Ohne Relevanzkriterien keine Wikipedia

Die derzeitige Aufregung um die Relevanzkriterien der Wikpedia nimmt obskure Züge an. Vor allem bin ich erstaunt wie uninformiert auch ein großer Teil der Netzbevölkerung ist, die sich gerne das Wort „Medienkompetenz“ an die Brust heftet.

So schreibt Pavel:

99% aller Deutschen sind irrelevant. Und werden es auch immer bleiben. Jedenfalls nach den Relevanzkriterien der deutschen Wikipedia.

Ähm – ist das ein Vorwurf? Natürlich sind die allermeisten Menschen für Wikipedia irrelevant. Wie kann man sich über Datenlücken bei StudiVZ aufregen, wenn man parallel in der Wikipedia eine Personendatei aufmacht, von der nicht mal Wolfgang Schäuble zu träumen wagt?

Ich persönlich bin ganz froh keinen Wikipedia-Artikel über mich zu haben, den ich ständig nach Vandalismen untersuchen müsste und in dem plötzlich ein Abschnitt „Kritik“ auftaucht, in dem ein Worst-Of der auffindbaren Äußerungen über mich gesammelt werden.
Arrogant oder notwendig?

Wikipedia will das Weltwissen sammeln, ein hehrer Anspruch. Man kann nun fragen, ob der Straßenkehrer Dominik Müller in Bad Salzdettfurt weniger wert ist als ein Mathe-Professor, der auch nur sein Tagewerk vollbringt? Gehört Dominik nicht auch zum Weltwissen? Woher kommt diese Arroganz?

Nun – schauen wir uns das Grundprinzip der Wikipedia an. Zunächst: Wikipedia will Weltwissen sammeln, nicht nur eine Sammlung von Behauptungen. Was trivial klingt, ist in Wahrheit die Quadratur des Kreises. Denn in Wikipedia kann quasi jeder schreiben, was ihm in den Sinn kommt. Man muss sich nicht mal anmelden.

Wissen aus dem Chaos destillieren

Damit aus diesem Chaos an Behauptungen nun so etwas wie Wissen destilliert werden kann, müssen einige Voraussetzungen erfüllt werden. Das Grundprinzip der Wikipedia beruht darauf, dass Artikel ständig überarbeitet und verbessert werden. Denn erstens ist Wissen keineswegs statisch und zweitens soll sich der berühmte Neutrale Standpunkt der Wikipedia dadurch herauskristallisieren, dass Menschen mit unterschiedlichen Standpunkten zusammenarbeiten. Ohne solche Zusammenarbeit wäre Wikipedia nur so etwas wie ein Free-Hosting-Provider, oder ein Portal wie OpenPR, wo jeder einfach veröffentlichen kann, was er will und es niemanden interessiert, wenn es falsch ist.

Die Relevanzkriterien sind ein Mittel dazu einen Ausgleich unterschiedlicher Standpunkte und Quellen herzustellen. Denn Wikipedia kann sich nur aus bereits veröffentlichten Informationen speisen. Wenn der bösartige Schwager schreibt, dass Dominik Müller wegen Vergewaltigung zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt wurde – wie soll ein anderer Wikipedianer das überprüfen? Falsche Quellenangaben sind schnell produziert und Menschen, die Wikipedia-Artikel tatsächlich auf Falschbehauptungen abklopfen sind leider sehr selten. Nur wenn eine Person oder ein Thema lange genug in der Öffentlichkeit ist, werden Fehlinformationen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erkannt.

Jeder Tippfehler wird zur Quelle?

Stichwort Quellen: Ich bin als Online-Journalist in einer seltenen Machtposition. Meine Behauptungen sind googlebar, sie erscheinen in Medien, die viel Wert auf Recherche legen. Dennoch mache ich – wie jeder andere – Fehler. Wie soll man es nun verhindern, dass meine Recherche-Versäumnisse, meine Tippfehler gar durch die Wikipedia zum Weltwissen geadelt werden? Auch hier helfen Relevanzkriterien.

