Einfache Regel für jeden professionellen Büroarbeiter: Bei konzerninternen Konflikten — und wer arbeitet heute nicht für mindestens einen Konzern? — schweigt man nach außen. Räche Dich, in dem Du nur in Unterwäsche in der Videokonferenz sitzt oder kritzel irgendetwas Gehässiges auf die internen Memos. Schluck es runter.
Nicht so Stephen Colbert. Ihm hat Viacom-Konzernschwester MTV einen Daft-Punkt-Auftritt in seiner Show abgejagt. Ein Debakel sondergleichen. Denn Colbert hat — wenn man ihm da glauben kann, und es spricht einiges dafür — nicht nur erst am Vortag davon erfahren, er ist auch gegenüber seinen Sponsoren teure Verpflichtungen eingegangen.
Was macht Colbert? Statt die Firmenanwälte ihr Ding machen zu lassen, und sein Budget für den Rest des Jahres kürzen zu lassen, geht er mit dem Konflikt möglichst breit an die Öffentlichkeit. Er setzt Schauspieler ins Publikum, die den nicht amüsierten Hunday-Vorstand spielen und liest eine E-Mail vom MTV-Chef vor, die diesen wie einen Idioten erscheinen lassen, der er wahrscheinlich auch ist. Kann man damit durchkommen? Selbst bei einer Spätsendung, die sich außerhalb des direkten Blickwinkels der Senderverantwortlichen befindet: Nein, nicht unbedingt.
Alleine: Colbert hat es in der kurzen Zeitspanne geschafft, eins der Musikvideos zu drehen, die von Jimmy Kimmel so populär gemacht wurden und für das die Stars wie Matt Damon Schlange stehen. Kurzerhand hat er Hugh Laurie eingespannt, der am Vorabend Gast der Sendung war, und Bryan Cranston, der zur Zeit eines der heißesten Assets des Show Business ist. Colbert tanzt sich an dem Abend durch die Fernsehstudios vieler Kollegen und durch das Büro von Henry Kissinger, schafft Ashton Kutcher und Matt Damon in sein Studio und schafft es auch noch Robin Thicke als Ersatz-Showact zu bekommen.
Ich weiß: Alles oberflächlich, alles Entertainment. Aber wenn man es sich ansieht: Das ist großartige Unterhaltung. Und wenn man dazu noch überlegt, welchen Aufwand dieses Video in dieser kurzen Zeit bedeutet hat und welche Risiken Colbert damit einging: Wow. Einfach nur Wow. Großes Fernsehen.
The Colbert Report
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Die ganze Sendung ist hier abrufbar.
Und wer gar nichts mit Stars und Sternchen anfangen kann: Hier bringt Colbert die Kritik an den Terrorwarnungen der USA besser auf den Punkt als das halbe deutsche Feuilleton und hier gibt er eine sehr eindrucksvolle Präsentation, was man im Fernsehen nicht sagen darf. Und das ist nur der Output dieser Woche.
PS: Ganz so spontan war das Video doch nicht produziert — hier habe ich mich blenden lassen. Die Szene mit Jeff Bridges zum Beispiel stammt offenbar vom Juli, die mit Jimmy Fallon von vergangener Woche. Etc, pp. Colbert ist gut, zaubern kann er aber doch nicht.