Der Zentralrat als Kronzeuge

Ich würde mir wünschen, der Zentralrat der Juden würde nicht immer zum Kronzeugen erhoben. Sobald es um Rechtsextremismus geht, rufen die Reporter in der Geschäftsstelle an, als wäre der ZdJ der exklusive Sachwalter des Rechtsextremismus. Nazi-Videos auf YouTube? Da ist der Zentralrat der Experte der Wahl. Und wenn eine Strafanzeige nicht kategorisch ausgeschlossen wird, ist die Schlagzeile sicher.

Warum ruft nicht mal jemand bei Kardinal Meisner an und fragt ihn, ob er denn gerne Strafanzeige gegen Nazis erheben möchte? Oder Franz Beckenbauer, dem wir ja auch sonst in allen Belangen vertrauen? Oder warum erwägt die Redaktion des Report Mainz nicht schlicht selbst eine Strafanzeige? Volksverhetzung ist ein Straftatbestand, den eigentlich jeder erkennen sollte. Der Südwestrundfunk hat sicher ein paar angestellte Juristen. Und eine Internetredaktion, die ein paar grundsätzliche Dinge klären können sollte. Jugendschutz.Net hat auch schon seit Monaten Kenntnis von allen Fakten und sollte als staatliche Organisation doch bei Straftatbeständen die richtigen Schritte ergreifen.

Es wäre ja sehr schön, wenn der ZdJ die Organisation wäre, die objektiv Rechtsextremismus von Dummheit trennen könnte, wenn der ZdJ als unbestechlicher Sachverständiger erklären könnte, wie man eine Wiederholung des Dritten Reiches garantiert verhindern könnte. Die man nur anrufen braucht und die uns dann mit wenigen gesetzten und wohlbedachten Worten nazifrei machen. Das kann der Zentralrat aber nicht. Dann müssen wir uns wohl auch selbst um die Nazis kümmern.

Schön wäre es auch, wenn die allzu forschen Reporter vom ZdJ nur die Auskunft bekämen „Entschuldigung, aber da gibt es von uns keinen Kommentar“.

PS: Ich bin froh, dass ich bei Heise keine Forenmoderation machen muss. Dort gibt sich die Juden-sollen-die-Klappe-halten-Fraktion wieder ein Stelldichein.

Gibt es keine Blogger in Rheinland-Pfalz?

Am Wochenende fiel mir mal wieder eine Ausgabe der Rhein-Zeitung in die Hände: meine Heimatzeitung, bei der ich einst mein erstes Lokal-Praktikum absolvierte. Dabei sind mir zwei Artikel besonders aufgefallen.

Der erste war eine Lokalposse erster Kategorie: der CDU-Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters in Landau hatte sich fälschlich als Doktor ausgegeben und sich anschließend mit einem Hirntumor herausgeredet – ebenfalls eine Lüge. Der zweite war eine Geschichte aus dem Lokalteil: Unbekannter diffamiert Zeller. Offenbar fühlt sich ein Zugezogener im Moselstädtchen Zell nicht wohl und hat seinem Ärger in einem WordPress-Blog sehr unfein Luft gemacht.

Rhein-Zeitung Artikel

Die Artikel fielen mir nicht auf, weil sie besonders aufsehenerregend oder journalistisch überragend waren – mir erschienen sie aber als perfektes Spielfeld für den vielzitierten Bürgerjournalismus.

Man stelle sich vor: Ein leibhaftiger Hochstapler, der Wahlkampf macht. Der verlogene Politiker von nebenan. Ein Traumthema für den aufgeklärten Blogger. Er kann schildern, welchen Einfluss diese Blamage auf die Lokalpolitiker hatte, wie er dem vermeintlichen Doktor auf dem Marktplatz begegnet ist. Wieso die lokale CDU einen Berliner importieren musste, um überhaupt einen Kandidaten zu haben. Aber in Landau scheint es keinen Blogger zu geben – zumindest keinen, der sich im entferntesten für Lokalpolitik interessiert. Alles was sich findet: ein paar wenige hämische Bemerkungen von Ortsfremden, die sich samt und sonders auf Agenturberichte beziehen.

