The Trek is a Lie

Meine Freunde, es erfüllt mich mit keiner Freude, Euch eins zu sagen: Ihr seid über Jahre einer Kriegspropaganda aufgesessen. Ihr müsst Euch aber deshalb nicht schuldig fühlen: Denn diese Propaganda begleitet Euch wahrscheinlich schon seit Kindertagen und selbst in intellektuellen Kreisen wurde wenig bis gar nicht thematisiert, wie ruchlos hier Geschichtsfälschung betrieben wurde.

Dabei betrifft die falsche Historie unsere ganze Welt. Mehr noch: Es betrifft die gesamte Federation of Planets. Ein Imperium im Kostüm einer Utopie.

Ihr kennt alle die historischen Dokumente. TOS, TNG, DS9, VOY und die deutlich weniger verlässlichen Erzählungen der Kelvin-Timeline, Picard des Älteren und DISC. Natürlich handelt es sich um Fiktionen, darüber müssen wir uns nicht unterhalten. Und dennoch bilden diese Erzählungen einen elementaren Beitrag zur Legitimierung, sie sind Teil eines popkulturellen Wertegerüsts geworden, ein Modell, wie man sich verhalten sollte.

Wie kann man aus Fiktionen die Realität kristallisieren? Zunächst benötigt man eine Menge davon – was bei Star Trek ja zweifellos der Fall ist. Und dann beginnen wir damit, die Gemeinsamkeiten zu analysieren. Welche Gesellschaft beschreibt Star Trek eigentlich? Dazu lohnt auch ein Blick auf die Kleinigkeiten, bei denen es sich nicht zu lügen lohnt, die von den Erzählern als selbstverständlich erachtet werden. So schreibt Arthur Conan Doyle niemals über die Körperhygiene seiner Zeit, aber wenn ein Gentleman vergeblich nach heißem Wasser klingelt, dann bekommen wir dennoch ein ziemlich detailliertes Bild.

AI-Bild von Midjourney

Fangen wir mit dem Großen an: Angeblich spielen die Geschichten in einer Zeit, in der die Menschheit Armut besiegt hat, in der Gewalt, die meisten Krankheiten und Krieg unter den Menschen überwunden sind.

Der Waisen-Feldzug

Und doch: Seht auf die persönlichen Biographien der Offiziere: Captain Picard ist bei Dienstantritt auf der USS Enterprise nicht einmal 50 Jahre alt, hat aber keine Eltern mehr. Sein Erster Offizier: Halbwaise, seine Mutter starb auf ungeklärte Weise in seiner frühesten Kindheit. Deanna Troi, Halbwaise, ihr menschlicher Vater starb vor langer Zeit. La Forge? Eine tote Mutter, im Dienst gestorben. Tasha Yar? Vollwaise, geflüchtet aus einem Failed State, der auf unbekannte Weise an der Föderation hängt. Sogar Chief O’Briens Mutter stirbt, kurz nachdem er selbst Vater geworden ist. Janeways Vater ist tot und erscheint als Vision, um sie ins Jenseits zu ziehen, etc pp. Entweder ist Star Fleet ein Selbsthilfegruppe für Waisen oder das Paradies auf Erden ist ziemlich tödlich.

Oder es ist eine Lüge.

Nun schauen wir uns die breitere Mission der Star Fleet an: Exploration, die Erforschung der Grenzen des bekannten Universums und des menschlichen Wissens. Die Botschaft ist klar: Nein, wir sind keine kriegsführende Flotte. Aber unser Flagship ist mit Waffen ausgestattet, die die meisten Zivilisationen in Schutt und Asche verwandeln können.

Kanonenbootpolitik Next Generation

Tatsächlich wird dieses Schiff höchst selten in unbekannte Gefilde geschickt. Seine Missionen bringen es aber immer wieder an die bereits erforschten Grenzen der Föderation – von Farpoint Station bis zur Neutral Zone. Mal versorgt die Enterprise eine der vielen Siedlergruppen, die quer durch die Galaxie verstreut sind und den einflussbereich der Föderation erweitern. Mal transportiert das Schiff Diplomaten, die ihrer Verhandlungsmission die notwendige Feuerkraft verleihen wollen. Im 19. Jahrhundert kannte man ein Wort dafür: Kanonenbootpolitik. Eine Hegemonialmacht oder gar ein Imperium schickt sein Flaggschiff in die weite Welt, um die eigene Überlegenheit eindrucksvoll zu demonstrieren oder sogar zu erzwingen.

