Immer Mal wieder gibt es die Forderung, dass man in der öffentlichen Diskussion nicht „Kinderpornografie“ schreiben solle, sondern eben „Dokumentation von sexueller Gewalt“. Beide Begriffe sind in zentralen Aspekten richtig und falsch.
Die Kritiker des Begriffs „Kinderpornografie“ kritisieren, dass das Wort die unterschiedlichen Phänomene „Pornografie“ und „Kinderpornografie“ gleichstellt. Da ist sicher etwas dran, wenn man andere Ausdrücke wie „Kinderportion“, „Kinderschokolade“, „Kinderstreitigkeiten“ vor Augen hält. Demnach wäre „Kinderpornografie“ sozusagen eine kleinere, weniger ernst zu nehmende Variante von Pornografie. Ich habe auch schon die Variante „Kiddie Porn“ gehört, die ich als eindeutige Verharmlosung empfinde.
Wenn ich auch zustimme, dass der Begriff „Kinderpornografie“ alleine nicht beinhaltet, dass es sich hier um eins der schlimmsten Verbrechen in unserer Gesellschaft dreht, ist dies alleine jedoch nicht Grund den Begriff abzulehnen. So werden Begriffe wie „Kindesmissbrauch“ oder „Kindeswohl“ eben nicht als Verkleinerung des allgemeinen Begriffs benutzt, das angehängte Wort wird sogar verstärkt.
Weg von der Wortklauberei: Ein weiteres Argument ist, dass Pornografie an sich legal und vielleicht sogar positiv belegt sei. Dem würde ich mich auch nicht ganz anschließen. Zwar hat die Playboyisierung der Medienwelt, die Hugh Hefners Villa als Disneyland für Erwachsene feiert, sicher zu einem schiefen Bild des Gewerbes geführt, das solche Dinge wie Zwangsprostitution überdeckt. Auch Ausdrücke wie „voll porno“ negieren ein Problem.
Dennoch ist der zentrale Aspekt von Pornografie nicht selbstbestimmte Sexualität, sondern eben die Darstellung von Sex mit dem Ziel den Betrachter sexuell zu erregen. Wer Amateurporno auf YouPorn ansieht, woher weiß er, dass es sich dabei tatsächlich um einvernehmliche Akte handelt?
Der Ausdruck „Dokumentation sexueller Gewalt“ hat sicher den Vorteil, dass unmissverständlich klar wird, dass es hier um Gewalt, um ein Verbrechen geht. Doch das Wort „Dokumentation“ ist extrem irreführend. Es impliziert, der dokumentierte Vorgang werde ohnehin stattfinden, was im Fall der organisierten Kinderpornografie-Beschaffung und -Verteilung oft nicht so ist. Auch wenn nicht immer monetäre Faktoren entscheidend sind — der viel zitierte Milliardenmarkt existiert wohl nicht — Kinderpornografie ist auch Währung innerhalb einer Szene, die sich auch über das Internet zusammenfindet.
Gleichzeitig negiert der Begriff „Dokumentation“ den psychischen Effekt beim Betrachter. Die meisten Konsumenten von Kinderpornografie betrachten die Filme und Fotos nicht, um dem Verbrechen auf die Spur zu kommen — diejenigen, die es tun, leiden oft unter enormen psychischem Stress. Es geht um sexuelle Triebe, um Befriedigung und leider auch um Triebverstärkung. Kriminologen haben gezeigt, dass sich zumindest ein Täterkreis an den Filmen und Fotos vor tatsächlichen Übergriffen auf Kindern geradezu psychisch aufgerieben haben. Kinderpornografie macht etwas mit uns und die Veränderung liegt unter den Ebenen unseres Wesens, über die wir rationale Kontrolle ausüben. „Dokumentation“? Eher nicht.
Was bleibt also zu tun? Wir haben zwei unperfekte Begriffe. In meinen Augen sollte man daher beide in den entsprechenden Kontexten verwenden und ihre Defizite dabei nicht außer acht lassen.