Auch der zweite Artikel ist eigentlich Blogger-Thema Nummer Eins. Wegen Beschwerden wurde ein Blog einfach gelöscht. Zensur!!! Die Polizei sucht nach Anwohnern, die den anonymen Blogger anzeigen wollen. Selbst wenn das Blog nur aus einem Eintrag bestand, selbst wenn das Blog nicht wie die Rhein-Zeitung berichtet von der Denic gelöscht worden ist – es wäre immer noch ein Thema. Zur Not könnte man auch darüber schreiben, dass ein Mensch, der an der Mosel Weinstöcke „wegen des Ungeziefers“ entfernen will, einfach keine Freunde findet. (Nachzulesen auch in „Der Generalstreik“ von Giovanni Guareschi.) Aber in diesem Fall schweigt die Blogosphäre einfach ganz und gar. In Zell scheint es keine Blogger zu geben. Und das, obwohl es hier nur eine Monopol-Zeitung gibt.

Berlin + China => Iran

Der Spiegel hat einen Scoop gelandet. Unter der Überschrift Die Gelben Spione berichtet er über chinesische Spionage in Deutschland, zitiert auch aus vertraulichen Einschätzungen des Verfassungsschutzes über chinesische Spionageprogramme auf deutschen Regierungscomputern und erzählt von der brüsken Zurückweisung chinesischer Diplomaten. Die Story hat das Zeug zur bilateralen Verstimmung.

Doch wo entdecke ich die ersten Berichte, die den Spionagefall dem englischsprachigen Publikum näher bringen? Nicht im englischen Teil von Spiegel Online, nicht bei der New York Times oder der China Daily – sondern auf der Webseite der iranischen Nachrichtenagentur IRNA.

Die Wege einer Nachricht sind manchmal unergründlich.

Wikiscannen mit Verstand – oder: die lieben Kollegen bei Axel Springer

Ich gebe es offen zu: die Nutzung des Wikiscanners macht Spaß. Es ist sehr interessant zu sehen, welche Mitarbeiter wo editieren – und wo sie über die Stränge schlagen. Da kommt schnell Jagdfieber auf.

Doch nicht jeder Edit in eigener Sache ist eine Manipulation oder Schönfärberei. Ob nun die Liste des Manager-Magazins besser ist als die von Forbes ist eine Geschmackssache – ein Geschmäckle ist sicher vorhanden. Doch es schadet nicht, sich die vermeintlichen Manipulationen etwas genauer anzusehen.

So wird auf der Wikiscanner-Fundseite in der Wikipedia etwa dieser Edit als Lobhudelei aus dem Hause Axel Springer charakterisiert. Doch ist er das?

Zwar fällt dieser Teil des Artikels weg:

Diesen Posten verlor er, nachdem er sich in einem Artikel über den sinkenden Schwimm-Star Franziska van Almsick im Ton vergriff. Seitdem ist „F.J.W.“ „Chef“-Kolumnist der Bild-Zeitung. Seine Kolumne “Post von Wagner“, die immer auf der zweiten Seite erscheint, mutet manchmal unfreiwillig dadaistisch an, ist aber meistens einfach nur populistisch. Der konservative Wagner scheut sich nicht Frauen, Homosexuelle, Atheisten, Liberale, Sozialdemokraten und ihm unliebsame Prominente anzugreifen, wobei er sich als Anwalt der „kleinen Leute“ präsentiert.

Stattdessen kommt es aber noch ganz dick:

Er gilt als Erfinder des „Romanes auf 15 Zeilen“ und genialer Autor. In Führungspositionen scheiterte er wegen ständigem Nichteinhalten von Produktionszeiten (was wegen verspäteter Auslieferung zu schweren Verlusten in der verkauften Auflage führt), teuren Verletzungen von Foto- und Persönlichkeitsrechten und katastrophalem Umgang mit Mitarbeitern. Burda dürfte zuletzt auch mit seinem brachialen Journalismus-Verständnis Probleme gehabt haben. Etwa mit der „Super!“-Schlagzeile „Angeber-Wessi mit Bierflasche erschlagen – Ganz Bernau ist froh, daß er tot ist.“

Bei solchem Kollegen-Lob braucht man keine Feinde mehr…

In der Wired-Liste ist Axel Springer auch aufgefallen, laut „Jack R.“ hat der Verlag mehrfach einen kritischen Satz herausgelöscht. Wer den Edit tatsächlich ansieht, entdeckt das Gegenteil: der anonyme Autor aus dem Springer-Netz hat keine Kritik gelöscht, sondern in den Artikel eingefügt:

Wieland gilt seit Amtsantritt als sehr umstritten. Zahlreiche Positionen besetzte er mit Personen, zu denen er aus seiner Zeit bei auto, motor und sport ein freundschaftliches Verhältnis pflegt. Trotz großer Anstrengungen gelang es Wieland nicht, die Auflage nennenswert auszubauen.

