Fehler? Fakt!

Fehler sind nicht nur menschlich, sie sind kaum vermeidbar.

In 99,7 Prozent aller Texte über 3000 Zeichen finden sich grobe Ungenauigkeiten, Verzerrungen oder plumpe Fehler. Das reicht vom simplen Vertipper über Grammatik-Schleifen, die der Logik über die Zehen fahren bis hin zu Terminologie-Missbrauch, der die Zehennägel der Fachleute zum Rollen bringt. Oder jemand erfindet einfach Statistiken. Wenn dazu noch ein Journalist morgens über Quantenphysik schreibt und mittags über die Ego-Probleme der Facebook-Nutzer, steigt die Fehlergewissheit über 3000 Zeichen auf 99,97 Prozent.

Da dieser Blogeintrag aber bedeutend weniger Zeichen hat, kann man das ruhig ungeprüft glauben.

Quellennachweis, nachgeholt

Aus der Bönningheimer Zeitung Online:

In der Meldung „Gangolf Stocker gibt Amt auf“ vom 29. März vermisst der Fotograf Michael Beckenkamp in Freiberg bei Stuttgart unter dem Bild Stockers einen Hinweis auf seine Urheberschaft. Beckenkamp gibt an, das Foto am 16. Oktober 2010 bei Wikipedia hochgeladen zu haben. Er kann nicht ausschließen, dass uns das Bild über Stocker selbst erreicht hat, weil er, Beckenkamp, es diesem schenkte, gleichwohl: Wir holen hier den Hinweis nach. Unterm Bild hätte die Quellenangabe „Foto: Mussklprozz/ Wikipedia“ stehen müssen. Mussklprozz schreibt sich wirklich so.

Relevanz allerorten

Für eine Arztpraxis in der Nähe meiner Wohnung sind bei Google Maps falsche Öffnungszeiten angegeben. Also loggte ich mich ein, um den Fehler zu korrigieren. Crowdsourcing par excellence. Aber ich hab mich zu früh gefreut: die falschen Daten kommen offenbar von Qype und können daher nicht auf Google Maps verändert werden.

Stattdessen kann ich nur ein Feedback-Formular ausfüllen, dass das Relevanzkriterium von Google Maps enthüllt:

maps-relevanz

Hauptsache Zensursula

Bei manchen wirkt das Wort „Kinderporno“ merkwürdig. Emotionen übermannen jede Logik, und der Betroffene ist ganz in einer eigenen Welt gefangen, in der es Bösewichter gibt, die allesamt aus einem Wallander-Krimi zu stammen scheinen.

Das gleiche passiert offenbar auch mit dem Wort „Zensursula“. Wenn ich mir ansehe, welche Behauptungen Behauptungen in dem Zensursula-Lager aufgestellt, gelobt und beklatscht werden, raufe ich mir manchmal die Haare. Die Realität ist komplex, lasst sie uns auf ein Schwarz-Weiß-Schema herunterbrechen.

Aktuelles Beispiel: Diese Meldung, an der auch Ralf Bendrath seine Zweifel angemeldet hat. Da glaubt jemand, dass er über den First-Level-Support und eidesstattliche Versicherungen einen vorzeitigen Beginn der Sperrungen nachweisen kann. Das ist schon merkwürdig. Dann kommt aber als Update

Arcor hat in einem Online-Artikel des BKA am 10. Juli kundgetan, dass ab dem 1. August 2009 Stopp-Schilder vor Kinderpornoseiten gesetzt werden. Dieser Artikel wurde inzwischen gelöscht und ist nur noch über den Google-Cache erreichbar. Was hat Arcor nur dazu bewegt?

