Bekenntnisse eines Exklusionisten

Mit meinem letzten kleinen Erklärstück habe ich mich in den Augen vieler anscheinend als Vordenker der Exklusionisten geoutet. Dabei finde ich die Löschdiskussionen selbst oft unsäglich, das Entscheidungssystem der Wikipedia muss seit Jahren grundsaniert werden. Ich habe wegen der Frustration über endlose Meta-Diskussionen meinen Wikipedia-Account schon vor Jahren stillgelegt. Der Vorteil: wenn man ein, zwei Schritte zurücktritt, kann man zuweilen ein wenig mehr Kontext erkennen.

Vor fast drei Jahren schrieb ich:

Ohne die letzte Instanz werden die Widersprüche mehr zu Tage treten, die das Selbstverständnis der Wikipedia prägen. So kokettiert die Wikipedia noch heute mit einem Mischmasch der Machtstrukturen; Entscheidungen werden meist in einem ungeregelten Konsens erzielt. Wer sich gerade mit einem Problem beschäftigen will, bestimmt auch darüber.

I said so“ mag kein guter Stil sein, aber die derzeitige Diskussion ist ein perfektes Beispiel dafür. Das für Wikipedia notwendige Löschsystem hat eine Eigendynamik entwickelt, die dem Projekt nun schaden kann. Ob sie das tatsächlich schon tut – ich weiß es nicht. Das ist auch eine Frage der Perspektive, was Wikipedia leisten soll.

userfriendly-wikipedia

Viel diskutiert wurde über die Löschung des Artikels über den Clubmate-Cocktail Tschunk. Ich hätte ihn nicht gelöscht – zwar war der Artikel nicht gut, aber wer sich für das Thema interessiert hat, wurde zumindest nicht in die Irre geführt. Niemand wollte damit Eigenwerbung betreiben oder seine Weltsicht auf subtile Weise in die Wikipedia schmuggeln, wie es leider allzu oft vorkommt. Hier spielen auch falsche Formatierungen keine Rolle, die notwendige Wartung des Artikels durch einige engagierte Wikipedianer aus dem CC-Umfeld schien gesichert.

Derzeit wird der Artikel auf einer Benutzerseite überarbeitet. Hier zeigt sich sehr schön, wie sich das Relevanz- und Quellenproblem ganz konkret äußert. Liest man das Ganze im jetzigen Zustand, sind die Zutaten eines Tschunk:

  • Clubmate
  • weißer Rum oder brauner Rum
  • Eiswürfel oder crushed ice
  • Zucker oder kein Zucker
  • Limetten oder keine Limetten
  • Salzrand oder kein Salzrand

Ich bin wahrhaftig kein Cocktail-Experte – aber alleine das verwendete Eis kann den Charakter eines Drinks wesentlich verändern. Ich wurde von kundigeren Freunden immer mal wieder über die fundamentalen Unterschiede zwischen weißem und braunen Rum hingeweisen. Mir wurde vor Jahren auch mal ein Tschunk mit Vodka angeboten. Zusammengefasst: alles, was aus Clubmate und irgendeiner Art von Alkohol besteht, kann sich im Prinzip „Tschunk“ nennen. Oder auch „Chunk“.

wikipedian_protester

Wie gesagt: ich hätte den Artikel nicht gelöscht, aber die Frage stellt sich schon: wem nützt ein Wikipedia-Artikel über einen Cocktail, den es eigentlich noch gar nicht gibt? Der in keinem Cocktailverzeichnis steht? Sollte man nicht warten, bis sich zumindest ein halbwegs brauchbares Rezept herauskristallisiert? Würden ein, zwei Sätze im Artikel über Clubmate nicht ausreichen, würde der eine Artikel den Leser nicht sogar besser informieren? Warum fehlen die 2000 Cocktailrezepte, die ohne Zweifel viel verbreiteter sind als der Tschunk?

Ich kann die Fragen nicht eindeutig beantworten, aber wenn man sie mit einer Million multipliziert, hat man ungefähr eine Ahnung von der Komplexität der Entscheidungen in der Wikipedia.

Schnell, schnell, eine Forderung

Seelsorger müssen Trost spenden, Lehrer müssen Vorbild sein, Politiker müssen fordern:

Nach dem Amoklauf von Baden-Württemberg ist in der Politik die Forderung nach einem Einsatz von Metalldetektoren an Schulen laut geworden.

