Rough Fellows with inquisitive habits

Der ehemalige Polizeireporter und Fantasy-Bestsellerautor Terry Pratchett hat in seinem Buch „Thud“ wie immer einige Weisheiten zu Polizeiarbeit eingearbeitet:

There was, of course, the paperwork. There was always the paperwork. The trays were only the start. Heaps of it were ranged accusingly along one wall, and gently merging.* He knew that he had to do it. Warrants, dockets, Watch Orders, signatures — that was what made the Watch a police force rather than just a bunch of rather rough fellows with inquisitive habits. Paperwork: you had to have lots of it, and it had to be signed by him.

Ich mag ja solche Spitzen, weil sie sich so prima auf die Realität anwenden lassen. Zum Beispiel auf die Situation der Polizei in New York, die sich mit denen solidarisiert, die den lästigen Papierkram beiseite schoben und ihre ganz eigene Form der Justiz bis hin zur Bandenkriminalität ausbauten:

Prosecutors said the bulk of the vanished tickets were arranged by officials of the Patrolmen’s Benevolent Association, the city’s largest police union. All the officers charged with fixing tickets are either current or past union delegates or trustees.

As the investigation unfurled, the union played down its significance and consistently referred to ticket-fixing as “professional courtesy” inscribed in the police culture.

On Friday morning, on the street outside the courthouse, some 350 officers massed behind barricades and brandished signs expressing sentiments like “It’s a Courtesy Not a Crime.”

When the defendants emerged, many in the crowd burst into raucous cheers. Once they had gone and the tide of officers had dispersed, the street was littered with refuse.

Doch ist diese Bekundung der Solidarität mehr als fehlgeleiteter Kameradschaftsgeist? Doch — es gibt Grund für die Polizei, sich zu beklagen. Zwar nicht aus den Gründen, die führende Polizeifunktionäre immer wieder beschwören, wie Rafael Behr in der Zeit beschreibt:

An die Stelle von Gewalt trat in der Außendarstellung die Kommunikation, statt Schlagstock wurde soziale Kompetenz propagiert, statt des Körpers mehr Technik eingesetzt. Doch besonders uniformierte Schutzpolizisten nehmen bei ihrem Dienst auf der Straße seismografisch genau wahr, dass das nicht alles ist. Für sie wird die Arbeit schwerer, weil sich vor allem der Ton und die innere Haltung ihrer »Kunden« gegenüber dem Staat verändert zu haben scheinen. Polizisten werden wenig auf resignierte und aussichtslose Lebensperspektiven vorbereitet, auf die sie in solchen Begegnungen treffen. Resignation und Exklusion aber gehen häufig mit Aggression einher.

Neben gesellschaftlichem Wandel ist es auch immer wieder die falsche Politik, die Polizisten unter Druck setzt, die Erwartungen weckt, die auch von den pflichtschuldigsten Beamten niemals erfüllt werden können. So zum Beispiel beschreibt der Whistlerblower Adrian Schoolcraft von der New Yorker Polizei wie die Fixierung auf die Polizeistatistik und Aufklärungsquote Polizisten zu Kriminellen werden ließ, die Unschuldige verhafteten und Serientäter laufen ließen, um die Vorgaben zu erfüllen:

Twitter und social news

Ich probiere grade das Tracking-Feature von Twitter aus. Wird ein bestimmter Begriff in einem „Tweet“ erwähnt, bekomme ich eine Nachricht per Instant Messenger. Offenbar sind die Twitterer dem Autoren Terry Pratchett besonders zu getan. Seit gestern bekomme ich näcmlich alle paar Minuten eine Meldung über den Gesundheitszustand des Autoren.

(10:45:39) twitter@twitter.com: (kokadiskoo): Terry Pratchett lijdt aan zeldzame vorm van alzheimer. Dat heeft de schrijver zelf bekendgemaakt, aldus donderdag de BBC.

(10:51:22) twitter@twitter.com: (artywah): Author Terry Pratchett is suffering from a rare form of early Alzheimer’s disease :( http://news.bbc.co.uk/2/hi/entertainment/7141458.stm

(10:52:05) twitter@twitter.com: (twodesign): Sending our best to Mr Pratchett. An ‚embuggerance‘ indeed.

(11:15:13) twitter@twitter.com: (thelondonpaper): Author Terry Pratchett has Alzheimer’s : Terry Prachett, author of hilarious and surreal Discworld.. http://tinyurl.com/2z4qm5

(11:15:29) twitter@twitter.com: (ATNews): Terry Pratchett leidet unter seltener Alzheimer-Variante (orf.at) http://tinyurl.com/35ugbc

Vimes – der Anti-Potter

Bei Thomas Knüwer bin ich auf einen Lobgesang auf Harry Potter gestoßen. Der Handelsblatt-Redakteur schlägt die Buchserie sogar als Karriereleitfaden vor. Und überhaupt ist er recht überschwänglich.

