Nur ein PR-Lakai?

Die Welt veröffentlicht eine Insider-Schilderung der Pleite der Lehmann Brothers. Geschrieben wurde der Artikel von Andrew Gowers, der für zwei Jahre der Chef der Unternehmenskomunikation der Investmentbank war.

Das liest sich mässig interessant. Gowers konzentriert sich auf ein Charakter-Portrait der obersten Bosse, lässt ein paar indiskrete Details über Spitznamen und Kleidungsvorschriften einfließen und liefert eine kurze Chronik von Fehlentscheidungen und gescheiterten Geschäften. Wenn ich den Artikel recht verstehe, gibt es vor allem einen Grund für das Scheitern der Bank:

Sogar in der Firma selbst waren Fulds Besuche in den Handelsräumen seltene Ereignisse. Daher war er abgeschottet von unabhängigen Informationsquellen, von aktuellen Einschätzungen von der Front. Stattdessen wurde Fuld mit sorgsam gefilterten Fakten gefüttert, von denen der engere Mitarbeiterkreis annahm, dass er sie hören wollte.

Was genau macht eigentlich der Chef der Unternehmenskommunikation in einem Unternehmen, dass eigentlich nur aus Informationsflüssen besteht? Gowers selbst scheint keine Verantwortung getragen zu haben, mit seinem Chef zu kommunizieren, er wird von dessen Entourage einfach abgewimmelt und erfährt mit als letzter von der anstehenden Pleite. Ein uninformierter Lakai ohne Einfluss. Bestimmt nicht verantwortlich für die Pleite. Nicht mal entfernt.

OK. Kann ja passieren. Es gibt solche Firmen. Da stellt sich nur eine Frage: Warum hat der ehemalige Chefredakteur der Financial Times ausgerechnet diesen Job angenommen? Und wofür soll ihm Lehman Brothers noch Geld schulden? Boni für die gute Arbeit?

Hungerlöhne?

Aua. Aua. Auweh:

Die 27 und 35 Jahre alten Fahrer hatten ein an die «Frankfurter Rundschau» geschicktes Paket geöffnet und den Stollen daraus gegessen. Anschließend nahmen die Mitarbeiter eines von sechs an die LBB adressierten Daten-Pakete und klebten darauf das Etikett des geöffneten Stollen-Pakets.

Eine andere Meldung vom Tage:

Die Kläger wollen weiter ihre eigenen Mindestlöhne von 6,50 Euro bis 7,50 Euro zahlen, auf die sie sich mit der neu gegründeten Gewerkschaft Neue Brief- und Zustelldienste (GNBZ) geeinigt hatten. Allerdings ist auch diese Gewerkschaft umstritten. Es besteht nach wie vor der Verdacht, dass sie nur zum Schein installiert wurde, um den Mindestlohn zu umgehen.

Der Non-Impact von Facebook & Co

Stern.de hat zu Weihnachten eine gute Idee und bringt etwas über die karitative Seite von Facebook, StudiVZ und Co: Soziale Netzwerke – Communitys als Lebensretter.

Das Problem: die Überschrift stimmt nicht. Im ersten geschilderten Fall stirbt das Baby trotz einer per Facebook vermittelten Knochenmarkspende. StudiVZ kann nur berichten, dass man gerne karitativen Organisationen unterstützen würde – es aber bisher nicht tut. Die Community-Suche nach einer vermissten Studentin in Trier war wie zu erwarten erfolglos. Und bei der abschließend genannten Knochenmarkspenden-Suche ist auch kein Erfolg zu verbuchen.

Haben die sozialen Netzwerke wirklich so wenig greifbare Erfolge zu bieten?

Joost’s got Second Life disease

Von overhyped zu underappreciated – die Videokonserven-Revolution Joost hat die second life disease. War das Startup zu Beginn in aller, aller Munde, kräht heute kein Hahn mehr danach.