Aber war die Enterprise nicht dennoch ein Forschungsschiff? Doch was hat sie tatsächlich erforscht? Die Bilanz ist eher deprimierend. Die wackere Besatzung der Enterprise trifft zwar immer wieder auf neue Erkenntnisse und Technologien. Aber erforschen sie sie wirklich? Kaum. Immer wieder entdecken die Schiffe der Sternenflotte neue Methoden des Weltraumantriebs, die die Warp-Spulen blass aussehen lassen. Doch in der nächsten Folge ist davon keine Rede mehr.

Die sagenhaften Portale der noch sagenhafteren Iconianer zerstört Picard ganz offen. Schlimmer: Benjamin Lafayette Sisko macht es gleich noch einmal. Die USS Voyager stößt ein halbes Dutzend Mal auf Methoden, schnell nach Hause zurückzukehren oder zumindest unbemannte Sonden hin- und herzuschicken, und stampft sie alle wieder ein. Warp 10 verwandelt Menschen in Echsen? Dann schickt halt keine Menschen damit hin und her! Und um den Omega-Partikel unbesehen zu zerstören, wird sogar die Oberste Direktive außer Kraft gesetzt.

Oder was ist mit den Cytherianern, die Reginald Barclay umprogrammieren, damit er der Enterprise einen neuen Antrieb verpasst? Dieser Antrieb wird nach Rückkehr demontiert und niemand spricht mehr ein Wort davon. Ich fürchte, wenn die Cardassianer in ein paar hundert Jahren in das Gebiet der Cytherianer vordringen, werden sie nur noch Trümmer finden, eine Zivilisation, die von Trikobalt-Geschossen atomisiert wurde.

Utopie-Life-Balance

Eine der wenigen Innovationen, die die Föderation tatsächlich zulässt: klingonischer Kaffee. Denn Sternenflottenoffiziere müssen auch dann wach sein, wenn ein Tag 26 Stunden dauert. Überhaupt stellt sich die Frage: Wie ist diese Föderation überhaupt organisiert? Die Sternenflotte ist nach dem Vorbild der imperialen Flotte des British Empire geformt, mit ein paar offenen Fragen: Was treibt die einfachen Matrosen, wenn sie weder Gehalt noch Ehre zu erwarten haben? Und: Wer hat eigentlich das Kommando? Irgendwie scheint die Admiralität den Laden zu schmeißen und bietet dafür einzelnen Vertretern der Mitgliedsgesellschaften ein Luxusleben zwischen den Sternen.

Das ist vielleicht der größte Defekt der Star-Trek-Saga: Tag für Tag behaupten die Charaktere, dass sie Gewinnstreben, Kriegslust und alles allzu Menschliche überwunden haben – doch wie sie das getan haben? Keine Ahnung. Aber sie pokern immer noch. Und womit bezahlen sie den Luxusurlaub auf Risa? Ein Planet, der sogar sein Klima für den Tourismus reguliert, muss andere Einnahmequellen haben.

Ein weiteres ewiges Mantra ist, dass die Föderation im Gegensatz zu den anderen großen Imperien die Entscheidungsfreiheit des Individuums bewahrt. Da ist es aber komisch, dass wir fast ausschließlich Leute sehen, die in einer militärischen Struktur dienen, und die für Dinge wie Befehlsverweigerung verurteilt werden können. Ist die Föderation womöglich genauso militaristisch ausgerichtet wie die Cardassianer oder die Romulaner? Wir können es nicht wirklich wissen.

He’s alive, alive!

