Report Mainz: Second Life und Kinderpornographie

Die Politik-Magazine der ARD haben es mal wieder mit dem Internet. Diesmal hat Report Mainz das Trendthema „Second Life“ mit dem Evergreen „Kinderpornographie“ verknüpft. Aus der Pressemitteilung:

In dem Beitrag von REPORT MAINZ wurde erstmals dokumentiert, dass ein Second Life-Spieler aus Deutschland mit kinderpornografischen Aufnahmen gehandelt hat.

Nun, so etwas bleibt leider nicht aus. Mal sehen, welches Material Report gesammelt hat. Die Ankündigungen irritieren aber:

Im Interview mit REPORT MAINZ kündigte Linden Lab an, dem Online-Spiel jetzt ein Altersverifikationssystem vorzuschalten. Dadurch soll es Kindern und Jugendlichen unmöglich gemacht werden, Zugang zu bestimmten Bereichen des Spieles zu bekommen.

Hier gibt es ein kleines Problem: Es gibt kein weltweites Altersverifikationssystem. Auf vielen US-Seiten besteht der Schutz lediglich darin, dass man irgendein Geburtsdatum angeben muss. Oder man setzt irgendwo ein Häkchen, dass man erwachsen ist. Mit den komplexen (und deshalb komplett wirkungslosen) deutschen Altersverifikationssystemen hat das nichts zu tun. Wollte Linden Labs ein solches einführen, könnte die Firma gleich Konkurs anmelden.

Jugendschützer in Deutschland fordern weitergehende Schritte. Friedemann Schindler von der für Jugendschutz im Internet zuständigen Behörde jugendschutz.net kritisierte in REPORT MAINZ: „Linden Lab hätte ganz einfache Möglichkeiten, den sexuellen Missbrauch zu verhindern, in dem sie einfach die Welt so programmieren, dass zum Beispiel der sexuelle Kontakt zwischen Kindern und Erwachsenen nicht möglich ist.“

Das ist natürlich hanebüchener Blödsinn. Wer auch nur einen Funken Ahnung von Second Life hat, weiß dass eine Figur da in einem Moment als kahlköpfiger Emu, im nächsten Moment als Bikini-Girl und dann wieder als Bulldogge auftreten kann. Wie da „ganz einfach“ sexuelle Kontakte zwischen vermeintlichen Erwachsenen und vermeintlichen Kindern gesperrt werden sollen, ist Herrn Schindlers Geheimnis.

Vielseitiger Reporterjob

Wenn ich nach meinem Beruf gefragt werde, sage ich gewöhnlich „Journalist“. Dass ich nicht zum „Reporter“ tauge, zeigt mir jetzt mal wieder die Redaktion von BILD Online, die die „Schnappschüsse“ der „Leser-Reporter“ verwertet. Unter der Überschrift „So sexy sind unsere Leser-Reporterinnen!“ werden hier 10 Bilder von mehr (weniger) oder weniger (mehr) attraktiven „Leser-Reporterinnen“ gezeigt.

Moment Mal: die Leser-Reporterinnen sind auf den Fotos? Sollten Reporter nicht eher fotografieren als fotografiert zu werden? Aber nein: Bild Online zeigt es ganz klar: Zu den Aufgaben eines Reporters gehört es ganz offensichtlich auch, sich in leichter Bekleidung fotografieren zu lassen. Der Neuigkeitswert muss ein lethargisches: „He! Brüste!“ nicht übersteigen.

Wann werden die Profi-Reporter von Bild wohl nachziehen? Wie sexy sind sie? Zeigt Euch. Ohne Hemd, ohne Krawatte, ohne Toupet – ohne Anspruch und ohne Skrupel.

PS: Natürlich tue ich der BILD mal wieder unrecht. Die Tätigkeit „Fotografieren“ wurde ja jüngst von Heidi-Klum neu definiert.

Publizistischer Schwarzschimmel

In irgendeinem Kriegsfilm – eventuell war es „Good Morning, Vietnam“? – habe ich den Satz aufgeschnappt: „Military intelligence? Was für ein Widerspruch.“ Zugegeben: im Deutschen kommt der Witz nicht so gut heraus. Im Englischen heißt intelligence eben nicht nur „Intelligenz“ sondern auch „Geheimdienst“.

Aber keine Bange – ich habe einen deutschen Ausdruck gefunden, der dem flachen Wortwitz in jeder Hinsicht Paroli bieten kann. Gefunden habe ich ihn in der taz, die in einem Artikel die Denkungswelt eines Netzeitungs-Chefredakteurs vorstellt.

Neben dem neuen Layout, das wohltuend aufgeräumt daherkommt, hat das Chefredakteursduo am „bislang zu einseitigen und mitunter etwas drögen“ Themenmix geschraubt. Das neue Schlagwort lautet: intelligenter Boulevard. Das heißt weniger Politik, dafür mehr Sport und Vermischtes auf der Startseite.

Ich wiederhole diese absurde Wortkombination gerne nochmal: intelligenter Boulevard.

Wie sieht das wohl aus? Ich kann es mir nicht wirklich vorstellen. Die Synapsen meines Gehirns versuchen die Information zu verarbeiten, fördern aber nur Bilder zu Tage, die eines M.C. Escher würdig sind. Absurde Konstruktionen. Intelligent und Boulevard? Hat das barbusige Mädchen aus Seite 1 nun eine Brille auf? Der Penisbruch als Katharsis und nicht etwa als billige voyeuristische Attraktion?

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Ein Blick auf die Netzeitung belehrt mich – und er erklärt auch, warum ich die Seite in den letzten Monaten immer seltener aufrufe. Intelligenter Boulevard: das sind Besetzungs-Meldungen aus der Welt der Super-Models, Sprüche aus dem WM-Studio, die neuen Nachrichten aus einer abgestandenen Casting-Show und alberne Fotos von Politikern.

Ich könnte mir nichts Drögeres vorstellen.

PS: Stefan Niggemeier hat das taz-Interview auch gelesen, und lässt sich über Vor-Ort-Recherche, Chefredakteurs-Euphorie und Werbung bei der Netzeitung aus. Wer mehr über den intelligenten Boulevard erfahren will, erfährt am 13. Juni an der FU Berlin mehr.