Missliebige Argumente kurz zusammengefasst

Cecilia Malmström macht Werbung für Netzsperren und fasst sich dabei kurz:

Beim Thema Reglementierung des Internets werfen Bürgerinitiativen zu Recht die Frage nach der freien Meinungsäußerung auf. Bilder von Kindesmissbrauch können jedoch unter keinen Umständen als legitime Meinungsäußerung gelten

Das ist natürlich eine Nebelkerze. Keine der Bürgerinitiativen, die ich kenne, will Kinderpornografie als freie Meinungsäußerung schützen. Das Argument ist, dass Netzsperren gegen Kinderpornografie nicht helfen, aber stattdessen sehr leicht gegen missliebige Meinungsäußerungen eingesetzt werden können.

P.S.: Wer nach über fünf Jahren Websperren in Europa zum Erfolg dieser Maßnahme immer noch nicht mehr sagen kann als dass die Filter ein paar Tausend Mal in unbestimmten Zeitintervallen anspringen, kann die Verkehrssicherheit auch an der Anzahl der verteilten Knöllchen messen.

„Löschen ist die bessere Lösung“

Und noch eine Anmerkung: Bei Netzpolitik lese ich grade, dass die Junge Union Bayern nun auch gegen Netzsperren ist:

Das Löschen strafrechtlich relevanter Inhalte sei «die bessere Lösung», sagte der stellvertretende JU-Landesvorsitzende Thomas Dopfer am Dienstag der Nachrichtenagentur ddp in München.

Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Natürlich wird das BKA nicht durchweg Erfolg haben, wenn sie ausländische Provider zum Löschen von Kinderpornografie auffordern. Wäre es so einfach, hätten wir zum Beispiel keinen Spam mehr.

Scheitern werden deutsche Beamte unter anderem daran, virtuelle Kinderpornografie von US-Servern löschen zu lassen. Dort ist das legal, hier nicht. In Deutschland ist sogar Jugendanscheinspornografie illegal, im Silicon Valley ein Geschäftsmodell.

Ob die gezeigten Personen 17 oder 21 Jahre alt ist, kann man nicht mit Sicherheit sagen. Manchmal ist es nicht Mal möglich 14- von 25-jährigen klar zu unterscheiden. Problematisch sind die Grenzfälle wie die nackte 12jährige auf dem Scorpions-Cover. Kunst oder Pornografie?

Die Frage ist: auf welche Fälle konzentrieren sich die Beamten? Wenn daher demnächst eine Statistik auf den Markt kommt, die von der Erfolglosigkeit der Löschbemühungen erzählt und die Frage aufwirft, ob denn Sperren nicht doch der richtige Weg sind, sollte man auch die Frage stellen, ob denn die Grenzfälle gemeint sind oder die Fälle, mit denen das Zugangserschwerungsgesetz begründet wurde: die vergewaltigten Kinder, die unvorstellbaren Misshandlungen von Kleinkindern. Denn die sind wirklich überall illegal.

Bürgerrechte: Erst Mal die Grundlagen klären

Die Hoffnungen der Gegner von Websperren und Voratsdatenspeicherung ruhen derzeit auf der FDP. Dass die sich komplett durchsetzen kann, ist kaum zu vermuten – zumal die Liberalen in den letzten Jahren auch eher andere Schwerpunkte gesetzt und in den unterschiedlichen Landesregierungen ein sehr zwiespältiges Bild abgeliefert haben.

Deshalb wäre es vielleicht gut, wenn man eine Ersatzforderung einbringt. Wenn die falschen Entwicklungen der letzten Jahren nicht sofort beseitigt werden können, sollte die Politik sich nach den Wahlen endlich Mal den Grundlagen widmen und fundierte wissenschaftliche Untersuchungen initiieren. Denn viele Fragen werden bisher nur ideologisch oder von anderen Interessen geleitet beantwortet.

