Unbestreitbare Fakten

Tobias Kniebe schreibt im SZ-Magazin über die jüngste unsägliche Sarrazin-Debatte.

Bisher hat schlichtweg kein Meinungsforscher der türkischen und arabischen Bevölkerung Berlins diese Frage gestellt. Thilo Sarrazin behauptet also etwas, von dem er schlicht und einfach nichts weiß. Wenn man aber keine Zahl hat, erklärte Sarrazin dem Reporter weiter, muss »man eine schöpfen, die in die richtige Richtung weist, und wenn sie keiner widerlegen kann, dann setze ich mich mit meiner Schätzung durch«. Danke dafür. Hier zeigt das, was wir derzeit »Debatte« nennen, wenigstens einmal seine erschreckende Fratze.

Es ist leider so: wenn jemand Zahlen hat – egal wie wenig fundiert oder aus dem Kontext sie gerissen wurden – hat er ein Argument. Er kann nicht ganz falsch liegen. Denn er hat ja Zahlen!

Kniebe weiter:

Das Internet und der moderne News- und Fakten-Overkill verschärfen das Problem noch. Man muss aber eine persönliche Antwort darauf finden. Meine Antwort ist, dass ich jetzt erstens gar nichts mehr glaube und zweitens auch gar nichts mehr hören will. Halt!, rufen da die größten Schwachsinnsverbreiter. Muss man dieses und jenes nicht mal sagen dürfen? Die Debatte in Gang bringen? Ist Drüberreden nicht besser als Nichtdrüberreden? Ich sage inzwischen: Nein.

Das möchte ich gerne unterschreiben. Und zwar nicht nur, wenn es um Sarrazin geht, sondern besonders auch wenn es um Dinge geht, die einem selbst am Herzen liegen.

Traue keiner Eventagentur

Eine Meldung bei Spiegel Online über eine „Eventagentur“, die Rauchern Shirts mit einem Judenstern verkaufen wollte.

Der Anbieter DMP zeigt sich mittlerweile zerknirscht: Es habe nie die Absicht bestanden, „Menschen durch dieses Shirt zu verletzen oder zu beleidigen“, heißt es auf der Website. Man entschuldige sich für die Aktion. Es habe sich bei dem gezeigten Shirt nur um einen „Entwurf“ gehandelt, kein einziges Hemd sei verkauft worden, obwohl DMP auf seiner Seite angab, man habe im Dezember 1.000 Exemplare des Shirts unters Volk gebracht. „Das war eine Lüge zu PR-Zwecken“, räumte der Betreiber Dennis Kramer nun ein.

Im Krieg und in der PR ist alles erlaubt.

Alle Kreter sind Pressesprecher

Bei der Berufsfeldstudie „Profession Pressesprecher 2007“ gibt es erstaunliches zu berichten.

83 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Pressesprecher zwar nicht lügen dürfen, aber eventuell bestimmte Sachverhalte weglassen können. Sechs Prozent sagen hingegen, dass man unter bestimmten Vorraussetzungen auch lügen darf.

Da fehlen mir zwei Zahlen: Wie viele Pressesprecher sind der Auffassung, dass man in Fragebögen für Berufsfeldstudien lügen darf? Und wie viele können sich selbst von einer Lüge überzeugen?

Ankündigung: Übernahmegerüchte!

Während ich es für möglich hielt, dass die meines Erachtens schlechteste Pressemitteilung des Jahres vielleicht ein bedauerlicher Ausrutscher des PR-Menschen sein könnte, wühlte Kollege Ulf J. Froitzheim ein bisschen weiter und fand dieses Prachtexemplar, das zwar viel weniger Kommas aufzubieten hat, aber besonders gegen Ende seinen ganz eigenen Charme entfaltet.

Aufgrund des Alleinstellungsmerkmals ist es nahe liegend, dass sich Übernahmegerüchte von Boli TV ankündigen. Ein Internetkonzern aus Amerika zeigt verstärktes Interesse. Eine Stellungnahme hierzu war leider von der Geschäftsleitung nicht zu erfahren.

Muss man das kommentieren? Es fehlt eigentlich nur noch ein ehrlicher Abschluss drunter: Gezeichnet: die Geschäftsleitung.

Bürgerjournalismus ist toll

Ja, glaubt es ruhig. Bürgerjournalismus mag nicht immer ganz so gut geschrieben sein, wie der Kommerz-Journalismus. Das hat einen Grund: Er ist nicht aalglatt. Dafür ist er sehr viel glaubwürdiger. Weil: es sind halt Bürger, die berichten. Nicht windige PR-Berater und bezahlte Journalisten.

Wen juckt es da schon, dass die „Software-Initiative Deutschland e.V.“ die gleiche Adresse hat wie das Angebot „Officer Blue“, dass sie so sachkundig und objektiv nicht nur per Pressemitteilung, sondern auch per Readers Edition bewirbt empfiehlt? Ist etwas dabei, wenn der zitierte Verbandsprecher auch im Impressum von Officer Blue auftaucht?

Anti-Online-Betrug? Aber ja, bitte.

Bildblog wird persönlich

Ich habe es vor kurzem schon Mal angesprochen: das Bildblog sucht nach neuen Ufern.

Der Diekmann-Fotowettbewerb wurde eifrig durchgekaut, in dem heutigen Beitrag Wie „Bild“ den Kopf aus der Schlinge zieht scheinen die Bildblogger die Samthandschuhe auszuziehen. Statt wie zuvor vorwiegend die Führungsetage anzugreifen, nennt das Blog heute gleich drei Mal den vollen Namen des Bild-Autoren eines – glaubt man der Darstellung der Bildblogger – unglaublichen Lügenmärchens.

(Der Begriff unglaublich ist natürlich relativ, bei BILD glaubt man mittlerweile ja vieles.)