Der Wall

Bundesfamilienministerin von der Leyen hat dem Hamburger Abendblatt ein Interview gegeben:

Abendblatt: Was unternimmt die Regierung?
Von der Leyen: Das Allerwichtigste ist, dass das BKA wie bisher Täter ermittelt und gezielt Quellen schließt. Das reicht nicht. Ich will einen Damm bauen gegen die Flut der Bilder, indem wir den Zugang für den Kunden blockieren.

Abendblatt: Heißt konkret?
Von der Leyen: Wir schließen die Datenautobahn der Kinderpornografie. Das BKA erstellt Listen der kinderpornografischen Websites. Jetzt sollen die Zugangsanbieter gesetzlich verpflichtet werden, die Listen zu beachten und solche Websites unverzüglich zu schließen. Der Kunde klickt an und läuft ins Leere – kein Anschluss unter dieser Nummer. Das ist technisch möglich, und es ist rechtlich möglich.

Klingt toll, oder? Das Problem: Es ist eine politische Version der Wahrheit – um nicht zu sagen: eine Lüge. Es gibt keine separate „Datenautobahn der Kinderpornographie“.

Kinderpornoseiten kann man überall schließen, wo man einen funktionierenden Rechtsstaat hat. Das wird heute schon gemacht. Das reicht Frau von der Leyen nicht. Sie plädiert in dem Interview nicht etwa dafür, Seiten zu schließen – sie will sie lediglich für Deutsche unzugänglich machen.

Wie geht das? Die politische Vision: Jeder deutsche Internetprovider bekommt einen schlauen, grauen Kasten, der das gute Internet vom bösen Internet unterscheidet. Aber wir wissen ja, wie gut graue Kästen bei solchen Fragen arbeiten. Und die Kinderpornos bleiben weiter online, die Verbrecher verdienen weiter Geld.

Der „Wall“, den die Ministerin aufschütten will, ist eine schöne Metapher. Denn Wälle alleine halten niemanden ab, im schlechtesten Fall braucht man eine Leiter um sie zu überwinden. Oder man umgeht sie einfach. Will Frau von der Leyen die Verbreitung wirklich ein wenig einschränken, dann muss der Wall schon etwas höher werden. Und aus solidem Stein gebaut sein. Und muss mit Tausenden von Soldaten besetzt sein. Man nennt es auch die Große Firewall von China, eine der massivsten und repressivsten Zensurmaßnahmen, die wir bisher kannten.

Und selbst diese Mauer ist durchlässig.

PS: Wenn Frau Leyen nach der „Einstiegsdroge“ sucht, kann sie ja mal VIVA einschalten.

Prophet Sodann

Peter Sodann hat keine Chance auf das Bundespräsidentenamt. Das weiß er, das wissen wir. Seine Aufgabe: Er soll für Stimmung sorgen. Ein paar realitätsferne Vorschläge, die an den Grundlagen der Gesellschaft rütteln – sofern sie denn jemand ernst nähme. Wir kennen das ja. Und so poltert er in Stammtischmanier gleich los, Ackermann gehört doch verhaftet. Jawohl!

Unverhoffte Unterstützung könnte er bekommen. Denn das FBI verschiebt grade mal wieder seinen Fokus:

The Federal Bureau of Investigation is struggling to find enough agents and resources to investigate criminal wrongdoing tied to the country’s economic crisis, according to current and former bureau officials.

The bureau slashed its criminal investigative work force to expand its national security role after the Sept. 11 attacks, shifting more than 1,800 agents, or nearly one-third of all agents in criminal programs, to terrorism and intelligence duties. Current and former officials say the cutbacks have left the bureau seriously exposed in investigating areas like white-collar crime, which has taken on urgent importance in recent weeks because of the nation’s economic woes.

The pressure on the F.B.I. has recently increased with the disclosure of criminal investigations into some of the largest players in the financial collapse, including Fannie Mae and Freddie Mac. The F.B.I. is planning to double the number of agents working financial crimes by reassigning several hundred agents amid a mood of national alarm.

Eine spannende Entwicklung: Die US-Regierung zieht Drittel verwandelt ein Drittel der Bundespolizei in einen Geheimdienst, der nur noch dann der Verfassung und dem Rechtsstaat verpflichtet ist, solange niemand „Terrorismus“ ruft. Und nun werden siese Leute auf die Jagd geschickt nach Kriminellen Maipulatoren.

Besonders diese Zitat stimmt bedenklich:

“To fix our system and prevent a repeat of the events we now see,” they wrote in a letter this month to Robert S. Mueller III, the F.B.I. director, “we have got to set an example by bringing the full might of federal law enforcement against the people who illegally profited or destroyed companies at the expense of our country.”

Es geht nicht um Kriminalität und Recht, es geht um nationale Interessen. Und da fallen ja bekanntlich viele Schranken.

Herr Ackermann muss sich keine Gedanken machen, in Guantanamo aufzuwachen. Wenn die Agenten jedoch die gleichen Methoden anwenden wie bei ihren Terrorermittlungen, dürften auf die Deutsche Bank ein paar sehr merkwürdige Geschäftsvorschläge zukommen. Und den Blackberries würde ich an ihrer Stelle nicht allzu viel Vertrauen schenken.

Was hilft gegen Datendiebstahl? Mehr Datenbanken!