Als da wären:

  • Welchen Einfluss haben Maßnahmen wie Vorratsdatenspeicherung auf das reale Kommunikationsverhalten?
  • Wie hoch ist das Missbrauchspotenzial von solchen Maßnahmen
  • Wie funktioniert der reale Kinderporno-Markt wirklich?
  • Hat irgendein Land über Websperren tatsächlich den Konsum von Kinderpornografie messbar reduzieren können?
  • Welche Faktoren kommen bei jugendlichen Extrem-Gewalttätern zusammen? Kann man diese über allgemeine und schwer durchsetzbare Verbote überhaupt adressieren?

Die Liste kann man lange fortsetzen…

Positive Erfahrungen

Der grüne Bremer Lokalpolitiker Matthias Güldner wollte auch mal etwas zum Thema Kinderpornografie sagen und durfte bei Welt Online einige der gängigen Missverständnisse wiederholen. Besonders der eine ihn der Debatte gebetsmühlenartig wiederholte Satz stößt bei mir auf Unverständnis:

in Skandinavien wurden schon positive Erfahrungen mit vergleichbaren Gesetzen gemacht.

Welche „positiven Erfahrungen“ sind das denn? Das Internet ist nicht zusammengebrochen und in irgendwelchen Log-Dateien werden nicht weiter nachzuvollziehende Zahlen gesammelt. Nach mehr als fünf Jahren Websperren in Europa müsste es doch irgendwelche greifbaren Erfolge geben. Alleine: ich habe die Befürworter immer wieder gefragt und sie konnten mir keinen einzigen benennen.

Hat die „sexualisierte Gewalt gegen Kinder“ in Skandinavien durch die Sperre abgenommen? Die zuständigen Polizisten sind weit davon entfernt, so etwas zu behaupten.
Haben Produzenten und Verteiler von Kinderpornos durch virtuelle Stoppschilder akute Nachfrageprobleme oder Umsatzrückgänge zu verzeichen? Nichts davon ist bekannt.
Haben Konsumenten von Kinderpornos größere Schwierigkeiten, an Kinderpornos zu gelangen? Untersuchungen dazu liegen nicht vor.
Wird Kinderpornografie ungeachtet jeder Websperre auf ganz anderen Wegen als kommerziellen Webseiten verbreitet? Alle Anzeichen sprechen dafür.

Das beschwichtigende Argument ist ja die Behauptung, dass die Kinderporno-Sperren ja nur die schwächste in einem ganzen Bündel von Maßnahmen sind. Die Realität spricht eine andere Sprache. So demonstriert zum Beispiel die britische Internet Watch Foundation, dass man sich gar nicht mehr darum bemüht, Täter im Ausland zu verfolgen oder dem Phänomen Kinderponografie abseits der vor Jahren festgelegten Parameter aufzuklären. Dass es Filesharing-Netze und Chat-Netzwerke existieren, ist den mit brisanten Zahlen angereicherten Jahresberichten der IWF zum Beispiel nicht zu entnehmen. Sicher: es gibt mittlerweile viele Initiativen gegen Kinderpornografie, doch mit den stattlichen Websperren stehen die in keinem erkennbaren Zusammenhang.

Wenn man akzeptiert, dass die Webseiten-Sperren Symbolpolitik und gar keine konkrete Wirkung haben sollen, könnte die positiven Erfahrungen auch darin bestehen, dass Kinderpornos im Vergleich zu vorher gesellschaftlich mehr geächtet wären. Ein denkbar schwaches Argument für eine solche Maßnahme – aber hat das jemand ernsthaft untersucht? Meines Wissens nicht.

Hauptsache Zensursula

Bei manchen wirkt das Wort „Kinderporno“ merkwürdig. Emotionen übermannen jede Logik, und der Betroffene ist ganz in einer eigenen Welt gefangen, in der es Bösewichter gibt, die allesamt aus einem Wallander-Krimi zu stammen scheinen.

Das gleiche passiert offenbar auch mit dem Wort „Zensursula“. Wenn ich mir ansehe, welche Behauptungen Behauptungen in dem Zensursula-Lager aufgestellt, gelobt und beklatscht werden, raufe ich mir manchmal die Haare. Die Realität ist komplex, lasst sie uns auf ein Schwarz-Weiß-Schema herunterbrechen.