Denn wenn ich dem Bundestagsabgeordnete Dominik Müller fälschlicherweise 100 statt 10 Aufsichtsratsposten andichte, werde ich mit einiger Wahrscheinlichkeit korrigiert werden. Wenn ich einen ähnlichen Fehler bei dem Straßenkehrer Dominik Müller mache, wäre eine Korrektur reine Glückssache. Zudem ließen sich zu den Aufsichtsratsposten höchstwahrscheinlich viele Quellen finden, zu Haftstrafen von unbekannten Menschen hingegen findet man so gut wie keine öffentlichen Quellen – erst recht keine gesicherten. Wenn dazu jemand noch eine toll klingende Quellenangabe (siehe Seite 332 des Standardwerks „Die Müllers“) macht, stößt das System Wikipedia an seine Grenzen. Wer soll dieses Buch ausleihen und dem Ganzen seinen Stempel aufdrücken?

Wissen erfordert Arbeit

Relevanzkriterien haben noch viele weitere Begründungen. So kursiert die Behauptung, dass vermeintlich irrelevantes Wissen der Wikipedia nicht schade – das bisschen Speicherplatz kostet doch nichts. Das ist leider falsch. Alleine schon das Speicherplatz-Argument ist schwach – wer das bezweifelt soll mal einen vollständigen Datenbank-Dump der englischen Wikipedia herunterladen und auf seinem Rechner entpacken. Oder einen Blick in das Operationsbudget der Wikimedia werfen.

Hinzu kommt aber die notwendige Pflege von Artikeln. Niemand kann von sich aus die – großteils sinnvollen – Formatierungsvorgaben auf Anhieb richtig machen. Wie man einen Wikipedia-Artikel richtig mit Projekten wie OpenStreetMap oder der Personennamendatei verknüpft, ist Spezialwissen, für das man einige Stunden trockene Lektüre investieren muss. Gleichzeitig bieten diese Routine-Arbeiten wertvolle Informationen für den Leser. Dazu kommen noch viele andere Probleme, wie das Bemühen den Wissensbestand einigermaßen übersichtlich zu halten, so dass zum Beispiel nicht zum selben Thema unterschiedliche Informationen in unterschiedlichen Artikeln erscheinen.

Relevanzkriterien sind notwendig

In der englischen Wikipedia gibt es ebenfalls erbitterte Kämpfe um die Relevanz. Zwar wird immer wieder angeführt, dass dort quasi jede Folge einer bekannten US-Serie mit einem eigenen Artikel versorgt wird. Aber das hat – hier muss ich etwas mutmaßen – vor allem zwei Gründe: Die Autorengemeinschaft der englischen Wikipedia ist über die ganze Welt verstreut. Der Autor aus Indien wird nie mit den Autoren aus Texas oder Honululu zusammen treffen. Die weltweit verbreiteten US-Serien sind da ein prima Feld um Gemeinsamkeiten auszuloten. Zudem verfügt die englische Wikipedia über ein Vielfaches an Autoren und Korrekturlesern und kann somit mehr Artikel in den eigenen Kanon integrieren. Gleichzeitig jagt in den USA ein Verleumdungsskandal den anderen, längst gehört Wikipedia zum bevorzugten Ziel von Astroturfern.

Jetzt habe ich lange begründet, warum Relevanzkriterien notwendig sind. Qualität, Genauigkeit, Privatsphäre und Relevanz sind eng miteinander verwoben. In meinen Augen kann niemand, der sich ernsthaft das System Wikipedia vor die Augen führt an der Notwendigkeit von Relevanzkriterien zweifeln – ohne sie wäre Wikipedia längst in Falschbehauptungen, Eigen-PR und Verleumdungen versunken.

In der Wikipedia geht einiges schief

Gleichzeitig behaupte ich nicht, dass alle Löschungen vertretbar und gut sind, dass die Praxis der Wikipedia nicht wesentliche Mängel aufweist. Die Relevanzkriterien sind weder „gerecht“, noch übermäßig konsistent. Sie wurden entworfen wie eine Hausordnung eines IRC-Channels oder die Satzung einer Newsgroup. Ein paar Leute haben das mal entschieden – wer und warum das bestimmt hat, verliert sich in den Untiefen der Wikipedia-Diskussionsseiten. Es gibt eine Unmenge von Schein-Abstimmungen und Pseudo-Regularien, die im Endeffekt darauf hinaus laufen, dass ein paar Leute unter sich ausmachen, was durchgesetzt wird. Die checks and balances funktionieren nicht richtig, zu viele selbstverstärkende Mechanismen ziehen die Wikipedia in bestimmte Richtungen.