Wenn wir einen Blick auf die vermeintlichen künstlichen Lebensformen wie Data und den Doktor werfen, wird es etwas dunkler. Auch das sollte unbestreitbar sein: Beide Figuren sind nicht künstlich. Denn eins der Haupt-Kriterien für Künstlichkeit ist: Man kann es etwas wieder produzieren. Dass die Holo-Detektoren der Voyager nicht mal eben zwei Doktoren projizieren und damit die Notwendigkeit eines humanoiden Assistenten beseitigen, ist nicht nachvollziehbar. Und dass man Data nach Jahrzehnten nicht replizieren kann, obwohl man zwei Exemplare ausführlich analysiert hat und gleich zwei Labore von Noonien Soong auskundschaften konnte, ist ebenfalls unglaublich.

Worum handelt es sich also? Um Wesen, denen offenbar von vorneherein keine Autonomie, keine vollen Bürgerrechte zugestanden werden. Obwohl ihre Fähigkeiten die ihrer Kameraden in den meisten Bereichen übersteigen, wird ihnen der normale Karrierepfad verweigert. Sind sie schlicht Ausländer, die in einer Armee gleich der des antiken Roms Dienst machen, denen die Armeechefs aber fundamental misstrauen? Das ist zumindest eine plausible Annahme.

Die Zukunft von gestern

Was soll das alles? Ja, Star Trek ist eine Utopie – aber eine, die in die Jahre gekommen ist. Die multiethnische Brückenbesatzung um Captain Kirk war ein visionärer Gegenentwurf zum Kalten Krieg, zu den Weltkriegen, die noch keine Generation vorbei waren. Ein Statement für die Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre und gleichzeitig ein Statement für den American Exceptionalism. Zudem musste Gene Roddenberry die Kulissen von anderen Stoffen weiterverwenden, vom Western bis zum Nazi-Drama. Willkommen in der neuen Welt, die doch eigentlich die alte ist.

Literatur, Geschichte, Fernsehen und Filme sind nicht zeitlos und man sollte sie nicht auf einen Sockel stellen, der einen frischen Blick aus nächster Nähe verhindert. Nur wenn man das Heute und das Gestern erfolgreich vereint, haben sie auch noch morgen eine Zukunft.

Die Zeit schreit nach TV-Kritik

Ich liebe es ja, wenn sich Leute mit fiktiven Stoffen beschäftigen und darin Bedeutung finden. Ob eine Lektion für das Leben, eine philosophische Diskussion oder meinetwegen auch eine Leidenschaft für Skateboarding. Wichtig ist: Man schaufelt nicht einfach sinnlos Bilder und Meme in sein Großhirn, nein: man lässt sich inspirieren, anregen oder auch aufregen.

Es ist mittlerweile ein Klischee: Wir sind in einem Goldenen Zeitalter des Fernsehens. Statt der Familien-Sitcom, die immer nur nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner sucht, haben wir nun quasi alle drei Monate die nächste große HBO-Serie, die eigentlich epochemachend wäre. Wäre unsere Epoche halt nicht voll epochemachendem Fernsehen. Die Zeichen verdichten sich leider: Damit ist es eventuell vorbei. Der Disney-Nagel in den Sarg ist nur ein Indiz. Richtig traurig ist es, wie die meisten Menschen immer noch mit dem Medium Fernsehen umgehen.

Die Clipshow-Kritiker

Ich bin ja immer wieder entgeistert davon, was YouTube mir aufgrund meines extensiven Nutzer-Profils in meine Playlisten spült. Als meine Lieblings-Shows in Sommerpause gingen, spulte mir Googles Plattform immer wieder Pseudo-TV-Kritiken vor, die eigentlich nur nach einem Rezept verfahren: So viele Szenen von Parks&Rec, The Office oder Star Trek wie möglich in fünf bis sieben Minuten quetschen und keine Lizenzgebühren zahlen zu müssen.

Dass es wirklich schlimmer geht, merkte ich vor ein paar Tagen als ich ahnungslos dieses Video anklickte. Hier bespricht jemand Star Trek: Voyager und es ist eine Rezension aus der Trump-Ära.

