Facts you deserve to know

Viel wird derzeit über Staatsgeheimnisse, vermeintliche Verschwörungen und deren Aufdeckung geredet. In diesem Zusammenhang hat John F. Kennedy kurz nach seinem Amtsantritt vor der American Newspaper Publishers Association eine interessante Rede gehalten.

The very word „secrecy“ is repugnant in a free and open society; and we are as a people inherently and historically opposed to secret societies, to secret oaths and to secret proceedings. We decided long ago that the dangers of excessive and unwarranted concealment of pertinent facts far outweighed the dangers which are cited to justify it. Even today, there is little value in opposing the threat of a closed society by imitating its arbitrary restrictions. Even today, there is little value in insuring the survival of our nation if our traditions do not survive with it. And there is very grave danger that an announced need for increased security will be seized upon by those anxious to expand its meaning to the very limits of official censorship and concealment. That I do not intend to permit to the extent that it is in my control. And no official of my Administration, whether his rank is high or low, civilian or military, should interpret my words here tonight as an excuse to censor the news, to stifle dissent, to cover up our mistakes or to withhold from the press and the public the facts they deserve to know.

Edle Worte. Keine geheimniskrämerische Regierung, gegen den überbordenden Apparat der Geheimdienste! Doch es gibt da eine Ausnahme:

But I do ask every publisher, every editor, and every newsman in the nation to reexamine his own standards, and to recognize the nature of our country’s peril. In time of war, the government and the press have customarily joined in an effort based largely on self-discipline, to prevent unauthorized disclosures to the enemy. In time of „clear and present danger,“ the courts have held that even the privileged rights of the First Amendment must yield to the public’s need for national security.

Today no war has been declared–and however fierce the struggle may be, it may never be declared in the traditional fashion. Our way of life is under attack. Those who make themselves our enemy are advancing around the globe. The survival of our friends is in danger. And yet no war has been declared, no borders have been crossed by marching troops, no missiles have been fired.

If the press is awaiting a declaration of war before it imposes the self-discipline of combat conditions, then I can only say that no war ever posed a greater threat to our security. If you are awaiting a finding of „clear and present danger,“ then I can only say that the danger has never been more clear and its presence has never been more imminent.

Frei übersetzt: Aber unsere Geheimnisse sind so wichtig, dass Journalisten sie stillschweigend akzeptieren sollten. Wer an unseren Geheimnissen rührt, rührt an der Sicherheit des Landes! Back off!

PS: Der historische Kontext ist auch spannend: Zehn Tage vor der Rede hatte Kennedy die Invasion der Schweinebucht befohlen, ein Angriff auf den kommunistischen Vorposten in Kuba. Um den Kriegsakt vorzubereiten, hatte der Geheimdienst CIA ein Jahr lang kubanische Exil-Kämpfer rekrutiert und ausgebildet.

Don’t blame Wikileaks

Die New York Times hat ein Portrait über Bradley Manning veröffentlicht, der mutmaßlich militärische Geheimdokumente an Wikileaks übergeben hat. Die Quellenlage ist dünn, die Reporter konnten offenbar nur Ansprechpartner aus dem weiteren Umfeld Mannings interviewen. Dennoch fügt sich ein Bild zusammen:

He spent part of his childhood with his father in the arid plains of central Oklahoma, where classmates made fun of him for being a geek. He spent another part with his mother in a small, remote corner of southwest Wales, where classmates made fun of him for being gay.

He was hired and quickly fired from a small software company, where his employer, Kord Campbell, recalled him as clean-cut and highly intelligent with an almost innate sense for programming, as well as the personality of a bull in a china shop. Then his father found out he was gay and kicked him out of the house, friends said. Mr. Clark, the Cambridge friend, said Private Manning told him he lived out of his car briefly while he worked in a series of minimum-wage retail jobs.

