Von der Bahn lernen

Ein klassisches Lehrstück. Die Bahn kündigt eine Fahrpreiserhöhung und eine umstrittene neue Schalter-Gebühr an. Nach viel Aufregung wird die Gebühr zurückgenommen, die Fahrpreiserhöhung bleibt aber. Pure Ablenkung?

Wie wäre es, wenn man das Konzept ins Privatleben überträgt?

Ja, Schatz. Meine Sekretärin war mit mir auf Dienstreise. Im selben Hotelzimmer. Übrigens: Ich hab Dir ins Frühstücksmüsli gespuckt. Und heute abend überfahre ich Deine Katze.

Leerstunde in Krisen-PR

Stefan Niggemeier hat eine PR-Agentur aufs Korn genommen, die damit warb, Beiträge im Auftrag von Subway in diversen „Wissensmagazinen“ platziert zu haben. Natürlich dementiert die Agentur. Nun hat Niggemeier auf der Webseite der Agentur einen Text gefunden, der die Glaubwürdigkeit des Dementis sehr in Zweifel zieht.

Die Antwort der PR-Agentur lässt nicht lange auf sich warten. In den Kommentaren schreibt jemand unter dem Namen des geschäftsführenden Gesellschafters der Agentur dies:

Sehr geehrter Herr Niggemeier,

wir haben den aktuellen Blog von Ihnen gelesen.

Aufgrund dessen, was Sie dort aus unserem internen Content Management System von foleys, welches wohl einen technischen Fehler zu haben scheint, veröffentlicht haben, haben wir die komplette Website vom Netz genommen, um diesen technischen Fehler durch unseren Technikdienstleister beheben zu lassen. Denn es ist weder richtig was dort steht, noch wurde es bewusst veröffentlicht noch hätte es jemals veröffentlicht werden sollen.

Wir möchten es erneut betonen: foleys PR hat keinerlei Schleichwerbung betrieben geschweige denn sonst eine illegale Handlung vollzogen. Auch nicht im Namen seiner Kunden.

Sie selbst kommen mit moralischen Argumenten. Diese verstehen wir und sind auch voll und ganz bei Ihnen. Aber jetzt frage ich Sie:
Ist es moralisch, ohne Beweise (denn es waren – wie bereits erläutert – Missverständnisse und so nicht beabsichtigte Aussagen wie Sie von Ihnen dargestellt werden!) eine kleine PR-Agentur systematisch kaputt zu machen, die nichts Illegales getan hat, sich für evtl. missverstandene Ausdrucksweisen entschuldigt hat, Sie nicht einmal persönlich oder per Email mit dieser Agentur gesprochen haben (obwohl wir Sie angemailt und darum gebeten haben), Zitate/Stellungnahmen nur zum Teil wieder gegeben werden (siehe FAZnet Artikel), Falschaussagen getroffen werden (z.B. hat es nie eine Pressemitteilung von foleys gegeben) etc.? Auf eine Bitte um ein persönliches Gespräch haben Sie bis dato nicht einmal reagiert! Wir haben es gestern telefonisch über FAZnet probiert und heute früh per Email.

Gibt es in Deutschland einen öffentlichen Pranger und Vorverurteilung? Haben wir hierfür nicht Regeln und Mechanismen? Oder dürfen Medienvertreter erst einmal alles schreiben, bis man ihnen das Gegenteil bewiesen hat? Auch Sie haben Verantwortung. Denn wie schon gesagt: Wir haben uns auf unserer Website, die rein zur Eigenwerbung gegenüber Neukunden dient, auf welcher wir auch nie eine Pressemeldung veröffentlich haben, evtl. missverständlich ausgedrückt. Diese Punkte haben wir sofort von uns aus zurückgezogen. Des Weiteren haben wir uns öffentlich dafür entschuldigt. Was wollen Sie noch? Wir bitten Sie daher hiermit auch öffentlich, diese Propaganda einzustellen und stehen Ihnen selbstverständlich weiterhin gerne für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Axel Roggmann

Gulli bustet Buster…oder auch nicht (Update)

Mit szeneintern Rummel ist das Buch Gulli Wars erschienen, eine 256-seitige Rechtfertigungsschrift der zeitweiligen Betreiber von Gulli.com.