Es beginnt recht harmlos mit einem recht guten Punkt: Voyager — oder: ST:VOY — operiert immer wieder von einer ziemlich snobistischen moralischen Warte aus. Zwar steht die Serie in diesem Punkt The Next Generation — sorry: ST:TNG — in nichts nach, aber die Diagnose ist zunächst einmal richtig. Egal was passiert – am Ende jeder Episode wird wieder fast alles auf Null gestellt und wir haben in der kommenden Folge ein blütenreines Raumschiff wie aus dem Ei gepellt. Deep Space Nine war in punkto seriellem Erzählen doch wesentlich weiter.

Dann driftet die Rezension aber schnell ab. Das moralische Dilemma in der besprochenen Folge ist: Darf die Mannschaft des Raumschiffs Equinox andere Lebewesen einfach töten, um eine Chance zu haben nach Hause zu gelangen? Der Youtuber Dave Cullen sagt: Klar. Die Aliens, die haben ja keine Arme und Beine und sprechen nicht wirklich. „I don’t see them writing any great works of literature or making significate contributions to science or philosophy any time soon.“ Also sind sie im Prinzip entbehrlich.

Technically wrong, the worst kind of wrong

Fangen wir mal mit dem technischen Argument an, weil ich dann nicht schreien muss. Wie gesagt — es ist zweifellos korrekt, dass Voyager oft genug moralisch simplifiziert und Risiken scheut. Aber da in der Rezension grade Folgen wie „Year of Hell“ referenziert werden, sollte doch auffallen: Für die vermeintlich eitlen moralischen Prinzipien ist Janeway durchaus bereit ihr eigenes Leben zu opfern. Dass die Story sie nachher dafür belohnen wird, das weiß sie ja nicht.

Gerade in der Equinox-Episode bekommt Janeways Image erhebliche Schrammen verpasst. Sie zerstreitet sich mit Chakotay, sie foltert Gefangene, sie bringt ihre eigene Crew im Gefahr, um den unbotmäigen Captain der Equinox zu jagen. Dave Cullen misst dem keinerlei Bedeutung zu, weil Captain Ransom ja so ein viel abgefeimterer und damit vermeintlich interessanterer Charakter ist.

Zum Zweiten: Das moralische Argument sollte keinen Star Trek-Fan irgendwie überraschen. Die Frage nach der Gleichwertigkeit außerirdischen Lebens wird immer wieder thematisiert. Zum Beispiel, als die Mutter eines Opfers des Kristallinwesens Rache sucht. Da spricht Picard vom Wal, der Millionen Lebewesen auffrisst, um zu überleben. Die Mutter reagiert nicht besonders positiv auf die Metaper.

Aber alles in allem: Die Sternenflotte hat einen recht gut etablierten Standard: Wenn wir mit dem Alien kommunizieren können, dann sind wir im Prinzip gleichwertig. Selbst wenn es Naniten sind. Oder merkwürdige Muster im Sand. Oder Borg. Oder halt die Aliens, die von der Equinox getötet werden.

Zum Dritten: Janeways Haltung wird in der Folge immer wieder in Frage gestellt. Sie kann diese Bedenken auch nicht einfach wegwischen, sondern sie wird in dieser Sache als fanatisch porträtiert, sie fängt an andere Menschen zu foltern. Dass dies dem Rezensenten entgangen ist, ist höchst merkwürdig. Er tut so, als ob dies zum normalen Führung eines Sternenflottenschiffs gehört. Wie gesagt: Die Trump-Ära mag da zu einer Verschiebung der Optik beigetragen haben.

The worstest kind of wrong

Was mich richtig schockiert, ist die Rechtfertigung des Rezensenten, wenn er seine moralischen Vorstellungen aufzählt. Sein Basis-Argument ist: Du und Deine Crew zuerst zuerst, alle anderen sind Sucker. Der Sprachgebrauch ist zum Fremdschämen. Erst vergleicht er die Equinox-Aliens mit Delphinen, dann sogar mit Ratten. Ja, „fying rats“. Sorry, da hat er schlicht zu oft Nazis zugehört. Und erkennt ein moralisches Argument nur noch daran, dass es ihm Unwohlsein verursacht. Foltereien fallen nicht wirklich ins Gewicht, wenn es einen Superschurken gibt, den man anhimmeln kann.

