Schönen Weltinternettag

Ich lese gerade, dass heute „Weltinternettag“ ist. Ist der nicht an jedem Tag?

Wie auch immer: Feiert schön. Indem ihr eine E-Mail verschickt, die selbstverständlich kostenlos transportiert wird. Indem ihr einen Musik-Stream aus Australien hört und Euch vorstellt, wie viele Router rund um die Welt diese Musik transportieren, wie jeder Beat und jede Note Ozeane unterquert hat. Feiert, indem ihr etwas neues lernt, weil ihr wieder Mal ein bisschen über den Tellerrand geguckt habt.

Schönen Weltinternettag Euch allen!

Audi: Wir können nur Apps

Gestern abend habe ich ein relativ neues Plakat an vielen Stellen in Köln bemerkt — gut beleuchtet an Bushaltestellen platziert. Audi hat da was ganz Tolles. Kein neues Auto, sondern eine neue App.

Soso — mit der App kann man suchen, finden, merken und orten. Und direkt fahren! (Den Part glaube ich übrigens nicht.) Meine Frage ist: Warum keine Webseite, die sich mit jedem Smartphone ansehen lässt? Warum soll ich mich als Interessent ein Programm herunterladen, das meine ohnehin schon viel zu unübersichtliche App-Liste weiter verstopft, um eine Funktiuonalität zu bekommen, die im Gegensatz zum Browser auf eine einzige Automarke beschränkt ist?

Liebe Werber,

wenn Euer Kunde ganz aufgeregt zu Euch kommt, weil die Kunden verloren gehen, besonders die jungen, zahlungskräftigen und dass sie deshalb ganz, ganz dringen eine App brauchen — dann nehmt sie beiseite. „Ja Herr Audi, Apps sind toll. Aber wir haben da noch etwas besseres im Angebot. Eine Webseite. Gucken Sie Mal: Die kann man sogar auf der Internationalen Raumstation anzeigen. Und im internetfähigen Bordcomputer ihres Konkurrenten. Und Herr Audi — das ist sogar viel billiger…“

Ja…. gut. Der letzte Part wird Euch nicht über die Lippen kommen. Und ihr werdet auch nicht sagen, dass die junge, gutverdienende Zielgruppe schrumpft, weil die Jungen halt nicht mehr so viel Geld verdienen. Und dass man ihnen keine Konsumkredite mehr verkaufen kann. Das weiß Herr Audi schon, deshalb hat er eine Gebrauchtwagenbörse. Ihr werdet auch nicht erzählen, dass die tolle Idee von einem Praktikanten stammt, der im Monat so viel bezahlt bekommt, wie ihr für eine Stunde in Rechnung stellt.

Das werdet ihr nicht tun. Dann macht wenigstens das eine: Baut keine sinnlosen Apps.

Vergesst Armstrong

Der Verband UCI hat heute in einer überraschenden Entscheidung nicht nur die sieben Tour-de-France-Titel des US-Pharmakologen Lance Armstrong für nichtig erklärt, sondern weitergehende Konsequenzen angekündigt. „Lance Armstrong hat keinen Platz im Radsport. So etwas darf nie wieder passieren“, sagte UCI-Präsident Pat McQuaid am Montag in Paris. Und fuhr fort: „In der Tat hat das nie gegeben. Denn eine Tour de France gab es noch nie.“

McQuaid führte aus, dass die Idee einer Rundfahrt über mehr als 3400 Kilometern über Gebirgestrecken bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über 40 Kilometern pro Stunde ohne ausgiebige Ruhezeiten seien absurd. „Wenn sie sich an so etwas erinnern mögen, haben sie vielleicht die falschen Pilze gegessen“, sagte McQuaid.

In der Tat sei nicht nur das Radrennen eine kollektive Illusion gewesen — die vielleicht auch auf das Internet mit seinen verlogenen YouTube-Videos zurückzuführen sei — auch das Fahrrad selbst sei zweifellos eine Hoax, eine Lüge. „Zwei Räder hintereinander und obendrauf ein erwachsener Mann“, lachte McQuaid. „Der fällt doch um“. Anwesende Reporter, die der absolut logischen Erklärung widersprachen, wurden aus der Pressekonferenz hinauskomplimentiert und in eine Entzugsklinik eingeliefert.

