The Trek is a Lie

Meine Freunde, es erfüllt mich mit keiner Freude, Euch eins zu sagen: Ihr seid über Jahre einer Kriegspropaganda aufgesessen. Ihr müsst Euch aber deshalb nicht schuldig fühlen: Denn diese Propaganda begleitet Euch wahrscheinlich schon seit Kindertagen und selbst in intellektuellen Kreisen wurde wenig bis gar nicht thematisiert, wie ruchlos hier Geschichtsfälschung betrieben wurde.

Dabei betrifft die falsche Historie unsere ganze Welt. Mehr noch: Es betrifft die gesamte Federation of Planets. Ein Imperium im Kostüm einer Utopie.

Ihr kennt alle die historischen Dokumente. TOS, TNG, DS9, VOY und die deutlich weniger verlässlichen Erzählungen der Kelvin-Timeline, Picard des Älteren und DISC. Natürlich handelt es sich um Fiktionen, darüber müssen wir uns nicht unterhalten. Und dennoch bilden diese Erzählungen einen elementaren Beitrag zur Legitimierung, sie sind Teil eines popkulturellen Wertegerüsts geworden, ein Modell, wie man sich verhalten sollte.

Wie kann man aus Fiktionen die Realität kristallisieren? Zunächst benötigt man eine Menge davon – was bei Star Trek ja zweifellos der Fall ist. Und dann beginnen wir damit, die Gemeinsamkeiten zu analysieren. Welche Gesellschaft beschreibt Star Trek eigentlich? Dazu lohnt auch ein Blick auf die Kleinigkeiten, bei denen es sich nicht zu lügen lohnt, die von den Erzählern als selbstverständlich erachtet werden. So schreibt Arthur Conan Doyle niemals über die Körperhygiene seiner Zeit, aber wenn ein Gentleman vergeblich nach heißem Wasser klingelt, dann bekommen wir dennoch ein ziemlich detailliertes Bild.

AI-Bild von Midjourney

Fangen wir mit dem Großen an: Angeblich spielen die Geschichten in einer Zeit, in der die Menschheit Armut besiegt hat, in der Gewalt, die meisten Krankheiten und Krieg unter den Menschen überwunden sind.

Der Waisen-Feldzug

Und doch: Seht auf die persönlichen Biographien der Offiziere: Captain Picard ist bei Dienstantritt auf der USS Enterprise nicht einmal 50 Jahre alt, hat aber keine Eltern mehr. Sein Erster Offizier: Halbwaise, seine Mutter starb auf ungeklärte Weise in seiner frühesten Kindheit. Deanna Troi, Halbwaise, ihr menschlicher Vater starb vor langer Zeit. La Forge? Eine tote Mutter, im Dienst gestorben. Tasha Yar? Vollwaise, geflüchtet aus einem Failed State, der auf unbekannte Weise an der Föderation hängt. Sogar Chief O’Briens Mutter stirbt, kurz nachdem er selbst Vater geworden ist. Janeways Vater ist tot und erscheint als Vision, um sie ins Jenseits zu ziehen, etc pp. Entweder ist Star Fleet ein Selbsthilfegruppe für Waisen oder das Paradies auf Erden ist ziemlich tödlich.

Oder es ist eine Lüge.

Nun schauen wir uns die breitere Mission der Star Fleet an: Exploration, die Erforschung der Grenzen des bekannten Universums und des menschlichen Wissens. Die Botschaft ist klar: Nein, wir sind keine kriegsführende Flotte. Aber unser Flagship ist mit Waffen ausgestattet, die die meisten Zivilisationen in Schutt und Asche verwandeln können.

Kanonenbootpolitik Next Generation

Tatsächlich wird dieses Schiff höchst selten in unbekannte Gefilde geschickt. Seine Missionen bringen es aber immer wieder an die bereits erforschten Grenzen der Föderation – von Farpoint Station bis zur Neutral Zone. Mal versorgt die Enterprise eine der vielen Siedlergruppen, die quer durch die Galaxie verstreut sind und den einflussbereich der Föderation erweitern. Mal transportiert das Schiff Diplomaten, die ihrer Verhandlungsmission die notwendige Feuerkraft verleihen wollen. Im 19. Jahrhundert kannte man ein Wort dafür: Kanonenbootpolitik. Eine Hegemonialmacht oder gar ein Imperium schickt sein Flaggschiff in die weite Welt, um die eigene Überlegenheit eindrucksvoll zu demonstrieren oder sogar zu erzwingen.

Aber war die Enterprise nicht dennoch ein Forschungsschiff? Doch was hat sie tatsächlich erforscht? Die Bilanz ist eher deprimierend. Die wackere Besatzung der Enterprise trifft zwar immer wieder auf neue Erkenntnisse und Technologien. Aber erforschen sie sie wirklich? Kaum. Immer wieder entdecken die Schiffe der Sternenflotte neue Methoden des Weltraumantriebs, die die Warp-Spulen blass aussehen lassen. Doch in der nächsten Folge ist davon keine Rede mehr.

Die sagenhaften Portale der noch sagenhafteren Iconianer zerstört Picard ganz offen. Schlimmer: Benjamin Lafayette Sisko macht es gleich noch einmal. Die USS Voyager stößt ein halbes Dutzend Mal auf Methoden, schnell nach Hause zurückzukehren oder zumindest unbemannte Sonden hin- und herzuschicken, und stampft sie alle wieder ein. Warp 10 verwandelt Menschen in Echsen? Dann schickt halt keine Menschen damit hin und her! Und um den Omega-Partikel unbesehen zu zerstören, wird sogar die Oberste Direktive außer Kraft gesetzt.

Oder was ist mit den Cytherianern, die Reginald Barclay umprogrammieren, damit er der Enterprise einen neuen Antrieb verpasst? Dieser Antrieb wird nach Rückkehr demontiert und niemand spricht mehr ein Wort davon. Ich fürchte, wenn die Cardassianer in ein paar hundert Jahren in das Gebiet der Cytherianer vordringen, werden sie nur noch Trümmer finden, eine Zivilisation, die von Trikobalt-Geschossen atomisiert wurde.

Utopie-Life-Balance

Eine der wenigen Innovationen, die die Föderation tatsächlich zulässt: klingonischer Kaffee. Denn Sternenflottenoffiziere müssen auch dann wach sein, wenn ein Tag 26 Stunden dauert. Überhaupt stellt sich die Frage: Wie ist diese Föderation überhaupt organisiert? Die Sternenflotte ist nach dem Vorbild der imperialen Flotte des British Empire geformt, mit ein paar offenen Fragen: Was treibt die einfachen Matrosen, wenn sie weder Gehalt noch Ehre zu erwarten haben? Und: Wer hat eigentlich das Kommando? Irgendwie scheint die Admiralität den Laden zu schmeißen und bietet dafür einzelnen Vertretern der Mitgliedsgesellschaften ein Luxusleben zwischen den Sternen.

Das ist vielleicht der größte Defekt der Star-Trek-Saga: Tag für Tag behaupten die Charaktere, dass sie Gewinnstreben, Kriegslust und alles allzu Menschliche überwunden haben – doch wie sie das getan haben? Keine Ahnung. Aber sie pokern immer noch. Und womit bezahlen sie den Luxusurlaub auf Risa? Ein Planet, der sogar sein Klima für den Tourismus reguliert, muss andere Einnahmequellen haben.

Ein weiteres ewiges Mantra ist, dass die Föderation im Gegensatz zu den anderen großen Imperien die Entscheidungsfreiheit des Individuums bewahrt. Da ist es aber komisch, dass wir fast ausschließlich Leute sehen, die in einer militärischen Struktur dienen, und die für Dinge wie Befehlsverweigerung verurteilt werden können. Ist die Föderation womöglich genauso militaristisch ausgerichtet wie die Cardassianer oder die Romulaner? Wir können es nicht wirklich wissen.

He’s alive, alive!

Wenn wir einen Blick auf die vermeintlichen künstlichen Lebensformen wie Data und den Doktor werfen, wird es etwas dunkler. Auch das sollte unbestreitbar sein: Beide Figuren sind nicht künstlich. Denn eins der Haupt-Kriterien für Künstlichkeit ist: Man kann es etwas wieder produzieren. Dass die Holo-Detektoren der Voyager nicht mal eben zwei Doktoren projizieren und damit die Notwendigkeit eines humanoiden Assistenten beseitigen, ist nicht nachvollziehbar. Und dass man Data nach Jahrzehnten nicht replizieren kann, obwohl man zwei Exemplare ausführlich analysiert hat und gleich zwei Labore von Noonien Soong auskundschaften konnte, ist ebenfalls unglaublich.

