnet mir das Scheinargument recht häufig:
So ganz unrecht hat er doch nicht!
Meist kommt dieser oder ein ähnlicher Satz von Leuten, die prinzipiell der Meinung eines Megaphonträgers sind, aber die nicht mehr leugnen können, dass das, was der Vorsprecher sagte, zum großen Teil erstunken, erlogen und nicht verstanden ist.
So ganz unrecht hat er doch nicht. Man muss ja die gesellschaftlichen Realitäten sehen…
Als Journalist kann ich sagen: komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge lassen sich unmöglich in 4000-Zeichen-Texte verpacken, die die objektive Wahrheit umfassend abbilden und von niemandem missverstanden werden können. Und dass unveränderbare Kennzeichen von komplexen gesellschaftlichen Fragen ist, dass es immer jemand gibt, der missverstehen will.
So ganz unrecht hat er doch nicht. Seine Meinung ist halt seine Meinung. Und darf man nicht mehr seine Meinung sagen?
So schwer es ist, auch nur über überschaubare Strecken alleine die objektive Wahrheit zu sagen und zu schreiben; so schwer ist es, konsequent die objektive Unwahrheit zu sagen. Zwei plus zwei ist gleich elf und der erste bekannte US-Präsident war ein Velociraptor. Das ist falsch, aber waren nicht Velociraptoren in Amerika? Und die Grammatik stimmt doch? Und seien wir ehrlich: der Raubtierkapitalismus der USA hat etwas von einem gefräßigen Saurier. Und die Mathe ist nicht schlimmer als das, was Kuba macht!
So ganz unrecht hat er ja nicht!
Doch. Wer Anekdoten erfindet, Lügen und Verschwörungstheorien verbreitet, wer Verachtung verspritzt, der hat für alle praktischen Erwägungen unrecht. Komplett. Er kann ja nochmal versuchen ohne den Quatsch seinen Punkt zu machen.
Lasst uns unterdessen jemandem zuhören, der kein Megaphon hat und sich kein heißes Wachs in die Gehörgänge träufelt, um ja kein Gegenargument zu hören.