Generation Hektographiegerät

In meiner Grundschulzeit hatten wir zunächst keine Kopierer. Stattdessen gab es ein Hektographiergerät, das speziell vorbereitete Matritzen vervielfältigen konnte. Dieses Gerät wurde mit einer Handkurbel angetrieben. Kamen die Kopien mit der typischen blauen Schrift aus dem Gerät, rochen sie penetrant nach Lösungsmitteln. Wie viele Grundschulkinder verdanken ihr erstes Drogenerlebnis dieser knuffigen Maschine? Das half uns vielleicht darüber hinweg, dass Lehrfilme mit einem Filmprojektor gezeigt wurden und wahrscheinlich aus den 60er Jahren stammten. 

Den Overheadprojektor lernte ich IIRC erst in der weiterführenden Schule kennen. Wahrscheinlich war schon damals für alle anderen ein alter Hut. 

(Das Bild stammt von Appaloosa aus der deutschsprachigen Wikipedia und steht unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported.)

Verbotsvermehrung

Bereits 2007 verbot Zürich Handies auf dem Schulhof, weil sich die Kinder ja mit Handykameras mobben könnten.

Ein toller Erfolg, wenn man nach dem Schuldepartment geht – heute zweifelt niemand mehr dieses Handyverbot an. Sagt das Department. Nur ein kleines Problem gab es da: woher soll der Lehrer wissen, ob der Schüler ein iPhone oder einen iPod touch hat? Man kann ja nicht erst warten, bis das Kind vom Happy-Slapping-Drang getrieben seine Mitschüler vermöbelt und dann einschreiten.

Fürwahr – eine knifflige pädagogische Frage. Doch die Lösung liegt so nah:

Die neue Hausordnung verbietet in den Stadtzürcher Schulen ab Sommer alle elektronischen Geräte. Grund für diese Ergänzung ist, dass sich die Geräte optisch immer ähnlicher werden, ein MP3-Player heute also wie ein Mobiltelefon aussieht.

Das verbot beseitigt nicht nur die Zweifel über die Art eines Geräts, sondern ist auch pädagogisch wertvoll.

«Die Kinder sollen miteinander reden, sich entspannen», sagte Caprez weiter. Elektronische Geräte seien dabei nicht förderlich.

Nächste Folge: Schokoriegel sehen doch verdächtig nach kleinen MP3-Playern aus. Und sie sind der gesunden Ernährung Heranwachsender sicher nicht förderlich.

Voreilig

In einem Interview der Süddeeutschen Zeitung äußert sich der Direktor des Ansbacher Gymnasiums zu den Folgen des Amoklaufs an seiner Schule:

SZ: Welche Konsequenzen müssen aus dem Amoklauf gezogen werden?

Stark: Vor allem keine voreiligen. Mir sind viele Vorschläge und Forderungen viel zu reflexartig und schnell. Sicher muss man sich überlegen, wie Problemfälle schneller erkannt werden können. Aber Schulen dürfen nicht zu hermetisch abgeschirmten Hochsicherheitstrakten werden, womöglich mit elektronischen Einlasskontrollen, Taschendurchsuchungen und Leibesvisitationen. Wollen wir wirklich so die Bildung, den Charakter und das Menschenbild unserer Kinder prägen? Nein, so können wir sie nicht zu offenen Menschen erziehen.

Warum hört man solche Stimmen so selten?

Liebe ohne Risiko

Aus dem Pressepostfach (anonymisiert):

Wer untrüglich von „Amors Pfeil“ getroffen ist, auf altmodisches Zettel-Schreiben aber verzichten will und einfach nicht den Mut aufbringt seinen Schwarm direkt in der Schule, auf dem Pausenhof oder beim Sport anzusprechen, kann sich ab heute an [XXX] wenden. Völlig anonym und ohne die Gefahr einer öffentlichen Abfuhr, bringt [XXX] in Erfahrung, ob der Traumprinz oder die Traumfrau ähnliche Gefühle hegt.

[…]

Der Gefahr, auch über das Handy in Verlegenheit zu geraten, wirken die [XXX]-Macher unter anderem durch ihre Vermittler-Rolle entgegen. „Vor dem ersten Kontakt zwischen Verknalltem und Schwarm, prüfen wir, ob auch die
umschwärmte Person Interesse zeigt. Erst danach wird der Kontakt zwischen beiden, entweder anonym über [XXX] oder direkt eins zu eins hergestellt“, so [XXX] Geschäftsführer und Gründer von [XXX].

Ahja. Sehr nützlich. Und so romantisch! Und innovativ! Spammer haben die Idee ja erst seit gut zwei Jahren verheizt.

Eine Frage habe ich aber noch: Was ist der Vorteil gegenüber dem altmodischen Zettel-Schreiben? Was sagt der Übertragungsweg über den Absender?

Ergänzend fügt er hinzu: „Zusätzlich erhebt [XXX] eine Gebühr von 99cent für die erste, für jede weitere SMS 49cent, denn nur wer ernsthaft in Erwägung zieht [XXX] für den ersten Kontakt mit dem Schwarm zu nutzen, wird auch bereit sein einen gewissen Betrag für den Service zu investieren.“ Für den Angeflirteten entstehen selbstverständlich keine Kosten.

Die Botschaft ist also: Dein Flirt-Partner ist verzweifelt. Wenn das kein Turn-on ist…

PS: Schreibt die Viva-Generation Geldbeträge jetzt so?

Philologenverband: Hü und hott

Eben bei Heise gelesen:

Meidinger meint, der Jugendschutz im Internet existiere praktisch nicht mehr. „Es gehört heute schon fast zum Allgemeinwissen, insbesondere von Jungen ab 12 Jahren, wie und wo man im Internet oder über Freunde ohne Schwierigkeiten an problematische Inhalte wie sehr extreme Sexualitätsdarstellungen und brutale Bilddateien und Spielsequenzen kommt.“ Nun seien Politik, Lehrer und Eltern gleichermaßen gefordert.

Gut, das muss ich mangels sozialem Umgang mit 12jährigen Mal mal glauben.

Gesetze allein könnten das Problem zwar nicht beseitigen, meint der Verband. Dennoch könne eine „stärkere politische Einflussnahme auf Suchmaschinen und die obligatorische Integration von Schutzfiltern in Computer-Betriebssystemen“ die Situation verbessern.

Ähm – hat Meidinger nicht grade das genaue Gegenteil gesagt?