Worum handelt es sich also? Um Wesen, denen offenbar von vorneherein keine Autonomie, keine vollen Bürgerrechte zugestanden werden. Obwohl ihre Fähigkeiten die ihrer Kameraden in den meisten Bereichen übersteigen, wird ihnen der normale Karrierepfad verweigert. Sind sie schlicht Ausländer, die in einer Armee gleich der des antiken Roms Dienst machen, denen die Armeechefs aber fundamental misstrauen? Das ist zumindest eine plausible Annahme.

Die Zukunft von gestern

Was soll das alles? Ja, Star Trek ist eine Utopie – aber eine, die in die Jahre gekommen ist. Die multiethnische Brückenbesatzung um Captain Kirk war ein visionärer Gegenentwurf zum Kalten Krieg, zu den Weltkriegen, die noch keine Generation vorbei waren. Ein Statement für die Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre und gleichzeitig ein Statement für den American Exceptionalism. Zudem musste Gene Roddenberry die Kulissen von anderen Stoffen weiterverwenden, vom Western bis zum Nazi-Drama. Willkommen in der neuen Welt, die doch eigentlich die alte ist.

Literatur, Geschichte, Fernsehen und Filme sind nicht zeitlos und man sollte sie nicht auf einen Sockel stellen, der einen frischen Blick aus nächster Nähe verhindert. Nur wenn man das Heute und das Gestern erfolgreich vereint, haben sie auch noch morgen eine Zukunft.

Das Ende des Golden Age Of TV

Bye Albuquerque.
Und tschüß, Omaha.

Heute endet sozusagen das Golden Age Of TV. Die letzte Folge von Better Call Saul ist gesendet und sie nur vergleichsweise wenig Nachhall.

Ich erinnere mich noch an den 9. Oktober 2010, als ich zufällig die erste Folge von Breaking Bad auf arte sah. Es war kein lang erwarteter Moment. Ich wusste nichts von der Serie, die ursprünglich für den Kabelsender AMC gedreht worden war. Ich machte einfach die Glotze an und da segelte die Hose von Bryan Cranston durchs Bild, bevor er schließlich in Macho-Pose in Tiny Whities auf der Straße stand und mit der Knarre in der Hand seinen Tod herausforderte.

Das wäre mir im Prinzip egal gewesen, aber die erste Folge hatte mich dennoch an dem Haken. Vince Gilligan erzählte die Story eines desillusionierten Mittelstandes in Amerika. Walter ist in einer Tretmühle, sein Ego ist in sich zusammengefallen und er sieht sich seiner Optionen beraubt. Als Lehrerkind konnte ich mich immer ein wenig mit der Familie White identifizieren, mit Spannung sah ich den Held der Serie auf dem Weg nach unten. Die Serie elektrisierte viele wie vorher etwa The Sopranos oder The Wire. Oder wenn wir ein deutsches Beispiel wollen: vielleicht Diese Drombuschs? Es geht um eine Familie und um einen Moment in der Zeit. Fünf Jahre vorher oder fünf Jahre später hätte die Serie nicht mehr diesen Erfolg feiern können.

Breaking Bad erschien zu einer ersten Hochphase eines anderen Mediums: des Podcasts. Mit Begierde verfolgte ich, wie zuerst Vince Gilligan in Podcasts wie The Writers Panel mit Ben Blacker auftrat, um dort von seinem kreativen Prozess zu reden. Wie er ursprünglich vorhatte, Jesse nach ein paar Episoden umbringen zu lassen, aus der Serie herauszuschreiben. Und wie sich Aaron Paul einen festen Platz in der Serie erspielte. Wie die Autoren immer wieder den Plot anpassen mussten, weil zum Beispiel Jesses Haus für eine Staffel lang nicht mehr als Drehort zur Verfügung stand. Und wie Bryan Cranston den Schritt von den kleinen Podcasts zu den großen Abendshows unternahm und zu einem Weltstar wurde.

Doch das machte dem Writers Room nichts aus. Sie hatten Albuquerque als Mini-Kosmos neu erfunden, der auf der einen Seite nichts mit Amerika zu tun hat, aber auf der anderen Seite eine ganze Welt in einer Schneekugel war. Immer wieder konnten sie den Fokus in eine andere Richtung drehen. Die Witzfigur Hank wurde auf dem Parkplatz plötzlich dreidimensional und zog Marie mit. Diese Szene, in der beide im Aufzug nach unten fahren… einfach wow. Kleine Gesten und dennoch große Gefühle.

Breaking Bad war nicht perfekt, sondern ein Spiegel unserer Zeit. Viel zu spät bemerkte ich etwa, welchen Frust die anderen Fans gegenüber Skyler entwickelten, weil sie doch die Spielverderberin war und Walt daran hinderte, spannende Dinge zu machen wie Zugüberfälle und kleine Jungs zu ermorden. Ach nein, das war ja nur Todd. Walter bringt Dealer um. Vielleicht machte diese Misogynie Skyler für mich sogar zu einer stärkeren Figur. Sie verkörpert für mich das Wort Survivor. Aber es ist wohl kein Wunder, dass wir sie in den Folgeproduktionen nicht wiedersahen.

Breaking Bad versank in einem Sumpf. Statt mit seiner Hauptfigur richtig abzurechnen, hat Vince Gilligan Walter White ein paar grobschlächtige Comicbuch-Bösewichte an die Seite gestellt, die dann keine Backstory mehr bekamen – dabei war das das vorherige Kennzeichen der Serie: Jeder hat eine Geschichte. Nur so war es möglich, Walter einen versöhnlichen Tod herbeizuschreiben. Er büßt und verhilft Jesse, seinem eigentlichen Sohn, zur Flucht.

Als Better Call Saul angekündigt wurde, hatte ich wenig Hoffnung. Aber Vince Giligan und Peter Gould haben es wieder geschafft, mich in eine Story hineinzuziehen. Noch deutlicher als zuvor waren die Comedy-Elemente: Das Gericht in Albuquerque ist einfach eine Muppet Show. Aber mittendrin kamen immer wieder Elemente der Selbstinspektion eines Amerika, in dem kurze Zeit später Donald Trump das Ruder übernehmen sollte. Zum Beispiel in der Rolle der Betsy Kettleman, die neben einer Tasche voll unterschlagenem Geld sitzen konnte und gleichzeitig behauptete – nein, der Überzeugung war – dass sie nichts falsches getan hatte. Dass Gesetze für sie nicht gelten, weil sie dieses Geld einfach verdiente.

Chuck als Figur war ein Geniestreich, ein Pol, von dem sich Saul abstoßen konnte. Jimmys älterer Bruder lebt in einer Welt ohne Strom, ein Exil, in dem es ihm noch möglich ist an Prinzipien festzuhalten, die eigentlich nie wirklich ernst genommen wurden. Chuck ist das Establishment, das ganz fest die Augen verschließt, wie es zu der von ihm selbst beklagten Misere beigetragen hat. Chuck kann nicht verstehen, wie seine Aktionen seinen Bruder erst zu dem machen, was er verachtet. Zu Saul.

Better Call Saul hatte von den Fehlern der Vorgängerserie gelernt. Kim wurde nicht den Wölfen vorgeworfen. Sie konnte den Weg von Jimmy zu Saul mitbeschreiten, auch wenn ich ihre Motivation oft nicht nachvollziehen konnte. Der Verschluss der Tequila-Flasche symbolisierte den rebellischen Funken von Kim, die sich aus dem Nichts hochgearbeitet hatte, um schließlich in einem Corporate Apartmentb zu stehen und nicht zu wissen, wie es von hier weitergeht. Ob es noch eine Kim gibt, die nicht ausschließlich das Produkt ihrer Umgebung ist.

Was ich mich bei Serien immer wieder frage: In welcher Welt leben diese Leute eigentlich? Ich will sicher nicht im Albuquerque von Walter und Saul leben. Es gibt zwar ein paar interessante Menschen da. Aber sie spielen alle nur Rollen, die von der Gesellschaft vorgegeben werden. Hank muss in der Garage Bier brauen. Marie muss sich ein Problem wie Kleptomanie zulegen. Wäre Ignacio nicht Nacho, würde er Autositze schneidern, bis er das Geschäft von seinem Vater erben kann. In 20 Jahren. Niemand lebt wirklich in Better Call Saul. Je länger wir in die Schneekugel starren, um so mehr bemerken wir, wie klein sie doch ist. Und dass all die kleinen Figuren keine Augenbrauen haben, weil kein Pinsel klein genug war.

