Twitter, die geschlossene Gesellschaft?

Ich hab in meinem Feedreader einen kleinen Ordner namens „Temp“, wo ich gerne mal ein paar interessante Feeds reinpacke, die ich nicht wirklich täglich verfolge. In diesen Ordner hatte ich im Januar mal die RSS-Feeds von drei Twitter-Nutzern gepackt. Ich nutzte den Feed „with others“ – also empfing mein Client täglich das neuste der drei Twitterer und ihres ganzen Bekanntenkreises.

Am Anfang war das eine interessante Angelegenheit. Während beim einen über 1000 Nachrichten aufgelaufen waren, waren es beim zweiten 300, beim dritten gar nur 100. Es waren teilweise extrem unterschiedliche Leute in den Feeds, es ging um andere Themen, jeder Twitterer-Kreis hatte seinen eigenen Stil. So als ob man in unterschiedlichen Stadtteilen lebt, aber doch irgendwie einige gemeinsame Nachbarn hat. Oder als ob bei ein und der selben Geburtstagsparty der Fußball-Club, die Vorstandskollegen und die Lack-und-Leder-Gespielen aus dem Swinger-Club auftauchen.

Ich hatte diese Feeds fast vergessen – aber in den letzten Wochen habe ich nochmal den einen oder anderen Blick drauf geworfen: Statt drei verschiedenen Feeds bakomme ich nun dreimal den gleichen Feed – zumindest fast. Es sind bei allen genau so viele Nachrichten – und bei jedem sind fast die gleichen Leute im Feed. Merkwürdig. Oder nicht?

Mir fallen einige Erklärungsmodelle ein:

  • Twittern ist doch nur für einen bestimmten Menschenschlag gemacht. Nach der ersten Begeisterung haben viele Leute aufgehört zu twittern, andere sind exzessiv dabei geblieben. Die gemeinsame Schnittmenge der drei Twitterer ist geblieben, der Rest lurkt und idlet nur noch.
  • Die Fusionsthese: Die Leute haben sich über Twitter und dieverse andere Kanäle angefreundet, sind sich bei Web 2.0-Stammtischen, Kongressen und Projektennäher gekommen, sodass am Schluss jeder irgendwie mit jedem der Twitterer in Kontakt steht.
  • Viele Leiute stellen ihren Twitter-Account auf „Privat“, wodurch sie nicht mehr im öffentlichen Feed auftauchen. Die gemeinsamen Twitter-Bekannten der drei beobachteten Twitterer sind die kleine Schar an Exhibitionisten, die ihre Kommunikation ohne jede Bedingung nach außen tragen. Das interessante Twitter-Leben findet aber – vielleicht – im verborgenen statt. Und dort hat dann jeder seinen eigenen privaten und individuellen Bekanntenkreis.
  • Manche Twitter-Feeds sind einfach spannend zu lesen. Und die abonniert dann auch jeder. Die anderen bestllt man ab – sofern das ohne soziale Zurückweisungen möglich ist.