Aktuelles Beispiel: Diese Meldung, an der auch Ralf Bendrath seine Zweifel angemeldet hat. Da glaubt jemand, dass er über den First-Level-Support und eidesstattliche Versicherungen einen vorzeitigen Beginn der Sperrungen nachweisen kann. Das ist schon merkwürdig. Dann kommt aber als Update

Arcor hat in einem Online-Artikel des BKA am 10. Juli kundgetan, dass ab dem 1. August 2009 Stopp-Schilder vor Kinderpornoseiten gesetzt werden. Dieser Artikel wurde inzwischen gelöscht und ist nur noch über den Google-Cache erreichbar. Was hat Arcor nur dazu bewegt?

Was da als „Online-Artikel des BKA“ einen amtlichen Anstrich bekommt, ist in Wahrheit eine simple dpa-Meldung. Und sie ist nicht von der Webseite verschwunden, weil Arcor etwas verbergen wollte, sondern weil alle dpa-Meldungen auf Arcor.de nach relativ kurzer Zeit verschwinden. Den letzten Part will ich bei niemandem voraussetzen, aber wie verwechselt man eine simple Newsticker-Meldung mit einem BKA-Dokument oder einer Erklärung zur Firmenpolitik von Arcor/Vodafone? Und warum ist keine soziales Korrektiv vorhanden, das den Autoren auf die richtige Bahn schubst?

Aber diese Schwarz-Weiß-Malerei betrifft nicht nur unerfahrene Blogger, sondern auch Leute, die eigentlich genug Medienkompetenz besitzen müssten, um Zusammenhänge, Kontexte und logische Argumentationen zu erkennen. Zum Beispiel der viel gelobte Spiegelfechter, der von der Leyens Indien-Panne aufgreift und dann plötzlich Inzidenz mit Evidenz verwechselt. Die Argumentation verläuft ungefähr so: Das Bundesfamilienministerium zitiert eine veraltete ICMEC-Studie, also ist ICMEC fragwürdig und integraler Bestandteil des Zensursula-Komplexes. Microsoft hat ICMEC einst 1,5 Millionen Dollar gespendet, also steckt der alt bekannte Bösewicht Microsoft hinter dem „System Zensursula“. Skandal!

Blöderweise hat die ICMEC mit den von unserer Bundesfamilienministerin aufgestellten Behauptungen sehr wenig zu tun. Dass es in Indien keinerlei Ächtung von Kinderpornografie gäbe, hat die Organisation nie behauptet. Dass ICMEC mit einer falschen Darstellung der Gesetzeslage in Indien der Regierung dort Microsoft-Systeme verkaufen will, wäre wirklich eine Meisterleistung des Lobbyismus – Indien mag nicht ganz so durchorganisiert sein wie Deutschland, aber die eigenen Gesetze wird die indische Regierung doch kennen? Und zuletzt: Das kritisierte Microsoft-Produkt „Child Exploitation Tracking System“ (CETS) ist ungefähr das Gegenteil vom „System Zensursula“ – geht es hier doch um die Identifizierung von Opfern. Natürlich gibt es geschäftliche Interessen, Lobbyismus und Fehlinformationen, aber die bei Spiegelfechter aufgezeigten Zusammenhänge sind Google-Artefakte und sind von der Realität so weit entfernt wie der Glaube, dass man mit der Blockade von Webseiten heute Kriminelle nachhaltig behindern kann.

Auch kurios war letztens der Beitrag von Thomas Knüwer, in dem er die Lügen der Bundesfamilienministerin als „amtlich“ bezeichnete. Das Kuriosum: Als Beleg verwendet Knüwer ausgerechnet ein Zitat, das zwar etwas an Sarah Palin erinnert, aber eben nicht dem Dokument widerspricht, das Knüwer als Beleg für die amtlichen Lügen verwendet.

Die Liste ließe sich beliebig lange weiter führen. Stören solche Kleinigkeiten? Nein, natürlich nicht. Es steht ja Zensursula drüber und wenn es um die große Sache geht, darf man solche Kleinigkeiten nicht allzu wichtig nehmen. Das Problem: exakt so argumentiert vermutlich auch von der Leyen.

