Interview mit einem Mecker-Blogger

Kleinz: Hallo, mein Name ist Kleinz. Ich bin freier Journalist und recherchiere zu „Mecker-Bloggern“. Haben Sie einige Minuten Zeit?“

Torsten: Interessantes Thema. Wie kann ich weiterhelfen? Soll ich Ihnen ein paar Mecker-Blogger aufzählen?

Kleinz: Eigentlich wollte ich eher Sie befragen…

Torsten: Mich? Als Mecker-Blogger? Wie kommen Sie denn darauf?

Kleinz: Nun, in den vergangenen Wochen haben Sie zum Beispiel in Ihrem Blog nahegelegt, dass Leute mit großen Autos ein kleines Hirn haben.

Torsten: Nun, diese Idioten wollten eine illegale Rallye auf nicht-abgesperrten Straßen fahren.

Kleinz: Zugegeben. Aber auch sonst scheinen Sie ja kein besonders positiver Charakter zu sein, wenn man ihr Blog als Maßstab nimmt. Ein Kollege schreibt einen wichtigen Artikel, der die Leser über Online-Durchsuchungen aufklärt, und Sie mäkeln an Details herum. Für die vielbeachtete Aktion der Gruppe Geld oder Leben haben Sie nur Häme und Polemik übrig. Fernseher bezeichnen Sie als Mülltonnen. Und das VIVA-Programm sogar als Berufsberatung für den Kinderstrich. Und das sind nur die Einträge aus den letzten Tagen.

Torsten: Ich sage nur meine Meinung. Wollen Sie mir das Recht dazu absprechen?

Kleinz: Nichts liegt mir ferner. Ich frage nur, wie diese negative Tendenz zu Stande kommt.

Torsten: Gut. Fragen Sie.

Kleinz: Sind Blogger prädestiniert dazu, alles und jeden zu kritisieren?

Torsten: Das kann ich nicht wirklich beantworten. Ich verfolge so ein, zwei Dutzend Blogs mehr oder weniger regelmäßig. Je nach Zählung gibt es aber Zigtausende oder Millionen Blogs, die ich niemals zu Gesicht bekomme.

Kleinz: Sie bloggen nun immerhin fast vier Jahre und gehen auch zu Blogger-Treffen wie re:publica. Irgend eine Ahnung müssen Sie doch haben.

Torsten: Nun, bei den so genannten „A-Bloggern“ kann man wohl eine Tendenz zu eher negativen Postings feststellen. Das ist jetzt nur meine subjektive Sicht. Und es ist ja kaum erstaunlich: Firmen decken Internetseiten mit Abmahnungen ein, die Gesetzgebung macht Online-Publizieren zum Minenfeld und viele Web 2.0-Firmen machen wirklich dumme Anfängerfehler.

Kleinz: Trotzdem gibt es doch sicher genug Positives zu berichten. Die Sonne scheint, fast stündlich werden spannende neue Projekte geboren, Menschen rücken aufeinander zu. Warum schreibt niemand darüber?

Torsten: Das stimmt nicht. Viele Leute schreiben Positives. Zum Beispiel hat Udo Vetter erst gestern ein Posting über Schokolade verfasst. Und Robert Basic findet ganz viele Sachen toll.

Kleinz: Aber als er sich vor kurzem über zickige Journalisten-Blogger echauffierte, bekam er mehr Feedback als bei den meisten seiner positiven Berichte.

Torsten: Das ist richtig. Es ist wohl so, dass man über negative Berichterstattung viel mehr unmittelbare Aufmerksamkeit bekommt. Besonders schön sieht man das an der altehrwürdigen Seite Amiga News. Hunderte von Meldungen über neue Projekte, Software oder Mitmach-Gelegenheiten verschwinden eher unbeachtet in der Versenkung, bei Klagen oder Verleumdungen will dann jeder etwas sagen.

Kleinz: Sind Blog-Leser also sensationsheischende Kampfhähne?

Torsten: Nicht mehr als andere Menschen auch. Die BILD-Zeitung macht ja auch nicht mit der Schlagzeile auf „Tausende Demonstranten friedlich“. Vielleicht liegt es in der menschlichen Natur, dass wir Positives einfach hinnehmen und Negatives hingegen mit höchstem Interesse betrachten. Ich könnte mit im Fall von Blogs auch einen technischen Grund vorstellen: Viele Leute preisen tolle Webseiten oder Angebote nicht mehr in einem separaten Eintrag, sondern werfen ihn nur in einen Social-Bookmarking-Dienst, der dann alle paar Tage eine Liste der empfehlenswerten Links ins Blog ausscheidet.