Die letzte Staffel war wie bei Breaking Bad eine Enttäuschung. Lalo war wie zuvor Todd ein Enigma, ein Psychopath, der halt tut, was er tut, um den Rest der Welt etwas besser dastehen zu lassen. Seine große Entdeckung: Er hat ein Loch gefunden. Als ob dies irgendetwas in dem Machtkampf der Salamancas gegen den Chicken Man bedeuten würde. Aber bumm, bumm, bumm. Tragisches Finale. Traumata für alle. An keiner Stelle ergibt der Plot noch irgendeinen Sinn, er schleudert die Charaktere nur noch grob in die erwünschte Richtung.

Better Call Saul war eine spannende Charakterstudie, aber letztlich hat sie ihr Ziel verfehlt. Sie sollte zeigen, wie man einen Menschen wie Saul konstruieren kann. Doch wenn wir uns an seine ersten Auftritte erinnern, ist das nicht gelungen. Ein Jimmy, der mit Kim zusammengelebt hat, wird niemals zum Saul, der von Skyler so aus dem Konzept gebracht werden kann.

Dennoch: Es waren 12 wilde Jahre, und ich würde sie nicht missen wollen. Denn sie markieren auch eine Periode, in der kreativ vieles realisiert wurde, was vorher nicht möglich war und mittlerweile auch nicht mehr möglich ist. Netflix muss sparen und es braucht Stoffe, sie mehr als nur einen Moment funktionieren. Disney Plus muss sparen und braucht Stoffe, die keinesfalls mehr Tiefgang haben dürfen als ein Pixar-Film. Amazon Plus muss sparen und brauchts Stoffe, mit denen man Cola verkaufen kann. Die ARD muss sparen, weil Schlesinger.

Bye Albuquerque.
Tschüß, Omaha.
Und auf Wiedersehen, Golden Age Of TV. Vielleicht müssen wir zur Abwechslung wieder selbst leben, statt nur in Dir ein Spiegelbild zu suchen.

WhatsApp und der falsche Kanarienvogel

Seit Tagen machen Tweets die Runde, in denen behauptet wird, dass die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von WhatsApp gebrochen sei, weil ein „Canary“ tot sei. Doch diese Behauptung basiert auf ein paar grundlegenden Missverständnissen.

Worum geht es?

Dieser Tweet kursiert in meiner Tech-Timeline: „Uh-oh. WhatsApp’s canary just died; they removed the statement that they never have access to your private keys. If you were using it because of its privacy, it’s time to find something else.“

Tweet

Konkreter geht es um diese Grafik, die zeigt, wie sich die technische Dokumentation von WhatsApp geändert hat. Der Satz „At no time does the WhatsApp server have access to any of the client’s private keys“ wurde gestrichen. Die Schlussfolgerung: Weil in der Doku nicht mehr steht, dass die privaten Verschlüsselungscodes niemals übertragen werden, werden sie nun routinemäßig übertragen und damit wird die Verschlüsselung der Chats aufgehoben.

Was hat es mit dem „Canary“ auf sich? Nun: In den USA gibt es die Möglichkeit, einen Anbieter von Kommunikationslösungen zur Zusammenarbeit mit den Behörden zu zwingen, ohne dass dieser davon reden darf. Eine Umgehungsmaßnahme: Die Anbieter besonders sicherer Kommunikationslösungen dokumentieren öffentlich, dass sie nicht unter einer solchen Anordnung stehen. Wenn dies plötzlich nicht mehr der Fall ist, dann wird die entsprechende Versicherung gelöscht. Damit ist klar, dass etwas vorgeht — auch wenn der Betroffene nicht darüber reden darf. Die Analogie ist die eines Kanarienvogels, der von Bergarbeiter mit unter Tage genommen wurde. Die Idee: Wenn der Vogel stirbt, ist die Luft sehr ungesund und die Menschen sollten sich schnell retten.

Das klingt einigermaßen plausibel — bis man anfängt tatsächlich nachzudenken und die Dokumentation von WhatsApp selbst nachliest. Es stellt sich heraus, dass nicht nur ein Satz entfernt wurde, sondern dass es diverse andere Änderungen gibt. Darunter unter anderem diese Versicherung:

Encryption Has No Off Switch All chats use the same Signal protocol outlined in this whitepaper, regardless of their end-to-end encryption status. The WhatsApp server has no access to the client’s private keys, though if a business user delegates operation of their Business API client to a vendor, that vendor will have access to their private keys - including if that vendor is Facebook.When chatting with an organization that uses the Business API, WhatsApp determines the end-to-end encryption status based only on the organization’s choice of who operates its endpoint.The encryption status of an end-to-end encrypted chat cannot change without the change being visible to the user.

Da steht der vermisste Satz wieder:

The WhatsApp server has no access to the client’s private keys…

Danach geht es aber noch weiter. Die Doku beschreibt einen konkreten Fall, wo private Schlüssel an die Facebook/WhatsApp-Server übertragen werden. Facebook würde gerne WhatsApp monetarisieren, indem der Konzern eine Art Call-Center-Service für Geschäftskunden aufbaut.

Lange Rede, kurzer Sinn: Wenn ein Kunde — wie zum Beispiel Coca-Cola — eine Kundenhotline per WhatsApp anbieten will, könnten Gespräche einfach über Call-Center weltweit geleitet werden, was bei einer angeschalteten Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht möglich wäre. Vermutlich kippt Facebook über den eigenen Service noch eine gute Portion AI aus, so dass die meisten Anfragen per Automatismus beantwortet werden. Dafür muss aber Facebook diese Nachrichten lesen können und dies ist, was das technische Dokument beschreibt.

Sprich: Dieses Dokument gibt keinerlei Hinweis darauf, dass die Verschlüsselung von Privatnachrichten kompromittiert wäre. Nutzer sollten sich aber bewusst sein, dass nicht alle WhatsApp-Nachrichten verschlüsselt sind, insbesondere nicht Nachrichten zu Firmen-Hotlines. WhatsApp verspricht den Verschlüsselungs-Status einer Nachricht genau anzuzeigen.

Wer WhatsApp wegen der Privatsphäre nutzt, hat übrigens durchaus berechtigte Gründe, nun über einen Wechsel nachzudenken. Denn Facebook sichert sich grade den Zugriff auf die Metadaten — also ziemlich alles außer den verschlüsselten Inhalten. Auch wenn europäische Nutzer davon zunächst nicht betroffen sind, ist WhatsApp derzeit kein Produkt, das Datenschützer-Herzen höher schlagen lässt.

Nicht in die Sonne starren

Es sind weniger als 50 Tage bis zur US-Wahl — und es wird verdammt knapp. Niemand sollte seine Hand dafür ins Feuer legen, wie die Wahl denn ausgehen sollte. Was man aber fast mit Sicherheit sagen kann: Es wird verrückt werden.

Tagtäglich erreichen uns neue Nachrichten, worüber und in welcher Weise der Amtsinhaber Donald Trump über etwas gelogen hat. Dies mag uns zwar mit berechtigter Empörung erfüllen — aber wer will schon monatelang empört sein? Es erschöpft. Und es lenkt ab von Dingen, die wichtiger, aber nicht ganz so einfach zu verstehen sind. Es erschöpft. Es führt die Diskussion auf eine Ebene, in der jeder nur verlieren kann. Und: Es erschöpft!

Sonnenfinsternis 4 Jan 2011, 9-40 h, Südwestsachsen 4192
Hedwig Storch / CC BY-SA

Deshalb ein Ratschlag, der nicht nur bei einer Sonnenfinsternis gilt: Schaut nicht direkt in die Sonne. Wenn der US-Präsident in den Schlagzeilen auftaucht, ignoriert einfach, was genau er gesagt hat und was ihn wohl dazu motivieren mag. Warum redet er nur mit Bob Woodward? Und warum sagt er ihm Dinge aufs Band, die absolut furchtbar beim Wahlvolk ankommen müssen? Wisst ihr was? Das juckt mich nicht. Ich habe meinen Frieden damit gemacht, dass ich die Gedankengänge von Donald Trump weder rational, noch emotional nachvollziehen kann. Wenn etwas spannend ist, dann sind es die Seitenaspekte, die ich verstehen kann. Zum Beispiel: Wie wird solch ein Buch üblicherweise geschrieben? Welche Dinge weiß Woodward sicher und welche lässt er sich erst durch das Interview bestätigen?