Meanwhile, his military career was anything but stellar. He had been reprimanded twice, including once for assaulting an officer. He wrote in e-mails that he felt “regularly ignored” by his superiors “except when I had something essential, then it was back to ‘Bring me coffee, then sweep the floor.’ ”

Ein Teenager, der nie im Leben eine wirklich feste Bindung hatte, der von einem sozialen Umfeld ins nächste gestoßen wird und offenkundige Probleme mit Autorität hat. Ein junger Mann, dessen sexuelle Identität der US-Army immer noch solche Angst einjagt, dass nicht darüber zu sprechen als die einzige Alternative erscheint. Er bekam trotz allem die Berechtigung zwischen Bodenwischen und Kaffeekochen Geheimakten einzusehen. Und das in einem Umfeld, in dem Soldaten Datenträger unbehelligt hinausschmuggeln können. Wer so mit vermeintlichen Geheimnissen umgeht, kann sie gleich im Radio verlesen lassen und darauf hoffen, dass niemand die richtige Frequenz einstellt.

Wikileaks möchte unterdessen 700.000 Dollar haben, um zu brisante Informationen aus unveröffentlichten Dokumenten zu streichen. Ein bemerkenswerter Wechsel im Business-Plan.

PS: Die US-Armee hat nun auch etwas gemerkt.

Unbiased

Newsmax ist laut Sarah Palin eine „sehr wertvolle , sehr hilfreiche“ Nachrichtenquelle. Wie hilfreich, kann man derzeit im Google Reader betrachten, wo diese Anzeigen an scheinbar jeder Ecke auftauchen:

Um einen uralten Wired-Artikel zu zitieren:

On a shoestring budget compared to other media sites, Newsmax has attracted a loyal audience of a few hundred thousand visitors a month, many of whom swear that it offers the only unbiased news available in the United States.

Leider sind diese Leute nicht die einzigen, die eine Berichterstattung nach Ihrem Geschmack nicht von einer neutralen Berichterstattung unterscheiden können. Oder wollen.

Wal-Mart und Jon Stewart

Eine ungewöhnliche Allianz, aber Jon Stewart und Wal-Mart ziehen derzeit an einem Strang. Okay, es ist keine Allianz, aber beide arbeiten daran Glenn Beck zu etwas zurecht zu stutzen.

Wer oder was Glenn Beck ist, lässt sich für die Konsumenten des domestizierten deutschen Medien-Marktes kaum erklären. Ein abgefeimter Lügner, der mit plumpesten Mitteln Stimmung gegen alles Linke und vermeintlich Linke macht und damit enorme Einschaltquoten einfährt. Nun hat Beck den Bogen etwas überspannt: In einer Talkshow unterstellte Beck Barack Obama, dass sein Hass auf Weiße sein bestimmendes Handlungsmotiv ist und nannte ihn einen Rassisten. Eine kalkulierte Provokation, die gewiss Einschaltquote und den Applaus einer treuen Fan-Schar beschert.

Die Antwort darauf: Ein Boykott-Aufruf. Linke Gruppierungen riefen – mit Unterstützung des FoxNews-Konkurrenten CNBC – die Sponsoren wie Wal Mart auf, ihre Werbespots zurückzuziehen und Beck so die kommerzielle Grundlage zu erzielen. Die Beck-Fans reagieren mit einem Gegen-Boykott: Wer seine Werbespots zurück zieht, soll bitter dafür bezahlen. Die andere Seite besteht eh nur aus bezahlten Studenten, die von schwarzen kommunistischen Terroristen engagiert wurde, deren geheime Machenschaften von Glen Beck enthüllt wurden. Tatsächlich geben nur Glenn-Beck-Fans richtig viel Geld für die beworbenen Produkte aus.