Die Prämisse der Kritik ist: „Aber Moment mal: das hieße ja, dass ich nicht einfach machen soll, was mir im Augenblick am vorteilhaftesten erscheint? Ich verstehe nicht. Das ist doch absolut unmöglich.“ – Wie kann man Star Trek nur gucken, ohne das elementarste Prinzip der Völkerverständigung zu akzeptieren? Selbst wenn das andere Volk nicht exakt so aussieht wie Dein eigenes?

Lange Rede, kurzer Sinn. TV-Kritik ist wichtig. Wir sollten nicht nur immer neuen Content in uns reinschaufeln, in der Hoffnung, dass wir ein paar Stunden unterhalten sind. Fernsehen gehört zum Leben, Netflix gehört zum Leben. Und wenn wir leben, lohnt es sich darüber nachzudenken wie wir leben. Und gegebenenfalls auch drüber zu streiten. Nicht nur darum, ob ihr mehr eine Carrie oder eine Miranda seid. Sondern auch, wie ihr Euren moralischen Kompass eichen könnt.

Mehr Utopien wagen (und Deep Space Nine!)

Ich habe den neuen Comic-Con-Trailer der neuen Star Trek-TV-Serie „Discovery“ gesehen und bin ein wenig erschüttert. Ich sehe: Explosionen. Ich sehe: Eine einsame Heldin, die eine Katastrophe verhindern muss. Ich sehe viel Dunkelheit und Panik. Was ich nicht sehe: Star Trek.

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Ich hab neulich mal auf Netflix nach Filmen gesucht, die den Zuschauer nicht herunterziehen und gleichzeitig keine intellektuelle Beleidigung sind. Dabei fiel mir auf: Wir haben einen erschreckenden Mangel an Visionen, die sich tatsächlich um Menschen und nicht um irgendwelche Idole drehen. Sicher: Tom Cruise kann Aliens niederringen, aber hat das etwas mit uns zu tun? Nein. Nur Superhelden und Supermenschen haben das Recht auf ihre Zukunft.

Star Trek war einst eine andere Vision. Die Original-Serie lieferte inmitten des Kalten Kriegs einen gesellschaftlichen Gegenentwurf: Menschen von allen Kontinenten sollten mit Hilfe moderner Technik zusammenarbeiten, um gemeinsam etwas Neues zu schaffen und neue Grenzen zu suchen. Die Menschheit sollte ihr Potenzial ausschöpfen anstatt sich gewaltsam selbst zu vernichten.

The Next Generation griff das Thema zum Ende des Kalten Krieges zunächst chaotisch, dann gekonnt auf. Besonders gelungen sind die Doppelfolgen, in denen wir als Zuschauer zum Beispiel die Kultur der Klingonen jenseits ihrer Angriffskreuzer kennenlernen konnten. Aber natürlich war die Serie voller Widersprüche: So erzählen die Figuren pausenlos von ihrer individuellen Freiheit, aber wir sehen quasi nur Leute, die in einer militärischen Kommandostruktur zwölf Stunden am Tag arbeiten. Auch lernt die Sternenflotte nie etwas von ihren Begegnungen mit fremden Kulturen, sondern macht immer in obskuren Marine-Traditionen aus dem 18. Jahrhundert weiter.

Deep Space Nine brach mit diesem Überlegenheitsdenken. Captain Sisko muss Spiritualität lernen, Dax wird zur Klingonin ehrenhalber und alle lernen viel von den Ferengi. Der Zuschauer widerum lernt erstmals das Star Trek-Universum wirklich kennen. Statt nur ein übellauniges Kardassianer-Schiff im All zu sehen, wissen wir nun eine Menge über Gesellschaft, Gesetze und Familienwerte. Und das gilt quasi für alle Völker. Deep Space Nine zeigte, dass auch dann, wenn beide Seite nur das Beste wollen, das Ergebnis Zerstörung und Verzweiflung sein kann. Wenn man sich hingegen mit Unterschieden arrangiert, wartet eine faszinierende Welt auf Entdeckung.