Eine ähnliche Vorgehensweise kann ich bei vielen Themen empfehlen. Ein Prominenter wird von einer staatlichen Einrichtung unbotmäßig, gar grausam behandelt? Die Frage wäre natürlich: Was geschieht tagtäglich mit nicht-prominenten Menschen? Kann man da etwas tun? Ein Berufsprovokateur sagt etwas Empörendes bei Markus Lanz? Wer waren denn die anderen Gäste, die Fachkompetenz einbringen sollten und hatten sie auch etwas zu sagen? Ein schrecklicher Unfall kostet Leben. Kann man da vielleicht etwas tun, damit das nicht mehr passiert?

Starrt nicht in die Sonne. Schaut aber auch nicht ganz weg.

Die Radfahrer und die LKWs

Immer wieder muss ich Artikel über Radfahrer lesen, die von LKWs getötet wurden. Wann immer ich solche Meldungen auf Facebook oder anderen sozialen Medien sehe, bemerke ich viele Kommentare, dieser Art. „Kein Wunder! Die Radfahrer fahren auch ständig bei Rot! Die können doch einfach warten!“ Besonders gehässige Zeitgenossen kommentieren die Todesnachrichten sogar mit Smileys.

Augenscheinlich meinen viele Leute, dass die getöteten Radfahrer den LKWs den Weg abschnitten und sich leichtsinnig in Gefahr gebracht haben. Dass die Opfer zumindest zu einem guten Teil mit Schuld sind. Dass mit etwas defensiver Fahrweise und kluger Rücksicht alle diese Unfälle vermeidbar seien.

Leute, die so kommentieren, verkennen das Problem extrem. Denn das Gegenteil ist der Fall: Radler, die gewisse Regeln ignorieren, die bei Rot fahren, die sich mitten auf die Straße stellen, sind vor solchen Unfällen ziemlich geschützt. Die regelgerecht wartenden Radler jedoch nicht. Ich versuche es hier mal zu erklären.

Wie also passieren diese tödlichen Unfälle? (Vorsicht: Diese Schilderung wird etwas drastisch.)

Stellt Euch vor, ihr steht mit Eurem Rad auf dem Radweg an einer Kreuzung. Die Ampel ist rot, neben Euch steht ein LKW. Vielleicht seid ihr auf dem Radweg neben den LKW gefahren. Vielleicht kam er aber auch erst nach Euch und hat sich neben Euch gestellt. Egal. Die Ampel springt auf grün.

Ihr wollt losfahren, bemerkt aber plötzlich, dass der LKW-Fahrer Euch nicht gesehen hat und einfach abbiegt. Ihr seid erst überrascht, verärgert, bleibt stehen — und dann geht es sehr schnell. Denn während das Führerhaus in der Straße nach rechts abbiegt, schwenkt der Auflieger hinter Euch ein. Auf Arm- oder Schulterhöhe berührt Euch der LKW erst und schmeißt Euch dann um.

Grund ist die sogenannte Schleppkurve. Weil LKWs sehr lang sind, haben sie eine deutlich andere Fahrphysik als normale PKW. Während das Führerhaus bei Kreuzungen einen großen Kreis fahren muss, fahren die Hinterräder eine deutlich kleineren Radius. In diesem Video wird dies sehr anschaulich demonstriert. (Ignoriert aber die Kommentierung, dazu später mehr.)



Bildquelle: SafetyFirstTV – https://youtu.be/7epEGszJ3TM

Stellt Euch weiter vor: Ihr liegt nun weitgehend bewegungsunfähig unter dem LKW auf der Straße. Vielleicht habt Ihr euch die Schulter gebrochen, vielleicht habt ihr durch den Aufprall eine schwere Kopfverletzung. Das Rad hindert Euch schnell wegzulaufen. Wenn der LKW-Fahrer immer noch nicht merkt, was da grade passiert, wird es richtig schlimm. Denn die Hinterräder überrollen Euch samt Rad.

Die Überlebenschancen sind an diesem Punkt nur noch gering. Kein Helm kann helfen. Und das neue Verkehrsopfer hat genau das getan, was andauernd als mögliche Lösung präsentiert wird: Einfach neben dem LKW warten, wenn der sich die Vorfahrt nimmt.

Natürlich läuft nicht jeder Unfall genau so ab. Etwas ganz ähnliches ist aber mir schon im Kölner Straßenverkehr passiert. Ein LKW nahm einfach Radfahrern die Vorfahrt — der Radweg war voll, kein Missverständnis wegen eines toten Winkels war möglich. Der wollte einfach nicht warten und fuhr ohne Rücksicht los.

Wir Radfahrer kamen schnell zum Stehen. Und dann plötzlich kam der Aufleger rapide auf uns zu, erst einen, dann zwei Meter. Er hätte die Radfahrerinnen vor mir fast erwischt, die nicht einfach zurückweichen konnten. Ich glaube, ich habe nie in meinem Leben so laut geschrien. Der LKW hielt grade noch rechtzeitig.

Blickkontakt und toter Winkel

Auch Radfahrer kommentieren solche Unfälle immer wieder mit Appellen, dass Radfahrer defensiv fahren sollten, dass sie mehr Rücksicht auf LKWs nehmen sollten, weil diese ja im toten Winkel nichts sehen könnten. Doch solche Vorschläge sind fehlgeleitet und potenziell tödlich. Auch in dem oben erwähnten Video wird das Überwalzen des Radfahrers lapidar kommentiert: „Also auch bei Grün lieber mal vor der Ampel warten“.

Im Stadtverkehr sind solche Ratschläge zum einen unrealistisch. Gerade im Berufsverkehr, gibt es nicht nur den einen LKW und den einen Radfahrer – man muss auf Dutzende Verkehrsteilnehmer gleichzeitig achten. Wer aus Angst einfach auf dem Radweg stehenbleibt und ihn so blockiert, sorgt für neue Probleme und damit für neue Unfallgefahr.

Als etwa vor ein paar Wochen eine Radfahrerin am Friesenplatz überrollt und getötet wurde, war sie sehr defensiv unterwegs. Sie kreuzte erst als klar war, dass der LKW für zwei andere Fahrradfahrer stoppte, den Radweg also gesehen hatte. Dass der LKW plötzlich anfahren würde, konnte sie schlichtweg nicht ahnen.

Zum anderen: Auch das Stoppen hilft nicht unbedingt. Denn Radfahrer kontrollieren nicht ob ein LKW neben ihnen hält. Und je nach Kreuzung kann die Schleppkurve auch einen Radfahrer erwischen, der vor der Ampel steht.

Viele verweisen auf den toten Winkel — doch den darf es laut Gesetz eigentlich schon lange nicht mehr geben. Ganze sechs Rückspiegel sind gesetzlich vorgeschrieben, die den LKWs vollen Blick auf jeden Winkel bieten müssen. Was hingegen durch die gewölbten Rückspiegel nicht möglich ist: Radfahrer können keinen Blickkontakt mit dem Fahrer aufbauen, um zu kommunizieren oder sicherzugehen, dass man selbst gesehen wird. Es ist schlichtweg physisch unmöglich.

Natürlich wäre es töricht, die Beschränkungen nicht realistisch einzuschätzen. Wenn ein LKW-Fahrer sechs Rückspiegel zu kontrollieren hat, benötigt das Zeit. Und wenn der LKW-Fahrer dazu noch den Verkehr von links im Auge haben muss, ist es für ihn nicht möglich alle Wege gleichzeitig im Blick zu halten. Und genau deshalb ist ein wartender Fahrradfahrer ein zusätzliches Risiko.

Stellt euch die Situation an der Kreuzung nochmal vor. Diesmal seid ihr aber der LKW-Fahrer. Und ihr gehört nicht zu der Sorte, die anderen Leuten die mutwillig und gewohnheitsmäßig die Vorfahrt nehmen. Ein Fahrer, der nicht übermüdet ist. Ihr blickt also in die Rückspiegel rechts und seht dort einen Radfahrer, der eindeutig Vorfahrt hat.

Alles klar, ihr müsst also ein paar Sekunden warten. Nun kontrolliert ihr den entgegenkommenden Verkehr. Wenn sich dort eine Lücke auftut, kontrolliert ihr nochmal die Rückspiegel rechts: Da ist ja schon wieder ein Radfahrer. Also könnt ihr immer nicht losfahren. Wieder ein Blick nach links. Bis tatsächlich klar ist, dass der Radfahrer Euch die Vorfahrt überlassen will, ist für beide schon wieder rot. Oder beide entscheiden sich gleichzeitig, die scheinbar angebotene Vorfahrt anzunehmen. Und dann passiert genau das, was wir oben schon durchgespielt haben.

