„Etwas pathetisch“

Ich bin ja bisher kein großer Fan von Netzwertig.com gewesen: Zu viele Buzzwords, meist sind die per Twitter und Rivva als tiefgründige Analyse weitergereichten Artikel in meinen Augen nicht mehr als eine Aneinanderreihung plumper Netz- und Gadget-Begeisterung sowie recherchefreier Besserwisserei.

Das könnte nun anders werden. So schreiben die Netzwertig-Autoren Andreas Göldi und Peter Sennhauser eine an sich legitime Kritik der ideenlosen Verlagsapplikationen fürs iPad. Da das aber schon an zahlreichen anderen Stellen zu lesen war, steigern sich die Autoren zu einer conclusio, die ihres gleichen sucht:

Nein, das iPad ist das genaue Gegenteil einer Zeitung. Etwas pathetisch ausgedrückt: Noch nie in der Menschheitsgeschichte konnte man auf einer so geringen Fläche so einfach auf mehr reichhaltige Inhalte zugreifen wie mit einem iPad. Das ist der künstlichen Verknappung der alten Medienwelt genau entgegengesetzt. Und darum werden nur exzellente Inhalte gewinnen, nicht die Strategien von gestern.

Das ist doch nicht wirklich ernst gemeint, oder? Das kann einfach nicht ernst gemeint sein. Das muss Satire sein. Die Pointe ist sogar fett gedruckt. Ein etwas grober Klotz – zugegeben – aber ich habe gelacht.

Das Urheberrecht der Kobolde

Ich hab mir nochmal den siebten Teil von Harry Potter angehört – und seitdem verstehe ich die Urheberrechtsdebatte wieder viel besser:

Bill: You must be exceptional careful: goblins‚ notion of ownership, payment and repayment are not the same as human ones.

Harry: What do you mean?

Bill: We are talking about a different breed of being. Dealings between wizards and goblins have been fought for centuries. But you know all of that from History of Magic. There has been fault on both sides. I would never claim that wizards have been innocent.

Bill: However, there is a believe among some goblins – and those at Gringotts are perhaps most prone to it – that wizards cannot be trusted in matters of gold and treasure. That they have no respect in goblin ownership.

Harry: I respect…

Bill: You don’t understand, Harry. Nobody could understand unless the have lived with goblins. To a goblin, the rightful and true master of any object is the maker, not the purchaser. All goblin-made objects are in goblin’s eyes rightfully theirs.

Harry: But… if it was bought…

Bill: … then they would consider it rented by the one who paid the money. They have however great difficulties with the idea of goblin made objects passing from wizard to wizard.

Bill: They consider our habit of keeping goblin made objects, passing them from wizward to wizard without further payment little more than theft.

Satire-Mimikry

Ars Technica über das Phänomen Stephen Colbert:

As the authors put it, „conservatives were more likely to report that Colbert only pretends to be joking and genuinely meant what he said while liberals were more likely to report that Colbert used satire and was not serious when offering political statements.“

Das klappt auch in Deutschland. Ich für meinen Teil glaube dass Bruno Jonas jeweils einen anderen Standpunkt einnimmt als ich.

Im Internet sind alle Surfer grau

Die Empörung ist wieder groß:

Unbekannte Internet-Surfer haben die Opfer des Amoklaufs von Winnenden und Wendlingen verhöhnt.

Und ja: es war mal wieder krautchan, die mehr oder weniger gelungene Kopie von 4Chan. Interessanterweise sieht sich keiner der Kollegen in der Lage seinen Lesern zu vermitteln, was krautchan denn nun ist. Würde man die Seite als „Forum für meist geschmacklose Witze“ bezeichnen, wäre die Luft aus der Meldung raus. Der Neuigkeitswert wäre so groß wie die Schlagzeile „Franz-Josef Wagner hat wieder was unglaublich Borniertes geschrieben“. Nach der rudimentären Beschreibung des Bildes gehe ich zudem davon aus, dass nicht die Opfer von Winnenden, als vielmehr bild.de und Angela Merkel Ziele der „Verhöhnung“ waren.