Wer entscheidet letztlich, dass Artikel gelöscht werden? Menschliche Spamfilter, die sich Tag für Tag Themen widmen, die sie eigentlich nicht weniger interessieren könnten. Dass sich diese daran orientieren, ob ihr Kumpel einen Artikel gut findet oder ob ein Schreihals sie 15 Mal als Nazi-Blockwart beschimpft hat, ist kaum verwunderlich.

Störenfriede und Mitarbeiter frustriert

Das System Wikipedia beruht zum Teil darauf – (Vorsicht: verkürzte Darstellung!) – Störenfriede zu frustrieren. Ich habe letztens einer PR-Arbeiterin die Regeln über Selbstdarsteller zum Lesen gegeben – sie hat dann davon abgesehen, die Eigendarstellung ihres Klienten in der Wikipedia abzuladen. Aber das ist das Leichteste – Wikipedia hat alle Trolle des gesammelten Usenets abbekommen, jeder Heise-Troll verewigt seine Weltsicht gerne Mal in der Mitmach-Enzyklopädie. Dabei hat das System eine bemerkenswerte Standhaftigkeit gezeigt. Gleichzeitig wurden aber viele wohlmeinende und konstruktive Mitarbeiter frustriert und abgeschreckt.

Wer Ideen hat, dieses Problem nachhaltig zu lösen, ist bei der Wikipedia-Community in der Regel gerne willkommen. Man sollte aber darauf gefasst sein, dass die hundertste Wiederholung des selben Vorschlags für wenig Begeisterung sorgt – besonders wenn der Vorschlagende sich bisher nie für die Arbeit in der Wikipedia engagiert hat und demnach keine Ahnung hat, welche Regeln und Entscheidungsprozesse bereits existieren, oder ein Stichwort nicht von einem Lemma unterscheiden kann. Viele gute Ideen sind schon bekannt, es fehlen aber Menschen, die sie auch durchsetzen und dafür arbeiten würden.

Wer gänzlich anderer Meinung ist: ein anderes Grundprinzip der Wikipedia ist das right to fork. Es ist ein leichtes sämtliche Edits der Wikipedia abzufischen – selbst die nachher gelöschten. Bisher hatten zwar alle bekannten Forks höhere Relevanzkriterien als die Wikipedia, aber eine Anarchopedia könnte mal ein spannendes Experiment sein.

Sims 3 als Killerspiel

Da es mal wieder viele nicht kapieren: Das da ist – natürlich – ein Fake.

PS: Lukas Heinser hat drüben auf Bildblog das Ganze nochmal ausführlicher geschildert.

Natürlich sind Anführungszeichen und Absätze nicht das einzige Zeichen für einen Fake. Auch inhaltlich sollte man sich automatisch ein paar Fragen stellen: wer sollte eine solche hanebüchene Behauptung in die Welt setzen? Wer glaubt, dass die Polizei drei Stunden nach der Tat einen Computer durchsucht hat und die Ergebnisse verkündet? Warum glauben viele Leute das, was ihnen auf auf einer Haha-Witzig-Picdump-Seite präsentiert wird? Und: wer ist eigentlich Bernd – sind nicht nach jedem Amoklauf genug Fakes durchs Internet gegeistert?

Glaubwürdigkeit

Gestern hatte ich mich ja schon kurz mit dem aus meiner Sicht allzu internet-optimistischen Internet-Manifest beschäftigt. Eine der Behauptungen ist, dass die Ansprüche des Publikums gestiegen sei: „Ein Publikum gewinnt auf Dauer nur, wer herausragend, glaubwürdig und besonders ist.“ Ich persönlich fände es sehr bedauerlich, wenn nur noch herausragende Menschen vom Publizieren leben könnten – man stelle sich vor nur Madonna verdient mit Musik Geld und alle gehen leer aus. Aber das ist eine Petitesse, das Thesenpapier wurde einfach zu hurtig formuliert um tatsächlich fundierte Analysen zu bieten.

Trotzdem möchte ich hier nochmal drauf eingehen. Eine der Lieblings-Quellen für deutsche Netizens ist das Blog von Fefe, der beim Chaos Communication Congress immer die unterhaltsamen Jahresrückblicke veranstaltet. Ist die Quelle glaubwürdig? Auf den ersten Blick: nein – ganz oben steht: „Wer schöne Verschwörungslinks für mich hat: ab an felix-bloginput (at) fefe.de!“ Das Blog ist demnach eher ein alternate reality game als eine Nachrichtenquelle. Was stimmt, was nicht? Wer erkennt das bekannte Muster? Wo sind die 23 CIA-Agenten versteckt?