Radfahrer nach vorne!

Was können Radfahrer also tun? Nun, es hängt doch sehr von den Gegebenheiten ab. Hier zum Beispiel eine Kreuzung am Kölner Militärring, wo es keinen Radweg gibt — zumindest nicht in dieser Richtung. Hier stelle ich mich möglichst mittig. Und in diesem Fall bleibe ich hinter dem LKW. Und wenn ein LKW sich neben mich stellen wollte, könnte er das nicht tun. Leider ist dies nicht bei allen Kreuzungen so. Oft werden Radfahrer mit Schutzstreifen oder nutzungspflichtigen Radwegen genau in die Gefahrenzone gezwungen.

Die konsequente Lösung heißt: Radfahrer gehören nach vorne. Denn hier gibt es keinen toten Winkel. Man kann sie schlichtweg nicht übersehen. Das haben mittlerweile auch die Verkehrsplaner in Köln eingesehen und bauen immer mehr von diesen Haltezonen exklusiv für Radfahrer vor Ampeln. Dazu gehört an großen Kreuzungen auch oft eine eigene Ampel, die Radfahrern einen minimalen Vorsprung gibt. Zwar starten Radler in der Regel eh deutlich schneller als Autos — aber der Vorsprung verhindert, dass die Leute mit Gaspedal noch mitten auf der Kreuzung überholen wollen. Statt eines Vorfahrtsrecht, das den Fahrradfahrern faktisch über die Macht der PS wieder ausgetrieben wird, gibt es für Radfahrer einfach eine echte Vor-Fahrt. Es wäre klasse, wenn es auch anders ginge, aber leider ist es nun mal nicht so.

Falls sich einige nun fragen, was diese Aufstellflächen sollen, wenn die Radfahrer eh nicht dort hingelangen können — selbst unser autobegeisterter Gesetzgeber hat eingesehen, dass Radfahrer nach vorne gehören. Und deshalb gibt es den Paragraph 5, Absatz 8 der Straßenverkehrsordnung.

(8) Ist ausreichender Raum vorhanden, dürfen Rad Fahrende und Mofa Fahrende die Fahrzeuge, die auf dem rechten Fahrstreifen warten, mit mäßiger Geschwindigkeit und besonderer Vorsicht rechts überholen.

Ich hoffe, dass dieser Text einigen vielleicht die Augen öffnet. Gute Fahrt.

Lets Play Call Of Duty Mobile.

Willkommen bei Call Of Duty Mobile. Ich bin noch neu in dem Geschäft, also verzeiht, wenn ich meinen Twitch-Channel in Textform abliefere. Und eine Einführung für Germanisten abgebe. Videospiele sind vielleicht nicht Shakespeare, aber… vielleicht doch.

Sein oder Nichtsein; das ist hier die Frage:
Obs edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern
Des wütenden Geschicks erdulden oder,
Sich waffnend gegen eine See von Plagen,
Durch Widerstand sie enden? Sterben – schlafen –
spielen.

Wo könnte man das besser ergründen als in einem zünftigen Battle Royale? Tatsächlich ist jede Runde ein kleines Drama, mit Mut und Verrat, mit Schicksalsschlägen und unerwarteten Wenden.

Keine Bange, ich kann spielen. Level 150, ich bin in den Top 5 Prozent der Spieler weltweit. Denn es gibt nur eine Liga für alle. Dabei war ich nie ein Gamer, und ich werde wohl auch nie einer werden. Aber spielt für ein paar Wochen einmal am Tag und ihr könnt die meisten besiegen.

Dazu gehören ein paar Punkte:

1. Besorgt Euch einen guten Kopfhörer

Call Of Duty ist zwar ein First Person Shooter, aber der Blickwinkel auf einem Handydisplay ist naturgemäß minimal. Statt den Gegner von weitem zu sehen, nimmt man ihn meist über sein Schrittgeräusch zuerst wahr. Wenn ihr keinen Kopfhörer oder noch schlimmer laute Musik laufen lasst, seht ihr die Gegner erst, wenn sie Euch die erste Salve in den virtuellen Leib gejagt haben. Und mehr als 20, 30 Schuss überlebt man nicht ohne eine 10 Sekündige Behandlung durch einen Teamkameraden. Wie ihr seht: Realismus wird hier groß geschrieben. Es muss kein 200-Euro-Gamer-Kopfhörer mit 5 Dimensionen sein. Aber es sollte ein Kopfhörer sein, der Euch in die Gamewelt eintauchen lässt, ohne dass ihr den Kühlschrank rattern hört. Schlichte Lautstärke hilft da nicht.

2. Guckt zu

Ein richtiger Gamer braucht nicht lange, um sich mit einem neuen Spiel auseinanderzusetzen. Alle Steuerungskonzepte sind bekannt und da die meisten Games auf wenigen Game-Engines basieren ist sogar die Optik sehr ähnlich. Wer kein Gamer ist, kann etwas Hilfe gebrauchen. Call Of Duty Mobile hat wie eigentlich alle Spiele der Kategorie die Möglichkeit, anderen Spielern beim Spielen zuzusehen — entweder weil man im Teammodus grade gestorben ist oder man sich mit anderen Spielern verknüpft hat. Das kann durchaus lehrreich sein. Welche der Waffen ist für welche Einsätze geeignet? Wo finde ich wohl die besten Extras, wenn ich an einer bestimmten Ecke der Map gelandet bin? Aber auch: Wie gut spielt man mit anderen Spielern zusammen? Wer keine Freunde in CoDM findet, kann sich auch einfach auf Twitch einen entsprechenden Kanal suchen.

3. Sucht Mitspieler

Was bei Call Of Duty Mobile klasse ist: Es gibt einen schier unerschöpflichen Vorrat an Mitspielern. Man kann sich zu jeder Tages- und Nachtzeit einloggen und innerhalb von einer Minute stehen 98 andere Spieler für eine Battle Royale-Runde zur Verfügung. Noch besser: Die meisten der Spieler sind nicht besonders gut, nicht konzentriert oder sogar gönnerhaft, so dass ein Anfänger immer die Gelegenheit hat, Siege zu erringen.

Die Schattenseite daran: Wer über die normale Team-Zuteilung spielt, hat immer auch Mitspieler, die nicht gut, nicht konzentriert sind oder den Gegnern mal eben eine Partie schenken. Es gibt zwar einen Sprachchat — aber es ist unwahrscheinlich, dass man die gleiche Sprache spricht. Die Single Serving Friends — man erinnert sich vielleicht an die Szene in Fight Club — sind bemerkenswert unzuverlässig. Viele steigen plötzlich mitten in der Partie aus oder haben eine so schlechte Internetverbindung, dass ihre Spielfigur plötzlich minutenlang einfriert. Neulich hat ein Mitspieler den Hubschrauber abgeschossen, in dem grade drei Teamkameraden saßen. Die Runde ging nicht gut für uns aus.

Man kann sich Facebook-Freunde einladen (was ich nie tun würde), man kann sich mit der rudimentären Clan-Funktion rumschlagen oder man kann sich Leute aus Zufallsspielen zusammensuchen. Besser ist es auf jeden Fall, wenn man ein paar Mitspieler hat, die einen nicht an jeder Ecke hängen lassen und bei denen man weiß, was die von einem erwarten.

4. Widersteht Free-to-Play

Call Of Duty Mobile ist eigentlich kostenfrei, aber an jeder Ecke versucht man euch etwas zu verkaufen. Wenn ihr damit nicht klarkommt, dann ist das Spiel nichts für Euch. Ihr müsst nicht nichts ausgeben. Aber wenn ihr 80 Euro in Digitalen Mist investiert habt, dann habt ihr sicher überbezahlt.

5. Respektiert den Flow

Call Of Duty ist bemerkenswert gut perfektioniert, um den Spieler zu binden. Eine Spielrunde dauert exakt so lange, wie man mal eben entbehren kann. Die Spülmaschine braucht noch 10 Minuten? Schnell eine Runde spielen. Der bohrende Nachbar hindert Euch am arbeiten? Schnell eine Runde spielen. Und wenn Ihr zu einer zweiten, dritten, vierten Runde eingeladen werdet — wer kann das schon ablehnen? Ihr könnt. Wenn ihr damit nicht klarkommt und ihr nicht abschalten könnt, ist das Spiel nicht für Euch. Und spielt nicht, wenn eine Kochplatte an ist. Denn ein Wohnungsbrand ist das letzte, was derzeit gebraucht wird.