Interessant ist der Kontext. So schließen die Stuttgarter Nachrichten die Meldung mit einem Absatz über die 60 Beschwerden, die beim Presserat eingegangen sind. Wohlgemerkt: nicht über „das Internet“, sondern über die besten Adressen des deutschen Journalismus.

Die Süddeutsche schließt auch mit einem ganz anderen Thema:

Unterdessen hat EU-Kommissarin Viviane Reding den Umgang einiger Medien mit dem Amoklauf in Winnenden scharf kritisiert und mehr Datenschutz im Internet gefordert. „Ich glaube, dass zumindest die Online-Profile von Minderjährigen unbedingt standardmäßig als ‚privat‘ eingestuft und für Internet-Suchmaschinen unzugänglich sein müssen“ […]

Auch hier wird der Eindruck vermittelt, dass „das Internet“ irgendwie Schuld wäre. Das Gegenteil ist hier der Fall: StudiVZ-Bilder sind zum Beispiel schon immer für Internet-Suchmaschinen unzugänglich, einige Medien dringen aber gezielt in diesen privaten Bereich ein.

Die Zeit schreit nach Satire

Grade lese ich bei der Netzeitung, dass Dieter Hildebrandt der Sendung Scheibenwischer die Namensrechte entzogen hat.

Der Sprecher des Bayerischen Rundfunks, Rudi Küffner, sagte: «Wir akzeptieren das, wenn Herr Hildebrandt das nicht mehr möchte.» Dies geschehe «schon alleine aus Respekt vor diesem großen Mann». Es gebe keinerlei Verstimmung, wenn Hildebrandt diesen Wunsch habe, sei er ihm zugestanden, betonte Küffner. Man sei derzeit ohnehin dabei, die Sendung neu zu konzipieren. Deswegen tue es nicht so weh, auch einen neuen Namen zu suchen.

Hildebrandt entzieht den Namen, aber es gibt keine Verstimmung. Soll das Satire sein?

Wenigstens sehen sie es jetzt ein. Bruno Jonas war ohne Hildebrandt nicht erträglich. Richling war es noch nie. Wer seine Nummern hauptsächlich mit lächerlichen Kostümen und vermeintlichen Sprachfehlern von Politikern bestreitet, macht noch lange kein politisches Kabarett.

Comedy bestätigt Vorurteile und Klischees, gutes Kabarett hingegen spielt mit ihnen und sollte den Zuschauer dazu bringen, ab und an mal nachzudenken – sich selbst in Frage zu stellen. Das wird beim Satire-Gipfel so wenig passieren wie auf einem Kölner Rosenmontags-Zug.

PS: Aprospos „keine Verstimmung“ – Richling schießt per Interviews in Focus und Spiegel zurück:

Auch ein einzelner Papst kann nicht dogmatisch festlegen, was Kabarett zu sein hat, und abweichende Vorstellungen der Exkommunikation unterwerfen.

Wenn man allerdings Richlings Kollegen-Verschleiß betrachtet, ist aus dem einzelnen Papst inzwischen ein ganzes Konzil geworden.

Satire und Technik

Ein lesenswerter Artikel der NYT. Ein Aspekt, der mich immer wieder erstaunt: welche Massen von Material die Mitarbeiter von Jon Stewart auswerten müssen.

Soon after Mr. Stewart joined “The Daily Show” in 1999, in the waning years of the Clinton administration, he and his staff began to move the program away from the show-business-heavy agenda it had under his predecessor, Craig Kilborn. New technology providing access to more video material gave them growing control over the show’s content; the staff, the co-executive producer Kahane Corn said, also worked to choose targets “who deserved to be targets” instead of random, easy-to-mock subjects.

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