Ich bin so angewidert von dem pietätslosen Sensationsjournalismus – ich kann gar nicht mit dem Klicken aufhören.
*KLICK*
Leser: Herzlich willkommen zu unserer Bild.de-Klick-Auktion. Ihr kennt die Regeln: Es handelt sich um eine Reverse-Auktion – das niedrigste Gebot gewinnt. Zu gewinnen: meine Aufmerksamkeit. Ich klicke auf Bilder, ich kaufe Volks-Zahnbürsten und ich verachte jeden Prominenten, den auch ihr verachtet. Aber strengt Euch an. Ich bin heute anspruchsvoll!
Unterhaltungs-Redakteur: Wir werden uns alle Mühe geben. Darf ich sagen, dass Sie heute besonders trendy aussehen? Die größten Stars tragen jetzt Ballonseide. Der neue Trend aus Hollywood!
Leser: War das schon ein Gebot?
Unterhaltungs-Redakteur: Nein, nein.
Leser: Na dann. Wer möchte als erster? Es ist Samstag – Was gibt’s Neues vom Sport?
Sport-Redakteur: Schalke hat gegen Dortmund gespielt!
Leser: Ja, aber das haben sie auch bei der Sportschau, im Radio und auf Kicker.de. Was habt Ihr zu bieten?
Sport-Redakteur: Hmmm – wir sagen die Wahrheit. Schalke sind voll die Versager! Und wir machen Wortspiele. Statt „Königsblau“ schreiben wir „Königsblöd“. Lustig!
Leser: Königsblöd? Das ist klasse! Noch besser als die Prunksitzung gestern! Okay. Zum ersten!
Unterhaltungs-Redakteur: Busenblitzer!
Leser: Was?
Unterhaltungs-Redakteur: Wir haben einen Busenblitzer! Nicole Scherzinger!
Leser: Wer?
Unterhaltungs-Redakteur: Interessiert Dich das wirklich? Wir haben ein Foto! Wahrscheinlich gefälscht, aber Busenblitzer! Busenblitzer!
Leser: Verstehe! Packt ihr noch das Foto von Janet Jackson dazu?
Unterhaltungs-Redakteur: Klar! Und mit einem Sportler ist sie auch verbändelt! Hamilton! Formel Eins! Wruuuuum Wruuuuummmm.
Leser: Das nenne ich ein Gebot. Ich glaube, da geht nichts mehr drunter!
Feuilleton-Redakteur: Ähm…
Leser: Wirklich?
Feuilleton-Redakteur: Ja. Wir haben da ein Buch…
Leser: Also bitte!
Feuilleton-Redakteur: … es ist ganz versaut! Glauben Sie mir! Versaut ist es!
Leser: Versauter als von dieser LaWosch? Die überall hinpinkelt?
Feuilleton-Redakteur: Sicher, sicher… ganze 490 Seiten Ferkeleien!
Leser:: Wow!
Unterhaltungs-Redakteur: Busenblitzer! Busenblitzer!
Feuilleton-Redakteur: Wir packen natürlich auch Titten dazu. Eine der Autorinnen nackt! Das hat die LaRoche nie gemacht. Außerdem nuckelt sie an einem hochhackigen Schuh herum. Wie im Porno. Oder auf Viva!
Leser: Kenn ich die denn?
Feuilleton-Redakteur: Die eine hat bei BigBrother gewonnen!
Leser: Mehr brauch ich nicht zu hören. Zum ersten, zum zweiten und….
*KLICK*
RTL2 muss nicht sein, Arroganz aber auch nicht
Spannende Idee: Ein Fernseh-Programm ohne RTL2, dafür mit einem Radio-Programm. Bei den Verlagen sind die Macher abgeblitzt, nun suchen sie im Internet Abonennten.
Prinzipiell würde ich zum sehr interessierten Kreis gehören. Aber warum kann man die wenigen Muster-Seiten nicht lesen? Gerade die Programmauswahl ist angesichts immer neuer Digitalkanäle die Quadratur des Kreises. Wenn die Programm-Macher nicht mal verraten, welche dieser Kanäle sie denn bemerkenswert finden oder dem künftigen Leser die redaktionelle Aufarbeitung des Programms eines beliebigen Tages zeigen können, sollen wir wohl die Katze im Sack kaufen. Oder erwarten sie, dass wir uns ins Layout verlieben?
Zudem scheint mir das Konzept überladen und ein wenig etepetete. Autoren-Texte von Charlotte Roche über Simone de Beauvoi interessieren mich nicht. Die sonstigen Themen: Dschungelcamp und Radio-Tatort. Nicht vielversprechend.
