Wikileaks und das Geld und die Folgen

Die Empörung über den gesperrten PayPal-Account von Wikileaks ist wieder riesig — und wie üblich führt die Empörung in die Irre.

Denn nach allen mir vorliegenden Informationen wurde nicht etwa ein wikileaks-eigener Account gekündigt, sondern ein Konto, das von Wikileaks laut Paypal „genutzt“ wurde. Und das ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Account der in Deutschland als gemeinnützig anerkannten Wau-Holland-Stiftung. Der Wikileaks-eigene Account wurde schon im Januar gesperrt.

Das hat interessante Implikationen:

  • Übertrumpfen die AGB von PayPal deutsches Steuerrecht? Ein gewisses Maß an Willkür ist unvermeidliche Nebenwirkung von Zahlungsmitteln, die ohne sichere Identifikation genutzt werden können. Aber wenn man nicht Mal auf solche Fundamente wie die Entscheidungen deutscher Finanzämter bauen kann — worauf kann man sich verlassen? Wenn sich ein paar US-Firmen wie Facebook, Amazon, Ebay und Google zu einem Boykott einer Sache oder eines Menschen entschließen, ist die gesellschaftliche Teilhabe nicht mehr möglich oder wesentlich erschwert. Und dazu braucht es noch nicht einmal einen Richter: Bis heute wurde in den USA gegen Julian Assange keine Anklage erhoben. Ob die Plattform gegen geltende US-Gesetze verstößt ist keinesfalls sicher. Der Begriff „transnationale Bedrohung“ könnte eine völlig neue Bedeutung bekommen.
  • Wie ist es überhaupt möglich, dass Wikileaks hierzulande steuerlich gefördert wird? Das ist keine moralische Frage — mich interessiert: Wie kann das steuertechnisch funktionieren? Schon bei Wikimedia Deutschland war es ein bürokratischer Kraftakt, Spenden zur Finanzierung der vergleichsweise wenig umstrittenen Plattform Wikipedia ins Ausland zu leiten. Welche Konstruktion Wikileaks und die Wau-Holland-Stiftung gewählt haben — wahrscheinlich wird sie in dem nächsten Wochen einem Stresstest unterzogen werden. Lautsprecher aus Politik und Medien werden fordern, Wikileaks in Deutschland den Geldhahn abzudrehen — sofern sie noch in der Lage sind, einfache Sachverhalte zu verarbeiten.
  • Gibt es eine Chance für ein zahmeres, berechenbareres Wikileaks Marke Deutschland? Daniel Domscheit-Berg hat neben seinem Insider-Buch über seine Zeit bei Wikileaks auch eine Konkurrenz-Plattform vorangetrieben. Sollte dem großen Wikileaks der deutsche Geldhahn abgedreht werden, könnte dieses Projekt profitieren.