Der Inhalt des Blogs stammt zum großen Teil aus Agenturen, Stücke von Spiegel Online, dem Guardian – kurz: die Massenmedien, die Fefe so gern verhöhnt, sind seine wichtigste Informationsquelle. Deren Kurzmeldungen dampft er nochmal auf ein zweizeiliges Zerrbild ein. Aber Fefe hat mehr: zusätzliche Infos, die die vielen Zuträger einsenden: unbekannte Fakten, neuer Kontext, verschrobene Interpretationen. Manchmal ist das sehr unterhaltsam – aber glaubwürdig? Nein.

Das Problem: Trotzdem wird Fefe geglaubt. Ihm selbst ist das furchtbar unangenehm und er hat zur Abschreckung einen Beitrag verfasst, der seine Arbeitsweise als inoffizielles Redaktionsstatut von bild.de entlarvt: von ihm kann man weder Neutralität, noch Korrekturen erwarten. Überhaupt: alles, was er schreibt, sind ja eh nur Meinungsäußerungen. Wer will, kann ja den Links folgen, die oft – aber keineswegs immer – die Quelle der Kurz-Anekdoten zeigen.

Und noch immer kommt es bei dem Publikum nicht an. So ist heute morgen wieder eine Fefe-Meldung in meinen Twitter-Horizont geschwappt.

Die SPD ist so verzweifelt, dass sie schon alte Schröder-Plakate aufhängt. Aufgenommen gestern in Berlin Pankow. Im Hintergrund sieht man ein großes Steinmeier-Plakat, falls jemand zweifelt, dass das eine aktuelle Aufnahme ist.

Wirklich lustig ist das ja nicht, und so blöd sind SPD-Plakatierer auch nicht. Ein Blick auf das Beweisfoto offenbart, was man eh schon vermutet hat: jemand hat das Steinmeier-Plakat abgerissen und darunter kam ein Schröder-Plakat zum Vorschein. Oben hängt sogar noch ein Fetzen Steinmeier herum. Und dennoch: auf Twitter wird die Falschinterpretation ohne jede Kritik weiter verbreitet – von Menschen, die eigentlich selbst denken können, die eine so billige Manipulation mit einem Blick erkennen müssten.

Ich bin mal gespannt, wie viele Leute heute glauben werden, dass der Axel-Springer-Verlag Welt.de und Bild.de noch in diesem Jahr für den freien Zugriff sperren will. Schließlich hat es ja RIA Novosti in einem Fünfzeiler gemeldet. Zwar sind glaubwürdigere Quellen nur einen Klick entfernt, man kann die Rede von Herrn Wiele sogar komplett online ansehen – aber wen interessieren schon Fakten?

Was bleibt zu sagen? Medienkompetenz wird nicht automatisch mit einem Internet-Anschluss erworben, objektive Wahrheiten sind eh nur eine Illusion und daher auch komplett verzichtbar.

Big Brother und die Medienkompetenz

Die britische Boulevardzeitung Sunday Express hat eine Hammer-Story:

The Children’s Secretary set out £400million plans to put 20,000 problem families under 24-hour CCTV super-vision in their own homes.

They will be monitored to ensure that children attend school, go to bed on time and eat proper meals.

Big Brother am Werk: So weit ging nicht Mal Orwells Version eines Überwachungsstaates – hier wurden nur Parteimitglieder mit Kameras überwacht, das Proletariat lebte unreflektiert und weitgehend unüberwacht, wurde mit Alkohol, Massenmedien und Lotterien unter Kontrolle gehalten.

Ein Skandal! Kein Wunder, dass die Nachricht flugs reichweitenstark weiter verbreitet wird, auch in tendentiell seriöseren Medien.

Komisch: über die Pläne von Ed Balls haben damals – die Story ist fast zwei Wochen alt – auch diverse andere britische Medien berichtet. Das entscheidende Detail mit den Überwachungskameras ist aber offenbar niemandem außer der Express-Autorin aufgefallen. Beim Guardian liest sich der Part so:

Balls said that so far only half of local authorities – 75 – were taking part in the scheme. So far there are 2,000 families in the intensive family support programme with 42 new projects set up since the publication of the youth crime action plan 12 months ago. Balls hopes it will expand to cover 20,000 problem families within the next 18 months.

