Jens Jessen empört sich über die Auswüchse des ach so anonymen Internets und spricht von einem „Paralleluniversum mit weitem Raum für kriminelle und halbkriminelle Aktivitäten“.
Man kann dem viel entgegnen, hier nur ein Gedanke: Es ist kein Paralleluniversum, es ist dieses, unser Universum. Zwar fühlen sich im Internet viele unerkannt und anonym, in Wahrheit ist es damit aber nicht weit her. Man stelle sich vor, man müsste auf der Straße immer ein zwölfstelliges Nummernschild vor sich hertragen und Kameras würden die Nummer an jeder zweiten Ecke registrieren. Aber im Wesentlichen gelten die gleichen Regeln, die gleichen Mechanismen des Zusammenlebens.
Der Eindruck, dass es im Internet vor Verleumdung und Diebstahl nur so wimmelt, ist auch ein Wahrnehmungsproblem – ein Problem der Sichtbarkeit: Hätte man in den 80ern früher jede getauschte Musik-Kassette auf dem Schulhof per IP erfasst würde – die Jugendkriminalität wäre durch die Decke gegangen. Und wenn man alle Gespräche in einer Kneipe niederschreiben würde, würde man einen Moloch aus Unwissen, Betrug und Verleumdung entdecken. Der Presserat würde geschlossen zurücktreten und Marienhof wäre ein heißer Anwärter auf den Literatur-Nobelpreis.