Kurz zusammengefasst: Springer muss sich derzeit weniger um Wikipedia-Vandalismus als um das Betriebsklima Sorgen machen.

Statistik

Wenn man das Telefonbuch der Stadt Köln im Briefmarkenformat drucken würde, wäre es drei Kilometer dick.

Der Schein trügt… nicht

Auf der Webseite des Bundeskriminalamts bin ich über eine Personenfahndung gestolpert:

Geburtsdatum: 20.03.1965

Personenbeschreibung:
Größe: 160 cm
Äußere Erscheinung:

* scheinbares Alter: ca. 40 Jahre

Offensichtlich eine ganz gerissene Betrügerin. Sie scheint zirka 40 Jahre alt zu sein, in Wahrheit beträgt ihr faktisches Alter aber schon 42 Lebensjahre. Gerissen…

Ist das die Webnews-Zielgruppe?

Solche Dienste wie Webnews verstehe ich einfach nicht. Wer soll die Seite nutzen? Und wozu? Bei den meisten Web2.0-Angeboten erkenne ich wenigstens einen potenziellen Mehrwert – bei Webnews nicht.

Aber vielleicht ist das ja auch gut so. In den Weiten des Webs bin ich über diese kleine Textanzeige gestolpert:

Hilton Webnews

Auf gut Deutsch: Kommt schnell alle zu Webnews. Hier gibts Gratis-Porno! Ich weiß nicht sicher, ob da vielleicht eine Marketing-Agentur oder ein SEO-Berater am falschen Rad gedreht hat, ein Klick auf die Anzeige führte zumindest tatsächlich zu Webnews. Da findet sich natürlich kein „unzensiertes“ Video von Paris Hilton. Das erfährt der notgeile Klick-User aber erst, wenn er sich angemeldet hat: Auf der Startseite erscheint nach dem Klick auf die irreführende Anzeige ein Anmeldeformular, das sich nicht wegklicken lässt. Erst wenn man die Cookies löscht, bekommt man wieder unangemeldeten Zugriff auf Webnews.

Meine Verständnisprobleme sind damit erklärt: Offenbar bin ich nicht die Zielgruppe des Angebots.

Update: Ich habe bei Webnews nachgefragt und die Auskunft bekommen, dass diese Werbung in dieser Form nicht gebucht worden sei. Man will der Sache nun nachgehen.

Update 2: Da hab ich Webnews doch ein wenig unrecht getan: Paris-Videos gibt es massenhaft. Und das ist kein Zufall: Schließlich hat Webnews ein eigenes Paris-Hilton-Video-Portal.

paris webnews

Paris Hilton nackt! Paris Hilton Blow Job! Paris Hilton Sex Video!!

Ich werde nicht in der Wikipedia vandalieren. Ich werde nicht in der Wikipedia vandalieren. Ich werde nicht…

Autsch:

Timothy Hill, press secretary to U.S. Rep. David Davis, will be required to attend classes on appropriate conduct by congressional staff members next month as a result of his attempted alterations of Wikipedia entries with an office computer. Brenda Otterson, chief of staff for Davis, said Hill will attend the classes each Friday in September. She said the requirement is considered discipline but that no further punishment is contemplated.

Der bessere Deutsche

In einer Spiegel-Gerichtsreportage wird geschildert wie ein Türke als vermeintlich „besserer Deutscher“ gelebt hatte, bis er den Freund seiner Tocher entführte.

Der Vater, sagt Turan, habe die Verfassung respektiert. Er sei nicht ein einziges Mal bei Rot über die Ampel gefahren. Sie sagt, er habe nie einen Fehler machen wollen.

Die Verfassung ist halt nicht die StVO.