Doch so ganz leicht wie ein Town Hall Meeting lassen sich Konzerne nicht niederschreien – und so hat ein Dutzend sehr potenter Auftraggeber ihre Werbezeiten bei Glenn Beck gekündigt. Mit geholfen hat vielleicht auch ein Beitrag von Jon Stewart, der wieder sehr schön vorführt, wie Beck seine Fahne nach dem Wind hängt. Ein Jahr, nachdem er die Krankenversorgung in den USA als Todesfalle portraitierte, lobt er das System in den Himmel und schürt die Ängste vor – frei erfundenen – „death panels“ der Obama-Regierung. Ein Publikum, dass solche Widersprüche schluckt, muss schon ein anderes Interesse an Beck haben als die viel zitierte „Wahrheit“, die er angeblich so laut ausspricht.

PS: Ein Anhänger von Glenn Beck fasst seine Faszination so zusammen:

I find the Glenn Beck show on FOX News to be 99.9% pure good stuff! No wonder the Progressive Left despises it.

Glenn makes no pretense to be a “journalist”, but often puts many “journalists” to shame!

He and his crew manage to present analysis and discovery on a daily basis that is exceptional. It is offered for examination…

Recent figures indicate his TV audience is around 2,500,000 per day, that’s pretty good for a cable offering.

Mr. Beck is an entertainer with a distinct flair for introducing controversy and information into his offering.

Kurz zusammengefasst: Weil Beck die Linken ärgert, muss er ja gut sein. Typisch ist die Schere im Kopf der Beck-Fans: Journalisten und Fakten sind im Lager des „liberal bias“, aber Beck deckt auch ohne solche Hindernisse wie Recherche, Konsistenz oder Verantwortung die „truth“ auf.

Vor Ort mit Google Maps

Auslandskorrespondent müsste man sein. Am besten in den USA. Eintauchen in die kulturelle Weltmacht – in den Straßen des Big Easy, auf den Avenues des Big Apple, unter Orangenbäumen in der Stadt der Engel. Ja, wenn man in Los Angeles wäre, könnte man jetzt zum Beispiel direkt vor Ort dabei sein, wie Gerichtsmediziner Plastiktüten mit Medikamenten aus einer Luxusvilla schleppen oder die Nase rümpfen über die Boulevardreporter, die das so aufmerksam beobachten.

Ja, man könnte sein wie Gregor Peter Schmitz, der über die Klatsch-Webseite TMZ schreibt und zu diesem Anlass gleich bei der Zentrale des Klatsches vorbei gefahren ist – während wir in Deutschland auf den billigen Plätzen saßen und das Ganze per Glotze und Internet verfolgen mussten:

Als die Gründer der Internet-Seite TMZ ein Büro suchten, wurden sie im Westen Hollywoods direkt am Sunset Boulevard fündig. Hier bietet sich dem jungen angesagten Traumfabrik-Menschen alles, was er braucht: noble Nightclubs wie die „Hyde Lounge“, schicke Sonnenbräunungsstudios – und Fitness-Center mit dem schlichten Namen „Crunch“, was frei übersetzt nahelegt, den eigenen Körper für die perfekte Figur ordentlich in die Zange zu nehmen.

Dieses Stimmungsbild konnte Schmitz nur einfangen, weil er eben vor Ort ist – am Puls des Geschehens. Warum er nicht aus dem Auto gestiegen ist, um mit den TMZ-Redakteuren zu reden und stattdessen nur ein paar Presseberichte zitiert, ist allerdings rätselhaft.

Aber was soll nur der Neid? Muss ich mich halt selbst nach L.A. begeben und mir das Ganze anschauen. Das TMZ-Büro, den Fitness-Club Crunch, die Hyde Launch und die vielen Sonnenstudios im verregneten Kalifornien.

Irgendwie habe ich ein Déjà-vu.

Zahlenspielereien

Auch in den USA beherrscht man Zahlenspielereien:

Congressman Smith: “Of the nearly 600,000 images of graphic child pornography found online and reported to law enforcement officials, only 2,100 of these children have been identified and rescued.