Ab morgen klappt der Joost-Client nicht mehr. Um nicht in negativen Schlagzeilen unterzugehen, hat sich Joost in den letzten Tagen mit Positivmeldungen eingedeckt: Facebook-Applikation, iPhone-Applikation und Independent-Bands – nichts ist zu hip für Joost, Jetzt noch schneller, besser, superer im Browser!

Aber es interessiert einfach niemanden mehr. Tidbits – das ist schon alles.

Aber nein: Pressetext Austria steht der Firma treu zur Seite. Die Meldung beginnt mit dem Satz:

Die On-Demand-Plattform Joost http://www.joost.com will sich endgültig als YouTube-Killer auf dem heiß umkämpften Markt für Online-Videos etablieren.

Ob ich mich nächste Woche daran mache, Rudolf Augstein, Helmut Schmidt und John F. Kennedy abzulösen? Natürlich endgültig.

Ach ja: Warum Joost niemanden mehr wirklich interessiert, können deutsche Jon Stewart-Fans sehr gut nachvollziehen. Zwar hat Joost nun endlich einen Channel für die Daily Show, deutsche Surfer bekommen allerdings nur die Fehlermeldung:

Sorry, this channel is not available in your country.

Komisch – das Original darf ich mir ohne künstliche Grenzen ansehen.

Qualitätsfragen

Eine Umfrage unter mehr als 2.400 Fach- und Führungskräften der PR-Branche hat – kurz gesagt – ergeben: die deutschen Medien werden immer lausiger.

Hochverehrte PR-Arbeiter, Partner im Frieden – wer könnte Eurer Analyse widersprechen? Aber ich hätte da eine Frage: wenn Medien Eure Arbeiten übernehmen – wie hier – werden Sie dann besser oder schlechter?

Natürlich verlange ich nicht, dass Pressestellen und PR-Agenturen journalistisch ausgewogene Artikel schreiben. Aber auch eine PR-Fachkraft kann sich die Frage stellen: „Würde ich eine Publikation lesen wollen, die meine Pressemeldungen übernimmt?“ Wenn er oder sie diese Frage öfters ehrlich mit „ja“ beantworten kann, freue ich mich auf eine konstruktive Zusammenarbeit.

Nützliche Werbung

Wer im jetzigen Werbeumfeld überleben will, darf nicht wählerisch sein. So habe ich eben bei Xing diese Anzeige entdeckt:

xing-werbung

Ich finde die Werbung klasse. Ihr fragt warum? Na, bei dem beworbenen Angebot bin ich auf einen wahren Schatz gestoßen: die ultimative Anti-AGB. Man kann sie als Blaupause verwenden: Hat ein Anbieter auch nur eine der Klauseln in seinen AGB, will ich da nicht kaufen. Einige der Highlights:

Clash Media GmbH (“wir” oder “uns”) verpflichtet sich, Ihre Privatsphäre zu schützen und zu respektieren.
[…]

Zum Zwecke der Weiterleitung an Dritte, können wir folgende Daten über Sie sammeln und verarbeiten: Ihre persönlichen Informationen, die insbesondere aus Anrede, Vorname, Nachname, Postanschrift, Geburtsdatum, E-Mail Adresse, Telefonnummer bestehen

[…]

Aus denselben Gründen können wir uns Informationen über Ihre allgemeine Internetnutzung mittels einer Cookie-Datei beschaffen, die auf der Festplatte Ihres Computers gespeichert wird. Cookies ermöglichen es uns, unseren Service Ihnen gegenüber zu verbessern, Größe und Nutzungsgewohnheiten unserer Zielgruppe einzuschätzen, Informationen über Ihre Präferenzen zu speichern und Sie bei einem erneuten Besuch unserer Seite wiederzuerkennen.