Für Außenstehende ist das Buch wohl rätselhaft bis uninteressant. Da die Autoren ja sich selbst nicht selbst belasten wollen, dürfen sie nicht allzu sehr ins Detail gehen, wenn es denn um den vermeintlichen Computer-Untergrund geht. Und das ach so subtile Zwischen-den-Zeilen-Schreiben gelingt den Autoren nach meinem ersten Eindruck schlichtweg nicht.

So liest sich das Kapitel Gravenreuth (Seite 67f) auch bemerkenswert zahnlos. Der Anwalt wird in der Tat über den grünen Klee gelobt. Wie ich höre, sass der umstrittene Jurist auch auf der Bühne, als das Buch erstmals öffentlich präsentiert wurde.

Damit nicht alle enttäuscht sind, outen die Gulli-er eben einen anderen Autoren, der nicht für Klagen und Abmahnungen bekannt ist (siehe Updates):

Auch in der Mailbox-Szene war Gravenreuth aktiv. Evrim Sen war beispielsweise in der BBS-Szene als sogenannter ‘Testbesteller’ für Gravenreuth tätig. Evrims Erlebnisse wurden zur Basis der Kurzgeschichte ‘Buster’ in seinem Buch ’Hackertales’.

Dass Evrim Sen, der mehrere Bücher über die Szene geschrieben hat, einst in illegale Raubkopierer-Aktivitäten verstrickt war, überascht keinen. Das gehört zum Spiel. Zur Vorstellung des Buchs „No Copy“ (in dem Raubkopierer mal eben auf eine Stufe mit Open-Source-Aktivisten gestellt werden), kam sogar ein Vertreter der Rechtverwertungsgesellschaft GVU – man hat sich arrangiert. Vergeben und vergessen.

Dass Sen jetzt als „Buster“ geoutet wird, also jemand, der für ein paar Euro Freunde und deren Freunde gleich reihenweise verraten hat, dürfte Sen in der Szene doch einige Sympathien kosten. Manche mögen sich mit Gravenreuth abgefunden haben – er spielte den villain in der Szene. Auch das gehörte zum Spiel. Den geheimen Spitzeln dürfte aber selbst nach 15 Jahren keine Sympathie entgegenschlagen.

Update: Mich hat soeben eine Mail von Evrim Sen erreicht, in der er darauf verweist, dass dieses Outing auf einem einfachen Missverständnis beruht – die Gulli Wars-Autoren hätten Fiktion und Wahrheit verwechselt. Ich bin auf die Erklärung der Autoren gespannt. Die sollte prompt und öffentlich erfolgen.

Update 2: Korrupt alias Richard Joos stellt den Fehler hier richtig. Wie es dazu kam ist unbekannt. Die PDF-Fassung soll korrigiert werden.

Liebe ohne Risiko

Aus dem Pressepostfach (anonymisiert):

Wer untrüglich von „Amors Pfeil“ getroffen ist, auf altmodisches Zettel-Schreiben aber verzichten will und einfach nicht den Mut aufbringt seinen Schwarm direkt in der Schule, auf dem Pausenhof oder beim Sport anzusprechen, kann sich ab heute an [XXX] wenden. Völlig anonym und ohne die Gefahr einer öffentlichen Abfuhr, bringt [XXX] in Erfahrung, ob der Traumprinz oder die Traumfrau ähnliche Gefühle hegt.

[…]

Der Gefahr, auch über das Handy in Verlegenheit zu geraten, wirken die [XXX]-Macher unter anderem durch ihre Vermittler-Rolle entgegen. „Vor dem ersten Kontakt zwischen Verknalltem und Schwarm, prüfen wir, ob auch die
umschwärmte Person Interesse zeigt. Erst danach wird der Kontakt zwischen beiden, entweder anonym über [XXX] oder direkt eins zu eins hergestellt“, so [XXX] Geschäftsführer und Gründer von [XXX].