Testimonial

Heise berichtet über die Kommunikationsschwierigkeiten zwischen empört-pubertären Netizens und überfordert-verstörten Politikern. Höhepunkt ist ein kurioses Statement von der SPD-Wirtschaftsreferent Eckhard Fischer.

Pädophile, die ihre Neigung bekämpften, würden dagegen der SPD danken, „da sie nun nicht mehr Gefahr laufen, versehentlich auf entsprechende Seiten zu stoßen“.

Danken die Pädophilen wirklich der SPD? Oder glaubt Herr Fischer lediglich, dass es Pädophile geben könnte, die so denken? Im ersten Fall können wir uns nach den „Piraten in der SPD“ wohl auf die Arbeitsgruppe „Pädophile in der SPD“ freuen. Ist bestimmt ein Renner im Wahlkampf.

Im zweiten Fall kann sich Herr Fischer nicht wirklich über die neue politischen Streitkultur der Heise-Forianer beschweren. Faktenfreie Polemiken kann heute halt jeder verbreiten.

Gefunden: Das schwächste Argument für Access-Sperren

In dem sehr lesenswerten Streitgespräch zwischen Ursula von der Leyen und Franziska Heine präsentiert die Bundesfamilienministerin ein neues Argument für das von ihr initiierte Zugangserschwerungsgesetz:

Die Technik der Zugangssperren führt dazu, dass wir jetzt erstmals systematisch kinderpornografische Websites identifizieren.

Schon rein logisch ist das Argument fragwürdig: Weil „wir“ bisher schlechte Arbeit geleistet haben, brauchen „wir“ neue Gesetze? Im Gegensatz zur Erfassung von Verkehrsdaten spricht nach meinen Informationen nichts dagegen, dass das BKA systematisch Kinderporno-Seiten erfasst. Alleine bei der Erstellung und dem Einsatz der Kinderporno-Such-Software Perkeo müsste eine solche Liste quasi als Abfallprodukt abfallen.

Auch faktisch ist das Argument falsch. Denn in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage steht es eindeutig:

Das Bundeskriminalamt unterhält die nationale Bilddatenbank mit Informationen zu identifizierten sowie noch nicht identifizierten Tätern und Opfern in kinderpornografischen Schriften. Daneben erfolgte sowohl eine finanzielle (400.000 US $ im Dezember 2005) als auch eine fachlich aktive Teilnahme als Testpartner am Aufbau der internationalen Bilddatenbank beim Generalsekretariat von Interpol in Lyon. Diese Bilddatenbank befindet sich seit dem 05.03.2009 im Wirkbetrieb und ermöglicht online den weltweiten Austausch von Informationen zu bekannten und bisher unbekannten kinderpornografischen Bildserien zwischen den teilnehmenden Staaten.

Gut, dass wir gefragt haben

Das Bundesfamilienministerium hat eine Umfrage zur Akzeptanz der Netzsperren unter den Internetnutzern durchführen lassen. Man kann einwenden, dass Meinungsumfragen zu so komplexen Fragen ungefähr so sinnvoll sind wie eine Umfrage unter Toilettennutzern, welche Art von Rohren man in der Kanalisation verlegen sollte – das Ergebnis wird im wesentlichen davon abhängen mit welchen Informationen man die Befragten versorgt.

Aber ignorieren wir das. Ignorieren wir auch, dass bei der Umfrage natürlich wieder nur die Blockade von Internetseiten alternativlos vorgestellt wurde und die Gegner des Gesetzesvorstosses mal eben zu „Gegnern von Maßnahmen gegen Kinderpornographie“ werden. Ignorieren wir ebenfalls, dass 43 Prozent der Befragten nicht einmal täglich seine E-Mails abruft und alle anderen als „starke Internet-Nutzer“ klassifiziert wurden.