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter hat eine Erkenntnis:

„Die Telekom-Affäre ist eine Riesenchance für den Datenschutz, die wir nutzen müssen. Es ist doch offensichtlich, dass sensible Kundendaten bei privaten Unternehmen mehr als schlecht aufgehoben sind“, sagte BDK-Vorsitzender Klaus Jansen der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Wer würde da nicht zustimmen? Der Lösungsvorschlag für das Dilemma ist hingegen weniger konsensfähig:

Jansen forderte laut dpa, sämtliche Verbindungsdaten in einem Sicherheits-Center unter Aufsicht von Datenschützern zu hinterlegen. Darauf könnten dann sowohl Unternehmen zu Abrechnungszwecken als auch der Staat zur Strafverfolgung streng kontrolliert zugreifen. Technisch sei ein solches Verfahren nach Ansicht von Experten kein Problem, sagte Jansen. „Die heutige Praxis einer sechsmonatigen Speicherung direkt beim Telefonanbieter öffnet Missbrauch Tür und Tor.“

Auf gut Deutsch: Wir verhindern Datenmissbrauch, wenn wir die Daten nicht nur in einer, sondern gleich in zwei Datenbanken speichern. Denn die Telekom hat ja im aktuellen Skandal nicht etwa auf die Vorratsdatenspeicherung zugegriffen, sondern auf die Abrechnungsdaten, die bei einem Telefonprovider nun mal anfallen müssen.

Um das Konzept von Jansen richtig würdigen zu können, übertragen wir es einfach mal in die physische Welt. Um Bankraub zu verhindern, wird in jeden Tresorraum eine zweite Tür eingebaut, deren Schlüssel bei der Polizei hinterlegt werden muss. Klingt das sinnvoll? Welcher Experte soll diesem Irrwitz eine problemlose Umsetzung prophezeit haben?

Ich gehe mal davon aus, dass Jansen bei seiner Betonung der Rolle des Datenschützers keinen besonderen Wert mehr auf einen kompetenten Richtervorbehalt legt. Wenn die Daten doch schon mal da sind, warum sollten rechtschaffene Diener des Rechtsstaates erst nach einem bürokratischen Hürdenlauf drauf zugreifen können?

Terrordateien können tödlich sein

Diese Meldung sollte man in Erinnerung halten:

Der fälschlicherweise als Terrorverdächtiger eingestufte 27-jähriger Elektriker Jean Charles de Menezes war von der Polizei überwacht worden. Die Sicherheitskräfte hatten ihn mit dem Attentäter Hussein Osman verwechselt. Dieser war später wegen versuchter Bombenanschläge in der Londoner U-Bahn zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Als Menezes am 21. Juli 2005, einen Tag nach einer gescheiterten Anschlagsserie, die Londoner U-Bahn-Station Stockwell betrat, töteten ihn Polizisten mit sieben Kopfschüssen aus kurzer Distanz. In einem Untersuchungsbericht war kritisiert worden, de Menezes habe keine Chance gehabt, seine Unschuld zu beweisen.

Terrordateien können tödlich sein.

Internationales Recht

Manchmal fällt es schwer an internationales Recht zu glauben. Dass nicht der Stärkere entscheidet. Dass es nicht darauf ankommt, wo man sich grade befindet. Oder welche mächtigen Freunde man hat.

Ein betrunkener Blackwater-Mitarbeiter, der nicht in Dienst war, erschoss Weihnachten 2006 in der Hochsicherheitszone von Bagdad einen Sicherheitsbeamten des irakischen Vize-Präsidenten. Der Mann wurde mit Hilfe des US-Außenministeriums sofort zurück in die Vereinigten Staaten gebracht und gefeuert, aber nie vor Gericht gestellt.

Sind Tornode-Betreiber Verbrecher?

Kai Raven berichtet von einem interessanten Fall, in dem vorgeführt wie die Praxis von Anti-Terror-Dateien aussieht.

Wie der Tor Admin mitteilte, hat er einige Zeit nach der obigen Geschichte einen anonymen Hinweis erhalten, der besagte, dass gegen ihn eine Maßnahme zur Überwachung seiner Telekommunikation läuft bzw. lief und er in „bestimmten Datenbanken“ erfasst worden sei. Seit Monaten versucht nun der Tor Admin an offizielle Informationen zu gelangen, um welche Maßnahmen und Datenbankerfassung es sich handelt.

Das Betreiben von Tor-Servern scheint zwar nicht direkt verboten zu sein, aber auch nicht wirklich erlaubt. Und da dem Betreiber über Monate nichts mitgeteilt wird, belässt man ihn in einer Grauzone. Er kann offenbar in absehbarer Zeit nicht damit rechnen, dass ihm konkrete Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten vorgeworfen werden – alle Sicherheitsdienste dürfen ihn aber gründlich unter die Lupe nehmen. Wollte er bei einem Ereignis wie der Fußball-Weltmeisterschaft auch nur Würstchen verkaufen, hätte er wohl keine Chance.

Aber da ja die Strafverfolger keine Rechenschaft über solche Dinge ablegen müssen, ist das alles reine Spekulation.

There goes the Rechtsstaat

Muss man das noch kommentieren?

US-Präsident George W. Bush hat den früheren Stabschef von US-Vizepräsident Dick Cheney, Lewis „Scooter“ Libby, die zweieinhalbjährige Haftstrafe erlassen. Bush bezeichnete eine Freiheitsstrafe als übertrieben. Die Geldstrafe von 250.000 Dollar und die zweijährige Bewährungsstrafe hielt er aber aufrecht. Dies sei immer noch eine „harte Bestrafung“ für Libby, erklärte Bush.