„Wir haben verallgemeinert und überzeichnet“

Vor ein paar Wochen war ich auf dem Medienforum Köln. Auf einem Panel — es ging um Rundfunkregulierung und die Konzentrationsbeschränkungen — saß jemand von RTL und jemand von ProSiebenSat1. Der Moderator sagte etwas in der Art, dass RTL ja zum Glück nicht mehr von dem Problem betroffen sei und der Angesprochene konnte nur säuerlich nicken.

Ich gucke RTL nicht. Ich kann mich nicht einmal erinnern auf welchem Programmplatz ich den Kanal auf meinem Fernseher abgelegt habe. Wenn jemand etwas vor mir verbergen will, soll er es über die RTL-Frequenzen in 40 Millionen Haushalte schicken – ich werde es nie erfahren. Trotzdem habe in der letzten Woche einen Einblick bekommen, warum der einstige Fernseh-Pionier, das Schreckgespenst der Eltern in meinem Kinderalter, nicht mehr unbedingt den besten Stand hat.

Da ist zum einen dieser dämliche Bericht über einen der „vielleicht klügsten Kopf NRWs“. Der hat ein Betriebssystem programmiert, das Windows- und Mac-Programme gleichermaßen ausführt. „Eine Weltneuheit“, resümiert der Reporter von „Guten Abend RTL“. Natürlich war es keine Weltneuheit, natürlich haben ein paar Schüler kein neues Betriebssystem entwickelt, das mal eben nativ Windows- und OS X-Programme ausführen kann. Aber das hat RTL auch nicht interessiert. Man sehe sich nur die Bauchbinde von einem Interview mit den hoch begabten Teenagern an.

„Ist erst 16 Jahre alt“. An solchen Bildunterschriften sind keine Budgeteinsparungen schuld, keine Koketterie, keine geheime Markenstrategie. Es ist pures Desinteresse. Das Thema hat mit Computern zu tun? Schnell, schmier ein paar Klischees drüber, denn UNSERE ZIELGRUPPE INTERESSIERT DAS NICHT“ (An dieser Stelle stelle man sich den Zurück-in-die-Zukunft-Bösewicht Biff Tannen vor, wie er den zuständigen Redakteur am Kragen packt und ihm auf die Stirn klopft „Hallo??? Ist irgendjemand ZU HAUSE???“)

Und dann noch diese Unsäglichkeit zur Gamescom, über die anderswo nun wirklich genug geschrieben wurde. Meine Frage ist da: Merkt ihr noch was? RTL2 kriecht der Internet-Zielgruppe zu jeder Gelegenheit — also wenn eine Veranstaltung im Umkreis von Köln stattfindet und die Anreise nichts kostet — mit Anlauf in den Allerwertesten. Dann werden relativ unspektakuläre ESL-Ausscheidungen zum Top-Thema in den Haupt-„Nachrichten“ des Konservensenders. RTL hingegen will seriös sein und packt quasi jeden Erwachsenen unter 35 in die Freak-Schublade.

Ich weiß: ich überhöhe hier zwei dämliche Beiträge zweier dämlicher Sendungen. Bemerkenswert finde ich aber die Stellungnahme in eigener Sache, die RTL zur Besänftigung der Gamer nachgeschoben hat: „Wir haben verallgemeinert und überzeichnet“ heißt es da. Als ob „RTL explosiv“ das nicht nach jedem Beitrag zu jedem Thema sagen könnte. Dass sie es diesmal ausgesprochen haben, liegt an einem kleinen Shitstorm, den die Gamer inszeniert haben. Und nach 10 Jahren Netzpolitik kann ich sagen: Die Gamer sind nicht besonders gut im politisch-medialen Spiel. Dass sie sich über RTL-Sendungen aufregen, liegt vermutlich daran, dass sie das Programm gar nicht mehr kennen.

Wenn man nach Klischees geht, sind Öffentlich-Rechtliche verstaubt, in der Vergangenheit verhaftet, Loriot ist einer ihrer frischesten Comedians. Doch sie haben mittlerweile die dritte Generation an Computermagazinen am Start, die wahrscheinlich 17jährige nicht übermäßig ansprechen, aber sie doch nicht verspotten. Was läuft auf RTL und ProSieben, was den Normal-Nerd (ja, Nerd-Tendenzen sind heutzutage ziemlich Mainstream) interessieren würde? Wo bekommt man Gedankenfutter her, das nicht in den USA hergestellt und in deutschen Synchronstudios hemmungslos kastriert wurde? Wo ist die Computersendung von RTL? Oder eine Sendung die sich für Facebook-Nutzer interessiert, die nicht nur lustige Videos sammeln oder von finsteren Typen vergewaltigt werden? Wo?

Re-Branding

Wann wird eigentlich „RTL aktuell“ in „Punkt 12 pro“ umbenannt?

