I don’t like Mondays

And he can see no reason
‚Cause there are no reasons
What reason do you need to be sure.

Heute fand ich mich an „I don’t like Mondays“ von den Boomtown Rats erinnert. Ich hab sehr spät erfahren, dass dieses ja eher heiter anmutende Lied sich um eine 16jährige dreht, die von ihrem Fenster aus auf eine Schule schoss, zwei Menschen tötete und neun verletzte. Der noch junge Bob Geldof hörte die Berichte und fand sich zu dem Lied inspiriert. Aus der Wikipedia zitiert: „Während ich dort saß, lehnte ein junges Mädchen namens Brenda Spencer mit einer Pistole aus ihrem Schlafzimmerfenster und schoss auf Leute in ihrer Schule auf der anderen Straßenseite. Was dann passierte, erschien mir als einzigartig amerikanisch. Ein Journalist rief sie an. Sie nahm den Hörer ab, an und für sich schon eine bizarre Unterbrechung, wenn man dabei ist, wildfremde Menschen umzubringen. Er fragte sie, warum sie das tut. Sie überlegte kurz und sagte dann: ‚Nichts los. Ich mag keine Montage.‘

Heute morgen haben wir immer noch keine Ahnung von den Motiven des Mannes, der gestern in Las Vegas über 60 Menschen getötet und Hunderte verletzt hat. Und diese Unwissenheit nagt an der Öffentlichkeit. Wir sind es nicht mehr gewohnt.

Tatsächlich haben wir äußerst selten eine Ahnung, was einen Menschen wirklich dazu treibt, andere zu töten und den eigenen Tod mitzuplanen. Oder Bomben zu legen, Dutzende zu erschießen und sich dann schnell zu verstecken. Wir stecken den Wahnsinn stattdessen in Schubladen. Der Täter war radikalisiert. Der Täter gehörte der IS an. Der Täter war ein Opfer von Bullies. Der Täter war traumatisiert und geistesgestört. In den USA ist eine Schublade besonders groß: Es war ein Angriff auf unsere Freiheit. Wenn einmal eine solche Schublade gefunden ist, sind wir, ist die Öffentlichkeit beruhigt. Man muss sich nicht mehr wirklich viele Gedanken machen. Alles geht seinen Gang. Und wir können mental wieder genau dahin zurückkehren, wo wir vorher waren. Mit ein wenig mehr Angst. Und Ressentiments.

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Diese Schubladen sind hochpolitisch. Ich bin gestern zufällig auf einen Artikel in der Everipedia gestoßen, wo ein ganzer Artikel zu einem Mann aus Arkansas erschien, der ihn — fälschlicherweise — als mutmaßlichen Täter vorstellte. Flugs suchten viele Leute nach Informationen über diesen Mann und konzentrierten sich darauf: Wen hat er auf Facebook geliket? Wen hat er gewählt? Es kam nicht drauf an, die Tat aufzuklären oder zu begreifen, die Nutzer suchten nur schnellstmöglich eine Schublade. Und gezielt wurde einer Frage nachgegangen: War er für Trump oder gegen ihn?

Der Mann ist offenbar Wähler der Demokraten und er klickte auf Facebook-Gruppen, die Donald Trump des Amtes entheben wollen. Flugs verbreitete sich die triumphierende Nachricht: Der Mörder ist ein Trump-Hasser. Trump-Anhänger haben also die moralische Oberhand. Auch nachdem sich herausgestellt hat, dass der Mann eben überhaupt nichts mit den Morden zu tun hatte, obwohl Klicks auf paar Facebook-Gruppen noch weit vom Fanatismus entfernt sind, wird die Nachricht immer weiter verbreitet. Hätte der Mann Trump gewählt, wäre diese Nachricht wahrscheinlich auch schnell weitergetragen worden.

Noch immer wissen wir nicht, was die 16jährige 1979 dazu bewog, auf eine Schule zu schießen. Noch immer wissen wir nicht, warum der Mörder von Las Vegas schoss. Doch eine Schublade wird man sicher bald schon finden.

And he can see no reason
‚Cause there are no reasons
What reason do you need to be sure.

Pax Romana und Vergeltung

Ich möchte ja zu allerlei politischen Anlässen aus „The West Wing“ zitieren. Gerade Angesichts der gezielten Tötung von Osama Bin Laden in Pakistan fällt mir ein Zitat des ganz und gar fiktionalen Präsidenten Bartlett ein:

Did you know that two thousand years ago a Roman citizen could walk across the face of the known world free of the fear of molestation? He could walk across the Earth unharmed, cloaked only in the protection of the words civis Romanus — I am a Roman citizen. So great was the retribution of Rome, universally certain, should any harm befall even one of its citizens. Where was Morris’s protection, or anybody else on that airplane? Where was the retribution for the families, and where is the warning to the rest of the world that Americans shall walk this Earth unharmed, lest the clenched fist of the most mighty military force in the history of mankind comes crashing down on your house?!

