Do the math

Ich habe am Donnerstag in Sachen Netzsperren gegen Kinderpornographie nachgefragt und bekam vom Bundesfamilienmisterium ein buntes Sammelsurium möglichst kontextloser Fakten geliefert. Als Außenstehender hat man es natürlich schwer, das nachzuvollziehen. Was bedeutet es, wenn ein paar Tausend Ermittlungsverfahren eröffnet werden? Die Aussagekraft von Polizeistatistiken ist eh nur sehr beschränkt.

Um so enttäuschter war ich, als ich die wenigen konkreten Zahlen las, die das Bundesfamilienministerium vom Bundeskriminalamt übernommen abgeschrieben hat.

Bei der Besitzverschaffung von Kinderpornografie durch das Internet war von 2006 auf 2007 sogar ein Zuwachs von 111% festzustellen von 3.271 auf 6.206 Fälle.

Wenn die Statistiker nicht mal einfache Prozentrechnung können, sehe ich schwarz für die Glaubwürdigkeit. Und die wäre bei dem Thema eigentlich ganz wichtig.

Update: Zwei Tage nachdem ich das BKA auf den Fehler aufmerksam gemacht habe, hat die Behörde die Angaben korrigiert:

Bei der Besitzverschaffung von Kinderpornografie durch das Internet war von 2006 auf 2007 sogar ein Zuwachs von 111% festzustellen (von 2.936 auf 6.206 Fälle)(Angabe aktualisiert am 26.11.2008).

Der Wall

Bundesfamilienministerin von der Leyen hat dem Hamburger Abendblatt ein Interview gegeben:

Abendblatt: Was unternimmt die Regierung?
Von der Leyen: Das Allerwichtigste ist, dass das BKA wie bisher Täter ermittelt und gezielt Quellen schließt. Das reicht nicht. Ich will einen Damm bauen gegen die Flut der Bilder, indem wir den Zugang für den Kunden blockieren.

Abendblatt: Heißt konkret?
Von der Leyen: Wir schließen die Datenautobahn der Kinderpornografie. Das BKA erstellt Listen der kinderpornografischen Websites. Jetzt sollen die Zugangsanbieter gesetzlich verpflichtet werden, die Listen zu beachten und solche Websites unverzüglich zu schließen. Der Kunde klickt an und läuft ins Leere – kein Anschluss unter dieser Nummer. Das ist technisch möglich, und es ist rechtlich möglich.

Klingt toll, oder? Das Problem: Es ist eine politische Version der Wahrheit – um nicht zu sagen: eine Lüge. Es gibt keine separate „Datenautobahn der Kinderpornographie“.

Kinderpornoseiten kann man überall schließen, wo man einen funktionierenden Rechtsstaat hat. Das wird heute schon gemacht. Das reicht Frau von der Leyen nicht. Sie plädiert in dem Interview nicht etwa dafür, Seiten zu schließen – sie will sie lediglich für Deutsche unzugänglich machen.

Wie geht das? Die politische Vision: Jeder deutsche Internetprovider bekommt einen schlauen, grauen Kasten, der das gute Internet vom bösen Internet unterscheidet. Aber wir wissen ja, wie gut graue Kästen bei solchen Fragen arbeiten. Und die Kinderpornos bleiben weiter online, die Verbrecher verdienen weiter Geld.

Der „Wall“, den die Ministerin aufschütten will, ist eine schöne Metapher. Denn Wälle alleine halten niemanden ab, im schlechtesten Fall braucht man eine Leiter um sie zu überwinden. Oder man umgeht sie einfach. Will Frau von der Leyen die Verbreitung wirklich ein wenig einschränken, dann muss der Wall schon etwas höher werden. Und aus solidem Stein gebaut sein. Und muss mit Tausenden von Soldaten besetzt sein. Man nennt es auch die Große Firewall von China, eine der massivsten und repressivsten Zensurmaßnahmen, die wir bisher kannten.

Und selbst diese Mauer ist durchlässig.

PS: Wenn Frau Leyen nach der „Einstiegsdroge“ sucht, kann sie ja mal VIVA einschalten.

Verfassungsklagen kränken die Kinderporno-Schutzengel

Die Nachrichtenagentur AP hat heute einen Jubelartikel über die Kinderpornojäger gebracht:

Bei der Operation «Mikado» baten die Ermittler erstmals die Kreditkartenwirtschaft um Mithilfe. […] Die Kreditkartenanbieter kooperierten, und wieder konnten Hunderte pädophile Kriminelle ermittelt werden. Der Erfolg ist allerdings nicht unumstritten. Noch liegt eine Klage beim Bundesverfassungsgericht vor. «Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, das sei mir egal», sagt Peter Vogt. «Es kränkt einen schon. Aber jeder hat das Recht, juristisch gegen Strafverfolgungsbehörden oder ihre Methoden vorzugehen.«

Gerade nach spektakulären Erfolgen häufen sich Angriffe. «Es ist klar, dass die Kriminellen uns nicht lieben», resümiert Torsten Meyer. «Nach ihrer Auffassung sind wir schließlich schuld, dass sie im Gefängnis landen. Aber damit lernt man zu leben.

Hmmm – die Angriffe gegen Mikado kommen nur von Kriminellen? Das habe ich ganz anders in Erinnerung.