Warum steht da „of these“? Wird von jedem missbrauchten Kind exakt ein Bild gemacht und wird davon jeweils exakt eine Kopie gefunden? Nein. In Wahrheit stehen die beiden Zahlen in keinem Verhältnis. Von den 2100 identifizierten Opfern können Hunderttausende Bilder kursiert haben. Derzeit entwickeln gleich mehrere Organisationen Techniken um die Opfer des Missbrauchs besser zuzuordnen.

Darf Hugh Grant einen Facebook-Account haben?

Die Geschichte geht grade durch die Medien. 90000 „sex offender“ wurden aus MySpace verbannt – aus Sorge, dass sie dort Kinder als Opfer suchen. Techcrunch
schließt sich der Jagd an und verfolgt – dank erfolgreicher PR-Arbeit eines Datenbank-Dienstleisters – die Täter auf Facebook.

Sentinel’s technology is the foundation for Sentinel SAFE, the software MySpace uses to identify sex offenders on its site. Sentinel SAFE is a database of more than 700,000 registered sex offenders in the U.S., complete with names, photos, dates of birth, email and IM addresses (when available), and more than a hundred other data points. Cardillo took the 90,000 sex offenders who were removed from MySpace and started looking for them on Facebook.

Klingelt da nicht etwas? „700,000 registered sex offenders“, das sind über zwei Promille der US-Bevölkerung. Entweder sind die Amerikaner ein Volk der Pädophilen oder man fischt im Trüben. So dürfte wohl Hugh Grant ebenfalls in den Dateien stehen, nachdem er mit einer Prostituierten erwischt wurde. Oder der Vierjährige, der eine Frau in Texas sexuell belästigt haben soll.

Ein Glück, dass die Sentinels unsere Kinder vor solchen Triebtätern bewahren.

Free Muntader

Ein Video geht um die Welt: ein irakischer Journalist hat die letzte Pressekonferenz von US-Präsident George W. Bush im Irak genutzt, um ihn hart zu beschimpfen und seine Schuhe auf den Präsidenten zu werfen. In den meisten Berichten bleibt der Angreifer namenlos, Bush scherzt sogar, dass der Mann – ein Fernsehkorrespondent – offensichtlich nur ins Fernsehen wollte. Muntadar al-Zeidi (oder Muntader Zeidi?) kann derzeit nicht zurückscherzen: Er wurde inhaftiert, wie die New York Times meldet:

The television channel broadcast a request for Mr. Zaidi’s release in the name of democracy and freedom of speech. “Any procedure against Muntader will remind us of the behavior of the dictatorship and their violent actions, random detentions and mass graves,” the channel said. “Baghdadia TV channel also demands that the international and Iraqi television organizations cooperate in seeking the release of Muntader Zaidi.”

Zugegeben: eine extensive Auslegung freier Rede. Es wäre aber dennoch interessant zu wissen, welche Strafen diesem Journalisten im heutigen Irak blühen. Unter Saddam Hussein hätte Zaidi einen solchen Auftritt wohl kaum überlebt, in Deutschland und den USA wäre der Mann wohl nach einem ausführlichen Interview wieder auf freiem Fuß.

PS: Ein paar mehr Details:

Nach dem Zwischenfall gestern schleppten irakische Sicherheitsbeamte Al Zaidi aus dem Saal und schlugen und traten ihn dann, bis er – so ein Augenzeuge – „wie eine Frau geheult“ habe. Sein Sender verlangt die sofortige und bedingungslose Freilassung des Reporters, „im Namen der Demokratie und der Meinungsfreiheit“, wie es in einer Stellungnahme hieß. Eine regierungskritische Nachrichtenagentur in Baghdad gratulierte Al Zaidi zu seinem – so wörtlich – mutigen Auftreten. Der Chef der irakischen Organisation für Pressefreiheit sprach hingegen von „unprofessionellem Verhalten“.