Und ist es nicht arrogant, wenn die Jungverleger zwar im Internet um Abonnenten werben, im Heft-Konzept die „neuen Medien“ aber komplett ignorieren? Stattdessen wird ein bundesweiter Theater-Kalender auf zwei Seiten gedruckt. Wohl für Leute, die auf dem Weg nach Bayreuth mal eben die Medienentwicklung verschlafen.
PS: Ich hab mir jetzt einen digitalen Videorekorder bestellt. Wozu brauche ich überhaupt noch Tageslistings?
Die Logik der Empörung
schon mal schön wenn sie auf kritik eingehen. sogar öffentlich. aber “nicht inakzeptabel” bedeutet für mich noch lange nicht akzeptabel.
Wir backen eine Verschwörungstheorie
Kaum ist Jörg Haider einige Stunden tot, schon sprießen die Verschwörungstheorien.
Einige Beispiele aus den Leserkommentaren auf focus.de:
blueskyIII | 756 Kommentare (11.10.2008 12:00)
Um Verschwörungstheorien vorzubeugen
sollte die Staatsanwaltschaft genau das Auto, Bremsen, Stossdämpfer genau untersuchen – ein Luxus-VW hat zwar sicher die besten Überlebens-Chancen z.B. im Vergleich zum einfachen Golf – aber auch die viel größere Knautschzone, die da durch maximale Verformung die meiste Energie aufnehmen soll, um den Fahrgastraum zu schützen, sollte bei 50km/h in der Ortschaft nicht so aussehen – da müsste der Wagen ja wohl 100 m die Böschung heruntergefallen sein. Feinde hatte er zweifellos im In- und Ausland und auch in seiner eigenen Partei – Motive für eine Manipulation gibt es also genug. Natürlich wäre auch zu prüfen, ob bei der Wahlveranstaltung Alkohol getrunken wurde, ich weiß nicht, ob Haider als Politiker es sich leisten konnte, Alkohol zu trinken und dann noch Auto zu fahren – unwahrscheinlich.
dev38 (11.10.2008 11:57)
Unfall?
War es wirklich einUnfall? Wir sollten nichts alles glauben, was man uns erzählt. Wir sollten die wahren Gründe hinterfragen. Wer profitiert von diesem Tod? Wer hat die Möglichkeiten, diese „Aktion“ zu organisieren? Was werden die Konsequenzen sein? Es gab viele solcher „Unfälle“ oder „Selbstmorde“ von Personen, die in irgend einer Form unliebsam wurden, z.B. Möllemann, Lady Di, Kennedy usw.
mrowold | 333 Kommentare (11.10.2008 11:52)
Spekulationen
sind hier Tür und Angel weit geöffnet. Sollte es sich hier tatsächlich um einen „normalen“ Verkehrsunfall gehandelt haben, oder …?! Bei der Erstarkung der Partei von Herrn Haider würde mich eine solche Variante nicht verwundern, doch die Wahrheit wird vermutlich nie ans Tageslicht kommen. Jetzt haben die Österreicher auch eine „Barschel-Affäre“.
SD (11.10.2008 11:49)
Zufälliger Todeszeitpunkt?
31 Jahre war er als Politiker unfallfrei unterwegs. Doch nach der Erdrutschwahl gelingt ihm ein Überholvorgang im Dienstfahrzeug nicht? Das er sich auf den Weg zum 90. Geburtstag seiner Mutter machen würde, wusste man wohl. Das er an diesem Tage alleine machen würde, wohl auch. Seltsam, dieses Fahrzeug Fahrzeug gehört von unabhängigen Fachleuten untersucht. Doch dazu wird es wohl nicht kommen.
Das Muster ist immer das gleiche: Man kombiniert einige freihändige Tatsachenbehauptungen über Fahrphysik und Sozialverhalten mit vagen politischen Motiven und verlangt eine Überprüfung – behält sich aber ausdrücklich vor, das Ergebnis der Prüfung nicht anzuerkennen. Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Technology Review zählt
Weiß eigentlich jemand, warum unter Artikeln der Technology Review online immer die Anzahl der Zeichen steht?
Kann sich der Leser dann auf die Schulter klopfen, weil er am Bildschirm mehr als die üblichen 20-Zeiler gelesen hat? Oder erleichtert das die Honorarabrechnung?
PS: Meine Email-Anfrage wurde von der Redaktion flugs beantwortet: Die Zahl wurde auf ausdrücklichen Leserwunsch eingeführt. Diese wollten wissen, wieviel Text sie erwartet.
Jugendschutz per VNC?
