Missverständnisse zu Bitcoins und Geld

Grade ist der Hype um die „Cryptowährung“ Bitcoin besonders hoch. Was mir auffällt: Selbst die größten Fans haben einige sehr vage Vorstellungen, was Bitcoin überhaupt ist. Oder was Geld ist. Damit unterscheiden sie sich freilich nicht von den meisten anderen Leuten.

Gerade das Durchbrechen der 10000-Dollar-Marke wird von vielen als unumstößlicher Erfolg der Währung gesehen. Doch eigentlich ist es das nicht — im Gegenteil. Denn Geld ist nicht aus einem Selbstzweck da. Es dient dazu, dass man handeln kann.

Ganz simpel gesagt: Wer das Gut X braucht und dafür seine Arbeitskraft Y anbieten kann, ist dank Geld nicht darauf angewiesen, dass sein Arbeitgeber das Gut X hat, um es dann bei ihm abzuarbeiten. Der Bauer muss dank Geld keinen Autohändler suchen, der Wirsingköpfe gegen Winterreifen eintauscht. Durch ein funktionierendes Geldsystem ist sichergestellt, dass sich Handel an Handel an Handel reiht, so dass möglichst viele Geschäfte gemacht werden können, die — so zumindest das Ziel der Volkswirtschaftslehre — dazu führen soll, dass möglichst viele Güter verteilt werden können. Wer ein Gut X loswerden will, soll möglichst einen zahlungskräftigen Interessenten finden. Wer eine gewinnbringende Idee hat, soll die Gelegenheit bekommen, an das notwendige Kapital zu gelangen.

Die Pizza-Theorie des Geldes

The Coinspondent verlinkte kürzlich einen lustigen kleinen Twitter-Account: @bitcoin_pizza. Hier wird tagtäglich verzeichnet, wie viel 10000 Bitcoins wert sind. Zu diesem Betrag hatte nämlich im Jahr 2010 jemand Pizza gekauft. Hätte er auf den Kauf verzichtet, besäße er heute — theoretisch — den Gegenwert von über 100 Millionen US-Dollar. Für nur acht Jahre ist das eine erstaunliche Rendite bei einem quasi nicht vorhandenem Risiko. Weder Apple-Aktien, noch Amazon-Seedfunding können da mithalten.

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Wer diese Geschichte hört und selbst Bitcoin besitzt, wird daraus zunächst mal eine Lehre ziehen: Es ist höchst dumm, Bitcoins für den täglichen Bedarf auszugeben. Denn morgen könnte das Geld, das man für schnöden Hunger ausgegeben hat, schon 20 Prozent mehr wert sein. Nächsten Monat: das Dreifache. Vielleicht. Seine normalen Besorgungen erledigt man also mit ganz normalem Geld, die Kryptowährung kommt nur in groben Ausnahmefällen zum Einsatz. Bitcoin ist also prima als Spekulationsobjekt, aber derzeit ein lausiges Geld.

Durch diesen Motivator haben wir auch derzeit keine wirkliche Bitcoin-Ökonomie. Wenn eine Pizzeria ihre Speisen gegen Bitcoin anbietet, muss sie ihre Lieferanten doch weiterhin in Euro bezahlen und auch die Angestellten haben ein Anrecht auf ihr Gehalt in einer Währung, die ihr Vermieter in Rechnung stellt. So kommt der Waren-Geld-Kreislauf nicht wirklich in Schwung. Das Geschäft mit Bitcoin ist daher meist ein Umtausch von Geld zu Geld. Man verdient Bitcoins nicht, man muss sie meist kaufen. Und wer nur Bitcoins einnimmt, muss sie größtenteil wieder verkaufen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Das ist teuer, ineffizient und macht vermeintliche Vorteile der Dezentralität zunichte.

Die hohe Volatilität verhindert auch, dass ein Kreditgeschäft entsteht. Wie viel Prozent Zinsen würdest Du verlangen, um jemandem Bitcoin für ein Jahr zu leihen? 100 Prozent? 300? Das sind keine attraktiven Zinssätze. Stattdessen werden ständig neue Währungen geschaffen, die widerum als Spekulationsobjekte angepriesen werden. Und die meisten Leute, die ihr Geld in ICOs stecken, werden es wohl verlieren. Das vorherrschende Erfolgsmodell derzeit ist: Kaufe früh und finde rechtzeitig vor dem Absturz jemand Dümmeren, der dir die Tokens abkauft. Das mag eine individuelle Erfolgsstrategie sein, insgesamt betrachtet zahlen aber die meisten Leute drauf.