Willkommen bei den Kirk-Festspielen

Es ist eine Banalität, die immer wieder vergessen wird: Science Fiction spielt nicht wirklich in der Zukunft, sondern in der Gegenwart. Im letzten Jahrzehnt scheinen wir laut Star Trek jedoch keinerlei Gegenwart mehr zu haben. Der alte Kirk musste sich wenigstens ab und zu mit realen Problemen auseinandersetzen: Gentechnik, Umweltzerstörung, Religion. Die kriegerischen Klingonen werden in einen historischen Frieden gezwungen, weil ihre Energieversorgung zusammenbricht.

Seit dem Reboot (und schon davor) ist das Star Trek-Universum jedoch zu einem kontextlosen Sammelsurium verkommen: Bösewichter kommen aus dem Nichts, um von Kirk mit viel Klopperei wieder ins Nichts verbannt zu werden. Vulkan wird zerstört — nur um zu sehen, ob Spock (der Anti-Kirk) zu einer Emotion fähig ist. Der Rest ist ein Wettbewerb darum, wer denn der beste Buddy von Kirk ist.

Der Trailer zu Discovery verspricht einen phaserscharfen Fokus auf eine Person, die ohne Fehl und Tadel ist und sich dann von einer Herausforderung zur nächsten kämpfen muss. Ihre inneren Dämonen wurden direkt zu anderen Charakteren umgeschrieben. Wenn der durchscheinende Vulkanier mal wieder ein Zeitreisender ist, wird das Universum mal wieder von den Folgen jeder Handlung, von jeder Entwicklung und jedem Fortschritt immunisiert.

Was bleibt, ist eine Handvoll Supermenschen, die ihr Recht auf eine Zukunft erkämpfen. Der Rest — also: wir — können allenfalls zusehen. Dabei könnten wir doch gerade heute ein bisschen Zukunft für uns selbst gebrauchen.

Das ist nicht Star Trek

Patton Oswalt ist hierzulande vielleicht am ehesten bekannt als „Spence“ aus der Serie „King Of Queens“. Der liebenswerte Nerd aus der Nachbarschaft, der keine Frau abkriegt, übergewichtig ist und sich aus Verzweiflung von seinen Freunden als der letzte Dreck behandeln und manipulieren lässt. Wer sich Oswalts Standup Comedy ansieht, erlebt eine Überraschung: Der kleine dicke Mann hat es faustdick hinter den Ohren, ist souverän und brilliant. Und er kommt bei Frauen an.

Und doch… Und doch hat er eine Geschichte über sich als Star-Trek-Fan. Sein Physik-Professor hatte in einer Prüfung eine Aufgabe gestellt, in der er Star-Trek-Charaktere benutzte, um seine Schüler zu motivieren. Der junge Patton Oswalt marschierte während der Prüfung nach vorne und korrigierte den Fehler, dass nicht Spock, sondern irgendjemand andere der TOS-Crew die Phaser abfeuert. Er ist halt doch Nerd. Wenn auch nicht die weichgespülte Sitcom-Variante.

Ich bin kein Trekkie. Ich habe „The Next Generation“ als Jugendlicher verschlungen, habe aber absolut kein emotionales Verhältnis zu Kirk, Picard oder gar Deanna Troi. Den neusten Film habe ich nicht gesehen, „Enterprise“ war ein Reinfall und wer glaubt, aus Star Trek Lehren für’s Leben ziehen zu können, hat mein Mitleid sicher.

Und doch… Als ich in den letzten Tagen immer mehr Meldungen in meiner Timeline sah, dass der NSA-General Keith Alexander die Brücke der Enterprise nachgebaut habe, um Parlamentariern zu imponieren und sich immer neue gesetzlichen Vollmachten zu sichern, da dachte ich vor allem eins:

DAS IST NICHT STAR TREK.

DAS IST NICHT DIE ENTERPRISE.

