Theorie und Anwendung

Der Spiegel hat einen Artikel über die Arbeit des Wirtschaftshistorikers Eckhard Höffner veröffentlicht. Grundthese: durch die spätere Einführung beziehungsweise Durchsetzung des Urheberrechts profitierte Deutschland im Gegensatz zu Großbritannien.

Höffners Fleißarbeit ist die erste wissenschaftliche Arbeit, in der die Auswirkungen des Urheberrechts über einen vergleichbar langen Zeitraum und anhand eines direkten Vergleichs zweier Länder untersucht wird. Seine Erkenntnisse sorgen in der Fachwelt für Aufregung. Denn bislang galt das Urheberrecht als große Errungenschaft und Garant für einen florierenden Buchmarkt. Demnach werden Autoren nur dann zum Schreiben animiert, so die Lehrmeinung, wenn sie ihre Rechte gewahrt wissen.

Doch die Geschichte zeigt ein ganz anderes Bild:

In Deutschland hingegen saßen den Verlegern Plagiatoren im Nacken, die jede Neuerscheinung ohne Furcht vor Strafe nachdrucken und billig verkaufen durften. Erfolgreiche Verlage reagierten mit Raffinesse auf die Abkupferer und ersannen eine Form der Publikation, wie sie noch heute üblich ist: Sie gaben edle Ausgaben für Wohlhabende heraus und günstige Taschenbücher für die Masse.So entstand ein ganz anderer Buchmarkt als in England: Bestseller und wissenschaftliche Werke wurden in großer Stückzahl und zu Ramschpreisen unters Volk gebracht."So viel tausend Menschen in den verborgensten Winkeln Teutschlands, welche unmöglich, der theuren Preise wegen, an Bücher kaufen denken konnten, haben nach und nach eine kleine Bibliothek mit Nachdrucken zusammengebracht", notierte der Historiker Heinrich Bensen verzückt.

Die Engländer mit ihren Nobel-Bänden versinken in Lethargie, die Taschenbuch-Deutschen hingegen werden die Meister des Wissens, deutsch wird zur Sprache der Gelehrsamkeit weltweit. Die Lehre ist klar: Macht Bücher billig und ihr könnt das Weltwissen erobern. Danke, Herr Höffner, das ist ein wichtiger Hinweis.

Ach ja, was kostet die Langfassung dieser Botschaft? Kauft man beide Bände einzeln, zahlt man 138 Euro – im Verlag Fifo Ost (Gesellschafter: Eckhard Höffner) gibt es beide Bände zum Schnäppchenpreis von nur 100 Euro – natürlich zuzüglich Versand. Eine elektronische Fassung oder eine Taschenbuch-Ausgabe scheint es nicht zu geben.

Gewöhnt Euch dran!

Am Rande der re:publica hatte ich ein sehr interessantes Gespräch mit Edward Hasbrouck, der mir einen beunruhigenden Ausblick in die Zukunft gab. Grundthese: Es gibt keine Flugzeuge, die mit alternativen Energien fliegen. Wenn die Erdöl-Preise steigen, wenn eine angemessene CO2-Steuer durchkommt, wird nicht nur die Zeit der Billigflieger vorbei sein – das Reisen per Flugzeug wird zum absoluten Luxusgut.

Wir erleben grade, wie ein paar Tage Flugausfall wie der Untergang des Abendlandes gefeiert werden: eine Kanzlerin im Bus, Kondensstreifen, Milliardenschäden nicht nur für die Luftfahrtunternehmen. Stellt Euch vor, das wird zum Dauerzustand. Was wird aus Hawaii, wenn der Massentourismus nicht mehr ein paar Tausend Meilen überbrücken kann? Was wird aus philipinischen Gastarbeitern, die sich keinen Heimflug mehr leisten können? Wann wird das Wort „Fernbeziehung“ zu einem beschönigenden Wort für „Zölibat“?

Auf der anderen Seite: Flughafen-Hopping wird unbezahlbar. Wenn wir also in die USA reisen, dann fliegen wir nicht zurück bevor der Jetlag abgeklungen ist, sondern bleiben mindestens drei Wochen da. Und die Schiffsreise wird zur Norm, das leicht wogende Unterdeck zum neuen Lebensraum, die Reise zum nächsten Kontinent wird selbst zum achten Kontinent.