So wie mit Harry Potter. Dort sind die Handlungsstränge verwoben, die Sprache selbstironisch, die Wortwahl gewaltig.

Irgendwie scheinen wir nicht die gleichen Potter-Bücher zu kennen. Verwobene Handlungsstränge bei Harry Potter? Wo bitteschön? Dieser Eindruck wird höchstens erzeugt, weil Leser und Hauptfiguren dauernd im Dunkel gehalten werden. Sicher: hier und dort wird ein nebensächliches Detail nachher ganz, ganz wichtig. Aber die Spannung letztlich dadurch aufrecht erhalten, dass der ach so vielbeschäftigte Dumbledore seinem Liebling Harry schlichtweg die nötigen Informationen vorenthält – unter sehr fadenscheinigen Gründen. Und der obligatorische Streit der drei Hauptfiguren ist wohl kaum als verwobener Handlungsstrang tauglich, dazu wirkt der andauernde Wechsel von Snape zwischen Gut und Böse lediglich albern. Und Selbstironie sehe ich dort gar nicht – JKR nutzt Ironie lediglich als Waffe, gegen die dummen Dursleys, gegen die charakterschwachen Deatheater und den weirdos, die Harry Potter in seiner unendlichen Güte durch die Handlung schleppt.

Aprospos: Wenn Knüwer dann noch eine Kritik zitiert, dass „Gut und Böse sind allerdings nicht schicksalhaft festgelegt“ seien, fasse ich mir an den Kopf. Gerade die Szene im letzten Band, in der der böse Stiefbruder Dudley vermeintlich seine Menschlichkeit entdeckt ist so dünn und so uncharakteristisch, dass sie die Dursleys nur um so härter aburteilt. Und wenn sich Harry Potter mal entscheidet böse zu sein, dann steckt ein heimtückischer Zauber oder die große Liebe dahinter.

Wie kommen diese grotesken Fehlurteile zu Stande? Ganz einfach: den Leuten fehlt es an Vergleichsmaßstäben. Aber das kann man ändern. Verwobene Handlungsstränge, Selbstironie und eine wirkliche Vermischung zwischen Gut und Böse findet man zum Beispiel in der Scheibenwelt. Das ist Fantasy, wie sie sein sollte. Terry Pratchett hat eine Welt mit solidem Fundament gebaut, auf die er echte Charaktere gesetzt hat.

Mein Liebling ist Commander Vimes – hierzulande als Hauptmann Mumm bekannt. Er ist der Anti-Potter: grobschlächtig, oft gemein und mit einem unbestechlichen moralischen Kompass. Sicher ist er auch ein Märchenfigur, aber er hat mit echten Problemen zu kämpfen. So ist er unter einer Diktatur groß geworden, wurde zum Säufer, dem letzten Abschaum der Stadt. Aber das Leben hat ihn geschliffen. Man kann richtig mitleiden, wenn der trockene Alkoholiker mit der Versuchung nach einem Glas Bärdrücker-Whiskey kämpft. Es ist nachvollziehbar, wie er mit dem brutalen „Tier“ in sich ringt, wenn er an der Welt zu zerbrechen droht und bemüht ist, so viele Leute wie möglich mitzunehmen. Dazu fasziniert die Konstruktion der Scheibenwelt, die natürlich ein überzeichnetes Bild unserer eigenen Welt ist und uns letztlich nur einen schärferen Blick auf die eigene Welt bietet. Die Legalisierung von Mord und Diebstahl und die Abgabe der Kontrolle an die Gilden ist brilliant.

Als Karriereratgeber taugt Vimes hingegen nicht wirklich. Er sucht sich zwar auch die richtigen Freunde – tritt aber viel lieber den falschen Leuten gegen das Schienbein . Manchmal benutzt er dazu auch sein Schwert. Dass er nicht in der Gosse stirbt, ist ein unwahrscheinlicher Zufall. Dafür bekommt der aufmerksame Leser über die Scheibenwelt mehr Einblick in politische Systeme, als mancher Politik-Student in seinem Grundstudium erfährt.

Also: Wer verwobene Handlungsstränge, Selbstironie und eine solide Fantasiewelt sucht, sollte sich mal auf die gute Literatur stürzen. Ich empfehle als Einstieg Guards! Guards!, gefolgt von Men at Arms, The Fifth Elephant, The Truth, Night Watch und schließlich Thud!.