NPOV und die Anti-Islamisten

Da ist er nun: der Anti-Islam-Film, für den sogar Domain-Namen gesperrt werden, hat nach langen, langen Ankündigungen seinen Weg ins Netz gefunden.

Nach einem kurzen Drüberschauen kann ich mit Gewissheit sagen: billigste Polemik. Geert Wilders hat für seinen „Kurzfilm“ nicht mal eine Kamera in die Hand genommen – das Ganze ist ein Zusammenschnitt von Videos, der rein technisch und ästhetisch auf dem Niveau eines Hobby-Amiganers von 1998 liegt – vom Inhalt wollen wir mal schweigen.

Am Schluss hat Wilders aber einen kleinen Knalleffekt eingebaut: als Quasi-Impressum gibt er einen Wikipedia-Link an.

Liveleak Fitna

Das Kalkül ist eindeutig: Die Wikipedia kann man nicht so einfach sperren ohne für einen allgemeinen Aufschrei zu sorgen. Und mit seinem medialen Bohei hat sich Wilders ja einen Platz in der Wikipedia erkämpft. Falls Wilders für seine Polemik wieder einen Provider gefunden hat, müsste er zwangsläufig bei Wikipedia verlinkt werden – schließlich hat die Information der Leser hier höchste Priorität.

Der schwarze Peter liegt nun bei der Wikipedia: Die Seite wird offensichtlich instrumentalisiert. Was bedeutet das nun in Verbindung mit einem der Grundpfeiler der Wikipedia, dem neutralen Standpunkt? Ist es nun neutral, auf die Provokation nicht zu reagieren oder würde der NPOV gerade das verbieten? Muss die Wikipedia gegen den Film Stellung beziehen, um die eigene Neutralität zu betonen?

Das Ganze könnte ein Schuß ins Kontor sein. Kurzfristig hat die Wikipedia-Community aber eine harte Nuss zu knacken. Etwas entschärft wird das Problem dadurch, dass der angegebene Link nur auf eine Begriffklärungsseite verlinkt.

Für Zäune in den Köpfen

Ich wollte grade in einer Bäckerei gemütlich frühstücken, da plärrte es aus dem obligatorischen Fernseher in der Ecke. Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses Sebastian Edathy (SPD) will Autobahnbrücken per Videokamera überwachen lassen, um zu verhindern, dass Täter Gegenstände auf die Autofahrer darunter werfen. Die Idee ist so hinreißend dämlich, dass sich sogar der N24-Moderator zu einer kritischen Nachfrage hinreißen ließ.

Da kann ich nur sagen: Herr, wirf Hirn vom Himmel. Wenn es Autobahnbrücken geben sollte, wo so etwas tatsächlich häufig passiert – was ich bezweifle – was sollte man tun: Eine sündhaft teure Videoüberwachungsanlage zu montieren, die im Zweifel eh nur unscharfe und viel zu dunkle Bilder eines Täters liefern kann, der zu dämlich war die Kamera zu sehen. Oder: Einen Zaun anbringen, der viel billiger ist und verhindert, dass überhaupt so ein Mordanschlag geschieht?

Wäre Herr Edathy ein Hinterbänkler, könnte man die Sache abhaken. Ich fürchte aber, wir haben es mit einem ernsten Problem zu tun. Führende Innenpolitiker sind offenbar nicht mehr in der Lage Problemlösungen ohne Biometrie und Videoüberwachung auch nur in Erwägung zu ziehen. Warten wir zwei Jahre und Zigarettenautomaten werden videoüberwacht um den Jugendschutz zu gewährleisten.

300 Big Boys

Wirtschaftspolitik ist ja eher langweilig. Aber hier habe ich gestutzt:

Ab Mai soll den meisten amerikanischen Steuerzahlern ein Scheck in den Briefkasten flattern. Millionen Amerikaner bekommen eine einmalige Steuerrückzahlung in Höhe von 600 Dollar, Ehepaare das Doppelte, 1200 Dollar. Für jedes Kind gibt es noch mal 300 Dollar dazu. Und wer nicht genug verdient, um überhaupt Einkommensteuer zahlen zu müssen, bekommt auch 300 Dollar – außerdem kriegsversehrte Veteranen und ältere Bürger. Der US-Kongress ist stolz darauf, dass so schnell ein Kompromiss zustandekam, aber längst nicht alle sind damit zufrieden.

Eine Steuerrückzahlung von 300 Dollar an Nicht-Verdiener? Das kommt mir doch sehr bekannt vor – das stammt aus Futurama, 5.Staffel, 300 Big Boys. Ob Bush auch von voodoo economists beraten wird?

Ich muss jetzt los – 300 Tassen Kaffee trinken. Und mit einem Wal schwimmen.

Sorry Mom, the Ed has spoken

I hear those things are awfully loud…
It glides as softly as a cloud.
Is there a chance the track could bend?
Not on your life, my Hindu friend.
What about us brain-dead slobs?
You’ll be given cushy jobs.

Monorail!

Nicht ob, sondern wann. Trotzdem.