Ahja. Sehr nützlich. Und so romantisch! Und innovativ! Spammer haben die Idee ja erst seit gut zwei Jahren verheizt.

Eine Frage habe ich aber noch: Was ist der Vorteil gegenüber dem altmodischen Zettel-Schreiben? Was sagt der Übertragungsweg über den Absender?

Ergänzend fügt er hinzu: „Zusätzlich erhebt [XXX] eine Gebühr von 99cent für die erste, für jede weitere SMS 49cent, denn nur wer ernsthaft in Erwägung zieht [XXX] für den ersten Kontakt mit dem Schwarm zu nutzen, wird auch bereit sein einen gewissen Betrag für den Service zu investieren.“ Für den Angeflirteten entstehen selbstverständlich keine Kosten.

Die Botschaft ist also: Dein Flirt-Partner ist verzweifelt. Wenn das kein Turn-on ist…

PS: Schreibt die Viva-Generation Geldbeträge jetzt so?

Transatlantisches Recht

Die StudiVZ-PR ist aufgewacht und beschert uns diese Stellungnahme, die auf der Presseseite von StudiVZ bisher fehlt. Natürlich sind die Vorwürfe aus Sicht von StudiVZ haltlos. Wirklich interessant ist der juristische Teil:

Im Vorfeld von amerikanischen Anwälten von Facebook erhobene Vorwürfe haben studiVZ veranlasst, bereits am Freitag Feststellungsklage beim Landgericht Stuttgart einzureichen. Diese hat das Ziel, von den zuständigen deutschen Gerichten feststellen zu lassen, dass die von Facebook erhobenen Vorwürfe nicht zutreffend sind.

Beide Unternehmen haben einen Punkt. Natürlich war StudiVZ eine Eins-zu-Eins-Kopie von Facebook. Und natürlich ist die Klage von Facebook durch die Konkurrenzsituation im deutschsprachigen Raum motiviert. Jetzt streiten sich beide Parteien darum, vor welchem Gericht sie streiten dürfen. Im Zweifel vor beiden.

Spannend – falls es denn soweit kommt: von welcher Seite werden die Samwer-Brüder und Ehssan Dariani als Zeugen geladen werden?

PS: Es kursiert schon wieder, dass Facebook mit 15 Milliarden Dollar bewertet worden sei. Ob PR-Lüge oder Milchmädchenrechnung – das ist schlichtweg falsch. Microsoft hat einen umfangreichen Deal mit Facebook abgeschlossen, nur ein geringer Teil der 240 Milliardonen Dollar flossen für die winzige Beteiligung am Unternehmen.

Spammer-Selbsterkenntnis des Börsenvereins

Ich habe den Börsenverein inzwischen drei Mal aufgefordert, gewisse Emailadressen von mir nicht mehr mit Pressemitteilungen zu beschicken. Sie tun es weiterhin. Immerhin scheint die Selbsterkenntnis so langsam ihren Weg zu bahnen. Heute kam eine Pressemitteilung mit diesem Betreff:

xxx – Spam – xxx: Pressemitteilung / Deutscher Buchpreis: Unabhängigkeit ist garantiert

Und: nein, der Hinweis am Anfang wurde nicht durch einen Spamfilter auf meinem Rechner eingefügt. Das ging exakt so beim Börsenverein raus.

Verfassungsklagen kränken die Kinderporno-Schutzengel

Die Nachrichtenagentur AP hat heute einen Jubelartikel über die Kinderpornojäger gebracht:

Bei der Operation «Mikado» baten die Ermittler erstmals die Kreditkartenwirtschaft um Mithilfe. […] Die Kreditkartenanbieter kooperierten, und wieder konnten Hunderte pädophile Kriminelle ermittelt werden. Der Erfolg ist allerdings nicht unumstritten. Noch liegt eine Klage beim Bundesverfassungsgericht vor. «Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, das sei mir egal», sagt Peter Vogt. «Es kränkt einen schon. Aber jeder hat das Recht, juristisch gegen Strafverfolgungsbehörden oder ihre Methoden vorzugehen.«

Gerade nach spektakulären Erfolgen häufen sich Angriffe. «Es ist klar, dass die Kriminellen uns nicht lieben», resümiert Torsten Meyer. «Nach ihrer Auffassung sind wir schließlich schuld, dass sie im Gefängnis landen. Aber damit lernt man zu leben.