The scheme uses a key worker to deliver intensive support to particularly chaotic or challenging young people and families, with non-negotiable elements and sanctions if behaviour does not change. The programme costs between £5,000 and £20,000 per family.

The action plan has also seen the involvement of 26,000 young people in extra activities on Friday and Saturday nights and the introduction of street teams of youth workers to 65 local areas. Operation Staysafe removes vulnerable young people from the streets at night and takes them to a place of safety.

Hat der Express vielleicht etwas genauer hingehört als die Kollegen von Guardian, BBC oder anderen Medien? Spätestens hier sollte der Denkreflex einsetzen: Überwachungskameras in Wohnungen für 5000 Pfund? Die Preise für Hardware und Überwachung müssen extrem gesunken sein, um ein solches Programm durchzuziehen. Zudem auch noch die ganzen angekündigten Programme bezahlt werden müssen.

Lange Rede – kurzer Sinn: die Autorin einer Boulevard-Zeitung hat das Wort „supervision“ gehört, grotesk aus dem Zusammenhang gerissen und daraus eine Horror-Story gemacht. Man könnte jetzt sagen, dass es Bände spricht, wenn erfahrene Journalisten solche Fehlinterpretationen für möglich halten. Aber die Titelstory von express.co.uk ist grade „Omega 3 is the secret of long life“ – so tief sinkt selbst bild.de nicht. Diese Geschichte erzählt mehr über britische Boulevardzeitungen und die Unwilligkeit der IT-Blogger, Quellen kritisch zu hinterfragen, wenn sie Ihnen in den Kram passen.

PS: Mit einer einfachen Mail habe ich das auch ganz offiziell von der britischen Regierung bestätigt bekommen.

Families will not be monitored by CCTV in their own homes. Through Family Intervention Projects (FIPs) we are supporting and challenging the small number of families involved in persistent anti-social behaviour. FIP workers spend time observing families in their own homes, helping them to recognise that their anti-social behaviour is unacceptable. They focus on the causes of their behaviour, and challenge them to make changes so they can turn their lives around. A very small
number of families who need further intensive support are placed in residential units with project workers living with them – this does not involve CCTV.

„This is part of the Government’s approach to preventing and tackling anti-social behaviour and youth crime. In the last year alone, FIPs have challenged and supported over 2,300 families to turn their behaviour around. Twelve months on from the Youth Crime Action Plan, Ed Balls and Alan Johnson have written to all local authorities in England asking them to expand and accelerate FIPs. Councils and police have reported that FIPs are an excellent way of preventing and tackling crime and anti-social behaviour.“

Wohlgemerkt: Das Dementi ist glaubwürdig. Der Express hatte von einer offiziellen Pressekonferenz berichtet, auf der mehrere Minister ein Aktionsprogramm vorgestellt haben, dessen Details in vielen Publikationen vorgestellt wurden und auf der niemand sonst etwas von Überwachungskameras gehört hat.

Der Express hat meine Anfrage nicht beantwortet, ob man zu dem Artikel steht. Offenbar hält die Redaktion auch das offizielle Dementi des Bildungsministers für nicht berichtenswert. Die Autorin Alison Little hält es dieser Tage für weit wichtiger, wie die britische Regierung Einwanderern Steuergelder hinterherwirft.

Davon abgesehen: In Großbritannien läuft allerhand falsch, was Überwachung betrifft – hier ein aktuelles Beispiel. Das sollte aber nicht dazu führen, dass man schlichtweg unreflektiert alles glaubt.

Hauptsache Zensursula

Bei manchen wirkt das Wort „Kinderporno“ merkwürdig. Emotionen übermannen jede Logik, und der Betroffene ist ganz in einer eigenen Welt gefangen, in der es Bösewichter gibt, die allesamt aus einem Wallander-Krimi zu stammen scheinen.

Das gleiche passiert offenbar auch mit dem Wort „Zensursula“. Wenn ich mir ansehe, welche Behauptungen Behauptungen in dem Zensursula-Lager aufgestellt, gelobt und beklatscht werden, raufe ich mir manchmal die Haare. Die Realität ist komplex, lasst sie uns auf ein Schwarz-Weiß-Schema herunterbrechen.