Unsere führenden Terrorpolitiker werben mit dem Slogan: Es ist keine Frage, ob ein Terroranschlag in Deutschland stattfinden wird – es ist nur eine Frage der Zeit. Ich glaube, Sie haben damit ausnahmsweise recht. Ohne zynisch klingen wollen: zu man muss sich nur ansehen, was sich 17jährige antun, um in Castings-Shows aufzutreten und dazu die Sendezeit addieren, die Attentäter bekommen. Dazu addieren wir noch die großen Ungerechtigkeiten der Welt und den unzähligen Möglichkeiten wirklich viele Menschen zu töten – das Ergebnis stimmt wenig optimistisch.

Es muss nicht passieren, aber die Wahrscheinlichkeit ist relativ groß dass Terroristen eine große Anzahl an Menschen in Deutschland töten oder verletzen. Im Anschluss an einen Anschlag setzt die rationale Wahrnehmung aus, das ist der ganze Sinn von Terroranschlägen. Man stelle sich vor, dass der Anschlag nicht nur durch den Fernseher in unser Leben dringt, sondern dass er quasi nebenan stattfindet. Dass uns nahestehende Menschen unmittelbar betroffen ist. Der Nachbar kommt um, die eigene Schwester wird schwer verletzt. Was liegt also näher als wenn wir unsere Überzeugungen jetzt aufschreiben, wenn die rationale Wahrnehmung noch in Ansätzen vorhanden ist? Auf diese Weise nimmt man den Terroristen den Überraschungsmoment und den allzu besorgten Innenpolitikern die scheinbar schweigende Mehrheit.

Ich mach mal den Anfang:

Punkt 1
: Terroranschläge sind nicht zu zu vermeiden. Die Polizei kann noch so wachsam sein, die Politik noch so konsensorientiert und vorausschauend – nichts hilft sicher gegen Idioten auf Mission. Wenn das Unvermeidliche passiert, sind Schuldzuweisungen zunächst nicht wichtig.

Punkt 2: Terroristen sind Verbrecher. Verbrecher sind Menschen. Mit allem, was dazu gehört. Zum Beispiel Menschenrechte.

Punkt 3
: Ich glaube nicht an den Erfolg übergreifender Überwachung. Schon heute kommen die Behörden nicht mit den Datenmassen nicht klar, die sie erheben. Backups gehen verloren, Visavergehen werden nicht weitergeleitet – gleichzeitig werden die plumpesten Fälschungen zu Beweisen erhoben. Wer Daten erheben will , muss erst beweisen, dass er damit umgehen kann. Gelegenheit dazu ist reichlich vorhanden.

Punkt 4
: Terroristen darf man möglichst nicht nachgeben. Wenn man eiligst Soldaten zurückzieht, Gefangene frei lässt oder Sanktionen aussetzt, erklärt man den Terrorismus zur Diplomatie mit anderen Mitteln. Das ist schon bei offiziellen Kriegen verheerend genug.

Vielleicht wollt ihr auch ein paar Punkte aufschreiben. Wenn der Anschlag denn kommt, könnt ihr die Punkte nochmal einer Prüfung unterziehen.

Die Jubeldatei

Im Juni stand Ronald Reagan vor dem Brandenburger Tor und deklamierte: „Mr. Gorbachev, open this gate! Mr. Gorbachev, tear down this wall!“. Die Menge jubelte. Wie es dazu kam, berichtet der US-Politiker John Kornblum in der Welt.

Ich sagte Henkel, dass unsere Experten sicher seien, mindestens 40.000 Menschen in der Sicherheitszone unterbringen zu können. Die Durchführung der Sicherheitschecks würden wir gewährleisten. Dieses Versprechen gründete sich eher auf eine Hoffnung denn auf Erfahrung, aber ich war fest entschlossen. Der Präsident sollte vor einer angemessenen Zahl von Zuschauern am Brandenburger Tor sprechen. Zurück im Büro, rief ich den Stab zusammen, um unsere Möglichkeiten zu diskutieren. Der Stab kam zu dem Schluss, dass man die Zuschauer vorab überprüfen könne, wenn man auf Mitglieder der amerikanischen Gemeinde und Angestellte großer deutscher Unternehmen in Berlin zurückgreifen würde, deren persönliche Daten bereits vorlägen. Das würde uns mehr als 40.000 Namen verschaffen.

An diesem Punkt kam uns unsere Befehlsgewalt über die Berliner Polizei sehr zunutze. Wir beschafften Daten aus dem Zentralregister der Polizei und luden sie in die Computer unserer Botschaft. So langsam wie Computer 1987 noch waren, dauerte das mehrere Tage, hatte aber Erfolg. Am Ende waren es mehr als 40.000 Menschen.

Unschöne Parallelen

Bei Google Video findet sich eine erschütternde WDR-Reportage, die der These nachgeht, dass sich bei den Krawallen zum G8-Gipfel in Genua 2001 Politik und Polizei gezielt den Schwarzen Block schützten und koordinierten, während friedliche Demonstranten und Journalisten grundlos zusammengeknüppelt, Beweise gefälscht und Menschen schließlich sogar gefoltert wurden.

(via)