Popcorn-Krieg um Wikileaks

Ich habe die Geschichte um die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Julian Assange als Strohfeuer bezeichnet. Aber in diesem Sommer gibt es offenbar keinerlei Mangel an Stroh, so dass die Geschichte wohl noch einige Zeit Schlagzeilen verursachen wird.

Gerade habe ich den Tagesspiegel-Artikel von Christoph von Marschall gesehen, der mit der Märchenstunde um Julian Assange aufräumen will.

Die meisten US-Zeitungen schlagen einen distanzierten, aber nicht unfreundlichen Ton an. Viele deutsche Zeitungen lassen ihre Sympathie mit Assange und ihr Misstrauen gegenüber US-Militär und Geheimdiensten durchklingen. Die meisten deutschen Online-Medien betreiben bewusst oder unbewusst die Stilisierung Assanges zu einem Robin Hood des Internets. In Konfliktfällen wird seine Darstellung breit zitiert. Fakten, die diesem Bild widersprechen, und die Darstellung der Gegenseite, werden oft weggelassen.

In der Tat haben in der Vergangenheit viele Behauptungen von Wikileaks über nicht standgehalten. Allerdings schießt von Marschall für meinen Geschmack etwas über das Ziel hinaus. Das liegt aber auch daran, dass ich jetzt grade nicht nachvollziehen kann, wie viele Aussagen von Assange, denen der Tagesspiegel-Autor widerspricht, tatsächlich gefallen sind oder eventuell verfremdet wiedergegeben wurden. Zudem: ob Wikileaks in den USA tatsächlich gegen das Gesetz verstoßen hat, ist keinesfalls geklärt.

Man muss aber gar nicht lange suchen, um eindeutige Widersprüche zu finden: So zitiert der Guardian Assange in einem lesenswerten Artikel über die Fakten zum Vergewaltigungsvorwurf den Wikileaks-Gründer:

In subsequent tweets and interviews, Assange suggested that the timing of the allegations against him was „deeply disturbing“. He told al-Jazeera on Sunday: „It is clearly a smear campaign … The only question is who was involved. We can have some suspicions about who would benefit, but without direct evidence, I would not be willing to make a direct allegation.“

Das ist eine Logik-Konstruktion, die mancher Politiker erst nach zermürbenden Jahren im politischen Kampf hinbekommt. Wenn die Vorwürfe Teil einer Kampagne gegen Assange sind, dann ist dies ganz logisch eine direkte Anschuldigung gegenüber den beteiligten Frauen.

Dass die Anschuldigungen gegenüber Assange bekannt wurden, überrascht keineswegs. Ergeht ein Haftbefehl, müssen viele Polizisten Bescheid wissen. Und Boulevardmedien legen viel Wert auf Beziehungen zur Polizei um eben solche Informationen zu bekommen. Auch eine Art von Transparenz.

Einige enthusiastische Wikileaks-Anhänger sind unterdessen nicht zimperlich dabei, die beteiligten Frauen zu ermitteln und zu beschimpfen. Besonders skurril: einige Leute legen sehr großen Wert darauf, dass eins der vermeintlichen Opfer eine „radikale Feministin“ sei. Aber keine Sorge: erste vermeintlichen Verbindungen zur CIA wurden schon identifiziert, die Verschwörungsspirale rotiert. Wem Fakten zu langweilig sind, muss sich nicht mit ihnen beschäftigen.

Der britische Blogger David Allen Green fasst es so zusammen:

But if the enemies of WikiLeaks had actually wished to bring discredit on it with some smearing conspiracy, then they would not have brought WikiLeaks as much discredit as some of its supporters have managed by themselves in the last few days.

Aber auch im anderen Lager gießt man reichlich Öl ins Feuer: ein Abgeordneter des US-Repräsentantenhauses fordert die Todesstrafe für den mutmaßlichen Whistleblower Bradley Manning:

Following news that an Army private was accused with leaking thousands of pages of intelligence documents related to the war in Afghanistan, Congressman Mike Rogers says he supports execution for the soldier involved if he is ultimately found guilty.

