Die Sendung mit dem Geld

Einer der spannendsten Podcasts ist für mich zur Zeit eine Sendung des National Public Radio: Planet Money.

Die Sendung startete Ende 2008, als die Finanzkrise begann sämtliche Schlagzeilen zu bestimmen. Aber das Team um Adam Davidson und Laura Conaway verfällt nicht in die übliche Panik-Berichterstattung, sondern geht engagiert daran, die Wirtschaft tatsächlich zu verstehen

Statt mit großspurigen Analysen und nicht vorhandener Kompetenz anzugeben, stellt Planet Money kleine, konkrete Fragen – und findet immer wieder interessante Antworten. So wird in dieser Folge geklärt, was hinter der vermeintlichen chinesischen Kapitalflucht verbirgt und wieso wir ein solches Problem haben, große Zahlen zu verstehen.

Die Sendung richtet sich explizit an Nicht-Experten – Leute, die bisher nichts über Zinsderivate, Konsumelastizitäten und Giralgelder wussten. Serviert wird das in einer Weise, die gleichzeitig sehr locker und doch ernsthaft ist. So wird der Korrespondent David Kestenbaum aus seinem Haus in New York zugeschaltet, die Volontärin Caitlin Kenney posiert in kleinen Inszenierungen mal als unzuverlässige Kreditnehmerin, mal als menschliche Geldzählmaschine. Manchmal möchte man wünschen, dass einige Investoren und Banker die Sendung hören, damit sie wieder eine Ahnung bekommen, was sie überhaupt machen, welche Konsequenzen ihre tägliche Arbeit für die Welt da draußen haben kann.

Die Wirtschaft, dieses komplexe Monster, das selbst Nobelpreisträger immer wieder überfordert, wird zerlegt und damit gezähmt. Wir müssen keine Angst vor der diesem unverständlichen Ungetüm haben, sind keine Opfer die nicht verstehen können, was passiert. Nein: wir können Fragen stellen. Und Antworten bekommen.

Planet Money arbeitet auch mit This American Life zusammen und hat die sehr hörenswerten Einstünder Bad Bank und The Giant Pool of Money produziert.

Der Strauß

Auch an solchen Tagen findet man etwas zum Lachen. Ich habe mich heute über eine Partei-Posse amüsiert. Eine CSU-Ministerin hat doch tatsächlich gesagt dass Franz-Josef Strauß nicht unbedingt immer unmittelbar ohne Fehl und Tadel gewesen sein könnte. Ein Sakrileg: Die eigene Partei schäumt, andere Parteien jubeln, die Sünderin muss Abbitte leisten. Richtig kurios wird es jedoch am Ende:

„Das sehe ich gelassen“, sagte Sohn Franz Georg Strauß. Für ihn sei es „überhaupt keine Frage“, dass sein Vater ein Vorbild sei. Mit Blick auf Haderthauer fügte er hinzu: „Sie kann ja versuchen, es besser zu machen als Strauß. Ich wünsche ihr viel Glück und Erfolg dabei.“

Wer nennt bitte seinen Vater beim Nachnamen? Was sagt das über die Familienverhältnisse? Oder ist „Strauß“ eine Marke? Ein Ehrentitel? Ein religiöses Amt?

Basisvokabular Filesharing: One-Click-Hoster

Zum bevorstehenden Urteil über PirateBay hat die Welt mit dem Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Alexander Skipis gesprochen. Natürlich wird das Interview mit einem meiner absoluten Lieblingssätze überschrieben. Und gleich in den ersten Fragen wird die Kompetenz des Gesprächspartners deutlich:

WELT ONLINE: Bei der Torrent-Technik handelt es sich nur um eine Entwicklungsstufe des Filesharings. Ihre Sorge gilt mittlerweile auch den One-Click-Hostern. Worum handelt es sich dabei?

Skipis: Während Tauschbörsen wie Pirate Bay auf dem Prinzip der gegenseitigen Vervielfältigung von Dateien zwischen Internetnutzern basieren, bieten One-Click-Hoster wie Rapidshare oder Megaupload Links zu Webseiten, von denen man illegal Millionen geschützter Werke herunter laden kann. Mit so genannten Premium-Zugängen und Werbung wird dabei – auf der Basis einer Rechtsverletzung – sehr viel Geld verdient. Unseres Erachtens handelt es sich hier um Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, also letztlich eine Internetmafia.

Es ist ja schön, dass Skipis das Wort „One-Click-Hoster“ kennt – würde ihm nun jemand die Bedeutung erklären? One-Click-Hoster verlinken nicht zu anderen Seiten – das Gegenteil ist der Fall. Sie speichern die Inhalte auf den eigenen Servern. Wie wohl die Schweizer Rapidshare AG darüber denkt, dass sie als „Internetmafia“ bezeichnet wird?

Im Internet sind alle Surfer grau

Die Empörung ist wieder groß:

Unbekannte Internet-Surfer haben die Opfer des Amoklaufs von Winnenden und Wendlingen verhöhnt.

Und ja: es war mal wieder krautchan, die mehr oder weniger gelungene Kopie von 4Chan. Interessanterweise sieht sich keiner der Kollegen in der Lage seinen Lesern zu vermitteln, was krautchan denn nun ist. Würde man die Seite als „Forum für meist geschmacklose Witze“ bezeichnen, wäre die Luft aus der Meldung raus. Der Neuigkeitswert wäre so groß wie die Schlagzeile „Franz-Josef Wagner hat wieder was unglaublich Borniertes geschrieben“. Nach der rudimentären Beschreibung des Bildes gehe ich zudem davon aus, dass nicht die Opfer von Winnenden, als vielmehr bild.de und Angela Merkel Ziele der „Verhöhnung“ waren.