Bitcoin rettet Venezuela nicht

Gestern hatte ich mich in eine kleine Diskussion mit Leuten gestürzt, die tatsächlich der Auffassung waren, dass Bitcoin ein effektives Gegenmittel gegen die Wirtschaftskrise in Venezuela seien. Dies zeigte mir, wie wenig Basis-Zusammenhänge der Ökonomie erkannt werden.

Um die Situation in Venezuela äußerst kurz zu schildern. Hugo Chávez hatte ein sozialistisches Regime geschaffen, das im Wesentlichen darauf beruhte, die gewaltigen Ölgewinne des Landes insbesondere für die Millionen Armen des Landes umzuverteilen. Nun ist Chavez tot, die Ölgewinne großteils verschwunden und das Land in einer so gewaltigen Wirtschaftskrise, dass es selbst für klassische Mittelstandsberufe schwer geworden ist, genügend Nahrung zu erhalten. Ein Symptom für den gewaltigen Niedergang der Wirtschaft ist die Hyperinflation der Landeswährung Bolívar.

In Zeiten von Hyperinflation suchen sich Menschen naturgemäß Ersatzwährungen. Die Regierung in Venezuela hat das jedoch weitgehend verhindert: Der Handel zum Beispiel mit US-Dollar ist streng reglementiert. Die Regierung hat mehrere viel zu niedrige Wechselkurse festgesetzt, die von unterschiedlichen Bevölkerungsteilen in Anspruch genommen werden können. Das ist natürlich eine Einladung für Korruption, für Schwarzmärkte und Kriminelle, die diese künstlichen Wechselkurse ausnutzen und damit Geld verdienen. Der Effekt: Normalbürger kommen nicht an US-Dollar — zumindest nicht in ausreichendem Maße, um ihre Bedürfnisse zu decken. Zudem: Der Dollarstrom kann nicht im Lande bleiben, da viele lebenswichtige Güter nicht mehr im Lande transportiert werden. Und die Importeure können mit dem immer wertloseren Bolívar nicht arbeiten.

Die Realität der Korruption

Natürlich liegt die Idee nahe, dass Bitcoins nun die ideale Lösung sind. So könnte beispielsweise jemand eine große Mining-Operation anwerfen und die Leute mit Bitcoins als Ersatzwährung versorgen. Schließlich weiß doch jeder, dass Energie in Venezuela fast kostenlos ist. Problem daran: Das ist nur die halbe Wahrheit. Zwar werden Energieformen heftig subventioniert, aber auch rationiert. Schon vor anderthalb Jahren hat die Regierung Maduro eine Zwei-Tage-Woche für Staatsdiener eingeführt und dies mit der Energieknappheit begründet. Schon damals sah es so aus, als müsse die Regierung stürzen – wie kann ein Land unter solchen Bedingungen weiter existieren? Die Regierung ist noch im Amt und die Bedingungen sind immer schlimmer geworden. Bitcoin-Farming klappt nicht, wenn man nur stundenweise Strom hat. Und um mit Bitcoins zu bezahlen, braucht man neben Strom auch viele Geräte, die für teure Dollar zu importieren wären.

Um es auf ein Beispiel runterzubrechen, das vielleicht auch Digital-Begeisterte verstehen, die nie Mangel erlebt haben: Wenn genug Leute tatsächlich die kostenlosen Nachladestationen für Elektro-Autos zum Bitcoin-Mining verwenden, werden diese Stationen nicht lange kostenfrei bleiben. Da hilft kein persönlicher Freiheitsdrang – jemand verhält sich asozial, und alle müssen schließlich dafür bezahlen.

Zurück zu Venezuela: Schwarzmarkt-Handel ist nicht unbedingt ein Aufbäumen gegen das Regime. Staatdiener und Militärs verdienen prächtig daran, dass sie wegsehen, wenn sie bei illegalen Geschäften wegsehen oder Güter wie Strom illegal umleiten. Wer meint, dass niemand den Handel mit der dezentralen Währung Bitcoin unterbinden könne, kennt leider — oder: zum Glück — die Realität in autokratischen Regimen nicht. Natürlich lässt sich Schwarzhandel nicht völlig vermeiden. Regierungen können ihn aber verdammt teuer machen. So hat Venezuela sogar die Kontrolle über Bäckereien übernommen. Wer Brot will, muss halt in der offiziellen Währung bezahlen. Oder ein Vielfaches in einer anderen Währung. Und nach Jahren der Misswirtschaft haben nicht mehr allzu viele Menschen die Wahl, ein Vielfaches auszugeben. Und wer es dennoch tut, stützt sogar das System, das den Handel eigentlich verbietet.

