Proselyten

Jürgen Kuri hat einen interessanten Artikel über die notwendige Aufklärung im digitalen Zeitalter geschrieben.

Die ideologiegetränkten Debatten Internet-Versteher vs. Endzeit-Propheten unter gelegentlichen Einwürfen eines Internet-Ausdruckers vulgo: Internet-Nichtverstehers sind nur noch langweilig. Und letztlich selbstreferentiell – stehen doch auf beiden Seiten selbst ernannte Eliten, die den Mob lediglich als positiv besetztes oder schrecklich dräuendes Proselyten-Material ansehen. Der Mob schaut verwundert ob der Misse- oder Wundertaten, die ihm da zugeschrieben werden. Seiner Wege zu ziehen aber fällt ihm schwer: In dieser digitalen Welt fehlen allzu oft genau die Informationen, um die Entscheidung fällen zu können, welche Misse- oder Wundertat denn nun als nächstes zu vollbringen ist.

Für die Feuilleton-Nichtversteher eine kurze Erklärung: Die Proselyten sind die total Überzeugten, die dennoch nicht ganz verstanden haben, was der Kern der Sache ist. Diejenigen, die jedem ein Du hast das Internet nicht verstanden ins Gesicht schleudern, wenn sie mit einer Ansicht konfrontiert werden, die in Ihrem selbst gewählten Twitter-Umfeld sonst nicht gepflegt wird. Die ein Argument nicht von einer Ansicht unterscheiden können. Die zum Beispiel „Respekt vor dem Selbstmord“ fordern, da sie nicht verstehen, was simpler Anstand bedeutet aber irgendwo mal etwas von „Respekt“ und „Tod“ gehört haben.

Statt mentale Filter einzurichten, die Sinn von Unsinn, Banalität von Relevanz, Provokation von Argumentation trennen, ist es viel bequemer sich einen Filter nach dem Weltbild einzurichten. Es ist nicht wichtig, was genau jemand gesagt hat, wichtig ist zuerst die Haltung. Ist ein Artikel für oder gegen die Piratenpartei? Geht es um menschengemachte globale Erwärmung oder Klimaverschwörung? Ist Apple das Beste der Welt oder ihr Untergang? ARD == GEZ. Und die Politiker sind alle Gauner! Schublade auf, Denken ist optional.

Wenn man sieht, welche Links in Twitter ständig weitergereicht werden, was ganz oben auf der Linksuppe schwimmt, wird man wenig optimistisch. Denn wer geklickt werden will, sollte sich ins Extrem flüchten. Auf die größten Peinlichkeiten der Gegenseite zeigen und den Rest tunlichst ignorieren. Das ist nicht nur einfach, es will plötzlich auch jeder mitreden. Und ganz langsam ist das Extrem der Debatte dann der Konsens des eigenen Umfelds. Und mit den Leuten am anderen Ende der Debatte, da wollen wir erst gar nicht reden. Das sind Internetausdrucker, die sind einfach #fail.

Vor ein paar Wochen hatte ich die Gelegenheit mit Jimmy Wales zu sprechen. Der schlug einen einfachen ersten Schritt auf dem Weg zu einer gesitteten Debatte vor:

Man darf nicht nur die Leute zurechtweisen, die anderer Meinung sind. Ab und zu sollte jeder sagen: Ich stimme Dir sachlich zu, aber Du solltest andere Leute nicht so anfahren. Es gibt aber kein Allheilmittel, kein Computerprogramm, das erregte Debatten findet. Im Wesentlichen müssten wir alle uns darum kümmern, eine gesittete Debatte zu führen.

„Löschen ist die bessere Lösung“

Und noch eine Anmerkung: Bei Netzpolitik lese ich grade, dass die Junge Union Bayern nun auch gegen Netzsperren ist:

Das Löschen strafrechtlich relevanter Inhalte sei «die bessere Lösung», sagte der stellvertretende JU-Landesvorsitzende Thomas Dopfer am Dienstag der Nachrichtenagentur ddp in München.

Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Natürlich wird das BKA nicht durchweg Erfolg haben, wenn sie ausländische Provider zum Löschen von Kinderpornografie auffordern. Wäre es so einfach, hätten wir zum Beispiel keinen Spam mehr.

Scheitern werden deutsche Beamte unter anderem daran, virtuelle Kinderpornografie von US-Servern löschen zu lassen. Dort ist das legal, hier nicht. In Deutschland ist sogar Jugendanscheinspornografie illegal, im Silicon Valley ein Geschäftsmodell.

Ob die gezeigten Personen 17 oder 21 Jahre alt ist, kann man nicht mit Sicherheit sagen. Manchmal ist es nicht Mal möglich 14- von 25-jährigen klar zu unterscheiden. Problematisch sind die Grenzfälle wie die nackte 12jährige auf dem Scorpions-Cover. Kunst oder Pornografie?

Die Frage ist: auf welche Fälle konzentrieren sich die Beamten? Wenn daher demnächst eine Statistik auf den Markt kommt, die von der Erfolglosigkeit der Löschbemühungen erzählt und die Frage aufwirft, ob denn Sperren nicht doch der richtige Weg sind, sollte man auch die Frage stellen, ob denn die Grenzfälle gemeint sind oder die Fälle, mit denen das Zugangserschwerungsgesetz begründet wurde: die vergewaltigten Kinder, die unvorstellbaren Misshandlungen von Kleinkindern. Denn die sind wirklich überall illegal.

Kurze Anmerkungen zum Grundeinkommen

Heute ist auf der Spiegel Online ein Gastbeitrag des Volkswirtschafts-Professors Thomas Straubhaar, der sich für eine Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ausspricht. Nach der Hartz-IV-Westerwelle-Kakophonie der vergangenen Wochen eine willkommene Abwechselung.

Ich muss da aber auch mal den Volkswirt heraushängen lassen und ein paar Sachen klar stellen. Straubhaar schreibt:

Ein immer wieder erhobener Einwand gegen das Grundeinkommen ist, dass alle einen Finanztransfer erhalten – auch jene, die nicht bedürftig sind. Auf den ersten Blick scheint es in der Tat merkwürdig, wenn Gutverdiener und Vermögende in den Genuss staatlicher Unterstützung kommen. Dieses Argument lässt sich leicht entkräften. Zwar bekommen auch Reiche das Grundeinkommen. Sie „finanzieren“ diesen Transfer aber auch – durch die Bruttobesteuerung ihrer Einkommen. Netto bleiben sie damit Steuerzahler. Anders formuliert: Auch mit dem Grundeinkommen wird die Masse der Deutschen weiterhin Steuern zahlen.

Sprich: dieses Grundeinkommensmodell ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was Götz Werner und andere immer wieder vertreten. Die wollen das Grundeinkommen nämlich über eine (astronomisch hohe) Umsatzsteuer finanzieren, die gerade Geringverdiener überproportional belastet. Großverdienern wie Götz Werner tut sie hingegen kaum weh.

Weiter im Text:

Das Grundeinkommen ist nichts anderes als ein Steuerfreibetrag in Höhe des Existenzminimums – so wie er bereits heute in Deutschland allen gewährt werden muss.

Das ist nicht nur übersimplifiziert, sondern falsch. Wir haben den Steuerfreibetrag, aber kein Grundeinkommen. Wenn es nichts anderes wäre, wäre die Einführung des Grundeinkommens unnötig. Straubhaar beschreibt hier das Modell der negativen Einkommenssteuer, die viele Probleme umgeht und nicht so illusorisch-verträumt ist wie andere Finanzierungsmodelle.

Und hier kommen wir zu Straubhaars Schlusspointe:

Klar ist auch: Der ökonomische Sinn der Grundeinkommensidee steht und fällt mit der Höhe des Transfers. Wie soll das Existenzminimum bemessen sein, das der Staat bedingungslos für alle sichert?

