Heute habe ich ein kleines Lamento gelesen. Eigentlich sogar ein ziemlich langes Lamento: Netflix kauft nicht bei deutschen Serienproduzenten.
Insbesondere deutsche TV-Autoren und -Produzenten hatten dem Deutschland-Start des amerikanischen VoD-Giganten Netflix wie einer Erlösung entgegengefiebert. Endlich würde ein finanzstarker Player auf den hiesigen Fernsehmarkt treten, der statt Provinzialität, Mittelmäßigkeit und kleinbürgerlicher Piefigkeit endlich nach spannenden, kontroversen und komplex erzählten Serien-Stoffen sucht. »Wir werden sicher auch in Deutschland produzieren«, so Netflix-Gründer Reed Hastings noch zwei Wochen zuvor gegenüber dem Spiegel. Doch der Traum von einem deutschen House of Cards ist vorerst geplatzt.
Sorry, aber so deutlich muss ich es sagen: Natürlich ist der Traum geplatzt. Was denkt ihr denn? Netflix kommt aus dem Videothekengeschäft. Was tun Videotheken nicht — mit Ausnahme von Be kind rewind? Filme drehen. House Of Cards ist eine Marketing-Maßnahme. Es ist eine alte BBC-Serie, die mit Staraufgebot, einer hervorragenden Filmographie und einer lächerlich amerikanisierten Story zu einem Hype-Produkt umgebaut wurde, das den West-Wing-Fan zum Weinen bringt. (Übrigens: Herzlichen Glückwunsch zum 15. Geburtstag, Josh, Toby, Donna, CJ und Leo.)
Wo war ich? Beim Geschäftsmodell. Dass Netflix ein zweites oder drittes House Of Cards produziert und es sich bei deutschen Machern einkauft, ist leider unrealistisch. Netflix investiert zwar mehr Geld in neue Serien als Huffington Post und Buzzfeed in Journalismus, aber das ist noch lange kein Lottogewinn für die Macher. Sicher: Contentproduzenten haben auf einen Klick ein weltweites Publikum. Aber wenn sie schmerzhaft erfahren, wie schnell die Leute wegklicken, wollen sie Leute vermöbeln, die „auf einen Klick“ sagen.
Ich hab in der Vergangenheit schon ein paar Mal über Garfunkel and Oates geschrieben. Sie waren YouTube-Sensationen. Ausgebildete Schauspielerinnen aus der dritten Reihe, die zu Gitarre und Ukulele griffen, und dem noch jungen YouTube Ständchen brachten. Sie sangen über Blowjobs, sie sangen über Ex-Freunde, sie sangen über hochnäsige Schwangere. Und trafen mehr als einen Nerv. Sie wurden nicht simpel zu YouTube-Prominenten, sondern brachten ihre Shows auf der Bühne und arbeiteten weiter als Schauspielerinnen. Schufen ein Netzwerk. Und bekamen eine Serie. Bei IFC.
Ich als Fanboy würde mir natürlich wünschen, dass ich die Serie über alle Höhen loben könnte, aber es ist halt IFC und nicht der Geldsack HBO, der zunächst Interesse gezeigt hatte. Das heißt: Kate und Riki hatten keinen writers room, der ihre Geschichten routiniert auf Massenkompatibilität und Umsetzbarkeit tunte, alle Folgen mussten in nur drei Drehtagen in den Kasten und falls Sir Ben Kingsley ein Honorar verlangt haben sollte, war ein großer Teil des Budgets verbraucht. Und dennoch. Das:
Bei allen Sympathien für die Gay-Rights-Bewegung: Es ist nicht mein Kampf. Aber dieses kleine Video rührt mich mehr als alle romantic comedies mit Meg Ryan oder Matt Lauer. Rainbows are improbable, beautiful, and rare, But so are you, and so is this, the love that we share. Tonpapier und Handpuppen schaffen das, wozu sonst Millionen Dollar und 30jährige Karrieren investiert werden.
So sehe ich viele Momente in der Serie. Ungeschliffen. Verbesserbar. Doch im Kern wunderbar. Es ist die Ausdrucksform der Kreativen, die ein Millionenbudget, aber kein zweistelliges Millionenbudget bekommen haben. Denn das bekommen nur die Leute, die schon in Big TV und in den Big Movies ihre Sporen verdient haben. Wollt ihr Geld von Netflix, YouTube, Watchever, versucht das: Augsburger Puppenkiste statt House Of Cards. Tatortreiniger statt CSI.
Es ist keine goldene Zukunft, die Zeiten der zweistelligen Millionenbudgets, dreistelligen Millionen-Gagen und der 30-jährigen TV-Karrieren ohne Pflicht zur Selbsterfindung sind vorbei. Es ist ein langer Lauf von Budget zu Budget und nur ein paar Schritte davon führen über rote Teppiche. Change is coming. Und nicht nur der TV-Sender muss überzeugt werden, sondern der Zuschauer direkt. Denn Pro7 und Co sägen euch nach zwei Folgen ab, wenn es denn nicht sofort passt. Die Beziehung zum Zuschauer bietet jedoch neues Potenzial. Er ist der Adressat, er ist Euer Partner und nicht nur ein anonymes Publikum zwischen 14 und 49.
Right now they fall away,
Right now it’s just us two,
Right now we make a promise:
If you do, then I do too.