Keine Ersatzwährung

Um aus einer Hyperinflation herauszukommen, benötigt man gewöhnlich eine neue Währung. In Deutschland war dies beispielsweise die Rentenmark, in Brasilien der Real. In Venezuela wird es nicht Bitcoin sein.

Zum einen: Das Blockchain-System wäre sofort überlastet, wenn jeder Brotkauf eines Landes in der Blockchain abgelegt werden müsste. Zum zweiten: Als Land, das aus einer Wirtschaftskrise kommt, wäre es eine verdammt unkluge Wahl sich an eine Währung zu hängen, die international als Spekulationsobjekt gesehen wird. Wenn sich der Bitcoin-Kurs mal wieder verdoppelt – was mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit passieren wird — müssten sich dann auch die Preise der venezulanischen Exporte wieder verdoppeln oder die Export-Güter in einer endlosen Preisspirale nach unten immer weiter nach unten angepasst werden – das Ausbluten des Landes ginge schlichtweg weiter. Zudem ist es für ein Land, das hoffentlich grade eine Autokratie überwunden hat, eine verdammt schlechte Idee ein Geldsystem einzuführen, das sämtliche Kontenbewegungen für jeden offen ausstellt. Neue Autokraten würden diese Möglichkeit, die Ausgaben der Bevölkerung komplett zu kontrollieren, vermutlich dankbar und ohne Skrupel ausnutzen.

Kurzum: Wer mit Bitcoin Millionen oder vielleicht nur Tausende verdient hat, kann sich freuen. Ein anderes oder gar besseres Währungssystem hat er jedoch noch lange nicht geschaffen.

Google — der freundliche Monopolist?

Es ist kaum möglich in Deutschland sachlich über Google zu diskutieren. Nicht erst seit dem Leistungsschutzrecht ist die Diskussion für meinen Geschmack zu polarisiert. Entweder man ist für Google oder man ist gegen Google. Je nachdem, wer gerade die Definitionsmacht ergreift, ist Google der Innovator, die Zukunftsmaschine, der freundliche benevolente Diktator, der uns Deutsche in die Wissensgesellschaft führt, nachdem wir grade dem Gilb des bundesdeutsch-vermieften Bildschirmtextes BTX entronnen sind. Oder Google ist der Milliardenkonzern, der sich nicht um unsere rechtsstaatlichen, moralischen oder geldbörslichen Werte schert. Der abkassiert. Der unseren Digitalwirtschaft keine Chance gibt zu konkurrieren. Und der uns zusammen mit Twitter, Facebook und Co zu degenerierten Klicksklaven macht, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen ohne nach E-Mails und Likes zu checken.

Ich stehe da vermeintlich auf beiden Seiten. Wie fast jeder, der über zehn Jahre online ist, bin ich Google-Fan. Die Suchmaschine war ein Quantensprung für das Netz. Das Unternehmen hat so viel richtig gemacht, dass einige Fehltritte kaum ins Gewicht fallen. Google setzt auf Standards. Google lässt mich die Personalisierung der Werbung abschalten. Google hat einen wirklich guten Browser entwickelt. Und Android-Smartphones kann man rooten. Gleichzeitig verschließe ich jedoch nicht die Augen vor den negativen Aspekten. In der Auseinandersetzung um das Netz hat Google mit seiner „Verteidige Dein Netz“-Kampagne skurrilerweise die Gegenseite mit maßgeschneiderten Argumenten bedient, indem der Konzern seine Meinungsmacht auf Tausenden von Webseiten ausspielte. Und auch wenn 200000 für Unterstützung geklickt haben, kam bei der Legislative nichts davon an. Zudem ist die Entwicklung bei den Google-Produkten für mich als Konsumenten nicht ideal: Die Werbung auf YouTube ist mir inzwischen viel zu aggressiv, die Websuche und ihre vielen Schwestern sind viel zu unpräzise für meinen Geschmack.