Im Endeffekt ist dies eine politische Entscheidung, für die ein äußerst einfacher ökonomischer Zusammenhang gilt: Ein hohes Grundeinkommen erfordert hohe Steuersätze, ein niedriges Grundeinkommen ermöglicht niedrige Steuersätze. Hohes Grundeinkommen und hohe Steuersätze verringern den Anreiz zu arbeiten, niedriges Grundeinkommen und niedrige Steuersätze verstärken den Anreiz zu arbeiten. Je höher der Anreiz zu arbeiten ist, desto einfacher wird das Grundeinkommen zu finanzieren sein. Je geringer die Arbeitsanreize sind, desto weniger wird das Grundeinkommen finanzierbar sein.

Übersetzen wir das einfach: wenn man das Grundeinkommen so hoch ansetzt, dass man davon leben könnte, nehmen die Arbeitsanreize so stark ab, dass das Grundeinkommen wiederum nicht finanzierbar ist.

Ich schreibe Arbeitsanreize kursiv, da ich hier weniger das Problem der faulen Arbeitnehmer sehe, sondern eher erwarte, dass die Arbeitgeber ein Grundeinkommen schamlos ausnutzen würden, um Billigangestellte noch billiger zu machen. Die – in meinen Augen leider realistische – Argumentation: Wieso noch menschenwürdig bezahlen – es gibt doch ein Grundeinkommen? Soll der Arbeitnehmer doch sehen, wie er seine paar Euro an der Steuer vorbeiquetscht.

Das Download-Paradoxon

Wenn man sich direkt beim Hersteller Adobe Photoshop Elements 8 bestellen will, hat man die Auswahl: lässt man sich eine DVD schicken oder lädt man die Software einfach runter. Keine Zwischenhändler, kein Hochregallager, kein Lieferant mit Mindestlohn, keine gepresste DVDs, keine Updates direkt nach der Installation – der Download muss doch billiger sein?

Nein.

Ach ja: wenn man über den Zwischenhändler Amazon bestellt, der sicher eine einträgliche Marge draufschlägt, ist das Ganze 25 Euro billiger.

Unbiased

Newsmax ist laut Sarah Palin eine „sehr wertvolle , sehr hilfreiche“ Nachrichtenquelle. Wie hilfreich, kann man derzeit im Google Reader betrachten, wo diese Anzeigen an scheinbar jeder Ecke auftauchen:

Um einen uralten Wired-Artikel zu zitieren:

On a shoestring budget compared to other media sites, Newsmax has attracted a loyal audience of a few hundred thousand visitors a month, many of whom swear that it offers the only unbiased news available in the United States.

Leider sind diese Leute nicht die einzigen, die eine Berichterstattung nach Ihrem Geschmack nicht von einer neutralen Berichterstattung unterscheiden können. Oder wollen.

Kim Schmitz in Kürze

Der New Zealand Herald hat nichts zu berichten, also greift er ein wildes Gerücht auf, dass Kim Schmitz ein teures Haus gekauft habe. Lustig ist die Kurzfassung des zusammengegoogelten Lebenslaufs:

According to the Independent, Schmitz was deported from Thailand and arrested at Munich Airport, where he called himself the „Royal Highness Kimble the First“.

Darauf prostete er der versammelten Presse mit einem Glas Ketchup zu und flog auf einem Teppichluder in Liebesurlaub.

PS: Meedia und Golem ernennen die Nicht-Meldung des Herald zu „Schlagzeilen“ und plappern das Gerücht einfach nach.

PPS: Ich habe mich der Gerüchterstattung im Bildblog angenommen.

Feine Unterschiede

Wenn im Pre-Frühling die Sirenen im Dauerbetrieb sind – Polizei, Krankenwagen, und noch mehr Krankenwagen – frage ich mich manchmal: Haben die Jecken eine richtig gute Party, oder gab es einen Terroranschlag?

Ach ja: wann galt die Stunksitzung als subversiver Humor?

Wie heißt es, wenn Dein Mann auszieht?

Jaqueline?

Nein, „Schöner Wohnen“!

Ta-taaa!