Die Wahrheit und die Algorithmen

Tim O’Reilly erklärt warum Facebook schuld an der Desinformation und Google so viel besser ist.

For the better part of two decades, Google has worked tirelessly to thread the needle between curating an algorithmic feed of a firehose of content that can be created by anyone and simply picking winners and losers. And here’s the key point: they do this without actually making judgments about the actual content of the page. The “truth signal” is in the metadata, not the data.

Die in dem Artikel zitierte Kritik an Facebook ist in meinen Augen valide. Und es ist sicher wahr: Und Google war im US-Wahlkampf eine weniger toxische Umgebung für Informationen als viele andere Plattformen. Das liegt allerdings zum guten Teil daran, dass Google nicht das primäre Ziel der Bullshit-Artisten war. Man kann über Monate versuchen auf Platz 1 der Suchergebnisse zu kommen. Man kann aber auch in Minuten eine möglichst irreführende Meldung posten und sie per Facebook, Reddit oder Twitter verbreiten lassen. Manche machten daraus sogar ein Geschäft daraus vermeintlichen Idioten immer neue Idiotien aufzutischen.

Google News hat seine Quellen handverlesen und dennoch rutscht in meinem Suchalltag eine Menge schlichter Falschinformationen durch, — sei es von reputablen Quellen oder sei es von Quellen, die Desinformation aus politischen oder kommerziellen Gründen zum Alltag machen. Clickbait und gezielte Desinformation haben oft ähnliche Effekte.

trumpprotesters

Zwar kennzeichnet Google manche Quellen nun als „Opinion“ oder gar als „fact check“. Wer aber zur rechten Zeit sucht, findet auch hier Quellen dafür, dass zum Beispiel die Anti-Trump-Demonstranten bezahlt sind — ein Missverständnis, das sehr schnell zur orchestrierten Lüge wurde. Und wenn der Präsident diese Lüge verbreitet, müssen sich alle Medien mit dem thema befassen. In den Reigen der etablierten Medien aufgenommen zu werden, ist auch gar nicht so kompliziert. Es reicht, ab und an eine Newsagentur-Meldung zu posten, um von den Google-Algorithmen als einigermaßen vertrauenwürdige Quelle angesehen zu werden. Denn schließlich steht dort, was auch die bekannten reputablen Quellen schreiben.

Richtig übel fand ich meine YouTube-Timeline während des Wahlkampfes. Insbesondere CNN-Videos wurden mir haufenweise empfohlen, wo es niemals um Information ging, sondern immer nur darum, wer wen am angeschrien, wer das dümmste Argument vor laufenden Kameras verbreitet hat. Google+ ist ebenfalls zum Austauschplatz für jede Art von Bullshit geworden — von den Reichsbürgern bis zu den Impfgegnern findet sich hier alles. Ich habe die „recommended“-Funktion hier schon lange deaktiviert.

Algorithmen können helfen den übelsten Informationsabfall zum Beispiel von der New York Times zu trennen und sie in ein Ranking einzuordnen. Allerdings kann schon Personalisierung diese Bemühungen Effekt komplett aufheben. Was wirklich die „Truth“ ist, weiß Google nicht. Wenn nun der Präsident selbst im Mediengeschäft mitmischt, werden die Metadaten zunehmend machtlos. Wenn Informationen über die offizielle Regierungspolitik an eine bestimmte Auswahl von Medien gegeben werden, werden die im Google-Ranking aufsteigen. Wenn die New York Times nur oft genug schreibt „Wie Breitbart berichtet“ – welche Schlussfolgerung über die Glaubwürdigkeit von Breitbart sollen die Algorithmen da schon ziehen? Es bräuchte schon einen Menschen, der diese Einschätzung wieder korrigiert.

Lange Rede, kurzer Sinn: Algorithmen können einiges. Sie können aber keine Wahrheit erkennen. Und sie sind von ihrer Umgebung, sehr menschlichen Entscheidungen und ihrem Rohmaterial abhängig.