Patrick Bernau hat eine Diskussion um Monopole angestoßen, was ich sehr richtig und wichtig finde. Wir sollten einen Schritt zurücktreten, die Lage betrachten und uns überlegen, wo wir hinwollen. Das Leistungsschutzrecht ist in meinen Augen ein Reflex, dem Web-Giganten mal so richtig gegen das Schienbein zu treten, um ihm zu sagen „So geht es nicht“. Wie es denn gehen soll — diese Perspektive fehlte. Warum das Gesetz eher das Gegenteil des erwünschten Zustandes herstellen wird, haben ich und andere oft genug aufgeschrieben.

Ist Google, wie Patrick Bernau meint, ein natürlicher Monopolist? Ist es Facebook, Amazon? Vielleicht. Wobei ich nicht die hohen Investitionskosten als ausschlaggebenden Faktor ansehen will, sondern den Netzwerkeffekt. Wir sind bei Facebook, weil andere bei Facebook sind. Wir kaufen bei Amazon, weil man auf Amazon alles kaufen kann. Und man kann so toll alles bei Amazon kaufen, weil alle bei Amazon kaufen. Jeder will bei Google gefunden werden und öffnet die Tore für den Google-Bot weit. Deshalb haben Konkurrenten wie zum Beispiel Bing es schwer dagegen anzukommen. Während die Microsoft-Suchmaschine mit Milliardenmacht crawlt, schenkt der deutsche Nahverkehr Google seine Fahrpläne. Und Millionen Android-Handies erfassen den Verkehrsfluss.

Die Diskussion, was nun mit den Monopolen ist, erscheint mir nicht so spannend, wie man mit Plattformen umgehen. Monopolisten haben Marktmacht. Und sie können ihre Monopolgewinne im einen Bereich dazu nutzen, andere Märkte zu erobern. Siehe Microsoft und Browser-Krieg. Doch das Internet-Explorer-Monopol wurde gestürzt, heute ist der Windows-Standardbrowser der Underdog, der standardkonform und schnell sein will. Der Markt funktioniert also, oder?

Statt Monopole zu betrachten, würde ich lieber einen Blick auf Plattformen werfen. Denn wer eine Milliarde User hat, kann auch ohne Monopole andere Märkte jenseits des Wettbewerbs erobern. Vor und nach dem Börsengang haben Journalisten alle paar Wochen eine neue verwegene These auf den Markt geworfen: Will Facebook den Musikmarkt erobern? Will Facebook den Gutschein-Markt erobern? Wird Facebook schlichtweg den Werbemarkt für alles übernehmen?

Nichts davon wurde wahr, aber die Befürchtungen sind sicher nicht aus der Luft gegriffen. Denn so verhielten sich die Monopolisten, die wir bis dahin kannten. Die neuen vermeintlichen Web-Monopolisten haben sich erstaunlich unmonopolistisch verhalten. Bei der Suche nach „Suchmaschine“ konnte und kann man bei Google als Top-Treffer immer Links zu Konkurrenten finden — ich habe es eben ausprobiert und Google selbst war nicht mal auf der ersten Ergebnisseite. Das wäre der Bundespost oder der Telekom kaum passiert. Google und Facebook haben nie den Ehrgeiz gezeigt, die Daten, die wir ihnen vermeintlich so leichtsinnig anvertrauten, wirklich gegen uns zu verwenden.

Und doch: Google baut fleißig immer weitere Wissensmacht auf. Habe ich vor Jahren noch mit Entgeisterung zugesehen, wie Nutzer teilweise jede einzelne Webadresse in Google eintippten, statt sie direkt in die Browserzeile einzutragen, hat Chrome das Prinzip zum Normalzustand erhoben. Browser und Suchmaschine sind eins geworden. Smartphone und Google sind eins geworden. Und Google profitiert: durch Werbung, durch verkaufte Apps, bald durch die Handy-Geldbörse. Im „Fegefeuer der Eitelkeiten“ wurde das Geschäft eines Wall-Street-Brokers mit jemandem verglichen, der einen riesigen Kuchen zerteilt und von den Krümeln lebt. Google ist Krümel-Milliardär. Ist das schlimm?

Und doch: Die Dominanz der wenigen Konzerne hat handfeste Nachteile. Der Markt funktioniert in Teilen nicht. Google hat wegen der — ob aus Geiz oder wegen der überzogenen Forderungen — keine Musikvideos online? Das wäre doch ein sehr breites Feld für einen Konkurrenten, der mit einem vernünftigen Kompromiss vormachen könnte, wie es geht. Doch wo ist der? Was hält uns Deutschen ab ein GEMA-lizensiertes Musikportal online zu stellen? Wo ist die präzise Suchmaschine, die ich mir wünsche. Sicher gibt es Aufsätze und Kleinkonkurrenten. Die leiden jedoch daran, dass sie doch nicht so viele Seiten so aktuell in ihren Datenbanken haben — oder das gefundene nicht so gut sortieren wie Google.