Ab und zu sind Leserkommentare doch interessant. Zu einem Stern.de-Artikel über jugendgefährdende Gruppen bei Schülervz fand ich diesen Kommentar eines Elternteils:
Kleine Schritte, große Wirkung…
auf dem Rechner meiner Tochter ist die Schutzsoftware „KISI“ mit entsprechenden Filterschutz für Online-Unrat am laufen und bei Bedarf gehe ich via „VNC“ und schau stichprobenmäßig was sie da online treibt. Fällt mir irgend etwas auf, lade ich sie zum Gespräch ein… es ist schön, ruhig schlafen zu können!!.
PS: Weitere denkwürdige Leserkommentare im gleichen Thread:
Freiheit bedeutet doch nicht, dass man Hitler gut finden kann. Ich bin auch frei und finde Hitler nicht gut… Das liegt allgemein an der Erziehung, am Mangel jeglicher Intelligenz, an der schlechten Aufklärung, an den Lehrern usw.
von ca 900´000 (!!) usern meinen, (nehmen wir an) 100 das sie sich aus der Masse abheben müssen… Soll ich ihnen noch ausrechnen wie viel das in Prozent ist? Das sind 0,0001 Prozent,
Paris – eine für alle
Paris Hilton ist wirklich für jeden was.
Der eine kann sich das Maul über das Hotel-Luder selbst zerreißen, der nächste ist empört über die interessiert an der Berichterstattung von CNN & Co und liest deshalb notgedrungen alle Details.
Wer intellektuell gesehen ein gutes Gewissen haben will: natürlich dient der Fall auch für eine exemplarische Analyse des US-Justizsystems. Außerdem dauert es bestimmt noch zwei bis drei Tage bis zum nächsten Skandal um Harry Potter.
Interview mit einem Mecker-Blogger
Kleinz: Hallo, mein Name ist Kleinz. Ich bin freier Journalist und recherchiere zu „Mecker-Bloggern“. Haben Sie einige Minuten Zeit?“
Torsten: Interessantes Thema. Wie kann ich weiterhelfen? Soll ich Ihnen ein paar Mecker-Blogger aufzählen?
Kleinz: Eigentlich wollte ich eher Sie befragen…
Torsten: Mich? Als Mecker-Blogger? Wie kommen Sie denn darauf?
Kleinz: Nun, in den vergangenen Wochen haben Sie zum Beispiel in Ihrem Blog nahegelegt, dass Leute mit großen Autos ein kleines Hirn haben.
Torsten: Nun, diese Idioten wollten eine illegale Rallye auf nicht-abgesperrten Straßen fahren.
Kleinz: Zugegeben. Aber auch sonst scheinen Sie ja kein besonders positiver Charakter zu sein, wenn man ihr Blog als Maßstab nimmt. Ein Kollege schreibt einen wichtigen Artikel, der die Leser über Online-Durchsuchungen aufklärt, und Sie mäkeln an Details herum. Für die vielbeachtete Aktion der Gruppe Geld oder Leben haben Sie nur Häme und Polemik übrig. Fernseher bezeichnen Sie als Mülltonnen. Und das VIVA-Programm sogar als Berufsberatung für den Kinderstrich. Und das sind nur die Einträge aus den letzten Tagen.
Torsten: Ich sage nur meine Meinung. Wollen Sie mir das Recht dazu absprechen?
Kleinz: Nichts liegt mir ferner. Ich frage nur, wie diese negative Tendenz zu Stande kommt.
Torsten: Gut. Fragen Sie.
Kleinz: Sind Blogger prädestiniert dazu, alles und jeden zu kritisieren?
Torsten: Das kann ich nicht wirklich beantworten. Ich verfolge so ein, zwei Dutzend Blogs mehr oder weniger regelmäßig. Je nach Zählung gibt es aber Zigtausende oder Millionen Blogs, die ich niemals zu Gesicht bekomme.
Kleinz: Sie bloggen nun immerhin fast vier Jahre und gehen auch zu Blogger-Treffen wie re:publica. Irgend eine Ahnung müssen Sie doch haben.
Torsten: Nun, bei den so genannten „A-Bloggern“ kann man wohl eine Tendenz zu eher negativen Postings feststellen. Das ist jetzt nur meine subjektive Sicht. Und es ist ja kaum erstaunlich: Firmen decken Internetseiten mit Abmahnungen ein, die Gesetzgebung macht Online-Publizieren zum Minenfeld und viele Web 2.0-Firmen machen wirklich dumme Anfängerfehler.
Kleinz: Trotzdem gibt es doch sicher genug Positives zu berichten. Die Sonne scheint, fast stündlich werden spannende neue Projekte geboren, Menschen rücken aufeinander zu. Warum schreibt niemand darüber?
