Post verweigert Zustellung wegen strafrechtlich relevanter Inhalte?

Grade habe ich in den WDR2-Regionalnachrichten aus Köln eine merkwürdige Meldung gehört:

Die Deutsche Post hat ihre Entscheidung verteidigt, 300000 Zeitungen von Pro-Köln nicht zuzustellen. Nach Angaben der Post hatten die Mitarbeiter Bedenken wegen des Inhalts bekommen und daraufhin die Rechtsabteilung des Unternehmens eingeschaltet. Die habe festgestellt, dass Pro-Köln in der Zeitung Behauptungen aufstellt, die strafrechtlich relevant sein könnten. Die unter dem Verdacht des Rechtsextremismus vom Verfassungsschutz beobachtete Vereinigung erwägt nun rechtliche Schritte gegen die Post.

Die Inhalte könnten strafrechtlich relevant sein? Ich hoffe doch mal, dass die Post eine bedeutend bessere Erklärung zu bieten hat, Post nicht zuzustellen. Wenn die strafrechtliche Relevanz denn gegeben ist, sollten die Verfasser zur Verantwortung gezogen werden.

Die Nachrichtenagentur AP weiß mehr:

Wegen des Inhaltes habe man Bedenken gegen die Verteilung gehabt, sagte Post-Sprecher Uwe Bensien am Donnerstag der Nachrichtenagentur AP. Man hätte sich damit eventuell einer Straftat schuldig machen können. Die Entscheidung sei «ganz klar auf einer rechtlichen Grundlage» getroffen worden.
[…]
Die Post lehnte die Auslieferung der Zeitung nach Angaben von Pro Köln mit der Begründung ab, sie enthalte Tatsachenbehauptungen über den Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma, die geeignet seien, ihn in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Die Wahrheit der Aussagen sei nicht ersichtlich.

Vermeintlich unwahre Tatsachenbehauptungen über Fritz Schramma? Mehr nicht? Irgendwie reicht mir das nicht als Begründung für ein eigenmächtiges Handeln der Post. Hätte Schramma gehandelt und eine Einstweilige Verfügung erwirkt, sähe die Sache anders aus.

Der gläserne Alumni

Das Absolventennetzwerk der Kölner Universität veranstaltet ein VI. Symposium zum Thema „Der gläserne Mensch“. Dabei diskutiert „ein interdisziplinäres Podium das Spannungsfeld von Schaden und Nutzen der zunehmenden Datenerfassung„.

Damit das Ganze keine Diskussion aus dem Elfenbeinturm wird, haben sich die Alumnis entweder viele Gedanken gemacht und regen ihre Teilnehmer zum Denken an. Oder sie gehören zu den vielen, die zwar über Datenschutz reden, aber – kaum sind sie vom Podium heruntergestiegen – das genaue Gegenteil machen. Ich vermute mal letzteres.

Man sehe sich nur das Anmeldeformular an. Als erstes bekommt der Interessent eine Fehlermeldung angezeigt: die Alumni verwenden ein SSL-Zertifikat, das wohl nur innerhalb der Universität Köln voreingestellt ist. Dann soll er einen Fragebogen ausfüllen, wie ich ihn bei einer Veranstaltung ohne akute Terrorgefahr und Staatsbesuch noch nicht erlebt habe: Geschlecht, Name, Anschrift, Geburtsdatum, Email, Monat des Studienbeginns, Monat des Studienabschlusses, Geburtsdaten weiterer Gäste. Und wozu braucht man das Ganze? Das verraten die Alumni nicht.

In den AGB kann man sich aber die Bestimmungen zum Datenschutz raussuchen. Kurz gesagt – es gibt keinen:

A.7 Datenschutz
A.7.1 Der Teilnehmer erklärt sich bereit, dass seine persönlichen Daten (Name,
Personalausweisnummer usw.) auf Wunsche eines Leistungsträgers von
KölnAlumni e.V. an Dritte weitergeleitet werden.
A.7.2 Der Teilnehmer stimmt der Verwendung seiner Daten auf einer allen übrigen
Teilnehmern zugänglichen Teilnehmerliste zu.
A.7.3 Der Teilnehmer verzichtet auf sein Recht am eigenen Bild und stimmt der
Veröffentlichung zu.

Fassen wir zusammen: Wer diese Veranstaltung besuchen will, muss trotz Sicherheitsfehlermeldungen einen ganzen Haufen persönlicher Daten ungesichert an einen Veranstalter übertragen, der sie an ungenannte Dritte weitergeben will.

Das sollte doch eine spannende Datenschutz-Diskussion werden.

(via Tim Bartel)

PS: Der WDR zeigt wie eine Diskussion zum Datenschutz auch organisiert werden kann. Man veröffentlicht den Ort und Zeit – „Eintrittskarten sind nicht erforderlich“. Fertig. Das funktioniert auch – wahrscheinlich noch sogar besser.

Historische Parallelen

Ein historisches Datum in Köln. Obwohl der 1. FC Köln in die erste Liga aufgesteigen ist, bleibt Trainer Christoph Daum im Amt.Solche weltbewegenden Entwicklungen verlangen natürlich nach ausführlicher Herzklopfen-Berichterstattung.

So vergnügte uns der Express mit einem Online-Liveticker, der der Tragweite des Ereignisses gerecht wird: von besetzten Telefonleitungen ist die Rede, die beobachtete und vermutete Fahrstrecke der Vereinsfunktionäre ist aufgelistet und die Verpflegung der herumlungernden Journalisten (Hanuta und Bier).