[…]

Die über Sie gesammelten Informationen verwenden wir, um sicherzustellen, dass der Inhalt unserer Seite für Sie und Ihren Computer auf möglichst effektive Weise präsentiert wird, um Sie mittels E-Mail, Post oder (Mobil-)Telefon mit Informationen, Produkten, Leistungen oder Angeboten zu versorgen, die Sie von uns anfordern oder die aus unserer Sicht interessant für Sie sein könnten, sofern Sie der Kontaktaufnahme zu solchen Zwecken zugestimmt haben, um Sie über Änderungen unseres Leistungsangebots in Kenntnis zu setzen.

[…]

Wir sind berechtigt, Ihre Daten an sorgfältig ausgewählte Dritte zu verkaufen (oder auf andere Weise weiterzugeben), welche diese verwenden dürfen, um Kontakt hinsichtlich derjenigen Angebote zu Ihnen aufzunehmen, an welchen Sie bei der Registrierung auf unserer Seite Interesse bekundet haben.

[…]

Wir sind berechtigt, Ihre persönlichen Informationen an Dritte herauszugeben: Für den Fall, dass wir ein Unternehmen oder Vermögensgegenstände verkaufen oder kaufen, an den voraussichtlichen Verkäufer oder Käufer des Unternehmens oder der Vermögensgegenstände; für den Fall, dass die Clash Media GmbH oder ein wesentlicher oder der gesamte Teil ihres Vermögens von einer dritten Partei erworben werden, sind die von der Clash Media GmbH gesammelten persönlichen Daten ihrer Kunden ein Bestandteil der übertragenen Vermögensgegenstände; für den Fall, dass wir einer Pflicht unterliegen, Ihre persönlichen Daten offenzulegen oder mitzuteilen, um unseren rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, oder um unsere AGB durchzusetzen oder anzuwenden.

[…]

Wir sind berechtigt, die Daten, die wir von Ihnen sammeln, zwecks Speicherung und Weiterverarbeitung an einen Ort außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) weiterzuleiten. Mit Übermittlung Ihrer persönlichen Daten erklären Sie sich mit dieser Art der Weiterleitung, Speicherung und Verarbeitung einverstanden.

[…]

Obwohl wir unser Bestes tun, Ihre persönlichen Daten zu schützen, können wir die Sicherheit Ihrer an unsere Seite übermittelten Daten nicht gewährleisten.

[…]

Jegliche Änderungen, die wir zukünftig an unserer Datenschutzerklärung vornehmen, wird auf dieser Seite veröffentlicht und Ihnen ggf. per E-Mail mitgeteilt.

Eine kleine Frage: Warum nennt sich das Datenschutzerklärung?

Die Lebkuchen-RAF

Irgendwie bekomme ich das nicht zusammen. Die Meldung beginnt so:

CSU-Chef Seehofer sieht im Attentat auf den Passau Polizeichef einen „Angriff auf unseren Rechtsstaat“, sein Innenminister Herrmann und CDU-Innenexperte Bosbach ziehen Parallelen zu Taten der RAF. Indes tappen die Fahnder tappen im Dunkeln.

Und so hört sie auf:

Das Messer, mit dem die Tat begangen wurde, gehörte ihm selbst. Er hatte das Messer mit einer zwölf Zentimeter langen Klinge wegen einer Nachbarschaftsaktion vor der Tür seines Reihenhauses hingelegt. Im Freien waren Adventskalender mit Lebkuchen aufgehängt. Mit daneben liegenden Messern konnten sich andere Anwohner Lebkuchen abschneiden. Unklar ist, ob das Messer den Täter zu dem Attentat animiert hat.

Erinnert sich noch jemand an den 5. September 1977 als ein paar Terroristen auf der Vincenz-Statz-Straße ein Bündel Waffen fanden und die Gelegenheit nutzten, die fünf Begleiter des Hanns-Martin Schleyer zu erschießen? Oder an die zwei Handfeuerwaffen, die Jürgen Ponto auf seiner Veranda aufbewahrte?

Gelegenheit macht Diebe – aber auch Terroristen?