Torsten: Das stimmt nicht. Viele Leute schreiben Positives. Zum Beispiel hat Udo Vetter erst gestern ein Posting über Schokolade verfasst. Und Robert Basic findet ganz viele Sachen toll.
Kleinz: Aber als er sich vor kurzem über zickige Journalisten-Blogger echauffierte, bekam er mehr Feedback als bei den meisten seiner positiven Berichte.
Torsten: Das ist richtig. Es ist wohl so, dass man über negative Berichterstattung viel mehr unmittelbare Aufmerksamkeit bekommt. Besonders schön sieht man das an der altehrwürdigen Seite Amiga News. Hunderte von Meldungen über neue Projekte, Software oder Mitmach-Gelegenheiten verschwinden eher unbeachtet in der Versenkung, bei Klagen oder Verleumdungen will dann jeder etwas sagen.
Kleinz: Sind Blog-Leser also sensationsheischende Kampfhähne?
Torsten: Nicht mehr als andere Menschen auch. Die BILD-Zeitung macht ja auch nicht mit der Schlagzeile auf „Tausende Demonstranten friedlich“. Vielleicht liegt es in der menschlichen Natur, dass wir Positives einfach hinnehmen und Negatives hingegen mit höchstem Interesse betrachten. Ich könnte mit im Fall von Blogs auch einen technischen Grund vorstellen: Viele Leute preisen tolle Webseiten oder Angebote nicht mehr in einem separaten Eintrag, sondern werfen ihn nur in einen Social-Bookmarking-Dienst, der dann alle paar Tage eine Liste der empfehlenswerten Links ins Blog ausscheidet.
Kleinz: Fassen wir zusammen: Blogger sind gar nicht so negativ, es erscheint nur so?
Torsten: Möglicherweise. Vielleicht geht es sogar etwas weiter: Eventuell müssten Blogger noch viel negativer werden. So sagte Mercedes Bunz vor kurzem in einem Blogkommentar: „Es braucht wieder mehr negative Kritiken. Mit Begründung natürlich. Vor allem im Feuilleton.“
Kleinz: An der Begründung mangelt es bei einigen Bloggern aber.
Torsten: Das liegt auch etwas an der sozialen Dynamik. Manchmal habe ich den Eindruck, dass vor einigen Jahren mehr nachrecherchiert wurde: Der eine Blogger spann die Recherche des anderen Bloggers weiter, brachte sogar Fakten ein, die der Ausgangsthese widersprachen. Heute sehe ich viel öfter eine Empörungsspirale, bei der Vorurteile innerhalb bestimmter Cliquen verstärkt werden. Auch ich kann mich von dieser Optik nicht frei machen.
Kleinz: Es gibt also keine Blogosphäre, sondern nur noch Cliquen?
Torsten: Ob es „die Blogosphäre“ je gab, kann ich nicht sagen. Auf alle Fälle hat sie sich in Deutschland in den letzten Jahren immer weiter ausdifferenziert. Aber dazu kann ich nicht wirklich mehr erzählen. Vielleicht sollte man mal eine Studie machen.
Kleinz: Ich bedanke mich für das Gespräch.
Zeitungskauf in Berlin
Sonntag Morgen in Berlin. Ich begebe mich auf Futtersuche. Nachdem ich mich in der französischen Bäckerei mit dreierlei Croissants eingedeckt habe, suche ich noch Lesefutter.
Im Kiosk ist schon was los. Zwei Herren stehen an einem kleinen Stehtisch, schweigend in ein Gespräch und Kaffee vertieft. Sie gehören offenbar zum Inventar. Die resolute Inhaberin betreut eine Kundin. Diese kauft: die Bild, die Morgenpost und den Tagesspiegel. Und Zigaretten. Offenbar hat sie mehrere Zeitungsleser zu versorgen. Richtig: „Meine Tochter hat richtig Lust auf etwas Süßes.“ Ob denn billigere Schokolade da sei? Die Ritter-Sport kostet ein Euro zwanzig. Welche Sorten sind denn da?
Ich helfe aus, indem ich die hinteren Tafeln nach vorne befördere. Dort ist auch eine Tafel Schokolade mit Likör. „Nee, die darf sie nicht essen. Sie war doch Alkoholikerin.“ Nach einem Blick zur Ladeninhaberin ergänzt sie: „Das ist aber Jahre her.“ Bevor sie nochmal ihren Einkaufsplan durchgehen kann, winkt mich die Ladeninhaberin durch. Ich entkomme mit einer Zeitung.