In einer weiteren Wendung hat der UCI heute den Beginn einer neuen Rennserie angekündigt. Die offensichtlich auf einer Wahnerscheinungen basierende Fahrradtour habe als Vorlage für eine völlig neue Idee gestanden: Eine Radtour quer durch Frankreich, die nicht nur die Vielfalt und den Nationalstolz der Franzosen anspornen könne, sondern zudem die sportlichen Werte des UCI verkörpere. Statt auf die wahnwitzige Idee eines Fahrrads setze der Weltverband jedoch auf ein erprobteres Konzept. Schon 2013 würden die Athleten zu dem bemerkenswerten Rennen aufbrechen — auf nagelneuen Segways. Spontan fiel McQuaid auch auf der Pressekonferenz ein inspierender Name ein. „Ich nenne das neue Rennen die Tour de France.“

Ist es wirklich Internetsucht?

Das Wort geht wieder um. Internetsucht. Exzessive Mediennutzung. Spielsucht. Asiatische Heranwachsende zerstören sich am Bildschirm, Schlaf spielt in der Welt von Warcraft keine Rolle — bis zum Kollaps. Tote Kinder zerlegen die Psyche derer, die am Bildschirm deren Schicksal begaffen. Und sich daran aufgeilen.

Ich mag den Begriff „Internetsucht“ nicht. Als ich vor ein paar Monaten in irgend einem Fragebogen ankreuzen sollte, wie oft ich täglich im Internet bin, kreuzte ich mit gutem Gewissen an: Einmal. Vom Aufstehen bis zum Schlafengehen.

Habe ich deshalb ein Problem? Ja, klar. Wie unsere ganze Gesellschaft. Erinnern wir uns: Einst meinten Menschen, die Eisenbahn sei unnatürlich, weil die Menschen nicht darauf eingerichtet seien, auf Dauer Geschwindigkeiten über 30 Kilometer pro Stunde zu verarbeiten. (Eine Anekdote, zweifellos.) Nun fahre ich mit 250 Kilometer pro Stunde Richtung Frankfurt und lese dabei die neusten Nachrichten im Internet. Chatte gar. Gegen die Fahrtrichtung. Das menschliche Gehirn verträgt mehr als ein bisschen Beschleunigung. Warum sollte man ihm nicht einen Trichter einführen und oben das gesamte Wissen der Welt einfüllen? Und all die Lügen, all die Missgunst, all das Geschwafel dieser Welt hinzu?

Die Rede ist von Internetsucht. Sucht zerstört. Verdrängt die wichtigen Aspekte unseres Lebens. Die Realität. Nichts macht mehr Sinn, nur die Suche nach dem Stoff. I can take about an hour on the tower of power. As long as I gets a little golden shower. Der Kick. Der Kick. Und nochmal der Kick. Nichts spielt eine Rolle. Außer dem Kick.

Ist das Internet der Kick? Vielleicht ein wenig. So wie Geschwindigkeit manche Leute in seinen Bann zieht, ist auch das Internet eine existentielle Erfahrung. Ich habe nicht viel Erfahrung mit Egoshootern, aber was mich mit am meisten faszinierte: Ich kann mir Menschen spielen, die durch einen mächtigen Atlantik von mir getrennt ist. Und schon eine Zehntelsekunde reicht aus, um das Spiel zu zerstören. Der präzise platzierte Kopfschuss klappt nicht mehr, weil selbst Lichtgeschwindigkeit auf 8000 Kilometern hin und her, mit ein paar Routern dazwischen, das Ergebnis verfälscht. Ein gewaltiger Kick. Bin ich spielsüchtig? Nein. Mein letztes Spiel ist Monate her. Einen neuen Rechner, der die geilsten Spiele tatsächlich behrrscht, den kaufe ich nicht.