Kleinz: Fassen wir zusammen: Blogger sind gar nicht so negativ, es erscheint nur so?

Torsten: Möglicherweise. Vielleicht geht es sogar etwas weiter: Eventuell müssten Blogger noch viel negativer werden. So sagte Mercedes Bunz vor kurzem in einem Blogkommentar: „Es braucht wieder mehr negative Kritiken. Mit Begründung natürlich. Vor allem im Feuilleton.“

Kleinz: An der Begründung mangelt es bei einigen Bloggern aber.

Torsten: Das liegt auch etwas an der sozialen Dynamik. Manchmal habe ich den Eindruck, dass vor einigen Jahren mehr nachrecherchiert wurde: Der eine Blogger spann die Recherche des anderen Bloggers weiter, brachte sogar Fakten ein, die der Ausgangsthese widersprachen. Heute sehe ich viel öfter eine Empörungsspirale, bei der Vorurteile innerhalb bestimmter Cliquen verstärkt werden. Auch ich kann mich von dieser Optik nicht frei machen.

Kleinz: Es gibt also keine Blogosphäre, sondern nur noch Cliquen?

Torsten: Ob es „die Blogosphäre“ je gab, kann ich nicht sagen. Auf alle Fälle hat sie sich in Deutschland in den letzten Jahren immer weiter ausdifferenziert. Aber dazu kann ich nicht wirklich mehr erzählen. Vielleicht sollte man mal eine Studie machen.

Kleinz: Ich bedanke mich für das Gespräch.

Säzzer 2.0?

Erinnert sich noch jemand an die „Säzzer“? Nun: Die Setzer waren ein altertümlicher Berufszweig, die die Textergüsse der Redakteure in Zeitungsform gegossen haben. Bei der jungen taz hatten diese Setzer manchmal eine ganz eigene Vorstellung von den Artikeln, die sie eigentlich nur ins Blatt heben sollten. Und die Revolution: sie schrieben das auch in die Artikel rein. Aus dem Setzer war der Säzzer geworden. Die eigenartige Unart der Sätzer wurde zum Teil der jungen taz-Kultur und schlief folglich in den 90er Jahren ein. (Mehr findet sich zum Beispiel hier.)

säzzer

 

Heute morgen dachte ich, dass diese Tradition wieder aufgelebt sei, als ich auf der Titelseite der Frankfurter Rundschau (sorry – ich meinte natürlich: der neuen FR) den Satz „Diese Zeitung wird bestreikt“ fand. Und das ganze noch auf rotem Grund.

Aber Fehlalarm: Es waren keine Säzzer, noch die streikenden Druckereiangestellten, sondern die Redaktion. Die hat ein Tabu gebrochen und berichtet tatsächlich halbwegs ausführlich über die Druckerstreiks. Sonst vermeiden Verleger eine solche Berichterstattung – schließlich will man dem Tarifgegner keine kostenlose Publicity bringen.

Word!

Ich bin ja kein Fan davon, anderer Leute Gedanken einfach so weiterzutragen. Immer krittle ich hier, schleife da, streiche dies und ergänze das. Lassen wir das Mal weg.

Gross in Mode scheinen Krawall-Blogs und Google Keyword-Spammer zu sein. Krawall-Blogs pusten mit ordentlich Schmackes banale Inhalts-Mücken zu einer Elefanten-Stampede auf, ein äquivalent zu dem was die Bild-Zeitung jeden Tag so treibt, nur ohne Titten-Bilder. Bei den Google Keyword-Spammern geht es nur vordergründig um Inhalte. Man findet sie häufig bei den SEO-Social Media Diensten, die ja so ganz anders sind wie das Vorbild in Amerika. Sie stellen dort meist wohlgeformte, gutleserliche Texte ein, die aber letztlich vor Allgemeinplätzen, Annahmen und Banalitäten nur so strotzen. Ihre wirkliche Aufgabe ist aber nicht den Leser zu gefallen, sondern einen gewichteten Mix aus Google Keywörtern aufzunehmen, damit sie gut gefunden werden und den Traffic hochtreiben. Mit Bloggen hat das imho wenig zu tun.

Weiter hier.