Aktuelles Beispiel: Diese Meldung, an der auch Ralf Bendrath seine Zweifel angemeldet hat. Da glaubt jemand, dass er über den First-Level-Support und eidesstattliche Versicherungen einen vorzeitigen Beginn der Sperrungen nachweisen kann. Das ist schon merkwürdig. Dann kommt aber als Update

Arcor hat in einem Online-Artikel des BKA am 10. Juli kundgetan, dass ab dem 1. August 2009 Stopp-Schilder vor Kinderpornoseiten gesetzt werden. Dieser Artikel wurde inzwischen gelöscht und ist nur noch über den Google-Cache erreichbar. Was hat Arcor nur dazu bewegt?

Was da als „Online-Artikel des BKA“ einen amtlichen Anstrich bekommt, ist in Wahrheit eine simple dpa-Meldung. Und sie ist nicht von der Webseite verschwunden, weil Arcor etwas verbergen wollte, sondern weil alle dpa-Meldungen auf Arcor.de nach relativ kurzer Zeit verschwinden. Den letzten Part will ich bei niemandem voraussetzen, aber wie verwechselt man eine simple Newsticker-Meldung mit einem BKA-Dokument oder einer Erklärung zur Firmenpolitik von Arcor/Vodafone? Und warum ist keine soziales Korrektiv vorhanden, das den Autoren auf die richtige Bahn schubst?

Aber diese Schwarz-Weiß-Malerei betrifft nicht nur unerfahrene Blogger, sondern auch Leute, die eigentlich genug Medienkompetenz besitzen müssten, um Zusammenhänge, Kontexte und logische Argumentationen zu erkennen. Zum Beispiel der viel gelobte Spiegelfechter, der von der Leyens Indien-Panne aufgreift und dann plötzlich Inzidenz mit Evidenz verwechselt. Die Argumentation verläuft ungefähr so: Das Bundesfamilienministerium zitiert eine veraltete ICMEC-Studie, also ist ICMEC fragwürdig und integraler Bestandteil des Zensursula-Komplexes. Microsoft hat ICMEC einst 1,5 Millionen Dollar gespendet, also steckt der alt bekannte Bösewicht Microsoft hinter dem „System Zensursula“. Skandal!

Blöderweise hat die ICMEC mit den von unserer Bundesfamilienministerin aufgestellten Behauptungen sehr wenig zu tun. Dass es in Indien keinerlei Ächtung von Kinderpornografie gäbe, hat die Organisation nie behauptet. Dass ICMEC mit einer falschen Darstellung der Gesetzeslage in Indien der Regierung dort Microsoft-Systeme verkaufen will, wäre wirklich eine Meisterleistung des Lobbyismus – Indien mag nicht ganz so durchorganisiert sein wie Deutschland, aber die eigenen Gesetze wird die indische Regierung doch kennen? Und zuletzt: Das kritisierte Microsoft-Produkt „Child Exploitation Tracking System“ (CETS) ist ungefähr das Gegenteil vom „System Zensursula“ – geht es hier doch um die Identifizierung von Opfern. Natürlich gibt es geschäftliche Interessen, Lobbyismus und Fehlinformationen, aber die bei Spiegelfechter aufgezeigten Zusammenhänge sind Google-Artefakte und sind von der Realität so weit entfernt wie der Glaube, dass man mit der Blockade von Webseiten heute Kriminelle nachhaltig behindern kann.

Auch kurios war letztens der Beitrag von Thomas Knüwer, in dem er die Lügen der Bundesfamilienministerin als „amtlich“ bezeichnete. Das Kuriosum: Als Beleg verwendet Knüwer ausgerechnet ein Zitat, das zwar etwas an Sarah Palin erinnert, aber eben nicht dem Dokument widerspricht, das Knüwer als Beleg für die amtlichen Lügen verwendet.

Die Liste ließe sich beliebig lange weiter führen. Stören solche Kleinigkeiten? Nein, natürlich nicht. Es steht ja Zensursula drüber und wenn es um die große Sache geht, darf man solche Kleinigkeiten nicht allzu wichtig nehmen. Das Problem: exakt so argumentiert vermutlich auch von der Leyen.

Güterabwägung: TV und Folter.