Ist Google ein Monopolist? Unklar. Hätte ich gerne mehr Konkurrenz? Auf alle Fälle.

Kurze Anmerkungen zum Grundeinkommen

Heute ist auf der Spiegel Online ein Gastbeitrag des Volkswirtschafts-Professors Thomas Straubhaar, der sich für eine Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ausspricht. Nach der Hartz-IV-Westerwelle-Kakophonie der vergangenen Wochen eine willkommene Abwechselung.

Ich muss da aber auch mal den Volkswirt heraushängen lassen und ein paar Sachen klar stellen. Straubhaar schreibt:

Ein immer wieder erhobener Einwand gegen das Grundeinkommen ist, dass alle einen Finanztransfer erhalten – auch jene, die nicht bedürftig sind. Auf den ersten Blick scheint es in der Tat merkwürdig, wenn Gutverdiener und Vermögende in den Genuss staatlicher Unterstützung kommen. Dieses Argument lässt sich leicht entkräften. Zwar bekommen auch Reiche das Grundeinkommen. Sie „finanzieren“ diesen Transfer aber auch – durch die Bruttobesteuerung ihrer Einkommen. Netto bleiben sie damit Steuerzahler. Anders formuliert: Auch mit dem Grundeinkommen wird die Masse der Deutschen weiterhin Steuern zahlen.

Sprich: dieses Grundeinkommensmodell ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was Götz Werner und andere immer wieder vertreten. Die wollen das Grundeinkommen nämlich über eine (astronomisch hohe) Umsatzsteuer finanzieren, die gerade Geringverdiener überproportional belastet. Großverdienern wie Götz Werner tut sie hingegen kaum weh.

Weiter im Text:

Das Grundeinkommen ist nichts anderes als ein Steuerfreibetrag in Höhe des Existenzminimums – so wie er bereits heute in Deutschland allen gewährt werden muss.

Das ist nicht nur übersimplifiziert, sondern falsch. Wir haben den Steuerfreibetrag, aber kein Grundeinkommen. Wenn es nichts anderes wäre, wäre die Einführung des Grundeinkommens unnötig. Straubhaar beschreibt hier das Modell der negativen Einkommenssteuer, die viele Probleme umgeht und nicht so illusorisch-verträumt ist wie andere Finanzierungsmodelle.

Und hier kommen wir zu Straubhaars Schlusspointe:

Klar ist auch: Der ökonomische Sinn der Grundeinkommensidee steht und fällt mit der Höhe des Transfers. Wie soll das Existenzminimum bemessen sein, das der Staat bedingungslos für alle sichert?

Im Endeffekt ist dies eine politische Entscheidung, für die ein äußerst einfacher ökonomischer Zusammenhang gilt: Ein hohes Grundeinkommen erfordert hohe Steuersätze, ein niedriges Grundeinkommen ermöglicht niedrige Steuersätze. Hohes Grundeinkommen und hohe Steuersätze verringern den Anreiz zu arbeiten, niedriges Grundeinkommen und niedrige Steuersätze verstärken den Anreiz zu arbeiten. Je höher der Anreiz zu arbeiten ist, desto einfacher wird das Grundeinkommen zu finanzieren sein. Je geringer die Arbeitsanreize sind, desto weniger wird das Grundeinkommen finanzierbar sein.

Übersetzen wir das einfach: wenn man das Grundeinkommen so hoch ansetzt, dass man davon leben könnte, nehmen die Arbeitsanreize so stark ab, dass das Grundeinkommen wiederum nicht finanzierbar ist.

Ich schreibe Arbeitsanreize kursiv, da ich hier weniger das Problem der faulen Arbeitnehmer sehe, sondern eher erwarte, dass die Arbeitgeber ein Grundeinkommen schamlos ausnutzen würden, um Billigangestellte noch billiger zu machen. Die – in meinen Augen leider realistische – Argumentation: Wieso noch menschenwürdig bezahlen – es gibt doch ein Grundeinkommen? Soll der Arbeitnehmer doch sehen, wie er seine paar Euro an der Steuer vorbeiquetscht.