Piep, piep

Stefan Niggemeier argumentiert sehr schön rund um die neuesten Skandal in Kleinbloggersdorf: die vermeintliche Mauschelei beim Grimme Online-Award. Es fällt schwer bei einem solch komplexen und kontroversen Thema alle Argumente zusammenzutragen, abzuwägen und richtig einzuordnen. Ich versuche es in einem Satz:

Friedrich Hagedorn hat bei DWDL angekündigt, dass Guildo Horn Preispate für den Internetpreis ist.

Noch Fragen?

Der modische Disclaimer: Ich war mit mehreren Nominierten und Preisträgern des Grimme Online-Awards verbandelt und bin auch diesmal mit dabei.

The origin of Blogs

Philipp Dudek schreibt:

Wir hatten eine Idee und wir hatten alle ein Bier zu viel getrunken – an diesem Abend in einer Hamburger Kneipe. “Eine neue Form der Online-Reportage muss her”, war unser Gedanke. Eine Darstellungsform, die endlich dem Medium Internet genüge tut.[…]

Mittlerweile ist es Juni. Wir haben immer noch kein Geld. Dafür sind wir zu viert. Und aus der innovativen Form der Onlinereportage ist ein einfaches Blog geworden. Aber das werden wir so richtig rocken. Mit Fotos, Videos und Texten. Schön linear und synchron…

Irgendwie kenne ich den Ablauf. Es war Berlin, wir waren zu viert und das Ergebnis war Kick Dich.

Trinkt mehr Bier!

„Hört auf!“

Eine starke Szene sah ich heute im Wochenspiegel in der ARD:

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Friedliche Demonstranten versuchen vom Rand aus, vermummte Steinewerfer zum Aufhören zu bewegen. Die denken nicht dran, sondern schubsen einen der Rufer weg.

Und wieder einmal Terroralarm

Ich gucke CNN nicht wirklich oft – aber es ist auffällig, wie oft es um Terroralarme und Flugzeuge geht, wenn ich einschalte.

Heute wurden wohl vier Leute verhaftet, die einen Anschlag auf den New Yorker JFK-Flughafen geplant haben sollen. Die Pläne wurden nach CNN-Informationen nicht wirklich konkret, die US-Heimatschützer dementieren irgendeine Gefährdung, aber seit immerhin 20 Minuten hat CNN das aktuelle Programm unterbrochen und lässt sich von immer neuen Korrespondenten nichts Neues erzählen.

Mal wieder ist die Gruppe nach monatelangen Observationen verhaftet worden, mal wieder haben die Möchtegern-Terroristen (O-Ton FBI) absolut nichts zu Stande gebracht, und wieder einmal wurde rein zufällig ein Polizei-Informant als Mit-Verschwörer rekrutiert. So ein Zufall.

Von Frauen und Damen

Nicole meinte mir gegenüber Mal, sie könne es nicht leiden, wenn man Nachnamen von Frauen einfach so hinschreibe – ohne „Frau“, ohne Vornamen, ohne Titel. Bei Männern ist dies hingegen üblich: Ist der volle Namen schon mal genannt, reicht bei der Wiederholung der nackte Nachname. Ist das neutral oder fehlt da ein Mindestmaß an Galanterie oder Stil? Wie geht man also in nachrichtlichen Texten mit Frauen um?

Kein Journalist hätte Gerhard Schröder in Nachrichten „Herr Schröder“ genannt – bei seiner Nachfolgerin verhält es sich manchmal noch anders. So habe ich heute mittag bei den Nachrichten im Deutschlandfunk dies gehört:

Bundeskanzlerin Merkel rechnet beim G-8-Gipfel offenbar nicht mehr mit konkreten Vereinbarungen zum Klimaschutz. Wenn die USA sich nicht bewegten, würden andere Länder möglicherweise auch erst mal abwarten, sagte Frau Merkel dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.

Der Titel der „Dame“ ist wohl anderen Berufsgruppen zugeordnet. Bei SpOn bin ich auf diese Textstelle gestoßen:

Nach Informationen des SPIEGEL erklärt eine Quelle des Landesverfassungsschutzes, dass bis zu neun Prostituierte über spezielle Zuhälter angeheuert und diskret ins Gebäude gebracht wurden. Belastet werden auch zwei bundesweit bekannte Politiker, denen unterstellt wird, sie hätten sich mehrfach in Leipziger Diensträumen mit den Damen getroffen.