6. Kommuniziert

Selbst wenn der Sprach-Chat nicht funktioniert, weil niemand in Eurem Team eine gleiche Sprache spricht — versucht zu kommunizieren. Etwa, wo man am besten beim Battle Royale abspringen könnte. wo ihr Feinde gesichtet habt. Oder wann es Zeit ist aufzubrechen, bevor Euch die Todeszone aufholt. Wenn ein Dialog in Gang kommt, haben es Eure Mitspieler schwerer, Euch einfach liegen zu lassen, wenn ihr verwundet seid. Und wenn teams zusammenhalten, landen sie fast immer auf den oberen Plätzen. Winner? Winner!

Der Coronische Imperativ

Der Ende der ersten Phase der Pandemie ist in Deutschland erreicht: Die Zahlen stagnieren zumindest für eine Weile, viele Beschränkungen werden wieder aufgehoben. Die schlechte Nachricht: Auch wenn wir das Virus nun halbwegs unter Kontrolle zu haben scheinen, ist es nicht verschwunden und wird sich auf Dauer bei uns halten. Phase 2 beginnt. Sie stellt keineswegs das Ende der Krise dar. Auch wenn nur von Lockerungen die Rede ist: Ein Bündel an Maßnahmen wird durch ein anderes Bündel an Maßnahmen ersetzt. Die zweite Phase wird nicht unbedingt leichter als die erste.

Es besteht kein Zweifel: Die neuen Maßnahmen sind den alten Verboten vorzuziehen. Menschen brauchen einander. Es ist wichtig für unsere physische und psychische Gesundheit, dass wir tatsächlich andere Menschen treffen können. Und damit weiter Gehälter ausgezahlt werden und Nahrung auf den Tisch kommt, brauchen wir wirtschaftliche Betätigung.

Das Virus ist nicht gerecht

Damit das auf lange Frist funktionieren kann, brauchen wir jedoch neue Maßnahmen, die oft genug ungerecht erscheinen mögen. Nicht jedes Restaurant hat eine riesige Terrasse, auf der Gäste mit gebotenem Abstand bedient werden können. Wer auf vollbepackte Clubs als Publikum angewiesen ist, wird dies auf absehbare Zeit nicht können. Die Kinderbetreuung stellt insbesondere die vor große Probleme, die ohnehin schon benachteiligt waren.

Für berechtigte Frustration sorgt, wenn Leute diese Maßnahmen auf keinen gemeinsamen Nenner bringen können, wenn sie wie Willkür erscheinen. Warum darf die Bundesliga Millionen verdienen, wenn ich um meine schiere Existenz bangen muss? Warum soll ein Möbelgeschäft eher eröffnen dürfen als ein dringend benötigter Kindergarten? Warum gab es die 800-Quadratmeter-Grenze für Geschäfte und warum wurde sie wieder abgeschafft? Sprich: Wenn wir unsere Lebensweise opfern, sollten die Maßnahmen konsistent und so gut begründet sein, wie es unter dem Umständen geht.

Die Maßnahmen der ersten Phase waren zweifellos Panikreaktionen des Staates. Niemand wusste genug über die Verbreitungsmethode der neuen Krankheit. Also zogen die staatlichen Behörden die Register, die sie bereits kannten: geschlossene Grenzen, Betriebsstilllegungen, geschlossene Schulen. Und einige neue Maßnahmen: Kontaktverbote, Maskenpflicht, Isolation von Pflegeheimen. Welche Maßnahme wie viel genau zur Verringerung der Fallzahlen beigetragen hat, lässt sich kaum auseinanderdividieren. Eine lebendige Gesellschaft ist kein Laborexperiment. Effekte zeigen sich manchmal mit deutlicher Verzögerung, manchmal gehen sie im Echo anderer Maßnahmen unter.

Noch immer wissen die Experten zu wenig darüber, wo und wie genau sich die aktuell Infizierten angesteckt haben. Statt klarer Anweisungen mit Erfolgsgarantie gibt es daher eher nur Richtlinien: Wo immer es geht, sollte man Abstand von anderen halten. Wenn es nötig ist, in den Ellenbogen husten. Und die Kontakte reduzieren, so weit es geht.

Immanuel Kant formulierte einst den Kategorischen Imperativ: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Der Satz geht davon aus, dass wir die gesellschaftlichen Folgen unseres Handelns so umfassend beobachten und begreifen können, dass wir eine informierte Entscheidung treffen können, was gut und was schlecht sein mag. In unserer kreuz und quer vernetzten Gesellschaft ist das schwieriger als je zuvor.

Einsicht benötigt Erklärungen

Deshalb sind die Regierungen gefordert, den Sinn der von ihnen verhängten Maßnahmen besser und dauerhafter zu erklären, so dass sie nicht vom nun erlaubten Verhalten ad absurdum geführt werden. Zum Beispiel: Ein zentraler Unterschied zwischen COVID-19 und einer Virusgrippe ist die lange symptomfreie Zeit, in dem Infizierte ansteckend sein können. Für jeden Einzelnen heißt das: Selbst wer sich absolut gesund fühlt, muss davon ausgehen, mit einer gewissen — zur Zeit kleinen – Wahrscheinlichkeit erkrankt zu sein. Und damit andere zu gefährden.

Die überall herumgereichten und analysierten Statistiken liefern hingegen nur eine binäre Sicht der Dinge. Ein einmal positiv getesteter Patient ist nach gewisser Zeit entweder tot oder wird in die Kategorie „Genesene“ einsortiert. Aber auch Menschen die nicht in der Intensivstation an Beamtmungsmaschinen landen, berichten von einer ernsthaften Erkrankung. Wie viele Langzeitschäden davontragen ist noch ungeklärt. Der Coronische Imperativ lautete daher in etwa so: „Handle immer so, als könntest Du durch Unachtsamkeit Deiner ganzen Familie und Deinen Freunden eine schwere Lungenentzündung verpassen.“

Die Strategie des Staates ist es, Infektionen möglichst schnell zu identifizieren und zu isolieren. Selbst wer mit keinem schweren Krankheitsverlauf rechnet, wird in den kommenden Monaten mit zunehmend scharfen Reaktionen der Gesundheitsämtern und anderer Behörden rechnen müssen. Vor wenigen Wochen konnten sie unmöglich jede Kontaktperson der Infizierten ausfindig machen. Tests und Quarantänen waren auf Eigeninitiative der Betroffenen angewiesen.

In Phase 2 werden Behörden hier jedoch die Handlungsmacht übernehmen. Auch wer schließlich nicht erkrankt, wird Folgen spüren: Zunehmend strenge Isolierungen, lästige bis schmerzhafte Tests und damit verbunden auch eine gesellschaftliche Ächtung. Zugleich hat eine enorme Datensammelei begonnen: Wer eine Kirche besuchen will oder in einem Restaurant eine Pizza essen will, soll Namen und Telefonnummern hinterlassen, um im Fall der Fälle erreichbar zu sein. Die viel diskutierte Tracing-App kann solche Maßnahmen nicht ersetzen.

Der Staat als Gemeinschaft

Wer tagtäglich Infektions- und Testzahlen studiert und die Berechnung der Reproduktionszahlen nachvollziehen will, sollte auch einen Blick auf einen ganz anderen Wert werfen: Wie weit ist der Ausbau der Gesundheitsämter, der neuen Infrastruktur zur Verfolgung und Isolierung von COVID 19 gediehen? Denn an diesem Ausbau hängt es, ob eine Handvoll „Superspreader“ die Bemühungen der vergangenen Wochen wieder zunichte machen kann. So hat ein einziger Erkrankter ausgereicht, um eine Infektionswelle in Südkorea in Gang zu setzen, die bis zu 2000 Menschen in Isolation schicken soll und die Lockerungsmaßnahmen wieder in Frage stellt.

Wer auf Einsicht des Einzelnen baut, ist auch gefordert, nachvollziehbare Erklärungen zu liefern. Es reicht nicht mehr aus, die abstrakte Reproduktionszahl R vorzurechnen und Deutschland gleichsam aus der Drohnenperspektive zu betrachten. Je konkreter Menschen staatliche Strukturen als Gemeinschaft begreifen, um so eher kann die Phase 2 gelingen.