Zum einen zeigt die Umfrage, dass die Kampagne der von Bloggern, Twitterern und AK Zensur trotz erheblichem Medienecho und politischen Erfolgen in den breiten der Bevölkerung nur relativ wenig Eindruck hinterlassen hat. Wer sich auf die Schulter klopfen möchte: Die Gruppe der Sperr-Gegner ist tendentiell jünger und deutlich besser ausgebildet als die der Befürworter.

Interessant sind auch die Inhalte, beziehungsweise die vermeintlichen Widersprüche. Dankenswerterweise hat das Ministerium eine Zusammenfassung online gestellt – wenn auch eine mit großen Lücken.

Auf die Frage: „Glauben Sie, dass man mit diesen Maßnahmen Erfolg hat und die Nutzung von Kinderpornographie im Internet eindämmen kann, oder glauben Sie, dass diejenigen, die so etwas sehen wollen, weiterhin einen Weg finden, an solche Seiten heranzukommen?“ antworten 29 Prozent der Befragten mit der Option, dass die Maßnahmen „Erfolg haben“ und die „Nutzung eindämmen„, 62 Prozent wählen die Antwort-Alternative „werden weiterhin Weg finden„.

Im Begleittext wird dieses Ergebnis so interpretiert:

Zweifel richten sich am ehesten gegen die Erfolgsaussichten des Unternehmens: 62 Prozent sind der Meinung, dass hartnäckig Suchende, die um jeden Preis Kinderpornographie sehen wollen, auch weiterhin einen Weg finden werden, an entsprechende Internetseiten heranzukommen. Lediglich 29 Prozent sehen das nicht so (Schaubild 4).

Man muss nicht lange suchen, um den Unterschied zu entdecken: Die „hartnäckig Suchenden, die um jeden Preis Kinderpornografie sehen wollen“ fehlen in der Frage. Eine Nachlässigkeit bei der Erstellung des Schaubildes?

Muss wohl so sein. Denn in der nächsten Frage wird das nochmal ganz deutlich. Hier bekamen die Befragte offenbar ein Bildblatt gezeigt, auf denen zwei Personen ein Gespräch führen. Wie das Bildblatt aussieht, ist leider nicht überliefert – die Umfrageunterlagen enthalten nur die conclusio des Comics und verschweigt den kompletten restlichen Dialog:

Ich glaube nicht, dass es etwas bringt, den Zugang zu Internetseiten mit kinderpornographischem Inhalt zu blockieren. Wer im Internet Kinderpornos sucht, wird sie auch finden, egal wie viele Seiten blockiert sind. Daher ist eine solche Blockade überflüssig.” – Dieser Aussage stimmen am Schluss nur noch 12 Prozent zu.

Das sehe ich anders. Auch wenn man mit einer solchen Blockade nicht alle aufhalten kann, schreckt man damit doch sehr viele Nutzer ab. Daher halte ich eine solche Sperre für unbedingt notwendig.” – in dieser Aussage finden sich 81 Prozent der Befragten wieder.

Wie kommt denn so etwas? Der Kunstgriff ist: „Welche(r) von beiden sagt eher das, was auch Sie denken?“ – die Befragten vertreten nicht diese Extremstandpunkte. Wer es gut findet, wenn vielleicht einige Leute abgehalten werden, der landet in der Kategorie derer, die das Gesetz unbedingt für notwendig halten. Und welche Argumente vorher genannt wurden, ist leider absolut unbekannt.

Ob tatsächlich Internetsurfer durch Stopp-Schilder abgehalten werden, ist übrigens keine Entscheidung, die wir für Pädophile treffen könnten. Aber man kann ja mal fragen. Und da die Regierung und das BKA offenbar mit solchen Fragen nicht behelligt werden können, fragt man halt irgendwen.

PS: Wem würden sie eher zustimmen?maennchen

Politische Partner-Vermittlung

Piraten-Pauli: Gabrile Pauli will mit einer neuen Partei das System verändern, während die Piratenpartei trotz unerwartetem Wahlerfolg bei der Europawahl immer noch händeringend Unterschriften sammeln um überhaupt zugelassen zu werden. Eine politische Ehe auf Zeit scheint sinnvoll – im Parteiprogramm der Piraten ist jedenfalls noch viel Platz.