Tolle Idee. Ein nervendes Piepen hilft absolut zuverlässig gegen eine durchgeladene und entsicherte Baretta. Nicht nur das: in der langen Schlange vor dem Detektor können die Schüler morgens noch ihre Hausaufgaben erledigen – also gibt es weniger Frust-Potenzial. Und die Taschenkontrolle ist endlich mal eine vernünftigen Beschäftigung für die vielen Lehrer, die aufgrund der Lehrerschwemme sonst nichts zu tun haben.

Noch eine viel bessere Idee:

Man sollte über automatische Zugangssicherungssysteme nachdenken, gestützt auf Chipkarten oder Schülerausweise, sagte Freiberg weiter.

Man braucht lediglich eine fünf Meter hohe Mauer um jede Schule, Sicherheitsschleusen und eine digitale Vollerfassung jedes einzelnen Kindes. Kein Problem.

Dailykos: Wieviel Schmutz darf sein?

Irgendwie schade: Daily Kos hat das Hammergerücht des Jahres gelöscht.

Kurzfassung: Der jüngste Sohn von running mate Sarah Palin sei in Wahrheit ihr Enkel. Die Gouverneurin habe die Schwangerschaft nur vorgetäuscht, um die Schwangerschaft ihrer damals 15jährigen Tochter Bristol zu verheimlichen.

Da lacht das Herz der muckraker, der Gossenjournalisten. Leider ist an der Story nicht so besonders viel daran: Belege gibt es nicht. Die Indizien sind im wesentlichen, dass die Gouverneurin auf einigen Fotos nicht schwanger aussah und drei Tage nach der Entbindung wieder gearbeitet habe. Dazu sei Bristol angeblich während der Zeit von der Schule verschwunden.

Sie Story ist einfach zu gut, um wahr zu sein, oder? Bei Dailykos hat die Story für richtig viel Streit gesorgt. Soll man sich mit diesem tabloid stuff gegen den politischen Gegner stellen? Wie schützt man die Kinder vor dieser Schlammschlacht?

Nun ist bei Dailykos wieder eine entschäfte Version der Story aufgetaucht. Interessant finde ich die zunehmend emotionalen Updates des Autoren:

**Update 2: Looking at the comments section makes my blood boil in anger and frustration. I’m not spreading a rumor first of all, second of all this is why we lose time and time and time again because we want ’nobility‘ in politics and we get shot in the face each time we try to play the ’noble‘ way with the Republicans. If this had been us the GOP operatives would have called a GOP strategist to seriously look into this charge and smear it all over a Democrats face and then beat us and we would then go back to our blogs and complain about how much the Republicans suck. The issue is not spread a rumor or smear her daughter, I am simply saying if you are lying governor tell the truth just tell the truth. Truth is all we want.

**Update 3: The same people attacking me now in the comments section probably called the National Enquirer story about John Edwards rubbish until he had to finally admit it. I know the National Enquirer is trash but they were certainly right about that, so please stop with the stupid comments about give it a rest and „Oh lord“ and all of that bull shit, this woman is lying and creating a false narrative and I’m supposed to leave it alone, well to those of you who tell me to leave it alone I say FUCK YOU. I will not leave it alone, the last thing we need as Vice President is a liar who’d go to such extremes to cover something like this up, haven’t we had enough of that already over the last 8 years?

**Update: Folks! Is this really who the fuck I’ve been hanging out on this blog with??????? A bunch of people who want us to play nice, what the fuck is this about? This is a serious issue and if this were us the Freepers would be all over this and it would be on FOX news by Sunday Night like the madrassa story. This is our fucking problem, we want to play nice with somebody who wants to fucking kill us, they would smear this story all over our fucking faces had it been us. Regardless of what you think of Republicans they sure as hell know how to win elections and looking at the bull shit comments below I totally see why. „Stay on issues“ „we’ll win on issues“ John Kerry lost on isssues, Walter Mondale lost on issues and Michael Dukakis lost on issues. I’m not spreading rumors here I’m saying look into this very serious matter and stop fucking attacking me idiots.

Drehbuch-Idee

In einer Wohnung wird die Leiche eines unbekannten Musikers gefunden. Der Kommissar ermittelt: der Ermordete hatte Warteschleifen komponiert. Millionen sind verdächtig.