Auch INSM-Statisten sind Steuerzahler

Mathias Richel hat eben per Twitter darauf aufmerksam gemacht: Der Tagesschau ist heute ein peinlicher Schnitzer unterlaufen. In einem Bericht zu Wolfgang Schäubles Haushaltsplänen, die die Neuverschuldung der Bundesrepublik trotz Rekord-Steuerreinnahmen wieder hochschraubt, bauten die Redakteure ein paar Sekunden bunten Bildmaterials ein:

Der gesprochene Text dazu:

Draußen eine Mini-Demo von Steuerzahlern: Sie wollen schon vor 2016 keine neue Schulden. Das will auch die FDP….

Ja, Steuerzahler versammeln sich zu einer Mini-Demo. Wer kann wohl dahinter stecken? Es ist die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die nur ganz, ganz wenige Steuerzahler vertritt, da sie — wie ich zum Beispiel einst beim Oberlandesgericht Köln verfolgen durfte — ein Produkt einer PR-Agentur im Auftrag von Arbeitgeberverbänden ist.

Die macht im Übrigen keinen Hehl daraus, wer hinter der „Mini-Demo“- steckt. Auf der Website der INSM wird die Aktion veröffentlicht. Die „Steuerzahler“ heißen hier allerdings „Bundeshaushalts-Fan-Gruppe“ oder „begeisterte Haushaltsbeobachter“. Dass die Begeisterung der in Einheitskleidung auftretenden Mini-Demonstranten vorrangig durch ihre Gehaltsabrechnung begründet ist, wird auch nicht verborgen. Nicht die Demonstranten sind die Akteure, sondern die INSM.

Damit das Ziel einer nachhaltigen Haushaltsplanung die nötige Aufmerksamkeit behält, hat die INSM heute die Bundesregierung mit einer „Bundeshaushalts-Fan-Gruppe“ angefeuert.

Der zuständige Campaigner freut sich wahrscheinlich grade ein paar Löcher in den Bauch. Er hat eine lächerlich kleine Demo mit Statisten in Fußball-Fan-Devotionalien von der Resterampe auf den Weg gebracht — und in der Hauptnachrichtensendung erscheint es, als hätte sich das Volk zusammengerottet, um den Mächtigen eine Lektion zu erteilen.

Autovergleiche haben immer Vorfahrt

Wie beschreibt man kurz und knackig eine hochkomplexe juristische Auseinandersetzung um Staatssouveränität, Demokratie und Wirtschaftspolitik? Tagesschau.de macht es so:

Ich warte unterdessen darauf, dass aus dem „Euro-Rettungsschirm“ eine „Schulden-Handbremse“ wird.

Recherche ist immer Verlierer des Tages

Viel wird grade darüber geschimpft, dass die BILD Björn Böhning zum Verlierer des Tages gemacht hat, weil er sich gegen das geplante Netzsperren-Gesetz ausgesprochen hat. Viele sehen dahinter eine skandalöse Agenda – ich glaube hingegen, dass die meisten Gewinner-Verlierer-Meldungen ausgewürfelt werden. Irgendwer schreibt schnell etwas zusammen ohne groß darüber nachzudenken.

Wie gut es um den Faktengehalt der Rubrik steht, zeigt sich wenn man nur einen Zentimeter nach links wandert:

090612-gewinner

Was? Sat1 hat eine Nachrichtensendung? Und die soll die Tagesschau geschlagen haben – wenn auch in einer willkürlich festgelegten Zielgruppe? Das wäre doch eine kurze Nachfrage wert. Und in der Tat – BILD stellt heute richtig:

130612-gewinner

Ist damit alles gut? Nun – nicht wirklich: In der ersten Meldung hat BILD die untersuchte Altersgruppe um fünf Jahre verkürzt, in der Korrektur wurde die Zuschauerdifferenz falsch abgeschrieben. Für 14 Zeilen Text, die als Aushängeschild des Mediums gelten, ist das eine erstaunliche Quote. Oder auch wieder nicht.

Hauptstadt des Atheismus

Die Leute von „Pro Reli“ lecken sich die Wunden. In der Tagesschau konnte ich eben einen Sprecher hören, der ernüchtertfreut verkündete, dass die Berliner wegen des gescheiterten Volksbegehrens immerhin intensiv über Religion diskutiert haben. Ein Erfolg – schließlich sei Berlin ja als „Hauptstadt des Atheismus“ bekannt.

Spannend. Diese Bezeichnung habe ich noch nie gehört. Und auch Google kann mir da nicht weiterhelfen, wenn ich die Berichte über „Pro Reli“ und ein paar Irrläufer ignoriere. Kann es sein, dass alleine „Pro Reli“ Berlin diesen wenig schmeichelhaften Titel an Berlin verliehen hat?