RTL und ich

Die Überschrift ist irreführend – denn eigentlich wohnen RTL und ich in unterschiedlichen Sphären. So lese ich bei heise:

Mit einem ähnlich hohen Beliebtheitsgrad können die Multimedia-Plattformen YouTube und Clipfish aufwarten 87 % respektive 78 %. YouTube konnte seit der letzten Untersuchung um fast 30 Prozent zulegen.

78 Prozent kennen Clipfish? Ich wohne quasi im Internet und mir ist die Seite bis auf ihre Existenz fast unbekannt. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich da mal einen Clip angesehen habe oder auch dass mir irgendjemand mal einen Link darauf gezeigt hätte.

Gleiches Phänomen bei Wer-kennt-wen – fünf Millionen Nutzer und ich kenne keinen einzigen davon. Ich habe schon oft von StudiVZ und Facebook reden gehört, aber nie von Wer-kennt-wen. Keine Einladung, kein zufällig mitgehörtes Gespräch im Fitnessstudio – nichts.

Der gemeinsame Faktor: Beide Portale gehören RTL. Ich besitze zwar noch einen Fernseher – wann bei mir das letzte Mal RTL lief, ist mir aber unbekannt. Auf welchem Programmplatz ich den Sender abgespeichert habe – keine Ahnung. Und so bekomme ich die zahlreichen Werbespots nicht mit, die RTL in eigener Sache so schaltet.

Aber reicht das schon? Kann das ach so tot gesagte Fernsehen ohne Probleme durch repetetive Werbespots die Web 2.0-Erfolge aus dem Boden stampfen? Oder sind viele Menschen von Natur aus RTL-Zuschauer und leben glücklich in einer Welt, die mir fremd ist? Verpasse ich da vielleicht etwas?

clipfish

Ähm, ja. Offenbar nicht.

RTL2 muss nicht sein, Arroganz aber auch nicht

Spannende Idee: Ein Fernseh-Programm ohne RTL2, dafür mit einem Radio-Programm. Bei den Verlagen sind die Macher abgeblitzt, nun suchen sie im Internet Abonennten.

Prinzipiell würde ich zum sehr interessierten Kreis gehören. Aber warum kann man die wenigen Muster-Seiten nicht lesen? Gerade die Programmauswahl ist angesichts immer neuer Digitalkanäle die Quadratur des Kreises. Wenn die Programm-Macher nicht mal verraten, welche dieser Kanäle sie denn bemerkenswert finden oder dem künftigen Leser die redaktionelle Aufarbeitung des Programms eines beliebigen Tages zeigen können, sollen wir wohl die Katze im Sack kaufen. Oder erwarten sie, dass wir uns ins Layout verlieben?

Zudem scheint mir das Konzept überladen und ein wenig etepetete. Autoren-Texte von Charlotte Roche über Simone de Beauvoi interessieren mich nicht. Die sonstigen Themen: Dschungelcamp und Radio-Tatort. Nicht vielversprechend.

Und ist es nicht arrogant, wenn die Jungverleger zwar im Internet um Abonnenten werben, im Heft-Konzept die „neuen Medien“ aber komplett ignorieren? Stattdessen wird ein bundesweiter Theater-Kalender auf zwei Seiten gedruckt. Wohl für Leute, die auf dem Weg nach Bayreuth mal eben die Medienentwicklung verschlafen.

PS: Ich hab mir jetzt einen digitalen Videorekorder bestellt. Wozu brauche ich überhaupt noch Tageslistings?

Werbekrise auch im Online-TV?

Peer Schader hat einen offensichtlichen Werbeverlust im RTL-Programm bemerkt. Müssen billige Shows jetzt noch billiger werden? Aber positiver Nebeneffekt: Es ist mehr Platz für Wer-kenn-Wen-Werbespots.

Aber nicht nur die Offline-Medien in Deutschland haben das Problem. Denn schon seit Wochen ist beim Online-Angebot von Comedy Central – zum Beispiel in den Strams von The Colbert Report oder The Daily Show with Jon Stewart – nur ein einziger Werbekunde aktiv: Comedy Central selbst. Und es laufen immer nur die selben zwei Spots:

comedy-central-eigenwerbung

Werbekrise beim Online-TV? Oder haben die Werbekunden bemerkt, dass Werbespots für US-Produkte bei europäischen IP-Adressen schlichtweg sinnlos sind?

Der Gesundheitsminister warnt: Zappen ist gefährlich

Das Bild baut sich schnell auf – Analoganschluss. Ein Mann (Typus: Atze Schröder) und eine Frau (Typus: blond) stehen auf beiden Seiten eines billigen Maschendrahtzauns und unterhalten sich. Er spricht:

„Ich mein… also… wieviele Männer sehen hinter Deine Brüste in deinen Kopf rein?“

Wieso um Gottes Willen habe ich RTL 2 abgespeichert?