Stefan amüsiert sich über die Korrektur, mir hingegen ist der Inhalt dieses Guardian-Artikels über den Einfluss der Serie 24 mehr aufgestoßen:

Sands writes: „She believed the series contributed to an environment in which those at Guantánamo were encouraged to see themselves as being on the frontline – and to go further than they otherwise might.“

The US military criticised the award-winning series last year, saying it encouraged soldiers to see torture as a justifiable weapon against terror suspects.

Da sag ich nur „WTF?“ Ein – zugegeben: gut gemachter – Nachfolger des A-Teams macht ganz normale Menschen zu verblödeten Folterern? In dem Fall müssen wir leider alle Fernseher vernichten. Die Güterabwägung lässt nichts anderes zu.

Mutter mit Medienkompetenz

Häme ist ja meist fehl am Platze – aber man darf sich etwas wundern. Laut Netzeitung hat sich eine Mutter zunächst für die RTL-Sendung „Super-Nanny“ zur Verfügung gestellt und sich anschließend über gestellte und aus dem Zusammenhang gerissene Szenen gewundert. Als sie mit einer Klage scheitert – wem gibt sie ein Interview? Der Bild-Zeitung…

Medienkunde sollte an Schulen gelehrt werden und bei Schwangerschaftskursen aufgefrischt werden.

Kommerz gegen Authentizität?

Im krit-Interview erklärt der Spiegelfechter Jens Berger einen der großen Trends der Blogger-Szene.

Wir stehen an der Schwelle einer Aufteilung des Netzes in Kommerz und Authentizität – da machen auch die Blogs keine Ausnahme. Vom Nutzer wird in Zukunft noch mehr Medienkompetenz zu erwarten sein als jetzt. Blogger sind nicht per se bessere Menschen, sie sind ein Querschnitt durch die Gesellschaft.

Dem Schluss mag ich zustimmen – wie könnte ich auch nicht? Aber der Ausgangsthese möchte ich doch stark widersprechen. Warum sollen Authentizität und Kommerz ein Gegensatz sein?

Nehmen wir den Alltag des Journalismus: Gerade die dümmsten und manipulativsten Pressemitteilung empfinde ich als äußerst authentisch. Die Verfasser glauben den Stumpfsinn, den sie per HTML-Mails und Word-Dokumenten in meine Inbox gießen. Im Gegenzug sind die bestbezahlten Edelfedern des Journalismus ebenfalls höchst authentisch. Ihre Texte spiegeln ihre Person wieder – zumindest sollen sie den Anschein erwecken. Zahlreiche Kolumnen in Hochglanz-Zeitschriften spiegeln gleichzeitig Höhepunkte der Authentizität und der Kommerzialität dar. Der unauthentische Nachrichten-Stil hingegen ist für die Schreiber nicht sonderlich lukrativ.

Für mich als Blog-Leser sind weder Authentizität noch Kommerzialität ein Eigenwert. Ich lese Blogs, weil sie gut geschrieben sind, weil sie interessante Einblicke geben und Fakten gut aufbereiten. Natürlich werde ich immer im Kopf behalten, wenn eine Firma ein Weblog führt. Oder wenn ein Blogger von einer Firma engagiert wurde, ihre Produkte vorzustellen. Aber das ist Ausdruck der oben erwähnten Medienkompetenz. Ein Auswahlkriterium ist es aber nicht.

Wie steht es mit der Authentizität? Um es polemisch zu sagen: Welche Blogger war schon authentischer als Callboy Torsten? Wer authentisch ist, erzählt vielleicht seine Wahrheit – das ist aber noch lange nicht meine Wahrheit.

Und hier sehe ich auch eher die kommende Aufteilung des Netzes. Das Netz wird nicht in authentisch und kommerziell unterteilt, sondern in Weltbilder. Der islamfeindliche Kommerzblogger wird vom islamfeindlichen Privatblogger zitiert, der höchst authentisch seinen eigenen kleinen Geist dazu addiert. Der leidenschaftliche Filmsauger wird nur Blogs lesen, die auch schön kräftig gegen die Film-Mafia wettern – auch wenn die Seite mit Provider-Werbung vollgekleistert ist. Dank der Vielzahl der Blogs, Communities, Foren und social-media-Diensten kann man viel einfacher unpassenden Fakten oder Gegenargumenten aus dem Weg gehen und hat trotzdem den Eindruck gut informiert zu sein.