Hmmm – die Angriffe gegen Mikado kommen nur von Kriminellen? Das habe ich ganz anders in Erinnerung.

Spaßbremse

Ich wurde vergangene Woche durch eine Mail überrascht, dass mein Blog nebenan für den Preis „Superblogs“ in der Rubrik „Spaß und gute Laune“ nominiert wurde. Ich solle nur den Link auf die Wettbewerbsseite setzen, damit meine Leser für mich stimmen könnten.

Nachdem ich mir jedoch angesehen habe, wie lieblos und billig das Ganze umgesetzt wurde, habe ich mich gegen eine Verlinkung entschieden. In der Spaß-Rubrik müsste ich zum Beispiel mit einem Blog namens „Chats ohne Anmeldung“ konkurrieren. Klingt nicht lustig? Ist es auch nicht, will es offenbar auch nicht sein, es handelt sich um Neuigkeiten über Chat-Seiten – wie der Name schon sagt. Das macht den Ausrichtern des Wettbewerbs aber nichts aus. Nicht konkurrieren müsste ich mit einem Blog namens „Altmetall“. Es wurde zwar nominiert, aber im Abstimmungs-Widget ist es nicht enthalten. Vergessen. Auch sonst erscheint mir der Wettbewerb nicht besonders qualitätsfördernd: So sind die nominierten Blogs auf der Abstimmungsseite erst gar nicht verlinkt.

Wenn man sich so wenig um den Ausgang kümmert, warum setzt man dann einen Blog-Preis aus? Wahrscheinlich aus dem selben Grund, aus dem mir ein Hoster vor ein paar Wochen einen billigen Wasserball zugeschickt hat. Die Blogger sollen mal wieder nur Backlinks liefern, die das Google-Ranking der edlen Spender verbessern werden.

Elendsprostitution, juchu!

Grad kommt eine Pressemitteilung:

Laut einer aktuellen Erhebung explodierte die Anzahl der Sex-Auktionen von Studentinnen auf dem Internetportal XXX mit Beginn des Wintersemesters 07/08. Laut der Nachforschung sei seit September 2007 die Zahl um 400 Prozent gestiegen und verlaufe von da an auf hohem Niveau. Den Anstieg führt der Online-Marktplatz, auf dem Erwachsene Sex gegen Geld versteigern, auf die Einführung der Studiengebühren und die schlechte finanzielle Lage von Studentinnen zurück.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: die finden das richtig toll.

PRler an der Kundenfront

PR-Arbeiter müssen gleich an zwei Fronten kämpfen. Auf der einen Seite müssen sie Journalisten und Lesern den eigenen Klienten im besten Licht präsentieren. Auf der anderen Seite müssen sie auch noch ihre eigenen Kunden überzeugen, dass sie genau dies tun.

Genau genommen ist der erste Teil verzichtbar: Leser und Journalisten sind egal, Hauptsache der Kunde zahlt für die Pressemitteilung. Nur so kann ich mir den heutigen Erguss vom bewährten PR-Fachmann Ralf List erklären.

Laut eines Gerichtsurteil vom 11.01.2008, bestätigten Richter, dass die käufliche Liebe im Internet per „Auktion“ unter Berücksichtigung der liberalisierten Auffassung, die sich heute allgemein durchgesetzt hat, nicht als „sittenwidrig“ bewertet wird. Seit dem boomen Auktionen im Internet, wo Hausfrauen, Ehefrauen, Verkäuferinnen und Auszubildende, Ihre sexuellen Dienstleistungen per Auktion im Netz anbieten und somit der professionellen Prostitution Konkurrenz machen. Sie versteigern sich und Ihre Dienste für ein paar Stunden oder für eine Nacht im Internet.