Österreich und Adblock Plus

Spannende Entwicklung: Die österreichische Wettbewerbesbehörde will gegen den Google ermitteln, weil der Konzern, gegen den schon ein Verfahren bei der EU-Kommission wegen dessen Praktiken in Zusammenhang mit dessen marktbeherrschenden Stellung im Werbemarkt läuft.

Der ORF, dessen Spitze in letzter Zeit sehr offensiv gegen den Werbe-Konkurrenten Google zu Felde zieht und selbst Beschwerde eingelegt hat, fasst die Situation so zusammen:

Konkret geht es um Werbeblocker: Die Wettbewerbshüter vermuten, dass Google mit einem befreundeten Werbeblocker-Unternehmen gemeinsame Sache machen könnte und dadurch nur Werbung von zahlenden Google-Kunden gezeigt wird.

Jein. In der Tat ist es ein offenes Geheimnis, dass Adblock Plus von Google bezahlt wird. Das Unternehmen hinter dem Werbeblocker lässt sich von Werbetreibenden bezahlen, dass sie in eine Ausnahmeliste aufgenommen werden. Das klingt nach einem eindeutigen Fall von Wettbewerbsmissbrauch. Doch gleichzeitig ist diese Aufnahmeliste vor allem an die Bedingung geknöpft, dass die Werbetreibenden nur „nicht-nervende“-Werbung anzeigen: Flash ist verboten, Blinken und Tönen sowieso. Der ORF selbst hätte selbst dann keine Chance seine meist großflächige Bewegtbildwerbung auf seinen Webseiten freischalten zu lassen, wenn er Adblock Plus viel Geld bezahlte. Google hingegen, das weitgehend auf milliardenfach gezielt ausgespielte Textwerbung setzt, kann die Kriterien mit Leichtigkeit erfüllen.

Dennoch würde eine Wettbewerbs-Untersuchung sehr spannend werden. Denn Adblock Plus weigert sich nämlich bisher mit offenen Karten zu spielen. Denn manche Webseitenbetreiber sollen für die Ausnahmeregelung zahlen, andere hingegen nicht. Allenfalls ein paar Zahlen veröffentlicht das Unternehmen hinter dem Open-Source-Werbeblocker. Nur 10 Prozent von 148 Ausnahmen sollen Anfang Oktober gezahlt haben. Wer das ist, kann man sich ungefähr ausmalen, wenn man sich die Liste der Ausnahmen durchliest: Amazon steht drauf, Google, Yahoo, Web.de und GMX. Genau wissen kann man es aber nicht, da Adblock Plus sich hinter Verschwiegenheitsklauseln versteckt. Medien — wie t3n oder Heise — werden laut Adblock Plus kostenlos aufgenommen, können aber meist nur wenige Werbeplätze für die „nicht-nervende“ Werbung reservieren. Gleichwohl wäre Adblock Plus in Erklärungsnot, wenn Nicht-Zahler nicht auf die Ausnahmeliste kommen, obwohl ihre Werbung „nicht-nervend“ ist.

Der BGH hatte einst den Werbeblocker für das Fernsehen erlaubt — allerdings ohne den durchschlagenden Erfolg: Auch fast 10 Jahre danach können TV-Sender ihre Werbung noch ungestört in die Wohnzimmer der Kundschaft senden. Hätte die Fernsehfee damals hingegen von den Sendern Ausnahmelistenplätze verkauft hätte, hätte das Urteil des Bundesgerichtshofs wohl komplett anders ausgesehen, es wäre ein komplett anderes Verfahren gewesen.

PR-Arbeiter sprechen nicht Wikipedia

Es wird oft als Glaubensfrage behandelt, ob PR-Abteilungen in Wikipedia schreiben dürfen. Ist es gerecht, dass die einen Autoren nicht bezahlt werden, während die anderen für ihre PR-Arbeit Geld kassieren? Wird das soziale Miteinander vergiftet? Ich habe dazu keine festgefügte Meinung. Aber immer wieder drängt sich mir der Eindruck auf: Viele PR-Arbeiter sind praktisch nicht mehr fähig, Enzyklopädie-Artikel zu schreiben. Nicht nur ihr Schreibstil ist gänzlich unenzyklopädisch — sie scheinen auch nicht mehr fähig, die Dissonanz zwischen Realität und Darstellung wahrzunehmen. Oder es ist ihnen nicht erlaubt.

In den letzten Monaten hat eine Agentur namens „Sucomo“ vorzugsweise mittels „Sponsored posts“ dafür getrommelt, dass sie transparent und professionell in der Wikipedia arbeiten kann. „Transparent“ heißt hier freilich, dass Sucomo weder Klienten, noch Mitarbeiter offenbaren will, die eigene Webseite mit der Beschreibung ihrer Dienstleistung ist seit Monaten gelöscht.

Nun spült mir Google News diese Meldung bei Basic Thinking ins Blickfeld: Deutsche Wikipedia öffnet sich für Unternehmen und PR – kostenloser Leitfaden erklärt wie“.

Wie weit hat sich Wikipedia für Unternehmen geöffnet? Schauen wir doch einmal in die Meldung den bezahlten Werbetext hinein:

Immer wieder wird darüber gestritten, wie weit sich Benutzer mit kommerziellem Hintergrund beteiligen dürfen. Auch die deutsche Wikipedia hat darüber heftig diskutiert und sich kürzlich in einem Meinungsbild entschieden, die Regeln nicht zu verschärfen.

Sprich: Die Öffnung der Wikipedia besteht darin, dass sich in einer nicht-gültigen Abstimmung viele Leute nicht bereit gefunden haben, eine untaugliches und nicht durchsetzbares PR-Verbot in die Regeln aufzunehmen. Wenn die PR-ler von Sucomo und ihre neuen(?) Mitstreiter von der Agenturgruppe Aufgesang sagen, dass sie eine Tür geöffnet haben, heißt das lediglich, dass sie diese in den letzten drei Minuten nicht zugenagelt haben. Vorsicht: Wer solche Behauptungen unbesehen glaubt, läuft in Gefahr sich den Kopf zu stoßen.

Den in der Meldung versprochenen „kostenlosen“ Leitfaden gibt es dann doch nicht ganz umsonst:

linkbait-aufgesang

Wer den „Pay with a tweet“-Service mit Twitter nutzen will, muss der App vollen Zugriff einräumen.

Diese Applikation kann:

Tweets aus Deiner Timeline lesen.
Anzeigen, wem Du folgst und neuen Leuten folgen.
Dein Profil aktualisieren.
Tweets für Dich veröffentlichen.

In der Agenturbroschüre von Aufgesang stehen „Linkbaits“ als Tätigkeit. Kostenlos neutrale Informationen zu verbreiten um das Weltwissen zu dokumentieren — das steht merkwürdigerweise nicht darin.