Das Download-Paradoxon

Wenn man sich direkt beim Hersteller Adobe Photoshop Elements 8 bestellen will, hat man die Auswahl: lässt man sich eine DVD schicken oder lädt man die Software einfach runter. Keine Zwischenhändler, kein Hochregallager, kein Lieferant mit Mindestlohn, keine gepresste DVDs, keine Updates direkt nach der Installation – der Download muss doch billiger sein?

Nein.

Ach ja: wenn man über den Zwischenhändler Amazon bestellt, der sicher eine einträgliche Marge draufschlägt, ist das Ganze 25 Euro billiger.

Hey, Kölnmesse!

messe-wlan

8 Euro für eine Stunde WLAN, 25 Euro für einen Tag. Und das auf der gamescom, die man fast „IT-Messe“ nennen kann. Wo Tausende kaufbereiter Jugendlicher mit iPhone und Playstation Portable durch die Hallen streifen, in denen Computerspiele angepriesen werden, die es nur zum Download gibt. Jugendliche, die ihre Begeisterung gerne ihrem sozialen Umfeld mitteilen würden. Online und in Echtzeit.

Ich verstehe, wenn ein gesichertes Netz mit garantierter Bandbreite für Aussteller extra abgerechnet wird. Aber das? Internetzugang ist kein exotischer Sonder-Service für Business-Kundschaft, es ist eine Basis-Infrastruktur. Wenn ihr das nicht mit den Eintrittspreisen finanzieren könnt, solltet ihr nochmal gründlich kalkulieren. Alleine die zusätzlichen Verkaufsumsätze der Aussteller dürften die Kosten mehr als ausgleichen, die kostenlose Mund-zu-Mund-Propaganda macht das ganze zum No-Brainer. Und das Ganze Papier-Infomaterial, das durch einen simplen Link ersetzt werden kann und doch nur Taschen und Mülleimer verstopft.

Denkt nach, Messeveranstalter. Und das bald!

Sperrfristen FTW

Ich bin wirklich beeindruckt: Obwohl heute inzwischen jeder vom Eklat bei der Verleihung des Deutschen Fersnehpreises berichtet, rückt niemand damit heraus, mit wem der große Marcel Raich-Radetzky nicht in einer Reihe stehen wollte.

Auswahl gibt es ja genug: Vom unsäglichen Kerner über den leider zur Räuberpistole abgedrifteten Kriminaldauerdienst bis zu vielen Leuten und Sendungen, von denen ich nie gehört habe – und falls ich davon gehört habe, würde ich sie nicht einschalten.

Ist das Ganze ein Debakel? Kaum. Mehr Berichterstattung hat dieser Preis wohl nie gehabt, selbst ZDF-Verweigerer wollen heute abend einschalten.

Die Mainzer planen übrigens schon eifrig an der versprochenen Sendung. Ob die parallel zu Schmidt und Pocher auf Sendung geht? Falls ja: im Anschluss könnte das ZDF doch bitte diesen Film zeigen.

PS: Eine wollte dann doch Spielverderberin sein. Elke Heidenreich verrät auf FAZ.Net, zum Beispiel, dass „Deutschland sucht den Superstar“ zur besten Unterhaltungssendung gekürt wurde und wo ihre Prioritäten liegen, in dem sie von sich selbst nicht nur ersten, sondern auch in der zweiten Person spricht:

12. Oktober 2008 Ich kann mich auf meinen Sechsten Sinn verlassen. Er sagte mir: geh’ hin zum Deutschen Fernsehpreis, schließlich kriegt den Marcel Reich-Ranicki, dem hast du viel zu verdanken, zeig’ und sag’ ihm das, aber geh’ nicht zu früh, es ist immer grässlich da, und du bist selbst fernsehberühmt, und sie setzen dich in Reihe vier und filmen ununterbrochen deine Reaktionen.

Ich kam also schön zu spät, nachdem das Stehpalaver vorbei war, meine Plätze (ja! Reihe vier!) zum Glück vergeben waren, und ich konnte mit meinem Mann ganz friedlich und von Kameras unbelästigt irgendwo hinten sitzen. So.

PPS: Auf Spiegel Online erinnert Christian Buß daran, dass Reich-Ranicki mit seinem literarischen Quartett selbst der Unterhaltungsmaschinerie zuzurechnen ist, der er sich so mutig medienwirksam widersetzt hat. Zurecht. (Der Gag mit Atze Schröders Schamhaarperücke ist aber unnötig.)

Ob der Auftritt des erzünten Kritikers tatsächlich so kalkuliert war wie Buß nahe legt – ich weiß es nicht. Es interessiert mich aber auch nicht wirklich. Wer in der Inszenierung das Wahre sucht, findet halt oft nur den besseren Schauspieler.