Interessant ist der Kontext. So schließen die Stuttgarter Nachrichten die Meldung mit einem Absatz über die 60 Beschwerden, die beim Presserat eingegangen sind. Wohlgemerkt: nicht über „das Internet“, sondern über die besten Adressen des deutschen Journalismus.

Die Süddeutsche schließt auch mit einem ganz anderen Thema:

Unterdessen hat EU-Kommissarin Viviane Reding den Umgang einiger Medien mit dem Amoklauf in Winnenden scharf kritisiert und mehr Datenschutz im Internet gefordert. „Ich glaube, dass zumindest die Online-Profile von Minderjährigen unbedingt standardmäßig als ‚privat‘ eingestuft und für Internet-Suchmaschinen unzugänglich sein müssen“ […]

Auch hier wird der Eindruck vermittelt, dass „das Internet“ irgendwie Schuld wäre. Das Gegenteil ist hier der Fall: StudiVZ-Bilder sind zum Beispiel schon immer für Internet-Suchmaschinen unzugänglich, einige Medien dringen aber gezielt in diesen privaten Bereich ein.

Stupidity is not enough

In Sachen Wikileaks.de habe ich bisher einfache Verpeiltheit des Domaininhabers als wahrscheinliche Ursache für die vermeintliche Sperre der Domains vermutet. Ein Schreiben eines Providers kann schnell verloren gehen – besonders wenn man zwei Wohnsitze hat. Ich lag falsch.

In einer neuen Presseerklärung zeichnet Wikileaks ein anderes Bild:

Um die Ungleichheit der Anforderungen fuer den BND gegenueber einer normalen Registrierung zu testen, stellte der Wikileaks.de Inhaber, Theodor Reppe, einen Antrag zum Transfer der BND.de Domain bei seinem DeNIC-Mitglieds „Beasts Associated“ in Hamburg, ueber den auch die Wikileaks.de Domain registriert war.

Wie zu erwarten wurde dem Antrag direkt widersprochen.

„Sehr geehrter Herr Reppe,

Sie haben die Domain bnd.de per Transfer angefordert. Es handelt sich hierbei – unschwer zu erkennen – um die Domain des Bundesnachrichtendienstes.

Da es sich hierbei um eine bedeutende Domain handelt, bitten wir Sie umgehend das entsprechende Transfer-Fax und OwnerChange-Formular an uns zu senden.

Bis zu Klärung dieses Vorfalls haben wir Ihren Account gesperrt.

Mit freundlichen Grüßen

Daniel Teixeira“

Allerdings versuchte der Registrar auch direkt das Vertragsverhaeltnis fuer alle von Herrn Reppe registrierten Domains aufgrund von „Vertragsbruch“ aufzuloesen.

Wenn ein Kunde in vollem Bewusstsein – höchstwahrscheinlich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen – fremde Domains zu übernehmen versucht und damit seinen Provider in ernste Probleme bringen könnte, dann ist eine fristgerechte Kündigung mehr als gerechtfertigt. Wenn der Kunde nach der Löschung seiner Domains bei Presseanfragen behauptet, er wisse von nichts, dann ist das keine Verpeiltheit mehr. Er wusste etwas Substantielles. Dabei mag er sich in der verbliebenen Laufzeit getäuscht haben. Dass er die Kündigung aber ganz verschwieg, spricht gegen seine Glaubwürdigkeit – wie viele andere Details auch.

Dass der Provider telefonisch den Weiterbetrieb der Domains bis Ende des Jahres versprochen haben soll, obwohl er den Vertrag zum 31. März schriftlich gekündigt hatte, halte ich auch für höchst unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist, dass der Provider den Account entsperrte und die Weiterführung der Domains bis Ende der Vertragslaufzeit versprach, was ja offenbar auch eingehalten wurde.

PS: Es ist beeindruckend, wie sehr sich Menschen eigentlich klaren Sachverhalten widersetzen. Nein, ein KK-Antrag auf eine existierende fremde Domain ist nicht Denic-konform, auch wenn jemand im Heise-Forum das glaubt. Das wird auch aus jedem KK-Antragsformular auf den ersten Blick ersichtlich. Und nein, der BND ist in der Sache offensichtlich nicht tätig geworden, da der Provider den KK-Antrag gar nicht weitergeleitet hat.

Im Zweifel: Dummheit

Ein Grundsatz, nach dem ich mich meist richte ist: Bevor man Böswilligkeit unterstellt, sollte man Missverständnisse, Verpeiltheit und allgemeine Dummheit ausschließen. Oft entpuppen sich vermeintliche Skandal-Stories als Luftnummern.

Was ich nicht wusste – der Grundsatz hat einen Namen: Halon’s Razor.

Die armen Kollegen von der FAS

Nadine Oberhuber hat für die FAS einen „ehrlichen Blick ins Postfach“ geworfen. Also: das elektronische Postfach. Im Büro.

Insgesamt fing sich mein Postfach 11,4 Megabyte Daten ein. 15 Megabyte verkraftet es. Sobald ich also einen Tag unterwegs bin, ohne zu löschen, platzt es.

Eine Inbox mit lausigen 15 Megabyte Platz? Ehrlich? Im Jahr 2009? Das Äquivalent wäre ein Schreibtisch, der nur 15 Zentimeter breit ist. Und ein Phonograph als Diktiergerät.