„Brutal“ war gestern

Der Tagesspiegel berichtet:

„Diese Behandlung war zu ruppig, selbst wenn die Person gestört haben mag“, sagte der grüne Innenpolitiker Benedikt Lux. Insgesamt habe die Polizei die Lage aber gut im Griff gehabt.
Wie berichtet, hatte vor vier Wochen bei einer linken Demonstration die ruppige Festnahme eines Mannes bundesweit Schlagzeilen gemacht. Auch diese Szene war ins Internet gestellt worden – für die Polizei ein schwerer Imageschaden. Dass sich der Mann zuvor renitent mehreren Platzverweisen der Beamten widersetzt habe, sei auf dem Film dagegen nicht zu sehen, hieß es bei der Polizei. Deshalb sollte der Mann festgenommen werden – mit den bekannten Folgen.

Ruppig??? Diese uniformierten Schlingel! Statt Disziplinarverfahren einzuleiten, sollte man sie fünf Minuten in die Ecke stellen.

Ach ja: Dass die Videoaufnahmen von dem Vorfall vor einigen Wochen zeigen, wie der Mann einem Platzverweis nachkommen will und dann hinterrücks überfallen und brutal verprügelt wird, ist in diesem Tagesspiegel-Artikel nicht zu sehen.

Klar ins Dschungelcamp!

Jedesmal wenn ich die BILD sehe, bemerke ich etwas Absurdes. Oder etwas Ekelhaftes. Heute kann ich mich nicht entscheiden, was das wohl ist:

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  • Die absurde Deutung: Die BILD möchte Klar als Kandidat für das Dschungelcamp empfehlen. Mit dem Slogan „Ich bin ein Star holt mich hier raus“ hat er ja schon einige Erfahrungen gemacht.
  • Die ekelhafte Deutung: Auf den Rechtsstaat geben wir nichts, ein paar „aufrechte Bürger“ sollten Christian Klar als Zielscheibe für ihren Hass nutzen. In welcher Form auch immer.

PS: Ich sehe grade – es gibt auch eine juristische Variante: Da der Axel Springer Verlag wohl eh zu Schadensersatz verurteilt wird, will er sich gleich für einen Mengenrabatt bewerben.

Der Flix

Ich beginne fast jeden Morgen mit Webcomics. Es ist schön, wenn man etwas zu lachen hat, bevor man sich durch To-Do-Listen und Spam-Berge zu kämpfen hat. Und besonders schön ist, wenn man dabei etwas zum Nachdenken bekommt.

Ein besonders schönes Exemplar ist der Flix, der wunderbar pointiert aus seinem Leben erzählt: über die deutsche Sprache, Begegnungen auf der Straße, die kleinen Berlin-Momente. Und das jeden Tag.

Ganz besonders toll finde ich aber die Serie, die er für den Tagesspiegel gemacht hat, um über die DDR zu erzählen: 26 Folgen mit Lebensgeschichten rund um die DDR. Und dabei sogar mir als Halb-Saarländer dieses ferne Land doch bedeutend näher bringt.

Wir glauben an den Weihnachtsmann

Ein interessanter Artikel beim Tagesspiegel:

In einem Schreiben an den Tagesspiegel am Sonntag versichert Tele 2, nur Adressen von renommierten Adressanbietern zu erwerben, bei denen wirksame Einwilligungserklärungen der Kunden vorlägen.

Da steht wohlgemerkt renommiert, nicht etwa seriös oder glaubwürdig. Mal im Ernst: fällt Euch ein Adresshändler ein, dem ihr Eure Daten guten Gewissens anvertrauen würdet? Nachdem ich mal den Nachsendeeintrag der Post in Anspruch hatte, habe ich selbst zu deutschen Institutionen kein übersteigertes Vertrauen mehr.