Wozu Zensur gut ist

Im Law-Blog habe ich gelesen, dass die Online-Redaktion der Welt einen sehr launigen und negativen Debatten-Beitrag über Kai Diekmanns neustes Buch gelöscht hat, in dem Alan Posener den Bild-Chefredakteur zum Beispiel mit Dieter Bohlen verglich und die „erotischen“ Fotos der BILD als „Wichsvorlage“ bezeichnete. Naheliegende Vermutung: da beide Zeitungen im gleichen Verlag erscheinen, erschien der Verriss nicht opportun und wurde zurückgezogen.

Gängige Blogger-Routine: Man kramt in den Beiträgen des betroffenen Autors und sucht Zitate, die man gegen ihn verwenden kann, bzw die zum aktuellen Ereignis passen. Und in der Tat musste ich nicht lange suchen, um etwas zu finden das wie die Faust aufs Auge passt. Der Autor des gelöschten Diekmann-Verrisses erklärt in einem kürzlich erschienen Artikel wozu Zensur gut ist:

Manche Leute scheinen es darauf anlegen zu wollen, zensiert zu werden, damit sie sich nachher beschweren können über die undemokratischen Zustände bei Welt-Debatte. Man kann das als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Moderatoren sehen. Man kann das aber auch kindisch finden.
[…]
Das wäre ein Angriff ad hominem, und ich habe hier wiederholt klargestellt, dass ich solche Angriffe ablehne. Was ich aber tue, ist die Moderatoren zu bitten, den Angriff auf unsere Autoren zu entfernen und Herrn S. aufzufordern, zur Sachlichkeit zurückzukehren, andernfalls wir auf seine Anwesenheit hier verzichten müssen.

Wahre Worte, die wohl auch die Chefetage von Springer unterschreiben kann. Mehr noch: man hat ihnen wohl direkt Taten folgen lassen.

Die Bundeskanzlerin, die Musikindustrie und Udo Jürgens

Die IFPI berichtet in einer neuen Pressemitteilung von einem Treffen der Spitzen des Musikindustrie-Verbandes mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mit dabei: Udo Jürgens.

Warum Udo Jürgens? Nun, die Antwort ergibt sich aus diesem Abschnitt:

Zur Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Musikwirtschaft und zur langfristigen wirtschaftlichen Absicherung plädieren Künstler und Tonträgerhersteller für eine Anpassung ihrer Schutzfristen. Während die Werke von Komponisten und Textdichtern 70 Jahre über deren Tod hinaus geschützt sind, gilt für die Arbeit von Künstlern in Europa nur eine Schutzfrist von 50 Jahren nach Veröffentlichung der Tonaufnahmen. Stellvertretend für 27.000 Künstler aus ganz Europa – die eine entsprechende Petition unterschrieben haben – sagte Udo Jürgens: „Immer mehr Künstler müssen die bittere Erfahrung machen, dass ihre frühen Aufnahmen und ihr geistiges Eigentum ohne ihr Wissen, ihren Einfluss und ohne eine Entschädigung veröffentlicht und kommerziell ausgewertet werden.“

Nun, das erklärt, warum ausgerechnet ein 72jähriger als Repräsentant der sonst so jugendverliebten Musikbranche ausersonnen wurde. Er ist schon seit über 50 Jahren im Musikgeschäft und läuft damit Gefahr keine Tantiemen mehr für seine Anfangswerke zu bekommen.

Obwohl: laut Wikipedia hat Udo Jürgens seine ersten großen Erfolge als Komponist, nicht als Interpret gefeiert – seine Rechte und die seiner Erben sich also noch mindestens 70 Jahre gewahrt. Sein erstes Album hat Jürgens laut seiner eigenen Webseite erst 1965 auf den Markt gebracht. Die Rechte des Interpreten Udo Jürgens am Album „Portrait in Musik“ könnten damit erst im Jahr 2015 auslaufen. Udo Jürgens müsste damit im zarten Alter von 80 Jahren vom Ersparten leben – bzw von den Tantiemen seiner ungezählten weiteren Alben.

Diese schockierende Tatsache wird laut IFPI auch von jüngeren Künstlern mit Entsetzen aufgenommen. Sie verlangen Änderungen mit Augenmaß.

Die Künstler, davon 14.000 aus Deutschland, fordern deshalb eine Angleichung ihrer Schutzfristen von bisher 50 auf 95 Jahre wie in den USA.