Was da als „Online-Artikel des BKA“ einen amtlichen Anstrich bekommt, ist in Wahrheit eine simple dpa-Meldung. Und sie ist nicht von der Webseite verschwunden, weil Arcor etwas verbergen wollte, sondern weil alle dpa-Meldungen auf Arcor.de nach relativ kurzer Zeit verschwinden. Den letzten Part will ich bei niemandem voraussetzen, aber wie verwechselt man eine simple Newsticker-Meldung mit einem BKA-Dokument oder einer Erklärung zur Firmenpolitik von Arcor/Vodafone? Und warum ist keine soziales Korrektiv vorhanden, das den Autoren auf die richtige Bahn schubst?

Aber diese Schwarz-Weiß-Malerei betrifft nicht nur unerfahrene Blogger, sondern auch Leute, die eigentlich genug Medienkompetenz besitzen müssten, um Zusammenhänge, Kontexte und logische Argumentationen zu erkennen. Zum Beispiel der viel gelobte Spiegelfechter, der von der Leyens Indien-Panne aufgreift und dann plötzlich Inzidenz mit Evidenz verwechselt. Die Argumentation verläuft ungefähr so: Das Bundesfamilienministerium zitiert eine veraltete ICMEC-Studie, also ist ICMEC fragwürdig und integraler Bestandteil des Zensursula-Komplexes. Microsoft hat ICMEC einst 1,5 Millionen Dollar gespendet, also steckt der alt bekannte Bösewicht Microsoft hinter dem „System Zensursula“. Skandal!

Blöderweise hat die ICMEC mit den von unserer Bundesfamilienministerin aufgestellten Behauptungen sehr wenig zu tun. Dass es in Indien keinerlei Ächtung von Kinderpornografie gäbe, hat die Organisation nie behauptet. Dass ICMEC mit einer falschen Darstellung der Gesetzeslage in Indien der Regierung dort Microsoft-Systeme verkaufen will, wäre wirklich eine Meisterleistung des Lobbyismus – Indien mag nicht ganz so durchorganisiert sein wie Deutschland, aber die eigenen Gesetze wird die indische Regierung doch kennen? Und zuletzt: Das kritisierte Microsoft-Produkt „Child Exploitation Tracking System“ (CETS) ist ungefähr das Gegenteil vom „System Zensursula“ – geht es hier doch um die Identifizierung von Opfern. Natürlich gibt es geschäftliche Interessen, Lobbyismus und Fehlinformationen, aber die bei Spiegelfechter aufgezeigten Zusammenhänge sind Google-Artefakte und sind von der Realität so weit entfernt wie der Glaube, dass man mit der Blockade von Webseiten heute Kriminelle nachhaltig behindern kann.

Auch kurios war letztens der Beitrag von Thomas Knüwer, in dem er die Lügen der Bundesfamilienministerin als „amtlich“ bezeichnete. Das Kuriosum: Als Beleg verwendet Knüwer ausgerechnet ein Zitat, das zwar etwas an Sarah Palin erinnert, aber eben nicht dem Dokument widerspricht, das Knüwer als Beleg für die amtlichen Lügen verwendet.

Die Liste ließe sich beliebig lange weiter führen. Stören solche Kleinigkeiten? Nein, natürlich nicht. Es steht ja Zensursula drüber und wenn es um die große Sache geht, darf man solche Kleinigkeiten nicht allzu wichtig nehmen. Das Problem: exakt so argumentiert vermutlich auch von der Leyen.

Tote sind sexy

Newsjunkies haben es schwer: in der Medienmetropole Köln ist das Stadtarchiv eingestürzt, Großeinsatz der Polizei und Feuerwehr. Und gerade jetzt brechen die Server des Medienkonzerns Dumont-Schauberg offenbar zusammen. Express.de ist nur noch schwer zu erreichen, die Webseite des Kölner Stadtanzeigers wirft fast nur noch Fehlermeldungen aus.

