Demokratie und Blogs

Eigentlich hatte ich die Diskussion des Medienquartetts im Deutschlandfunk wegen der bissigen Kritik von Stefan Niggemeier schon ad acta gelegt. Aber in den Kommentaren habe ich zwischen viel Rechthaberei einen interessanten Textausschnitt gefunden:

Das ist eine der grossen – finde ich – Lügen ans Publikum. Also, die ganze Suggestion der medialen Möglichkeiten im Internet trägt immer die schwingende Botschaft mit, das Internet ist demokratisch. Und alle nicken immer nur, wenn wir das hören. Aber ist denn das Internet demokratisch? Das Internet ist allen zugänglich. Das ist sehr gut. Man kann sehr viel damit anfangen. Aber Demokratie hat ja irgendwie auch was mit Ausübung von Herrschaft zu tun, von Organisierung und Strukturierung einer Gesellschaft über bestimmte Regeln und Verfahren. Und in dem Sinne ist das Internet überhaupt nicht demokratisch.

Das ist IMHO eine der spannendsten Fragen des Web 2.0, des scheinbar grenzenlosen Bürgerjournalismus und überhaupt: Welche Entscheidungsstrukturen entstehen in den neuen entkörperten Sozialnetzen, welche Einflüsse hat das Ganze auf unsere Gesellschaft? Vielleicht sollte man ab und zu doch den Blinden zuhören und sehen, ob wir etwas von Ihnen lernen können. Die Sendung spule ich jedenfalls auf meinen MP3-Player zum Konsum bei Gelegenheit.

Sandkasten mit .htaccess

Ich hatte mich schon mal vor einigen Wochen über Fixmbr gewundert. Heute bin ich durch Zufall auf eine andere Episode des akuten Bloggerwahns gestoßen.

Olaf bemerkt dass Fixmbr einen kleinen Werbebanner für ihren Provider platzieren, während sie Werbung bei anderen Bloggern schärfstens verurteilen. Daraus entwickelt sich ein kleiner Flame, bei dem Olaf vornehmlich Links und Zitate beisteuert und Chris von Fixmbr vor allem Beleidigungen. Kommentator Alexander bemerkt plötzlich, dass der Link von Olaf ins Leere führt – nicht weil sich die URL geändert hätte, sondern weil der neue Server von Fixmbr die Anfrage blockt.

fixmbr

Zauberei? Nein, offenbar hat Fixmbr mit der .htaccess-Datei herumgespielt. Klickt man auf den Link man bei Olaf, wird man abgewiesen, drückt man auf Reload, wird die Seite hingegen anstandslos ausgeliefert. Oder für Konsolenfans:

# wget http://www.fixmbr.de –referer=http://fx3.org

führt zum Abweisen des Besuchers und ein einfaches

# wget http://www.fixmbr.de

kommt anstandslos durch den Filter.

Technisch gesehen ist die Erklärung einfach, rein menschlich und sozial erschließt sich mir diese Reaktion nicht – hatte sich Sven doch jovial für das „Ping-Pong-Spielen“ bedankt. Ich muss daher den eingangs erwähnte Bloggerwahn als Arbeitshypothese wählen.

PS:Franztoo hat übrigens die gleiche Strafe ereilt – auch hier ist offenbar unmäßige Kritik der Grund.

Der mächtige Blogger

Da hat sich mal wieder ein Web 2.0-Startup großartig blamiert. In einem Wiki stellten sie ihre Viral-Marketing-Pläne öffentlich und ungeschützt ins Internet – was natürlich von der gesammelten Blogosphäre ausführlich goutiert wird. Chris von F!XMBR ist mitten im Geschehen und zieht daraus weitgehende Schlüsse über die Macht des Bloggers:

Ihr habt noch Glück gehabt, mit diesen teils gemäßigten Reaktionen. Teilweise dadurch geschuldet, dass ich die Screenshots gelöscht habe – doch dazu später mehr. Die ganze Story, mit all ihren Feinheiten, hätte durchaus das Potential gehabt, Yumondo noch vor Start zu begraben – wenn überhaupt, dann wäre nur noch ein Start unter neuem Namen möglich gewesen.

Ich finde das übertrieben. Sicher ist diese Nummer extrem peinlich für die Firma – aber bedeutet so etwas automatisch das Todesurteil, wenn denn ein Blogger seine Screenshots nicht löscht? Naiv wie ich bin, schrieb ich das in die Kommentare und erhielt bald merkwürdiges Feedback.

Besonders irritiert bin ich wegen der Antwort von Chris:

Herr wirf Hirn vom Himmel, am besten auf die Luftnummer Torsten hier. Wird zwar nicht viel nützen, aber man soll die Hoffnung nie aufgeben.
Was für eine Pfeife…

Für jemand, der oben lang und breit einen offenen Diskurs empfiehlt, ist das IMHO eine merkwürdige Reaktion.

Mobilisierungspotenzial

Seit Monaten sind die GEZ-Gebühren auf Internet-PCs ein Dauerbrenner in deutschen Medien. Unterschriftenlisten füllen sich von selbst, Blogger bloggen in seltener Eintracht und wenn dann einer zu einer Real Life-Demo aufruft kommen ganze 20 Leute. Ein Glück, dass die Ministerpräsidenten das nicht gesehen haben.

[kein deutsch]

Das deutschsprachige Blog des WLAN-Vermarkters Fon ist ein exzellentes Anschauungsexemplar für kleine und große Sünden der Unternehmenskommunikation und des Bloggens. Oder für Sünden der Kommunikation allgemein.

Heute habe ich zum Beispiel folgenden Eintrag gelesen:

Wie viele Deutsche sprechen [kein] Englisch?
Hallo FONeras und FONeros,

FON ist ein internationales Projekt. Unser webauftritt wird, successive, in vielen Sprachen erfolgen.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie viele Menschen in Deutschland (bzw. im deutschsprachigen Raum) [kein] Englisch sprechen.
Webrecherchen, mit dem Ziel, verlässliche statistische Angaben zu erhalten, gestalten sich, bei genauerem Hinsehen, eher schwierig.

Daher die Frage an die community: „Wer kann mit sinnvollen [web]-Hinweisen dienen, um die genannte Fragestellung besser zu beantworten?“

Die Gegenfrage lautet für mich: wie viele corporate blogger können einfach kein Deutsch mehr?