Ist es wirklich Onlinesucht, die ein Problem ist? Oder geht es um etwas anderes? Wenn ich mich mit jemanden streiten will, finde ich im Netz immer jemanden. Die Homophoben, die Politiker ohne Amt, die verlogenen Selbstvermarkter, die Schlangenöl-Verkäufer. Gegen all die hilft nur eins: Angewandte Ignoranz. Der Mensch kann nur so viele Kämpfe kämpfen. Er kann nur mit so viel Konflikt fertig werden. Und irgendwann muss man sagen: Schluss für heute. Nervt nicht. Fenster zu.

Und wo ist das so einfach wie im Internet? Den Tuba spielenden Nachbarn kann man nicht so einfach ausblenden, wie den Lügner, der im Netz verbreitet, man könne mit seinem Produkt zum Millionär werden, er habe die Schuldigen für unser aller Unglück gefunden, sie könne beweisen, dass zwei plus zwei
fünf ist. GNARGH! Spiel Tuba, aber bitte verbreite nicht so einen Unsinn. Spiel Xylophon in meinem Schlafzimmer. Das Best Of von Modern Talking und den Flippers. Die ganze Nacht. Ich werde ruhig schlafen, wenn Du nicht zur Tastatur greifst und diesen Mist verbreitest. Und sogar Leute findest, die Dir glauben.

Vielleicht gibt es gar kein Internetsucht. Vielleicht müssen wir ein wenig hinter die Router gucken. Denn eins sehe ich ganz deutlich. Den Reiz an Konflikten. Und im Netz — zumindest in der Regel — haut niemand einem anderen die Zähne ein, weil er Blödsinn erzählt hat. Weil er hässliche Bemerkungen über Dein Wesen machte, Deine Freundin, Deine Werte. Das Netz ist eine Konfliktmaschine ohne Folgen. Kommt mit zur Facebookparty, wir sind Tausende. Und keiner wird uns persönlich beachten. Abstrafen. Lächerlich machen. Denn wir sind vielleicht wenige, aber dennoch mehr als einer.

Vielleicht sollten wir uns nicht mehr nach Online-Sucht umschauen. Denn Online ist nicht gleich „virtuell“. Ein furchbarschauriges Wort, weil es so oft verbogen und entkernt wurde. Online ist Realität. Und die Konflikte dort sind Konflikte. Onlinesucht? Konfliktsucht! Wir rennen gegen die virtuelle Mauer, weil es einfach geht. Niemand schlägt uns die Zähne ein, weil wir unter Fantasienamen die Sau rauslassen. Zumindest fast niemand.

Diese Sucht hat nichts mit dem Internet zu tun. Sicher: Das Internet lässt Konflikte so einfach erscheinen. Doch die Datenleitungen sind nur das Medium. Was sind wir für eine gesellschaft, die Konflikte nur lösen kann, wenn einder dem anderen die Zähne einschlagen kann. Selbst das hält viele nicht ab. Ich streite. Ich siege. Oder: ich verliere. Auf alle Fälle: Ich lebe.

Internetsucht? Konfliktsucht? Die Eisenbahn fährt mit 400 Kilometern pro Stunde und beschleunigt so langsam auf ein Drittel Lichtgeschwindigkeit. Unsere Hirne summen. Und wir brauchen einen Weg, damit fertig zu werden.

Sieben Tage Pause

Sieben Tage habe ich nicht darauf geachtet, dass meine Sätze in 140 Zeichen passen.

Sieben Tage habe ich Instant Messages nur per Schall-Nearfield-Signalen gesendet.

Sieben Tage habe ich keinen Shitstorm gesichtet, allenfalls Pferdeäpfel.

Sieben Tage habe ich keine Webcomics gesehen und sie nicht vermisst.

Sieben Tage war mir Facebook ganz egal.

Sieben Tage habe ich keinen Catcontent gesehen, nur Katzen gestreichelt.

Sieben Tage war ich weg. Nun bin ich wieder da.