Wie so jede große journalistische Story des 21. Jarhunderts fing auch diese in Twitter an: Der Wortwart bemerkte eine merkwürdige Anzeige auf Facebook:
Sind Sie Jude? Genetische Herkunftsanalyse zeigt, ob Sie jüdische Wurzeln haben. DNA-Analyse ab 105.- inkl. Gutachten.
Diese Anzeige führt zum Anbieter Ingenea, der tatsächlich Gentests unter der Überschrift „Sind Sie Jude?“ anbietet. Unter dem Angebot steht dieser Disclaimer:
Ist das Judentum mehr als eine Religion? Gibt es ein „Juden-Gen“?
Nach halachischem Recht ist jüdisch, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde oder zum Judentum konvertiert ist. Die enge Verbindung von Kultur, Tradition, Religion und Volkszugehörigkeit zeichnet das Judentum im Besonderen aus. Es entwickelte sich über die Jahrhunderte eine gewisse genetische Homogenität, die durch einen DNA-Test sichtbar wird.
Ich ertappe mich beim Gedanken: Ariernachweis 2.0? Wenn das der Führer gewusst hätte!
Aber es kommt noch dicker: Im Pressebereich stößt man auf die positive und unkritische Berichterstattung deutscher Medien über Ingenea. So hat sich die Gratiszeitung 20 Minuten bereit gefunden, die hanebüchene genbedingte Vorhersage des Fußball-Europameisters zu drucken.
Die BILD am Sonntag schlägt dem Fass allerdings den Boden aus. Am 25. November 2007 greift der BamS-Autor Helmut Böger eine „Studie“ des Gentest-Anbieters auf und zitiert die Igenea-Geschäftsführerin Inma Pazos:
Die moderne Genetik führt den Rassismus ad absurdum. Denn alle Genanalysen beweisen ohne jeden Zweifel, dass jeder Mensch unzählig viele Wurzeln hat, weil die Urvölker über Jahrtausende gewandert sind.
Die Erkenntnisse aus der Studie fasst Böge so zusammen:
Das Ergebnis ihrer Arbeit ist sensationell: Deutsche Frauen sind wesentlich häufiger germanischer Abstammung als deutsche Männer, und ein Zehntel der Deutschen hat jüdische Vorfahren.
Diese zwei – in meinen Augen höchst zweifelhaften – Informationen haben jedoch die BamS-Redaktion deutlich überfordert. Denn in der Überschrift wird daraus dann dies:
Merke: Wer jüdische Vorfahren hat, ist zweifellos weniger deutsch sein als Nachfahren der Germanen. Meint zumindest die BamS.
PS: Auch die Berliner Morgenpost macht sich diese Definition vom Deutschen als genetischem Germanen zueigen. Ein Detail fügt die Morgenpost aber hinzu:
Die Firma Igenea wirbt im Internet gemeinsam mit der „Bild“-Zeitung für Gentests zur Bestimmung der Abstammung. Diese Tests kosten je nach Fragestellung mindestens 120 Euro.