Tatsächlich steht in dem acht Seiten langen Artikel auf Foreign Policy dieser Absatz:

When he was running the Army’s Intelligence and Security Command, Alexander brought many of his future allies down to Fort Belvoir for a tour of his base of operations, a facility known as the Information Dominance Center. It had been designed by a Hollywood set designer to mimic the bridge of the starship Enterprise from Star Trek, complete with chrome panels, computer stations, a huge TV monitor on the forward wall, and doors that made a „whoosh“ sound when they slid open and closed. Lawmakers and other important officials took turns sitting in a leather „captain’s chair“ in the center of the room and watched as Alexander, a lover of science-fiction movies, showed off his data tools on the big screen. „Everybody wanted to sit in the chair at least once to pretend he was Jean-Luc Picard,“ says a retired officer in charge of VIP visits.

Alleine: Wer Star Trek irgendwann mit wachen Augen gesehen hat, könnte sich fragen: Wo waren auf der Enterprise „chrome panels“? Wer dann noch die magische Gabe des Googelns beherrscht, stößt schnell auf die Bilder des Information Dominance Centers (Really? Are you fucking kidding me?).

Es stellt sich heraus: Der Raum in Fort Meade sieht irgendwie spacy oder science fictiony aus. Mit Star Trek hat er aber nichts gemein außer einem großen Bildschirm. Die Captains bei Star Trek saßen nicht alleine vor einem großen Screen, es gab keine Glaswände oder runde Chromlemente, jedes Bedienelement war auf eine typische Art platziert, die absolut nichts mit dem Informations-Showroom der Army (nicht der NSA) zu tun hat. Nicht mal die Farben sind ähnlich oder die Form der Räume. Hätte nicht irgendein ungenannter Angestellter diesen plastischen, aber nun mal falschen Vergleich angebracht — niemand würde in den Fotos Star Trek wiedererkennen. Zumindest niemand, dem ich zutrauen würde, sein Auto auf dem Parkplatz wiederzufinden. Die sehen doch irgendwie alle gleich aus. Sie haben ein Dach.

Den Vogel abgeschossen hat Felix von Leitner, der in der FAZ sogar fantasierte, dass Star Trek eine allzu passende Parabel auf die Machtgelüste der NSA seien. Passenderweise hat die Redaktion bei der Bebilderung Captain Kirk mit Captain Picard verwechselt. Da fällt es nicht so sehr auf, dass Star Trek weder blaue LEDs erfunden hat, noch unkritisch gegenüber der zentralen Staatsgewalt war. In der Tat waren Admiräle und Botschafter in TNG ein Rudel inkompetenter, krimineller oder machtvergessener Idioten. Die Geheimdienste wurden in Star Trek sogar dämonisiert, ein finsterer NSA-Admiral will sich gewiss nicht mit Section 23 31 vergleichen? Oder dem Tal Shiar, der über Leichen geht?

Ich bin kein Trekkie. Wirklich nicht. Dies ist eine Lektion, wie eine Suggestion nicht hinterfragt wird, wie ein popkulturelles Meme unser Wahrnehmung so weit beeinflusst, dass unsere Augen kein Mitspracherecht haben. Ich bin kein Trekkie. Wirklich nicht.

Nicht nur Donaldisten bei der FAZ

Die Frankfurter Allgemeine war schon seit Jahren ein Hort für Donaldisten, jetzt scheinen auch Trekkies am Steuer zu sein. Anders kann ich mir diese Textstelle im (lesenswerten) Artikel über das Verhältnis von Bild zu Bohlen zur Realität nicht erklären:

Bohlen ist nicht einfach eine Fälschung, eine öffentliche Figur, hinter der sich irgendwo ein echter Dieter verbirgt. Bohlen ist wie der Holo-Doc aus „Star Trek Voyager“: eine Projektion, die in der echten Welt nicht existieren kann.

Kleine Schönheitsfehler: Kein echter Trekkie würde das Medizinische holographische Notfallprogramm als „Holo-Doc“ titulieren. Und dank seines mobilen Emitters macht der Doc ja recht ausgiebige Ausflüge in der Realität – was das in diesem Kontext auch immer bedeutet.