Lasst die Kinderpornos im Netz

Das scheint die Devise der Norweger zu sein, wenn es nach dieser Meldung geht:

Im Kampf gegen die Verbreitung von Kinderpornografie im Internet setzt Norwegen landesweit ein Filtersystem ein, das den Zugang zu einschlägigen Web-Seiten blockiert.

„Wir können damit pro Tag rund 15 000 Zugriffe auf solche Seiten verhindern – und damit rund 15 000 Straftaten“, sagte Bjørn-Erik Ludvigsen, der zuständige Beamte von der norwegischen Kriminalpolizei. Ludvigsen äußerte sich am Rande der laufenden Herbsttagung des Bundeskriminalamts in Wiesbaden, deren Schwerpunkt die Internetkriminalität ist.

In welchem Land ist Kinderpornographie denn legal? Welche Provider hosten „einschlägige Angebote“ dauerhaft? Und welcher Idiot glaubt, ein Kind würde weniger missbraucht, weil einige Perverse in Schweden einen anderen Zugangsweg nehmen? Wer für Kinderpornos Geld bezahlt, wird auch einen Proxy nutzen können.

En ren lögn – The Pirate Bay wird nicht gesperrt

Ich kann kein Schwedisch, aber wie es aussieht, wird The Pirate Bay nicht auf der Kinderporno-Liste der schwedischen Provider landen. In diesem Bericht steht das angeblich. Besonders schön finde ich das Statement des Piratebay-Admins: „En ren lögn“. Keine Ahnung, was es heißt – aber es klingt toll.

Am besten gebe ich die Zusammenfassung der leider nicht verlinkbaren – da noch nicht veröffentlichten – Slashdot-Meldung wieder:

After the big hullabaloo over child porn on The Pirate Bay, the police are now satisfied that the offending torrents have been removed and The Pirate Bay will not be blacklisted. The link is in Swedish, but in summary, the police say the torrents have been removed, and The Pirate Bay complains that they were not given a list of files to remove but had to investigate on their own. Both sides claim to have been unable to reach the other side for communication on the matter.

Gut gemeint

Via Lawblog: Die Welt versucht sich heute an einem fundierteren Blick auf die Operation Mikado. Kreditkarten: Der Weg zur Unfreiheit ist mit guten Absichten gepflastert

Leider ist der erste Satz folgender:

Gut, dass die Polizei diese Woche einen Kinderpornoring ausheben konnte.

Ja, es wäre gut gewesen. Leider hat die Polizei keinen „Ring“ ausgehoben. Sie haben Leute gefunden, die mutmaßlich Kinderpornos per Kreditkarte gekauft haben. Bisher habe ich nichts davon gehört, dass sich die Beschuldigten kannten oder Kinderpornos ausgetauscht oder gar produziert hätten. Das mag in dem einen oder anderen Fall so sein – ich weiß es nicht. Primär haben wir es aber wohl mit einem Verkäufer und zirka 300 deutschen Kunden zu tun. Dafür spricht auch die lange Zeit, die sich die Staatsanwaltschaften offenbar bei den Durchsuchungen ließen. Bei einem Kinderporno-Ring muss man zeitgleich zuschlagen, weil sich die Mitglieder sonst gegenseitig warnen würden. Wenn sich die Durchsuchten so wenig kennen wie ich den Amazon-Kunden fünf Straßen weiter, ist eine solche Aktion natürlich unnötig.

Schade ist jedenfalls, dass selbst bei den Bedenkenträgern die Legende des Ermittlungserfolgs unreflektiert übernommen wird.

„Großer Sieg für die Kinderporno-Mafia“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat die groß angelegte Auswertung von Kreditkartendaten bei Ermittlungen gegen die Kinderpornografie-Szene im Internet verteidigt. „Es wäre ein großer Sieg für die Kinderporno-Mafia, wenn Richter im Nachhinein das Vorgehen der Ermittler als nicht rechtmäßig beurteilen würden“.

Auch eine Perspektive. Wenn sich Polizei und Staatsanwaltschaft sich an Gesetze halten müssen (ob sie es denn getan haben, wird gerade geklärt), haben die Verbrecher gewonnen.

Nur zur Erinnerung: Selbst wenn die Maßnahme für unrechtmäßig erklärt wird, geht den Gerichten kein einziger Beweis gegen die Kinderporno-Käufer verloren. Die Kinderporno-Mafia selbst bleibt so oder so unbehelligt. Denn sonst hätte man die Kreditkarten gar nicht überprüfen müssen, sondern schlicht die Daten beim Zahlungsempfänger abgeschöpft.

Daraufhin stand Shaquille O’Neal im Wohnzimmer

Das kann man nicht erfinden: Eine IP-Nummer wird verwechselt und ein Basketballstar mit Dienstpistole durchsucht ein Farmhaus nach Kinderpornos.

Dass ausgerechnet der NBA-Star an der Razzia beteiligt war, ist nur eine weiteres groteskes Detail einer tragischen Verwechslung. Der 2,16 Meter große und 150 Kilogramm schwere Center der Miami Heat engagiert sich für die Safe Surfin‘ Foundation, die die Sondereinheit Blue Ridge Thunder des Sheriffs von Bedford County mit Aufklärungsarbeit unterstützt. O’Neal erhielt im Rahmen seines Engagements eine Grundausbildung, wurde als Deputy Sheriff eingeschworen und mit einer Dienstwaffe ausgestattet.

Hä?

Ich meine…

HÄ??????