Von der Bahn lernen

Ein klassisches Lehrstück. Die Bahn kündigt eine Fahrpreiserhöhung und eine umstrittene neue Schalter-Gebühr an. Nach viel Aufregung wird die Gebühr zurückgenommen, die Fahrpreiserhöhung bleibt aber. Pure Ablenkung?

Wie wäre es, wenn man das Konzept ins Privatleben überträgt?

Ja, Schatz. Meine Sekretärin war mit mir auf Dienstreise. Im selben Hotelzimmer. Übrigens: Ich hab Dir ins Frühstücksmüsli gespuckt. Und heute abend überfahre ich Deine Katze.

Baut Barrikaden aus brennenden BMWs

Als ich zuerst gelesen habe, dass ein BMW-Farer seine Uralt-Karre aus Protest gegen die Spritpreise verbrannt hat, dachte ich an eine virale Marketing-Aktion. Beim Interview stellt sich das jedoch anders dar:

FOCUS Online: Etwas muss in Ihrer Planung aber wohl schief gelaufen sein. Es hieß, ursprünglich wollten Sie die Aktion in Berlin machen?

Neugebauer: Richtig. Vor dem Brandenburger Tor. Auf der linken Seite ist ein freier Platz. Ich bin aber dummerweise auf der A66 in die falsche Richtung abgebogen und nach Frankfurt gefahren. Da habe ich kurzfristig umdisponiert.

Und dann nicht mal die Rechte an RTL verkauft.

Irreführende Preise: Ryanair offline

Ich frage mich ja schon länger, warum die meiner Ansicht irreführende Werbung der so genannten „Billigfliegern“ so lange toleriert wird. Die Briten werden jetzt tätig – und sie setzen die Daumenschrauben an, wo es richtig wehtut.

Ryanair muss seine Webseite drei Tage lang schließen, weil die Firma Verbraucherschutzrichtlinien verletzt hat. Während dieser Zwangspause wird die Firma ihre Internetpräsenz anpassen.

[…]

Das OFT hatte im vergangenen Jahr 13 Fluggesellschaften, unter ihnen auch Ryanair, aufgefordert, ihre Buchungsseiten so zu ändern, dass die dort beworbenen Preise dem tatsächlichen Endpreis entsprechen. Bis Ende Januar stellten 12 Fluggesellschaften ihre Internetpräsenz dementsprechend um. Nur Ryanair blieb diese Umstellung schuldig und verwies auf „technische Schwierigkeiten“.

McWLAN – was soll der Geiz?

Schon seit anderthalb Jahren hat MacDonalds in den meisten Filialen Hotspots von T-Mobile untergebracht. Die Nachfrage scheint nicht so toll zu sein – oder die Konkurrenz durch UMTS-Handies und Gratis-WLAN in der Nachbarschaft wird zu groß. Jedenfalls hat man sich zu einer Änderung entschlossen. Bei MacDonalds kann man gratis surfen. Aber nur in „McCafe“-Filialen. Und nur eine Stunde.

Das ganze funktioniert so:

Um die „H@ppy-Hour@McCafé“ zu nutzen, braucht jeder Gast lediglich ein WLAN-fähiges Endgerät, z.B. Laptop, einen Internetbrowser und sein Mobiltelefon. Ganz einfach Laptop einschalten, sich mit dem kabellosen Netzwerk verbinden, Internet-Browser aufrufen und dann den Instruktionen im HotSpot Portal von T-Mobile folgen. Nach Eingabe der Mobiltelefonnummer (es werden alle gängigen deutschen Mobilfunkanbieter unterstützt) erhält der Gast per SMS seine Zugangskennung (PIN) für den einstündigen kostenlosen HotSpot- Zugang.

Noch einfacher geht es über eine Registrierung in der McVIP-Lounge auf der McDonald’s Website www.mcdonalds.de. Mit der dort hinterlegten Mobilfunknummer und dem persönlichen ständigen McVIP-Lounge Passwort kann jeder Gast diesen Service täglich ohne Zusendung einer PIN nutzen.

Was soll der Geiz? Ich habe noch nie jemanden mit einem Laptop in einem McCafe sitzen sehen. Befürchten sie, dass haufenweise Nerds plötzlich hier ihren ganzen Tag verbringen? Warum nicht einfach das WLAN freigeben? Denn dass jemand das Freikontingent überzieht und dann für 7,20 Euro pro Stunde weitersurft, kann man bei der heimeligen McAtmosphäre wohl ausschließen.