Ein paar Folgen später ließ Präsident Bartlett einen Terror-Führer ermorden. US-Soldaten fingen das Flugzeug eines arabischen Politikers ab, erschossen ihn und vernichteten alle Beweise.

Or is he…?

Gestern hatte ich mich darüber aufgeregt, dass alle Welt berichtete, Schauspieler Mark Ruffalo sei auf einer terror watch list gelandet. Das war falsch. Nun rollt die zweite Welle durch die Unterhaltungs-Redaktionen. In den Worten von E!Online:

So, are Ruffalo’s boyish good looks and effortless charm simply the world’s greatest terrorist cover-up? Is he really on a watch list? Brace yourselves for the inevitable pat-downs, this rumor is…

So false! If you believe The Man, that is.

Which clearly Ruffalo doesn’t. Either that, or nobody’s bothered to set him straight.

Ja, die Behauptung war Blödsinn. Bin ich durch die Kehrtwende in der Berichterstattung zufrieden? Nein.

Denn zum einen behaupten Redaktionen wie die des Guardian weiterhin dieses moderne Märchen, dass sie aus einem Interview-Fitzel der Zeitschrift GQ zusammengeklaubt haben.

Zum zweiten: auch die gegenteiligen Nachrichten sind weit entfernt von der Wahrheit. Denn Obwohl Mark Ruffalo auf keiner terror watch list und auch in keinem security bulletin verzeichnet ist, gab es in Pennsylvania einen echten politischen Skandal: Mit Staatsgeldern wurde eine Privatfirma beauftragt politische Aktivisten jeder Couleur auszuforschen und als Sicherheitsrisiko zu behandeln. Ein hochrangiger Beamter musste zurücktreten, der Gouverneur wurde gerade auch durch den Einsatz hartnäckiger Reporter in die Defensive gedrängt. Soweit ich es von hier beurteilen kann: eine hervorragende journalistische Arbeit.

Und was macht der Medienzirkus heute daraus? Statt diesen Skandal zumindest zu erwähnen transportieren sie nun einen Drei-Zeilen-Dementi aus dem Philadelphia Inquirer, dass an den Vorwürfen überhaupt nichts dran sei: Ruffalo steht nicht auf der Liste. Es gibt nicht Mal eine Liste. Wir haben keine Ahnung, wo das her kommt, sagt das Department of Homeland Security. Die ersten beiden Aussagen sind soweit korrekt, die dritte in meinen Augen dreist gelogen. Und trotzdem wird das Dementi als unreflektiert weiter verbreitet – zumindest von einem Teil der Medien.

Das Ergebnis: wer die amerikanische Regierung und die Homeland Security nicht leiden kann, kann weiterhin an die top-geheime Terror-Liste glauben, auf der Mark Ruffalo steht. Wer hingegen diese linken Hollywood-Typen nicht leiden kann, glaubt daran, dass Ruffalo sich etwas ausgedacht hat um seinen neuen Film zu bewerben. Die wirklichen Zusammenhänge aber — die mit viel Arbeit transparent gemacht wurden — scheinen hingegen niemanden zu interessieren.

Einer der besten Experten…

Stern.de hat Bert Weingarten zu einer neuen tollen Entdeckung aus dem Hause PAN AMP interviewt: der GPS-Bombe. Dass die Autorin nicht unbedingt die seriöseste Quelle gefunden hat, hat stern.de wohl spätestens nach Protesten im Forum mitbekommen. Flugs wird der Experte ein wenig degradiert:

Weingarten-Lebenslauf um 16:30 Uhr:
stern-weingarten2

Weingarten-Lebenslauf um 17:00 Uhr:
stern-weingarten1

Auf der Startseite ist der Nonsense allerdings immer noch verlinkt.

Prophet Sodann

Peter Sodann hat keine Chance auf das Bundespräsidentenamt. Das weiß er, das wissen wir. Seine Aufgabe: Er soll für Stimmung sorgen. Ein paar realitätsferne Vorschläge, die an den Grundlagen der Gesellschaft rütteln – sofern sie denn jemand ernst nähme. Wir kennen das ja. Und so poltert er in Stammtischmanier gleich los, Ackermann gehört doch verhaftet. Jawohl!

Unverhoffte Unterstützung könnte er bekommen. Denn das FBI verschiebt grade mal wieder seinen Fokus:

The Federal Bureau of Investigation is struggling to find enough agents and resources to investigate criminal wrongdoing tied to the country’s economic crisis, according to current and former bureau officials.

The bureau slashed its criminal investigative work force to expand its national security role after the Sept. 11 attacks, shifting more than 1,800 agents, or nearly one-third of all agents in criminal programs, to terrorism and intelligence duties. Current and former officials say the cutbacks have left the bureau seriously exposed in investigating areas like white-collar crime, which has taken on urgent importance in recent weeks because of the nation’s economic woes.