Datenjournalismus braucht Kontext

Die neue Datenjournalismus-Website „The Markup“ ist nach langem Trommelwirbel und einigen Querelen endlich online. Die mit dem Geld von Craig Newmark finanzierte Website verspricht journalistische Hilfestellung dabei, Wahrheit von Meinung, Anekdote, Spin und richtiggehende Propaganda zu unterscheiden. Es ist Tag 2 und ich muss sagen: Nein, da stimmt etwas ganz gehörig nicht.

Heute bringt das Journalismus-Startup eine Geschichte, wie unterschiedlich Google die Kampagnen-E-Mails der unterschiedlichen Präsidentschaftsbewerber behandelt. Das ist eine legitime Fragestellung und eine systematische Untersuchung zum Thema ist sicher einen Blick wert. Auf Twitter zeigt The Markup, wie sexy die Statistik doch ist. Der Artikel wird mit der maximal tendenziösen Frage eingeleitet: „Google the Giant — Swinging the vote?“ – eine Verschwörungstheorie in Frageform.

But there were huge differences. Gmail sent 63 percent of  @PeteButtigieg 's campaign email to the primary inbox.   But it sent none of  @ewarren 's campaign email there. And only 2 percent of  @BernieSanders 's campaign email landed in the primary inbox.

Natürlich verbreitet sich die Story gleich enorm schnell. Google bevorzugt Buttigieg! Und Sanders wird fast komplett ausgefiltert!

Das Problem ist: Die Methodik der Untersuchung ist so fehlerbehaftet, dass jeder, der daraus eine Erkenntnis ziehen will, grob fehlgeleitet wird.

Für den Laien mag die Idee nachvollziehbar klingen: Man sammelt vier Monate lang alle Emails aller Kandidaten und gibt Google keinerlei Anlass E-Mails auszusortieren. Damit keine Daten das Experiment verseuchen könnten, loggt man sich per Tor Browser ein. Also müsste Google doch eigentlich alle eingehenden E-Mails gleich behandeln. Richtig?

Nein, das ist falsch. Denn das Grundkonzept von E-Mail-Filtern wie bei Gmail ist ein anderes. Ein Funktionsprinzip: Wenn 50000 User eine bestimmte E-Mail als Spam markieren, dann wird die Email beim Nutzer mit der Nummer 50001 die E-Mail automatisch in den Spam-Ordner vorsortiert. Man kann dies wie ich als Grund nehmen, Google Mail nicht zu benutzen. Es ist jedoch journalistisch nicht in Ordnung so zu tun, als habe man dieses einfache Prinzip nicht verstanden.

Zudem ignoriert der Text eine grundlegende Wahrheit. Tatsächlich ist politische Werbung per E-Mail spätestens seit dem Obama-Wahlkampf zu einem schieren Ärgernis für viele Nutzer geworden. Seien wir realistisch: Wenn Amy Klobuchar in nur vier Monaten 312 E-Mails verschickt — wer soll all das noch lesen? Und hier kommt dann der Google-Filter ins Spiel. Er sortiert nicht nur Spam aus, sondern sortiert auch „Promotions“ in einer Extra-Box um, die nicht so prominent angezeigt wird. Wenn nun Kampagnen-Emails in der Promotions-Sparte landen, kann man sagen: Der Filter funktioniert. Die befragten Vertreter der Sanders-Kampagne sehen deshalb auch kein Faulspiel von Google. So funktioniert E-Mail-Marketing nunmal.

Natürlich hat Google hier ein kritikwürdiges Eigeninteresse. Wenn nicht jeder gleichberechtigte Sichtbarkeit im Google-Postfach bekommt, dann kann Google Werbeanzeigen verkaufen. Wahr ist aber auch: Wenn jeder gleichberechtigt Sichtbarkeit im Google-Postfach bekommt, dann wird das Postfach für viele Nutzer nicht mehr nutzbar. Es werden viele Witze über Milennials gemacht, die ihre Mailbox nicht mehr abhören und damit wichtige Nachrichten verpassen. Das ist sicher eine Wahrheit. Aber eine andere Wahrheit ist: Im vergangenen Jahr wurden 58,5 Milliarden Robocalls in den USA getätigt. Wer da nicht mehr ans Telefon geht, hat sich schlicht an eine Realität angepasst.

Zurück zu Google: Es ist nicht verkehrt, die Google-Algorithmen unter die Lupe zu nehmen. Doch das wurde hier ja explizit nicht getan. Wenn Pete Buttigieg nicht in den Promotion-Filter abgeschoben wird, hängt das sicher auch damit zusammen, dass er weniger E-Mails als fast alle anderen Kampagnen versandt hat. Wenn die Post von Bernie Sanders komplett in dem Promotions-Ordner landet, hat es damit zu tun, dass er schon seit über fünf Jahren Wahlkampf macht und Google-Nutzer sehr viel Zeit hatten, seine Kampagnen-Emails als Promotion einzustufen. Ohne diese Kontexte sind die Daten ziemlich wertlos. Die Präsidentschafts-Kampagnen sind schließlich nicht vor vier Monaten vom Himmel gefallen.

Wenn man wirklich über den Einfluss von Google schreiben will, müsste man schon ein paar Gegentests einbauen: Zum Beispiel: Arbeiten Outlook, Yahoo und andere Webmail-Provider wirklich anders? Und: Warum sagt die Sanders-Kampagne, dass sie keinerlei Problem hat, wo doch alle E-Mails im Promotion-Tab landen? Man könnte sich auch ansehen: Nutzen politische Kampagnen das Angebot, einen ersten Platz in der Promotion-Inbox zu kaufen? Notwendig wäre es auch gewesen, mal in die E-Mails hineinzugucken, die im Spamfilter gelandet sind. Gab es dafür vielleicht offensichtliche Gründe, wie extensive Tracking-Techniken? Bei Kampagnen mit hohen Spam-Anteilen wäre auch zu fragen: Woher beziehen sie die E-Mail-Adressen der Empfänger? Nichts davon ist hier geschehen. Wenn man sich den Input nicht ansieht, kann man nicht entscheiden ob der Output eines Algorithmus korrekt oder inkorrekt ist.

Erst ganz zum Schluss des statistischen Addendums räumt The Markup dann schließlich ein, dass die Mühe, die sie sich gegeben haben, eigentlich zu nichts geführt hat:

We were unable to discern from the data we gathered why Gmail treated emails from different political entities differently.

Ich würde es sogar etwas härter formulieren: Die Untersuchung hat nicht mal ergeben, ob E-Mails der Kandidaten tatsächlich unterschiedlich behandelt werden. Das wird aber leider viele Fans von Kandidaten und Journalisten-Kollegen aber nicht davon abhalten, das absolute Gegenteil zu verbreiten.

Medien, seid wie Spiegel Online – transkribiert!

Spiegel Online ist nun zu „Der Spiegel“ verschmolzen und hat einen ausgiebigen Relaunch verpasst bekommen. Ein Feature bekam aber wenig Ausmerksamkeit: Videos werden nun transkribiert. So sieht das aus:

Noch muss man das Transkript per Klick ausklappen. Und noch sind nicht alle Videos transkribiert. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Und zwar aus drei Gründen:

  • Der unwichtigste: Ich mag es viel lieber Texte in meinem eigenen Tempo zu lesen und sie nach wichtigen Informationen abzuscannen. Es ist für Berufsinformationsverarbeiter wesentlich effizienter.
  • Wichtiger: Es gibt viele Menschen, die nicht jede Darreichungsform von Medien mit Gewinn konsumieren können. Sei es dass sie nicht sehen oder hören können, oder dass Technik oder Datentarif nicht mitspielen. Eine textliche Umsetzung macht die Inhalte viel zugänglicher.
  • Transkripte machen Videos vom flüchtigen Medium zum Wissensspeicher. Zwar mögen die Videodateien in großen Mediatheken liegen. Jedoch einen Beitrag wiederzufinden oder nach bisher unbekannten Beiträgen zu suchen, ist oft ein Glücksspiel. Wurde der Beitrag richtig verschlagwortet? Wurden alle wichtigen Zitate von Spitzenpolitikern und Entscheidungsträgern erkannt und in den begleitenden Beiträgen korrekt aufgeführt? Erst mit dem Volltext ist diese Transparenz sichergestellt und Videos gehören endlich zum journalistischen und gesellschaftlichen Langzeitgedächtnis.

Kurzum: Ich liebe Transkripte. Bitte mehr davon.

