Die Propaganda der anderen

Große Aufregung um den Artikel Schnell gelöscht? Von wegen!. Für Andre Meister ist es klare Propaganda für Netz-Sperren, für Thomas Stadler ist der Autor nur ein gewisser Stefan Tomik. Beleuchtet wird der Artikel alleine unter der Vorgabe: Nutzt er dem Ziel, Netzsperren zu verhindern?

Dabei hat Tomik in seinem Artikel – neben einigen Mängeln – sehr valide Punkte gemacht. Wenn die INHOPE-Statistiken wenig wert sind, gehört das zur öffentlichen Diskussion. Man kann sich nicht über Statistik-Tricks bei Ursula von der Leyen echauffieren und das Hinterfragen der Statistiken verweigern, die einem selbst in den Kram passen.

Dass der etwas plumpe Slogan „Löschen statt Sperren“ unter den alten Prämissen, ohne konkrete Maßnahmen und Zielvorgaben einfach so funktionieren würde, war einfach nicht zu erwarten. Wieso eine simple Parole als Alternativvorschlag nicht funktionieren konnte, habe ich hier schon im Februar begründet.

Tomik hat aber nicht schlicht die INHOPE-Angben zerpflückt, er hat auch weiter nach Gründen gefragt:

Die Provider direkt informieren, im Netz-Slang heißt das „Notice and Takedown“, das dürfen manche Hotlines gar nicht. Nationale Regeln verbieten es ihnen. Andere schieben juristische Gründe vor. Sie gäben in ihrer E-Mail ja Hinweise auf illegale Websites weiter. Also Verbreitung von Kinderpornographie. Dabei unterhält jeder anständige Provider einen speziellen Abuse-Kontakt. Was soll man denn dort sonst melden, wenn nicht Hinweise auf illegale Inhalte?

Das ist ein ernstes Problem. Durch die hysterische Gesetzgebung ohne Blick auf die Folgen wurde schon viel Porzellan zerschlagen. So mach zum Beispiel Udo Vetter darauf aufmerksam, dass ein besorgter Bürger keinesfalls den gut gemeinten Vorschlägen der Polizei folgen sollte, wenn man nicht selbst angezeigt werden will. Wenn nicht einmal mehr Beschwerdestellen sich trauen, Links weiterzusenden, hat der Kampf gegen Kinderpornografie sich selbst ins Knie geschossen. Die gut gemeinten Gesetze sind eine Fassade, hinter der sich Verbrecher verstecken können.

In Deutschland ist der Gesetzgeber bereits vor zwei Jahren viel zu weit gegangen, als er die Jugendanscheinspornografie unter Strafe stellte. Wollte die Polizei dieses Gesetz wirklich durchsetzen, könnte das Bundeskriminalamt nichts anderes mehr tun – denn für den juristischen Laien ist ja schon das Fernsehprogramm von VIVA im jugendpornografischen Graubereich.

Lange Rede, kurzer Sinn: die Fakten zeigen wieder einmal, dass man – wenn man denn das Problem Kinderpornografie angehen will – nur mit Koordination und einem Funken Menschenverstand Erfolg haben kann. Simple Parolen sind nicht zielführend – egal von welcher Seite sie kommen.

P.S.: Andere wachsame Geister haben sich die Fakten genauer angesehen und ernste Fehler entdeckt.