Dann die Erlösung:

23:06 Uhr […] Daum tritt vor das Geißbockheim und erklärt: ICH BLEIBE!

Natürlich wäre das ein wenig enttäuschend. Wie kann man dem Leser die emotionale und weltgeschichtliche Dimension des Ereignisses klar machen? Richtig: mit einer historischen Parallele. Welche hat der Express wohl gewählt?

a) Wie Kaiser Nero beim Brand Roms!
b) Wie bei Genscher in Prag 89!
c) Wie George Bush auf der USS Lincoln!

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Keine Angst vor Craigslist

Seit zwei Wochen gibt es Craigslist auf Deutsch. Mit hohen Erwartungen.

Grund genug, sich das Angebot für Köln mal genauer anzusehen. Fast eine Million Einwohner, Zigtausende von Studenten, viele Medien-Menschen, da muss Craigslist doch brummen. In Nullkommanichts.

Was haben wir denn da? In der ersten Rubrik Communities Allgemein finde ich tatsächlich vier Anzeigen. Zwei Mal Spam eines Medikamentenvertriebs, einmal Werbung für eine wahnsinnig tolle Community, und eine Bitte, an einer Online-Umfrage der Jacobs-University in Bremen teilzunehmen. Sicher. Gerne.

Okay, vielleicht ist diese Rubrik wenig ansprechend, weil sie zu allgemein gestaltet ist. Schauen wir mal bei den Immobilien rein. Büro/Handel: nichts. Nada.
Ferienwohnungen fünf Angebote seit dem Deutschland-Start, davon nur eines mit Kölner Ferienwohnungen – aber ohne konkrete Angebote. Bei den Wohnungsangeboten gibt es drei Anzeigen: zwei Wohnungen und ein Vermittlungsservice, der als ersten Schritt die Erstellung eines Kredit-Profils empfiehlt.

Okay, das war wieder nichts. Sind die Subprimes schuld? Vielleicht hat Craigslist bei menschlicheren Bedürfnissen seine Stärken? In der Rubrik Sie sucht ihn wartet seit einem Monat eine 59jährige Kalifornierin auf einen Deutschen, der zu ihr nach Südkalifornien zieht. Und eine 45jährige Amerikanerin, die temporär in Köln wohnt, sucht sozialen Anschluss samt Sprachnachhilfe. Niedlich: Statt Sülz, schreibt sie „Solz“. Eine amouröse und orthografische Herausforderung.

Bei der in Köln sicher klischeehaft beliebten Rubrik Er sucht ihn sieht es nicht besser aus: Ein Kanadier möchte einen „german bottom boyfriend“, ein Athletic Bi Student sucht „nsa fun“. Ob er gemeinsam Telefone abhören will?

Lange Rede, kurzer Sinn: die deutschen Medien haben nicht allzu viel zu befürchten. Bis die Anzahl der echten Anzeigen den nutzlosen Spam überwiegt, dauert es wohl noch eine ganze Weile. Es reicht halt doch nicht lieblos eine deutsche Sprachversion zusammenzustoppeln, um den Markt aufzurollen.

Apothekenlatein

Apothekenlatein

Köln ist schon eine internationale Stadt. In einer Apotheke hier um die Ecke werden sogar Altrömer oder Vatikanoffizielle im vertrauten Latein bedient. Was heißt wohl „Hühneraugenpflaster“ auf Latein?

Der Kölner Amoklauf und SNAFU

Nachdem immer mehr Pannen bei dem angeblich verhinderten Amoklauf in Köln bekannt werden, reagiert die Polizei auf Kritik:

Dennoch sei es berechtigt gewesen, so früh an die Öffentlichkeit zu treten. „Die zunächst für Montag, 12 Uhr geplante Pressekonferenz musste auf Sonntag vorverlegt werden. Der in der Kölner Bevölkerung insbesondere unter Schülern, Lehrern und der Elternschaft vorhandenen großen Beunruhigung wegen eines befürchteten Amoklaufs am Georg-Büchner-Gymnasium musste unverzüglich in geeigneter Weise entgegengewirkt werden“, so die Polizei. „Die E-Mail-Kette lief, die Telefonkette lief. Das alles hatte sich schnell bei der Schülerschaft herumgesprochen.“ Besonderer Handlungsbedarf habe „vor dem Hintergrund des Jahrestages der schrecklichen Ereignisse in Emsdetten“ bestanden.

Ich kenn mich ja in Ermittlungstaktik nicht aus, aber ist es ratsam, vor dem Jahrestag eines Amoklaufs möglichst große Panik zu verbreiten? Der versammelten Presse vier Waffen zu zeigen, obwohl drei davon absolut nutzlos waren und die vierte nur in einer schlechten Robin Hood-Verfilmung für einen Amoklauf geeignet gewesen wäre? Von Rohrbomben zu sprechen, obwohl keine gefunden wurden? Eine Erfolgsmeldung zu verbreiten, obwohl die wichtigsten Fakten noch nicht vorlagen?

PS: Wie man aneinander vorberireden kann, zeigt diese Meldung:

Schon vor Bekanntwerden der neuen Fakten hatte der Münchner Polizeipsychologe Georg Sieber der Kölner Polizei vorgeworfen, sie habe nur «einen publikumswirksamen Erfolg präsentieren» wollen. Steffenhagen wies das entschieden zurück: «Wir mussten von einer sogenannten Amok-Lage zum Jahrestag von Emsdetten ausgehen.»

Auch „Amok-Lagen“ kann man ohne verfrühte Erfolgsmeldungen und fragwürdige Waffenpräsentationen bewältigen.