Die Bons und die Blockchain

Über Jahre habe ich mich lustig gemacht, dass es keine wirklich praktischen Anwendungen für die Blockchain-Technik gebe. Nun gibt es doch einen Use Case — und alle anderen machen sich drüber lustig.

Ihr habt sicher einige der Berichte gesehen. Ab 2020 sollen so ziemlich alle Geschäfte verpflichtend Kassenzettel ausdrucken. Auf Papier! Sogar beim Bäcker!! Wie zurückgeblieben!!! Und dann gab es noch dieses Facebook-Posting der Bäckerei, die mal eben alle Kassenzettel von zwei Tagen aus den Boden ausgeschüttet hat. Da wiehert der Amtsschimmel und der Laie wundert sich.

Bäckerei mit Bons auf dem Fußboden

Was aus unerfindlichen Gründen in all den Berichten nie erwähnt wird: Diese Bons sind nicht einfach nur Kassenzettel. Sie sind die absolut nachvollziehbare Anwendung der Blockchain-Technologie. In etwa wie Bitcoins — nur ausnahmsweise mal sinnvoll angewendet.

Eine Kasse ist ein Computer

Worum geht es? Nun, ich erinnere mich noch an meinen ersten Urlaub in Italien, eine Klassenfahrt. Dort gab es einen winzigen Laden in der Nähe des Strandes, bei dem etwas ganz merkwürdig war. Der Besitzer hatte eine große Registrierkasse neben sich stehen. Wenn wir dort aber ein Brot oder ein Eis kauften, tippte er die Beträge lediglich in einen großen Taschenrechner ein und kassierte den Betrag von uns. Erst Jahre später verstand ich: Das war praktizierte Steuerhinterziehung. Der Ladenbesitzer bezahlte nur Steuern auf die Beträge, die er in die Kasse tippte. Die Einnahmen, die nur im Taschenrechner landeten, waren steuerfrei.

Nun könnte man sich auf den stolz-teutonischen Standpunkt stellen: Ja, so ist das halt im Süden. Bei uns ist das doch etwas ganz anderes. Unsere Ladenbesitzer sind stolz auf ihre Registrierkassen und zahlen absolut korrekt ihre Steuern. Denn die Maschinen sind geeicht — und was gedruckt wird, lässt sich nicht so einfach wieder ausradieren.

Problem daran: Diese Vorstellung wurde zwar auch gerne von der Politik gepflegt, sie entsprach aber absolut nicht der Realität. Gerade im vergangenen Jahrzehnt wurde es immer offensichtlicher: Statt plump an der Registrierkasse vorbei Beträge zu kassieren, gab es einen schwunghaften Handel mit manipulierten oder manipulierbaren Registrierkassen. Auch wenn die Angestellten im Laden den ganzen Tag korrekt und richtige Beiträge eingaben, konnte der Besitzer am Abend mal eben die Kasse umprogrammieren und nach Belieben Buchungen wieder löschen. Folge: Der Umsatz schwindet, der Gewinn noch mehr und damit auch die Steuerlast.

Wirkliche Sorgen mussten sich die Schummler nicht machen. Denn die Methoden wurden immer raffinierter. So wurde etwa 2017 ein professionelles Betrugsnetzwerk abgeurteilt:

Der Saarländer soll die Kassen nebst Software dann 2006 an die Wirte im Saarland geliefert haben. Laut Aussage der Beteiligten lief der Steuerbetrug dann regelmäßig nach dem gleichen Muster ab. Zunächst wurde regulär abgerechnet und gebucht. Anschließend wurde ein Teil des Umsatzes aus der Kasse entnommen und in einen speziellen Tresor gebracht. Einmal im Monat kam dann einer der verantwortlichen Wirte mit dem USB-Stick und rechnete den Umsatz neu aus. Nach Erkenntnis der Ermittler soll der jeweilige Umsatz so in einer Größenordnung von bis zu 15, vielleicht sogar 20 Prozent nach unten korrigiert worden sein.

Die Betrüger hatten eins erkannt: Eine Registrierkasse ist an sich nichts weiter als ein Computer in einer merkwürdigen Bauform. Und wie jeden Computer kann man sie umprogrammieren. Waren die Beträge einmal gelöscht, dann konnte man dem Besitzer in der Praxis fast immer nichts nachweisen. So konnten Steuerfahnder nicht mal die Registrierkassen auf Manipulationen überprüfen — die falsche Software war auf einem externen USB-Stick gespeichert und hinterließ keine Spuren. Der geschätzte Schaden: Zwischen fünf und zehn Milliarden Euro jedes Jahr.

Eine der wenigen Möglichkeiten, den alltäglich gewordenen Betrug zu bekämpfen: Ein Finanzbeamter konnte in den Laden gehen und etwas kaufen. Löschte der Besitzer dann ausgerechnet diese Buchung, war er geliefert. Seine komplette Buchhaltung war als Betrug entlarvt.Erhärtete sich der Verdacht konnte dann das Finanzamt frei schätzen, wie viel Steuern der Geschäftsinhaber wirklich zu zahlen hat. Dann wurde es richtig, richtig teuer. Aber das passierte richtig, richtig selten.

Die Lösung: Stempeln gehen

Was ändert sich also mit der neuen Bon-Pflicht? Schließlich ist es immer noch sehr unwahrscheinlich, dass der Steuerfahnder genau einen Gegenstand kauft, der dann aus der Buchführung verschwindet. Nun: Hier ist der Clou: Die Bons enthalten eine — ich behandele den Begriff hier etwas frei — Blockchain-Signatur! Und damit quasi technologische Zauberkraft!

Aber nein, wie ich bereits einmal dargelegt habe, ist das Grundprinzip der Blockchain eine Art Stempel. Ein Stempel mit einem Kniff. Statt nur eine Quittung einzeln abzustempeln, ist in der Blockchain-Signatur ein kleines Stück von allen vorhergehenden Quittungen enthalten. Sprich: Mit einer Quittung kann man nachweisen, dass die gesamte Buchführung bis dahin in Ordnung war.

Nun — fragen mich so manche — Nun, Torsten, wenn wir eine Blockchain haben, wozu brauchen wir dann noch die Bons? Die Antwort in meiner Metapher ist: Die Blockchain-Technik ist ja nur der Stempel. Wir brauchen immer noch etwas, was wir abstempeln können. Oder eine etwas technisch korrektere Analogie: Bei dem Bon handelt es sich sozusagen um den zweiten Faktor einer Zwei-Faktor-Authentifizierung.

Die Sache funktioniert so: Auch mit Blockchain-Technik könnte ein Besitzer seine Registrierkasse nehmen und sie umprogrammieren. Würde er ein paar Buchungen löschen, ändert sich die Blockchain-Signatur sofort komplett. Das könnte ihm aber egal sein: Das Finanzamt kennt ja nicht die korrekte Signatur. Und da kommen die Bons ins Spiel. Nur wenn jeder Kunde tatsächlich einen Kassenzettel angeboten bekommt, kann der Besitzer seine Buchführung nicht mehr nachträglich ändern. Würde man Bons nur auf Verlangen ausdrucken, hätte es der Ladenbesitzer einfach. Da kaum ein Kunde Bons haben will, bleibt die Buchung so lange korrekt, bis niemand mehr einen Bon haben will. Der Rest ist frei zur Manipulation. Denn die Registrierkasse ist ein Computer und macht, was ihr Besitzer will. So ist es bei Spielekonsolen, so ist es bei Wahlcomputern. Computer sind Computer — auch wenn sie merkwürdig aussehen.

Gibt es denn wirklich keinen anderen Weg als Milliarden Bons auszudrucken? Natürlich gäbe es die. Aber auch die haben ihren Preis. So könnte das Finanzamt fordern, dass alle Buchungen in Echtzeit an den Staat übermittelt werden. Was gar nicht gut für den Datenschutz von uns allen wäre. Eine andere Möglichkeit ist schon im Gesetz vorgesehen: Bons müssen nicht in Papierform übermittelt werden. Stattdessen könnte man sie dem Kunden per E-Mail schicken, etwa auf sein PayBack-Konto buchen oder parallel zu ApplePay und GooglePay direkt ans Handy übermitteln. Dem Bäcker würde das wohl nicht so viel helfen, aber würden zum Beispiel die Supermärkte in die Gänge kommen, wären die Mehr-Bons ganz schnell eingespart. Und wenn wenigstens vier Milliarden pro Jahr dabei rausspringen, ist es für den Steuerzahler ein sehr gutes Geschäft. Danke, Merkle Tree.

PS: Hier noch ein paar Antworten auf noch offene Fragen.