PR-Arbeiter sprechen nicht Wikipedia

Es wird oft als Glaubensfrage behandelt, ob PR-Abteilungen in Wikipedia schreiben dürfen. Ist es gerecht, dass die einen Autoren nicht bezahlt werden, während die anderen für ihre PR-Arbeit Geld kassieren? Wird das soziale Miteinander vergiftet? Ich habe dazu keine festgefügte Meinung. Aber immer wieder drängt sich mir der Eindruck auf: Viele PR-Arbeiter sind praktisch nicht mehr fähig, Enzyklopädie-Artikel zu schreiben. Nicht nur ihr Schreibstil ist gänzlich unenzyklopädisch — sie scheinen auch nicht mehr fähig, die Dissonanz zwischen Realität und Darstellung wahrzunehmen. Oder es ist ihnen nicht erlaubt.

In den letzten Monaten hat eine Agentur namens „Sucomo“ vorzugsweise mittels „Sponsored posts“ dafür getrommelt, dass sie transparent und professionell in der Wikipedia arbeiten kann. „Transparent“ heißt hier freilich, dass Sucomo weder Klienten, noch Mitarbeiter offenbaren will, die eigene Webseite mit der Beschreibung ihrer Dienstleistung ist seit Monaten gelöscht.

Nun spült mir Google News diese Meldung bei Basic Thinking ins Blickfeld: Deutsche Wikipedia öffnet sich für Unternehmen und PR – kostenloser Leitfaden erklärt wie“.

Wie weit hat sich Wikipedia für Unternehmen geöffnet? Schauen wir doch einmal in die Meldung den bezahlten Werbetext hinein:

Immer wieder wird darüber gestritten, wie weit sich Benutzer mit kommerziellem Hintergrund beteiligen dürfen. Auch die deutsche Wikipedia hat darüber heftig diskutiert und sich kürzlich in einem Meinungsbild entschieden, die Regeln nicht zu verschärfen.

Sprich: Die Öffnung der Wikipedia besteht darin, dass sich in einer nicht-gültigen Abstimmung viele Leute nicht bereit gefunden haben, eine untaugliches und nicht durchsetzbares PR-Verbot in die Regeln aufzunehmen. Wenn die PR-ler von Sucomo und ihre neuen(?) Mitstreiter von der Agenturgruppe Aufgesang sagen, dass sie eine Tür geöffnet haben, heißt das lediglich, dass sie diese in den letzten drei Minuten nicht zugenagelt haben. Vorsicht: Wer solche Behauptungen unbesehen glaubt, läuft in Gefahr sich den Kopf zu stoßen.

Den in der Meldung versprochenen „kostenlosen“ Leitfaden gibt es dann doch nicht ganz umsonst:

linkbait-aufgesang

Wer den „Pay with a tweet“-Service mit Twitter nutzen will, muss der App vollen Zugriff einräumen.

Diese Applikation kann:

Tweets aus Deiner Timeline lesen.
Anzeigen, wem Du folgst und neuen Leuten folgen.
Dein Profil aktualisieren.
Tweets für Dich veröffentlichen.

In der Agenturbroschüre von Aufgesang stehen „Linkbaits“ als Tätigkeit. Kostenlos neutrale Informationen zu verbreiten um das Weltwissen zu dokumentieren — das steht merkwürdigerweise nicht darin.