Doch warum unbedingt bei der Lokalpresse nachlesen? Der WDR ist doch auch in der Stadt? Nun, die Nachrichten dort sind zu langweilig: Keine Nachrichten über Tote, vermutlich sogar nur leicht Verletzte. Ausgeschlossen werden kann natürlich nichts. Aber langweilig. Dagegen ist die Untergangsstimmung auf express.de doch sexy:

express-30tote

30 Tote! Der Express ist am Ball, weiß mehr als alle anderen. Oder doch nicht? Im Artikel ist jedenfalls plötzlich nicht mehr von Toten die Rede. Im Gegenteil:

Über Tote oder Verletzte gibt es noch keine Erkenntnisse. Todesopfer sind zu erwarten, bislang wurde kein Mensch geborgen.

Wer etwas anderes vermutet oder befürchtet haben könnte, verrät uns der Express nicht.

Alles kein Problem. Schließlich ist der Express eine Boulevardzeitung, die mit der BILD zu konkurrieren muss und bei einem Brand in der Brauerei mal eben von „explodierenden Bierfässern“ fabuliert, um die Nachrichten etwas interessanter zu machen.

Nur leider ist die Vermutung von den 30 Toten auch zu dem seriösen Schwesterblatt Kölner Stadtanzeiger rübergewandert – wie beim Express sind die Toten nur in der Überschrift zu finden, wandern im Laufe des Nachmittags aber runter in den Teaser. Quellen für diese spektakuläre Zahl werden nicht genannt.

ksta-30-tote

Aber das reicht schon aus, um die Kunde von den 30 Toten quer durch die Republik weiterzureichen.

PS: Ursprung des Gerüchts ist offenbar ein Anwohner, der einem n-tv-Reporter aus zweiter Hand erzählt hat, dass er etwas gehört habe. Dass dessen Aussage in der Überschrift und die offiziellen Auskünfte unten im Text landen – eigentlich nur logisch. Oder?

PPS: Die Fehlinformation Latrinenparole wurde inzwischen bei allen Medien gelöscht – bei fast allen.

Google down? Nicht möglich.

Als ich gestern in kurzer Folge fünf Kommentare zu einem relativ alten Eintrag bekam, wusste ich: da stimmt was nicht. Und in der Tat: die Websuche Nummer 1 war disfunktional. Weltweit. Bis zu 55 Minuten lang!

Der Leser oliselli kommentiert meinen Artikel bei Focus Online so:

Das ist mir bisher noch nie passiert. Ich war dann auch tatsächlich so perplex, daß ich eine Systemwiederherstellung am Computer vornahm, im Glauben, es läge an der Technik. Als dieses keine Änderung brachte, zog ich tatsächlich auch in Erwägung, daß es an Google selbst liegen könnte. Mit Yahoo ging es denn auch vorzüglich.

Erster Gedanke: Wie viele Windows-Installationen wurden gestern wegen dieses Hickups auf den Kopf gestellt? Und wie viele Norton-Pakete wurden extra verkauft?

Zweiter Gedanke: Ein Glück, dass so etwas dem BKA nicht passieren kann. Und falls doch ist der Fehler sicher in weniger als 55 Minuten Stunden behoben. Garantiert.

Alt und neu

Online-Archive haben einen Vor/Nachteil: hier sind jederzeit auch alte Artikel und damit auch alte Fehler verfügbar. Selbst wenn nicht etwas völlig schief geht kann man natürlich die Frage stellen: stimmt das noch?

Während die alte Print-Zeitung höchstens in einem Archiv hinmodert, ist die Online-Ausgabe immer frisch wie am ersten Tag. Muss man also ständig 50 Jahre nach Fehlern und Persönlichkeitsrechten durchsuchen, die mit Jahren plötzlich an Relevanz gewinnen?

Spiegel Online hat sich zu einem solchen Schritt entschieden. Nachdem an einem von vielen Medien immer wieder gerne zitierten Institut ernsthafte Zweifel aufkamen hat die Redaktion selbst recherchieren lassen und Artikel aus dem Archiv entfernt.