The pressure on the F.B.I. has recently increased with the disclosure of criminal investigations into some of the largest players in the financial collapse, including Fannie Mae and Freddie Mac. The F.B.I. is planning to double the number of agents working financial crimes by reassigning several hundred agents amid a mood of national alarm.

Eine spannende Entwicklung: Die US-Regierung zieht Drittel verwandelt ein Drittel der Bundespolizei in einen Geheimdienst, der nur noch dann der Verfassung und dem Rechtsstaat verpflichtet ist, solange niemand „Terrorismus“ ruft. Und nun werden siese Leute auf die Jagd geschickt nach Kriminellen Maipulatoren.

Besonders diese Zitat stimmt bedenklich:

“To fix our system and prevent a repeat of the events we now see,” they wrote in a letter this month to Robert S. Mueller III, the F.B.I. director, “we have got to set an example by bringing the full might of federal law enforcement against the people who illegally profited or destroyed companies at the expense of our country.”

Es geht nicht um Kriminalität und Recht, es geht um nationale Interessen. Und da fallen ja bekanntlich viele Schranken.

Herr Ackermann muss sich keine Gedanken machen, in Guantanamo aufzuwachen. Wenn die Agenten jedoch die gleichen Methoden anwenden wie bei ihren Terrorermittlungen, dürften auf die Deutsche Bank ein paar sehr merkwürdige Geschäftsvorschläge zukommen. Und den Blackberries würde ich an ihrer Stelle nicht allzu viel Vertrauen schenken.

Unspektakulär

Ich war gestern etwas mit Offline-Dingen beschäftigt – daher bekam ich nicht unbedingt viel von den aufregenden Tagesnachrichten mit. So verpasste ich die spektakuläre Meldung, dass ein Sondereinsatzkommando ein Flugzeug auf dem Köln-Bonner Flughafen gestürmt und dort zwei Terrorverdächtige festgenommen habe. Nicht schlimm – denn das war eine Falschmeldung: die Festnahmen hat es gegeben, die Stürmung nicht. Im Radio hörte ich sogar, dass es nicht mal ein Sondereinsatzkommando gegeben habe.

Schon um 12:55 meldete dpa:

Die mit rund 40 Passagieren besetzte KLM-Maschine sollte von Köln-Bonn nach Amsterdam fliegen, als die Ermittler um 6.55 Uhr zuschlugen. Die Festnahme sei völlig unspektakulär abgelaufen, hieß es beim LKA. Ein Flughafen-Sprecher sagte, die Maschine sei dann um 8.24 Uhr nach Amsterdam geflogen. Die Bundesanwaltschaft sieht bislang keinen Ansatzpunkt für die Übernahme der Ermittlungen.

Wie bebildert man eine unspektakuläre Festnahme? Die Heimatzeitung meines Geburtsortes macht es so:

Wir sehen ein Sondereinsatzkommando in voller Montur, offenbar durch ein großkalibriges Einschussloch fotografiert. In der kurzen Bildunterschrift heißt es:

Unser Foto zeigt eine entsprechende Einheit bei einer Übung in voller Kampfmontur. Der Ernstfall in Köln lief nicht ganz so spektakulär ab. Die Polizisten, die den Zugriff ausführten, näherten sich den ahnungslosen Islamisten eher unauffällig.

Update: Ich hab beim Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen nachgefragt: Bei der Festnahme war kein Sondereinsatzkommando beteiligt. Nicht mal ein unauffälliges.

Güterabwägung: TV und Folter.

Stefan amüsiert sich über die Korrektur, mir hingegen ist der Inhalt dieses Guardian-Artikels über den Einfluss der Serie 24 mehr aufgestoßen:

Sands writes: „She believed the series contributed to an environment in which those at Guantánamo were encouraged to see themselves as being on the frontline – and to go further than they otherwise might.“

The US military criticised the award-winning series last year, saying it encouraged soldiers to see torture as a justifiable weapon against terror suspects.

Da sag ich nur „WTF?“ Ein – zugegeben: gut gemachter – Nachfolger des A-Teams macht ganz normale Menschen zu verblödeten Folterern? In dem Fall müssen wir leider alle Fernseher vernichten. Die Güterabwägung lässt nichts anderes zu.

Ich kann nicht wegsehen!

Tolles Gadget oder ein Horror-Trip? Brother hat einen Netzhaut-Beamer vorgestellt, der das Bild direkt auf die Netzhaut projiziert. Besonders lustig ist dieser Absatz:

Zu der Gefahrenklasse des Lasers äußert sich Brother nicht. Die Gefahr für das Auge besteht wie bei allen Projektionen mit Laserlicht auch bei Retinal Displays vor allem darin, dass der Scanner blockiert wird und der Laserstrahl länger als vorgesehen auf eine Stelle der Netzhaut brennt.

Terror-Plot 47A: dem US-Präsidenten wird eine PowerPoint-Folie ins Auge tätowiert. Er verfällt in kurzer Zeit dem Wahnsinn und befiehlt den Krieg mit China. Kann Bruce Willis die Welt wieder mal retten?