Ich bin IT-Journalist und dazu gehört auch der Besuch von IT-Messen. Teilweise mag ich sie sogar, weil sie eine neue Perspektive bieten. Während Kollegen nur von Pressekonferenz zu Interview zu Pressekonferenz hetzen, will ich durch die Hallen gehen und von spannenden neuen Produkten überrascht werden.
Was mich immer wieder stört, ist ein Attraktivitäts-Kordon rund um die spannende Technik. Junge, attraktive Hostessen empfangen mich nicht nur, sie fangen mich ab, runzeln kurze Zeit später die Stirn, reichen mich dann weiter an den Kollegen, der tatsächlich mehr als drei Stunden Erfahrung mit dem Produkt hat, aber nicht entfernt so attraktiv ist.
Gut — ich sehe ein: das geht nicht anders. Die Firma kann nicht so viele Mitarbeiter mit viel Ahnung für die Messezeit entbehren. Und die meisten Interessenten können eh mit ein paar Prospekten und der Null-acht-15-Vorführung abgespeist werden. Also nimmt man eben Hostessen. Mit einem attraktiven Lächeln geht die Markenbotschaft schon runter wie Öl.
Mich stört jedoch das Überbordende. So wie sich die Lautstärke in den letzten Jahren teilweise bis ins Unerträgliche gesteigert hatte, sind auch die sexuellen Reize bis über die Schmerzgrenze aufgedreht worden. Vor ein paar Jahren saß ich auf der CeBit abseits, um Notizen zu machen. Ich sah auf und starrte direkt auf ein paar wohlgeformte Brüste. Ein Speicherkarten-Hersteller war es, die eine Gruppe Hostessen ohne Kleidung — stattdessen mit “Bodypainting” in Firmenfarben — quer durch die Messe schickte. Es waren auch ein paar halbnackte Jungs dabei. Ich will aber nicht auf IT-Messen mit sexuellen Reizen bombardiert werden. Und schon gar nicht von einem Speicherkartenhersteller.
Ich will nicht appellieren, dass Messeaussteller auf Hostessen verzichten sollten. Sie sind längst gebucht, sie brauchen das Geld. Aber wie wäre es, wenn die Kleidung mit dem Firmenlogo dieses Jahr so ausfällt, dass die 20jährige Studentin Ihre Hose nicht mit Hilfe eines Schuhlöffels anziehen muss. Und Bodypainting? Machen wir uns nichts vor: wenn es Kunst sein mag, auf der CeBit ist es das nicht. Ihr wollt eine nackte Frau vorschicken, damit Männer an Euren teuren Ständen stehen bleiben. Und wenn ihr halbnackte Jungs daneben stellt: Das ist nicht Gleichberechtigung, sondern ein weiter verteilter Sexismus.
Als ich beim letzten mal auf der CeBit war ist mir aufgefallen, dass die Lautstärke nicht mehr so unerträglich war wie zuvor: Vielleicht hat die Messe den unerträglichen Marktschreier die Megaphone weggenommen oder ein Lautstärkelimit durchgesetzt. Vielleicht haben die Aussteller auch selbst gemerkt haben, wie unerträglich sie den Messebesuch in den Vorjahren gemacht hatten. Mein Vorschlag: Macht dies auch bei allzu sexistischen Werbepraktiken so. Wenn ein paar Bikinis durch Wollpullover ersetzt werden, braucht man vielleicht auch nicht mehr an jeder Toilette Desinfektionssprays.