(via)

Rotten Admins

Am Wochenende war auch von meinem Netcologne-Anschluss die Webseite Rottenenighbor nicht erreichbar. Jetzt läuft sie wieder – und demonstriert mal wieder administratives Versagen. Wer das Weblog der Seite aufruft, bekommt diese schöne Fehlermeldung:

Die Idioten Verantwortlichen haben eine Grafik aus einem internen Verzeichnis eingebunden und offenbar nicht mal einen Test gemacht, wie die Webseite von außen erreichbar ist.

Leerstunde in Krisen-PR

Stefan Niggemeier hat eine PR-Agentur aufs Korn genommen, die damit warb, Beiträge im Auftrag von Subway in diversen „Wissensmagazinen“ platziert zu haben. Natürlich dementiert die Agentur. Nun hat Niggemeier auf der Webseite der Agentur einen Text gefunden, der die Glaubwürdigkeit des Dementis sehr in Zweifel zieht.

Die Antwort der PR-Agentur lässt nicht lange auf sich warten. In den Kommentaren schreibt jemand unter dem Namen des geschäftsführenden Gesellschafters der Agentur dies:

Sehr geehrter Herr Niggemeier,

wir haben den aktuellen Blog von Ihnen gelesen.

Aufgrund dessen, was Sie dort aus unserem internen Content Management System von foleys, welches wohl einen technischen Fehler zu haben scheint, veröffentlicht haben, haben wir die komplette Website vom Netz genommen, um diesen technischen Fehler durch unseren Technikdienstleister beheben zu lassen. Denn es ist weder richtig was dort steht, noch wurde es bewusst veröffentlicht noch hätte es jemals veröffentlicht werden sollen.

Wir möchten es erneut betonen: foleys PR hat keinerlei Schleichwerbung betrieben geschweige denn sonst eine illegale Handlung vollzogen. Auch nicht im Namen seiner Kunden.

Sie selbst kommen mit moralischen Argumenten. Diese verstehen wir und sind auch voll und ganz bei Ihnen. Aber jetzt frage ich Sie:
Ist es moralisch, ohne Beweise (denn es waren – wie bereits erläutert – Missverständnisse und so nicht beabsichtigte Aussagen wie Sie von Ihnen dargestellt werden!) eine kleine PR-Agentur systematisch kaputt zu machen, die nichts Illegales getan hat, sich für evtl. missverstandene Ausdrucksweisen entschuldigt hat, Sie nicht einmal persönlich oder per Email mit dieser Agentur gesprochen haben (obwohl wir Sie angemailt und darum gebeten haben), Zitate/Stellungnahmen nur zum Teil wieder gegeben werden (siehe FAZnet Artikel), Falschaussagen getroffen werden (z.B. hat es nie eine Pressemitteilung von foleys gegeben) etc.? Auf eine Bitte um ein persönliches Gespräch haben Sie bis dato nicht einmal reagiert! Wir haben es gestern telefonisch über FAZnet probiert und heute früh per Email.

Gibt es in Deutschland einen öffentlichen Pranger und Vorverurteilung? Haben wir hierfür nicht Regeln und Mechanismen? Oder dürfen Medienvertreter erst einmal alles schreiben, bis man ihnen das Gegenteil bewiesen hat? Auch Sie haben Verantwortung. Denn wie schon gesagt: Wir haben uns auf unserer Website, die rein zur Eigenwerbung gegenüber Neukunden dient, auf welcher wir auch nie eine Pressemeldung veröffentlich haben, evtl. missverständlich ausgedrückt. Diese Punkte haben wir sofort von uns aus zurückgezogen. Des Weiteren haben wir uns öffentlich dafür entschuldigt. Was wollen Sie noch? Wir bitten Sie daher hiermit auch öffentlich, diese Propaganda einzustellen und stehen Ihnen selbstverständlich weiterhin gerne für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Axel Roggmann