PS: Die Antwort auf die letzte Frage lautet: nein. Der Begriff wurde zwar nicht gerade oft verwendet, existierte aber schon lange vor „Pro Reli“. So schrieb die Berliner Morgenpost am 7. Februar 2000:

Ein gutes Omen dafür, dass es mit der Kirche in der „Hauptstadt des Atheismus“ (Landesbischof Wolfgang Huber) wieder bergauf geht, wird sie begleiten: Jahrzehntelang wurden von der Georgenkirchstraße Missionare ausgesandt, um Menschen in Afrika und Asien zum Glauben zu bekehren.

Wolfgang Huber widerum ist einer der eifrigsten Aktivisten in Sachen Pro Reli. Es bleibt also in der Familie.

Typisch Tellerwäscher

Die Tagesschau berichtet über den vorbildlichen Banker Leonard Abess, der nach dem Verkauf seiner Bank 60 Millionen Dollar an die Bankangestellten zahlte.

Die Karriere von Abess ist nicht die typische eines Tellerwäschers; denn er stammt aus einem wohlhabenden Haus. Sein Vater hat die Citi National Bank 1946 gegründet.

Und ich vermute, er ist auch keiner dieser typischen Außerirdischen im Banksektor.

Nachsitzen, Tagesthemen

Gestern in den Tagesthemen:

tagesschau-gps

„Einige Handys verfügen über GPS. Die Satellitenortung liefert die genauesten Daten. Satelliten im All verfolgen die Position des angepeilten Telefons und geben dessen Standort auf den Meter genau weiter.“

Nein, Herr Sonnenberg, so funktioniert GPS nicht. Die Satelliten peilen nicht an, sie sind sozusagen Leuchttürme im All. Wenn die Position übermittelt werden soll, muss man sie schon auf einem anderen Weg senden. Für einen Beitrag über Geolokalisierung und Datenschutz sind solche Informationen eigentlich essentiell.

PS: Die Kollegen vom Weltspiegel haben den gleichen Fehler gemacht – was die Sache nicht besser macht.

Die unkritische kritische Masse

Kai Gniffke im tagesschau-Blog:

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich in solchen Fällen gerade hier im blog oft wohltuende Bestärkung und Ermutigung bekomme. Insofern könnte ich es mir einfach machen und hier wieder genau erklären, warum wir den Fall Kardelen nicht in der Sendung hatten. Es gäbe sicher Schulterklopfen für so viel Verantwortungsbewusstsein und Reinheit in der Tagesschau.

Wer kritisiert oder beleidigt werden will, muss nur ein Blog eröffnen. Doch irgendwann wird die Schwelle zur kritischen Masse überschritten – und die Masse wird unkritisch. Zwar gibt es unter Dutzenden oder Hunderten Kommentaren noch Kritik, die geht aber restlos unter, versinkt im Sumpf des Blog-Konsenses. Denn die meisten Leser suchen sich doch lieber die Community, die sowieso ihrer Meinung entspricht. Gegen diesen selbstverstärkenden Mechanismus anzukommen, ist nicht leicht.

50 25 Antworten auf die Qualitätsdebatte

Stefan Niggemeier hat 50 Fragen an das Fernsehen zusammengetragen, die meist mit schlechten Fernsehsendungen zu tun haben. 50 Mal schlechtes Fernsehen. Interessant.

Wie wäre der Gegenentwurf? Ich schlage den TV-Browser auf und versuche 25 Sendungen zu finden, bei denen man sich nicht schämen muss. Angesichts von Tausenden Einträgen in der Datenbank ist das eigentlich keine unglaubliche Herausforderung. Aber ich bin kein Fernsehkritiker, ich kenne nicht allzu viele Show-Formate, ich habe nicht mal Heroes oder Dr. House gesehen.

Fangen wir also an. Halbwegs chronologisch:

  1. Das Erste (ARD) – Weltspiegel ,19.10.2008 19:20-19:58 – eigentlich fast immer sehenswert. Hier habe ich zum Beispiel über die Taliban gehört, Jahre bevor sie in der Weltöffentlichkeit auftauchten.
  2. arte – Karambolage – 19.10.2008 20:00-20:10 – Geniale Sendung. Werde ich heute abend nicht gucken, aber es wird ja oft genug wiederholt.
  3. EinsFestival – Otto-Show 1976 – 19.10.2008 20:15-21:00 – Comedy-Archäologie. Heute wäre das wahrscheinlich innovativ: „Otto Waalkes präsentiert eine Fernsehshow, die sowohl in seiner Hamburger Wohnung als auch im Fernsehstudio hergestellt wurde. “
  4. arte – The Doors, 19.10.2008 20:40-23:00 – Musikfilm von Oliver Stone. Sicher interessant – dagegen kann der Tatort sicher nicht anstinken.
  5. RTL – CSI: Den Tätern auf der Spur – 19.10.2008 23:40-00:35 – Immer wenn ich CSI gucke, muss ich lachen. Deprimierend ist es erst, seitdem die Szenen in allen Tatorten nachgespielt werden.
  6. 3sat – Prince of the City – 20.10.2008 00:10-02:50 – Beschreibung klingt nicht schlecht. Ich mag Krimis.
  7. arte 20.10.2008 03:00-04:30 Amerika made in Hollywood – Für mich ist so etwas die ideale Begleitung zum Bügeln oder beim Hausputz
  8. kabel eins – Roseanne – 20.10.2008 13:05-13:35 – Solide Familienserienkost, die seit gefühlten 20 Jahren in der Kabel1-Endlosschleife kommt.
  9. CNN International – World News – 20.10.2008 09:00-09:30 – ich schau da ganz gerne mal rein, um einen Einblick zu bekommen, wie denn die Lage von anderen gesehen wird. Dann verstehe ich besser, worüber Jon Stewart Witze macht.
  10. arte – Mit offenen Karten – 20.10.2008 06:50-07:05 – Bildungsfernsehen at it’s best. Etwas trocken, aber konzentrierte Fakten.
  11. Das Erste (ARD) – Tagesschau – 20.10.2008 14:00-14:10 – Warume erwähne ich die eigentlich hier zum ersten Mal?
  12. RTL2 – Californication – 20.10.2008 22:15-22:55 – hab die erste Folge nur halb gesehen, aber das ist doch die Langfassung des Films „Skin Deep“? Hoffentlich nicht zu lang. Der darauf folgende „Dexter“ ist ja leider nur Fließband-Serienkiller-Ware, deren neuer Blickwinkel nicht überzeugt.
  13. WDR – Tod des Präsidenten – 20.10.2008 23:15-00:50 – Uhh, spannend: „Death of a president“ ist eine erschreckend glaubwürdige Dokumentation über ein Attentat, das niemals stattgefunden hat. Am 19. Oktober 2007 wird George W. Bush beim Verlassen eines Hotels in Chicago erschossen, der Täter kann entkommen. Die Welt ist erschüttert und die Suche nach dem Mörder und den Hintergründen der Tat beginnt.“
  14. kabel eins – About Schmidt – 21.10.2008 20:15-22:40 – Ich mag Jack Nicholson. Nach ihm wurde das „Jack Nicholson-Syndrom“ benannt. Der Charakterkopf überstrahlt jede Rolle.
  15. 3sat – Stuttgarter Kabarettfestival 2008 – 22.10.2008 01:05-01:35 – Wenn der grässliche Richling nicht dabei ist…
  16. arte – Who’s Afraid of America? – 22.10.2008 00:00-00:50 – Was ich bei arte etwas vermisse: ab und zu mal eine Reportage über die USA, die nicht um den moralischen Zeigefinger gewickelt ist, sondern sich auch mit der Faszination des Kontinents befasst. Gibt es auch, ist aber selten.
  17. EinsFestival – extra 3 – 21.10.2008 23:00-23:30 – Schon lange nicht mehr geguckt. Das Beste kommt ja eh auf YouTube.
  18. VOX – Gilmore Girls – 22.10.2008 08:10-09:05 – Hab die Serie ganz aus den Augen verloren. Wurde es dann eigentlich was mit Luke und Lorelay? Vor 30 Jahren wurden solche Rollen von Doris Day gespielt und Cary Grant legte sie übers Knie.
  19. MDR – Tatort: Schlaflos in Weimar – 22.10.2008 22:05-23:35 – Ein Ehrlicher-Tatort. Ob die ARD bald dazu aufgerufen wird das zu unterlassen? Das hat man bei Arnold Schwarzenegger ja schließlich auch so gehalten.
  20. kabel eins – Stadt der Engel – 22.10.2008 20:15-22:25 – Trotz Meg Ryan ein beeindruckender Film. Zumindest damals, im OpenAir-Kino am Rhein.
  21. ProSieben – Malcolm mittendrin – 23.10.2008 09:35-10:05 – Hab ich nie wirklich gesehen, aber bin einige Male hängen geblieben und war angenehm überrascht, wie kreativ die Drehbuchautoren mit den vorhandenen Personen umgegangen sind.
  22. arte – Der Trip – 25.10.2008 01:15-02:45 – „“Der Trip“ ist ein rauschhaft inszenierter, ekstatisch anmutender Film über die äußerst subjektiven Erlebnisse eines Drogentrips“. Ahja. Das Drehbuch stammt von Jack Nicholson? Gekauft!
  23. ProSieben – James Bond 007: GoldenEye – Ein Bond. Was soll man da noch sagen? Ach ja: in den Werbepausen von Pro7 kann man einen zweiten Spielfilm von DVD parallel sehen.
  24. kabel eins – Platoon – 25.10.2008 22:40-01:00 – Ich hab noch nie Platoon gesehen. Eine Bildungslücke.
  25. VOX – Sneakers – Die Lautlosen – 25.10.2008 20:15-22:30 – Kultfilm. Ich weiß gar nicht, warum ich ihn so mag.