Unabhängigstenste Aufsichtsfunktionsträger: Nachdem der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar die Internet-Sperrliste nicht beaufsichtigen will, muss sich die Große Koalition eiligst um ein anderes Aufsichtsorgan bemühen, bevor das überaus sorgfältig durchdachte Sperrgesetz in knapp 30 Stunden die letzten Hürden im Bundestag übernimmt. Ich nominiere den ZDF-Fernsehrat, der mit bewährtem Proporz und einem Gespür für die Komplexität der sich schnelllebigen Medienwelt sicherlich auch nicht vor dieser Verantwortung zurückschreckt.

Die Tücken des Stoppschilds

Joerg-Olaf Schaefers und Stefan Tomik beleuchten die Probleme der Datenspeicherung bei den Kinderporno-Stoppschildern.

Um einen Einblick in die tatsächlich ablaufenden Verfahren zu bekommen, habe ich mich in Urteilsdatenbanken umgesehen und bin immer wieder auf solche Passagen gestoßen:

Nach den strafrechtlichen Ermittlungen wurden von dem Computer, dessen IP-Adresse dem Beamten zugewiesen ist, am 12.05.2006 in der Zeit von 12:09:59 bis 12:16:04 insgesamt 156 Zugriffe auf zwei verschiedene Webseiten mit Kinderbildern genommen, von denen laut Staatsanwaltschaft lediglich 2 Fotos als Kinderpornografie strafrechtlich inkriminiert sein sollen. Den vom Dienstherrn vorgelegten Unterlagen ist nur zu entnehmen, dass von dem Computer aus in einem Zeitraum von 6 Minuten und 5 Sekunden 156 Bilder aufgerufen wurden, wobei es sich ganz überwiegend um Bildergalerien handelte, d. h. es erschienen mehrere kleine Bilder zugleich auf dem Bildschirm.

In diesem Fall hat das Verwaltungsgericht Meiningen eine Durchsuchung aufgrund dieser Beweislage abgelehnt (6 D 60001/09).

Dazu fallen mir zwei Punkte ein:

  • Die Vorstellung, dass Kinderporno immer nur auf eigenen – sperrbaren – Servern liegen, ist naiv oder stammt aus den Neunziger Jahren. Heute kann man Material einfach überall ins Netz fluten: One-Click-Hoster, Bilderbörsen, gehackte Server, Chats, Foren und alle möglichen Amateur-Porno-Seiten stehen zur Verfügung – warum sollen die Kriminellen noch selbst zentrale verwundbare Infrastrukturen betreiben?
  • Und: Selbst im Bereich Kinderporno ist ein großer Teil der Fälle nicht eindeutig. Wenn ich mich richtig erinnere, ist sogar einer großen deutschen Boulevardzeitung das Bild einer halbnackten 16jährigen auf die Seite 1 durchgerutscht. Sämtliche Käufer dieser Ausgabe wären – übertragen auf die Stoppschild-Pläne – verdächtig gewesen. In Kalifornien, wo für Porno-Darsteller ein Altersnachweis gesetzlich vorgeschrieben ist, scheinen die Frauen bis Mitte 20 durchweg als „Teen“ vermarktet zu werden, und werden dann übergangslos zur „MILF“. Wenn in diesen gewaltigen Bilderpool dann noch Amateur-Porno, Pseudo-Amateur-Porno und japanische Zeichentrickfilme gemischt werden, verschwimmen die Grenzen zunehmend – und ob ein Bild strafbar ist, ist spätestens seit dem Jugendpornografie-Paragrafen sehr interpretierungsfähig. Nicht das tatsächliche Alter der Personen ist entscheidend, sondern alleine der Eindruck.

Porno-Liebhaber sollten sich also spätestens jetzt einen sehr zuverlässigen Lieferanten suchen, der ausschließlich Pornos mit Darstellerinnen sichtlich über 30 anbietet. Denn wenn auf die oben beschriebene Weise weiter ermittelt wird, wird die Anzahl der Ermittlungsverfahren, Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen sehr stark ansteigen – die der ertappten Sexualstraftäter aber kaum.